Eindrücke vom Fernen Osten Kretas
Copyright puchheim = MartinPUC. Oktober 2003, August 2006


Wieder zu spät angekommen in Sitía, mit der Fähre von Kárpathos her, um nach dem gut 20–minütigen Schwitzen mit vollem Gepäck am Busbahnhof außerhalb der Innenstadt das letzte Gefährt nach Zákros (14:30 Uhr) zu erreichen – es ist Nebensaison.

Nichts Neues für mich, ich ergebe mich in mein Geschick. DOCH nicht im altehrwürdigen Hotel Zakros übernachten. Neue Perspektiven resultieren daraus. Nach Vái fährt noch ein späterer Bus, über Palékastro, so um 16:30, auch noch im Oktober. Den NEHME ich auch.

Also vom äußeren Fähranleger auf das lange Kai runter, parallel zur Uferstraße, Enten paddeln unter mir, weiter vorne die Uferpromenade entlang, vorbei an den vielen Kafenía, beim vordersten (Café Sitía, aah, die superguten Mezédes, nicht selten viele Távli–Spieler) ein paar Schritte nach rechts auf die uferparallele Gasse, dann immer geradeaus landein, vorbei an dem kleinen Períptero, nach 100 m einem weiteren, direkt links liegt der Platz mit den Palmen in der Mitte, weiter die lange Odós Eleftheríou Venizélou mit ihren vielfältigen Geschäften entlang. An deren Ende zwischen gut besuchten Kafenía die breitere Straße überqueren, immer noch geradeaus, randlich eines Kreuzungsplatzes, wo die Ausfallstraße Richtung Südküste und Makrýgialos (Makrí Jalós) beginnt. Nach 50 m, nach dem größeren Kiosk schräg gegenüber dem Archäologischen Museum rechts rein, nach weiteren 50 m links, schon ist man am Busbahnhof.

Noch schnell eine köstliche Fanta (Portokaláda) bei den netten Thekenleuten im Buskafenío bestellen, sich an einen der wenigen Tische hinter der großen Wartebank setzen und dem Treiben zusehen, Karte kaufen, kostet nach Palékastro nur 1 Euro 60 oder so, schon bald geht es los. draußen wird ein supermoderner K.T.E.L.–Reisebus vorgefahren, der die Route nach Heraklion bedient, für genau 10 Euro ((2006: 12 €)).

An der Fahrplantafel eine erfreuliche Neuigkeit: ein Spätbus um 20 Uhr nach Heraklion ((den gibt es 2006 wohl schon wieder nicht mehr)). Auch von HER aus gibt es jetzt zusätzlich noch einen 20–Uhr–Bus nach Sitía – dauert gut 3 Std. 15 min, diese Strecke, mit kurzem Zwischenstopp im neuen Busbahnhof von Ágios Nikólaos (Pinkelpause, aber man muss sich beeilen!).

Los geht’s. Wir fahren um den Órmos Sitías herum, die große Bucht. Der neue Flughafen über der Stadt Sitía scheint immer noch nicht ganz fertiggestellt zu sein. Unterhalb der Straße das nach wie vor unfertige Skelett eines Großhotels, bald darauf das tatsächlich vollendete, aber Pleiteunternehmen namens Dyónisos Village, dicht bebaut mit bunt gestrichenen Häusern.
Kurz dahinter eine Art Verkehrsschild mit Hinweis auf den deutschen Biergarten beim Abzweig zum Kloster Toploú. Prost Frankfurter/Wiener Würstchen! – Hoffentlich gibt's Äpplwoi und Handkäs mit Musigg! Wenigstens was zu riechen, wo ich die kretischen Düfte doch so liebe.

Vorbei am Biergarten, nur ein Tisch besetzt, geht es etwas bergauf, und bald bietet sich der Blick auf die Windkraftwerke und dann endlich das wunderschöne, olivenübersäte weite Becken mit dem Mittelpunkt Palékastro und der Sicht zum Meer hin, auf den abgeplatteten Tafelberg, der die Strände teilt, und vorgelagerte Inselfetzen.
Auf dem Ortsschild haben erboste Aktivisten das veraltete „o“ herausgeschabt: Es soll nicht mehr Paleókastro heißen, sondern eben Palékastro. Das optische Ergebnis sind nun zwei Worte „Pale kastro“.

Der Besitzer des Hauses Margot, beliebte Unterkunft von Schwaben(menschen!), gleich links ziemlich am Ortsanfang, reckt seinen Hals nach dem Bus, erwartet wohl neue Gäste.

Die schmale Durchgangsstraße endet für mich erst einmal auf der Platía mit den Tavernen und schön herausgeputzten Kafenía auf drei Seiten und der großen Kirche auf der Südseite. Noch nicht so viel los, um diese Spätnachmittagszeit, trotz Busankunft.
Ich steige aus, hole den schweren Rucksack aus dem Gepäckfach und mache mich gleich auf die Socken, vorbei an meiner alten Lieblingstaverne und der anschließenden Autovermietung, Metzgerei usw. einen Kilometer auf immer breiter werdender, kaum befahrener Asphaltstraße meerwärts hinaus zwischen Pensionen, einem neuen Hotel, Rent Rooms, Oliven im kommenden Abendlicht, Blick auf glänzende Kalkberge rechterhand, Hühnerställe, eine Villa, ein breitesTrockenflussbett mit Betonbrücke. Schon geht es ein paar Meter hoch hinein ins hübsche Hügeldörfchen Angathiá, gleich rechts die einzige Telefonzelle.

Zielsicher gehe ich oben nach der Taverne (liegt rechts) das linke Sträßchen, am Minimarket vorbei, daneben das kleine Kafenío mit dem Ratschí–Hinweis und dem alten Ehepaar, das, wie es sich gehört, nur griechischen Kaffee führt, nicht etwa Nescafé und die einstige „Terrasse“ mittlerweile in seine Wohnung integriert hat. Schon an dieser Stelle erkenne ich Kássos in der Ferne. Mehrere Deutsche steuern auf den Selbstversorger–Minimarket zu.

Um die Ecke, vorbei am Kirchlein, hinter zum hübsch gelegenen, ebenfalls urigen Kafenío Anatolí mit seiner überdachten Aussichtsterrasse.
Sie erkennen mich wieder. Nektários, der Sohn, der das Geschäft jetzt führt, freut sich in seiner angenehmen, stillen, bescheidenen Art. Noch mehr freuen sich alle, als ich erstmals nach einem Zimmer bei ihnen frage. Hatte ich mir schon lange vorgenommen. Nicht mehr ins Deutschenzentrum „Haus Schöner Blick“ mit seinem Erdgeschoss–Strafzimmer mit Fensterluke zur Straße für Einzelreisende (ansonsten tolle Aussichtsräume), sondern nun einmal zu nicht Deutsch sprechenden Griechen.

Etwas warten muss ich schon. Ein Bier und die unvergleichliche Aussicht über die Ölbäume zum nahen Meer hin genießen. Gleich bekomme ich Mezédes auf den Tisch gestellt, Happen zum Getränk.
Bald taucht die Tochter auf, die hübsche Chryssoúla (die „Goldenhaarige“), inzwischen verheiratet, mit nettem Söhnchen namens Nikos (nach dem Opa benannt). Es sind nur etwa 200 m hinter zu dem einzeln stehenden Haus, wo sie wohnt, im oberen Stock die Fremdenzimmer. Erst führt sie mich durch eine Halle von Gemeinschaftsraum, eher Küche und Kühlschrankraum mit Vorräten an zusätzlichen bunten Plastikstühlen für die Balkone.

Mein Zimmer ist das hintere von zweien, die nach Süd hinausgehen, Richtung Bergflanke. Das junge deutsche Paar (sie aus Bayern, er aus Sachsen) vom Nebenzimmer begrüßt mich sehr freundlich erst einmal in perfektem Englisch.

Ich bin von dem hübschen, total gepflegten Zimmer und Bad beeindruckt. Nach dem Betreten meines Balkons bin ich von den Socken. Denn über die Köpfe des deutschen Pärchens ein paar Meter weiter hinweg sehe ich Richtung Ost etwas Bewegendes. Es ist die Insel Kássos, und ich sehe genauer hin, und da taucht, von der Abendsonne schräg aus West her beleuchtet auch Kárpathos auf, etwa die halbe Länge seiner Westküste, nur der flachere Südzipfel wird von Kassos verdeckt!
Na das passt, so gefällt es mir, ich bin wirklich gerührt, auch noch so schön mit dem Gestern, den Tagen auf Kárpathos, konfrontiert zu sein. Schräg hinter mir, in einigem Abstand ein Schaf– und Hühnerstall an Bergesflanke, vielleicht 250 m entfernt. Dezente Tierlaute. Nach Süd in geziemendem, wirklich großem Abstand einige weitere Neubauten, zumindest das oberste, rosarote Haus hat sichtlich Fremde als Gäste, die gerade den prachtvollen Ausblick von ihrer Terrasse testen.

Ich gebe mich mit den einfachen, aber leckeren Gerichten des Kafeníos zufrieden, sitze abends gerne auf der kleinen Terrasse. Manchmal bringt der teils starke Wind eine ziemliche nächtliche Abkühlung mit sich, und niemand versteht, dass ich lieber draußen sitze als drinnen.
Nur einmal lasse ich mich in einer Fischer–Ecktaverne unweit des „Schönen Blicks“ verwöhnen, der Wirt, Stammgast im Anatolí, hocherfreut, am Vorabend hatte er noch hinter seinem Lokal Ratschí gebrannt.

Unglaubliche Sonnenaufgänge, morgens von meinem Bett aus zu beobachten. Die zarten Blau– und Rottöne aus dem Dunkel heraus. Wieder die Konturen von K. und K. in der Ferne.

Ein deutlich erkennbarer Pfad auf den letzten Berggipfel namens Petsofás vor dem Meer jenseits der Oliven weckt mein Interesse (– nicht der Tafelberg, den hab ich längst bestiegen, es ist lange her). Hoch über den Ausgrabungen von Roussolákos befindet sich noch ein minoisches Gipfelheiligtum auf Bergeshöh. Mit nur 215 m Höhe wirkt er von seiner Erscheinung her doch recht hoch, dieser Gipfel.
Es ist von Angathiá aus aber nicht leicht, den Einstieg zu finden, wenn man erst einmal den Anweisungen der Einheimischen vertraut und auf der Staubstraße nach Ost weitergeht. Die führt nämlich auf eine Senke zwischen zwei Gipfeln zu, wo man erst einmal von etlichen angebundenen Hunden begrüßt wird und keinen Weiterweg zum angepeilten Berggipfel findet. Nach Durchquerung zweier Olivenhaine kam ich dann endlich auf ein Wegsystem, auf dem ich nach einigen Irrläufen schließlich zum Ziel gelangte. Durch ein Gatter, ein paar Schritte weiter beginnt nach links der Pfad bergauf. Eine neugierige Ziege guckt vom Gipfel auf mich runter. Der Aufstieg ist in etwa 30 min zu schaffen.
Oben der erwartete großartige Rundblick. Und eine Überraschung: eine Unmenge von minoischen Scherben liegt da ausgebreitet, teils von Besuchern auf einem größeren Felsstück gesammelt. Stücke von Ölgefäßen, Krügen, Schüsseln. Fußstücke von Weihegefäßen, Henkelausschnitte, bauchige Gefäßreste. Ich stecke einige ein, nehme sie mit nach Palékastro, später in die Messará und nach Sívas, lasse sie dann aber zumindest dort zurück, den ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn ein Flughafen–Röntgengerät solche antiken Stücke im Handgepäck entdeckt, auch wenn Millionen davon in der Landschaft herumliegen.

Wanderung die kleinen Buchten des Chióna–Beach entlang. Ich entdecke meine Lieblingsbadestelle. Nur 1 Familie hier, 2 Autos insgesamt, ein bereits zusammenpackender Grieche, der bald zu seinem Siebzigerjahre–Automodell schreitet.
Am Hauptstrand des Chiona Beach, dem ersten rechts (= südlich) des Tafelberges, etwas mehr (und neuere) Autos und Leute. In zwei der drei Tavernen jeweils nur ein Tisch besetzt. Sonst keine Gäste. Ich trinke etwas in der mittleren der Tavernen, direkt über dem Wasser, das noch vorhandene Essen reizt mich nicht, schaue über die Bucht. Also auch hier nichts los, an diesem 10. Oktober.

Gegen Abend zieht es mich nach Palékastro. Vor dem Sacharoplastío an der Platía sitzt Holly, die nette, ruhige Engländerin und Archäologin, die ich von Kárpathos her kenne. Bei ihr ein älteres britisches Paar, das hab ich schon auf meiner Fähre gesichtet.
Holly stellt mich vor, spricht wie üblich extrem leise, bei dem LKW–Lärm verstehe ich kaum etwas. So dauert es eine Weile, bis ich begreife, dass der Herr mit Vornamen „Clyve“ heißt, die Frau „Mel“. Etwas wundert es mich, dass er noch dazusagt, „Clyve“ käme „Klaus“ am nächsten. Ich sollte die beiden tags darauf im Bus nach Káto Zákros wieder treffen – er ein deutsch–jüdisches Schicksal, 75, die Familie hatte gerade noch aus Hitlerdeutschland fliehen können, Hab u. Gut aber wohl verloren, sie eine echte Britin. Als Mel einmal weggeht, spricht mich Clyve, der Wiesbadener, in akzentfreiem Deutsch an. Er beherrscht seine Muttersprache noch glänzend, 65 Jahre nach seinem Exodus Richtung London.

Noch ein zufälliges Treffen mit Holly, anderntags, denn morgens um halb zehn wirkt der dunkle Archäologenbau am Ostrand von Palékastro noch wie verwaist. Ich zeige ihr meine Tonscherben, sie ordnet alles sofort Gegenständen zu und warnt mich eindringlich den Versuch zu machen, das Gefundene durch die Flughafen–Kontrollen zu schmuggeln.

Einen Halbtagesausflug nach Káto Zákros. Gleich hinter zum hintersten Strand, darüber ein Gatter. Hier beginnt ein relativ neuer Fußpfad zu der etwa 1 Std. (einfache Strecke, wenn man zügig geht) entfernten Pelekitá–Höhle. Ich hechte den Weg hinter, hügelauf, hügelab, da ich nicht weiß, wie weit es ist, und ich habe nur etwa 3 Std. Zeit, bis der letzte Bus wieder Richtung Palékastro u. Sitía zurückfährt. Eine schweißtreibende, aber schöne Wanderung, auf der mir kein einziger Mensch begegnet. Die Höhle von Feigenbäumen eingerahmt, innen imposant, aber nicht unbedingt ein Muss. Fußlahmen und Sandalentouristen absolut nicht zu empfehlen!

Zurück bei den Tavernen von Kato Zakros, begebe ich mich traditionellerweise in die hinterste auf kühle Getränke, wo mich alle, auch der „Zwerg“ (– mit allem Respekt geäußert –), sofort erkennen. Der junge Chef stürzt geradezu auf mich zu und begrüßt mich viel zu überschwänglich. Die freuen sich zurzeit über jeden, der mehrmals im Lauf der Jahre wiederkommt, so ein erbärmliches Touristenjahr haben sie hinter sich, wie sie mir erzählen. Vielleicht war es auch mein damaliger Sonderwunsch nach einer Psarósoupa, einer griechischen Fischsuppe, die seine Erinnerung an mich weckte.
Ein junger Tavernenwirt, der Töne anschlägt wie „Hauptsache ist die Gesundheit, nicht das Geld!“, sagt doch alles über die derzeitige Lage des Tourismusgeschäftes, oder nicht?

Den folgenden Morgen schlendere ich durch das hübsche Dorf Palékastro, die meisten Häuser sind immer noch weiß gestrichen. Auch zum Haus Margot, den Internet–Computer begutachten (klar, es gibt auch noch andere Internetmöglichkeiten in P.), wenigstens durch das Fenster. Dann weiter hoch zum prächtig gelegenen Friedhof mit Rundblicken – tut gut!. Zurück durch hübsche Gassen. Ein wirklich schönes Dorf, noch immer. Nur die neuen Rooms, mit allerdings recht hübschen Pflanzen davor, rechts am östlichen, strandwärtigen Ortsausgang und das unweit davon gelegene neue Hotel stören etwas. Da wohnt aber auch kaum jemand, um diese Jahreszeit.
Endlich einmal kommt Holly aus dem Archäologenbau heraus, als ich mich bemerkbar mache. Ein kurzer Plausch.

Gegen Mittag, ungestört von den unendlich vielen Fragen von Clyve und Mel im Bus nach den schönsten griechischen Inseln (von denen sie selber die meisten schon kennen und ich selbst bestimmt nicht alle), noch einmal nach Zákros, aber diesmal ins obere Dorf, wo ich die ganze Zeit bis zur Rückfahrt beim „Maéstro“, Manolis dem Schlitzohr, Sprachentalent und Musikfeinfühligen, verbringe, dem ehemaligen Hirten unten im „Tal der Toten“, der niemals kretischen Boden verlassen hat. In seinem unscheinbaren Kafenío, etwas zurückversetzt an der Platía, wo alle Busse und Touristenfahrzeuge Richtung Káto Zákros vorbeikommen und so mancher Reisende oder Wanderer mit Charme und Pfiffigkeit oder auch Musik hereingelockt wird, kann er seine von Fremden, deutschen Archäologen wie auch Freundinnen aus aller Herren Länder erworbenen Sprachkenntnisse mühelos anwenden.

Ich habe ihn beim Tavlispiel überrascht. Er wirft mir vor, dass ich mich als alter Bekannter so scheinbar unbeteiligt draußen hingesetzt habe – na, er hat mich auch ganz schön beschissen, letztes Mal mit dem Olivenöl (2,5 statt 4 Liter, der Schuft, vielleicht als Entgelt für den freiwillig angebotenen Transfer die schlechte Erdpiste lang nach Xerókambos). Also an den großen Tisch drinnen, ein paar nette Griechen plaudern da gerade, an diesem Mittag.
Nach und nach kommen andere Touristen, lassen sich hereinbitten.

Erst nach Aushändigung der Visitenkarte merke ich, dass ich es zunächst mit Athyna und Chelmii zu tun hatte, die mal eben von Xerókambos herübergeholpert waren – die Straße soll nächstes Jahr ebenfalls fertig geteert sein (???), dann Ende aller Holperpisten. Die beiden wirken natürlich live ganz anders als auf den Bildern ihrer Forumsbeiträge. Aber ein schöner Zufallstreff – na, wenn es dann auch noch beim Maéstro ist!

Der Maéstro würde gerne was spielen auf seiner Violí (Geige), die etwas schäbig aussieht, aber einen Superklang hat. Nur, ohne Gitarren– oder andere Begleitung macht er es aus Prinzip nicht. So greift er erst mal selber zur Gitarre, die er angeblich nicht so gut beherrscht, und zaubert herrliche kretische Weisen aus den Saiten, versucht sich auch schon mal an Mantinádes, deren Text er auf Deutsch erläutert. Ich gelange sehr bald an die Grenzen meiner Griechischkenntnisse.

Etwas später kommt ein bayerisch–österreichisches Wanderpaar herein. Da ER Gitarre spielt, endlich einer, lernt ihn der Maéstro an. ((Nicht auszudenken, was wäre, wenn Kreta–Klaus, der Gitarrenvirtuose, hereinschneien würde, die Begleitung zu übernehmen! – Bedauerlicherweise hat der Maestro sein Kafenío inzwischen wohl aufgegeben, zu spät!)) Zwei Akkorde und ein Plektron müssen genügen. Maéstro legt allerdings größten Wert auf gefühlvolles Spiel, nicht einfach Schramm–Schramm. Das gelingt dem Begleiter schließlich annähernd, und die Violí–Schau beginnt.

Maéstro besingt die Vorzüge einer dicken Frau: im Sommer wirft sie Schatten, im Winter gibt sie Wärme! Auf meine naive Frage, was das für ein Lied sei, meint er, er singe viel lieber Mantinades als Festgefügtes, höre auch nicht so gern Cassetten. Na, fast schon der Celibidache des fernen kretischen Ostens, könnte man sagen.

Ja, und zwischendurch, da wird geschlemmt, getrunken, werden nach Möglichkeit neue Besucher hereingelockt, wie etwa ein anderes österreichisches Paar, das Kreta in nur 1 Woche abfährt und sich von hier noch bis zum fernen Paleóchora durchschlagen will.
Es gibt wieder das gute, seit x Jahren (Jahrzehnten?) altbewährte Standardgericht: Chirinó mit Kartoffel–Bohnengemüse und auf Wunsch einen Choriátiki–Salat.

Ein kurzer Abstecher meinerseits hinüber ins Hallenkafenío im Hotel Zákros. Manolis hat mir schon vom Tod der beiden älteren Herren, der Brüder Jánnis und Jórgos in nur siebenmonatigem Abstand erzählt.
Es ist immer noch ein Trauerhaus, Jorgos’ Witwe erzählt mir noch einmal die traurige Geschichte, während an einigen Tischen ungerührt wie eh und je Karten gespielt und Ratschí aus großen Gläsern geleert wird. Jorgos starb, weil er unpassende Medikamente eingenommen hatte – der Arzt hatte ihn gewarnt, dazu bloß keinen Alkohol zu trinken, die Medikamente wirkten dann quasi lebensgefährdend.
Jannis folgte seinem Bruder im Krankenhaus. Herzinfarkt aus Furcht vor der unmittelbar bevorstehenden Beinamputation aufgrund seines langjährigen Diabetes.
An dem Hotel prangt nun ein großes Schild, das jedes Zimmer für nur 15 Euro anbietet. Ich hatte Glück, es vor zwei Jahren für diesen Preis als EZ zu bekommen, und nun ist das der Preis für das DZ. Sie haben so wenig Übernachtungsgäste.

Ungern steige ich in den Bus, hab aber nun die Muße, die herrliche Landschaft in mich aufzunehmen und die hübschen alten Dörfer wie Adravásti und Kellária.

Ach ja, die Nebenstrecke über Karídi und Sítanos Richtung Sitía bzw. zur Hauptstrecke Sitía – Makrýgialos – Ierápetra ist nun fertig geteert.

Noch ein wenig Palékastro, dann zurück nach Angathiá, telefonieren, Zimmer bezahlen, mich auf die Abreise und frühmorgendliche Fahrt (so etwa 07:30 ab Palékastro, nur leider nicht an Wochenenden) nach Sitía und von dort um 09:15 nach Iráklio und schließlich Sívas vorbereiten.
Bezahlt hab ich das Zimmer letztendlich vor meiner Lieblingstaverne in P. sitzend. Da kam die Chryssoúla mit englischen Freunden im PKW vorgefahren, wir hatten uns endlich gefunden. 17 Euro für die Nacht, fairer Preis. Den Pass holte ich dann bei einem letzten frugalen Reismahl mit Wein im Kafenío Anatolí ab.

Unbeschreiblich, der Weg durch die stille Landschaft kurz vor Sonnenaufgang um viertel vor sieben des folgenden Tages.


Copyright puchheim = MartinPUC. Oktober 2003, August 2006

Wanderung von Sívas nach Vathí