Teil 7: Páme Pitsídia! (Let’s go Pitsídhia!)
Copyright puchheim = MartinPUC, Dezember 2007


Lange aufbleiben, das heißt: spät aus den Federn kommen (?).

Kann schon sein, aber nicht bei mir. Für mich ist es eine Freude, einen frühen Morgen mitzubekommen in all seinen verästelten Erscheinungen, und wenn es darauf ankommt, steh ich lieber noch ein klein wenig eher auf, als ein bisschen länger zu schlafen.
Wenn ich dennoch zu spät aus den Federn komme, ist es nicht meine Schuld. Nein, gewiss nicht.
Der Braun–Wecker war schuld daran, das ältere Semester mit neuer Batterie, dass ich den 5–Uhr–Wecktermin nicht einhalten konnte. Er blieb stumm, der Wecker, nach zweieinhalb Jahrzehnten braven Dienstes, deshalb harrte ich (vergebens) der Dinge, bereits wach im warmen Betti lauernd, froh, die Wärme noch nicht gegen eine neue Ungewissheit hinsichtlich Regen oder Sturm eintauschen zu müssen. Freilich hörte man keinen Regen, keinen Sturm, es war nicht über Gebühr morgenkühl, der Fall somit eigentlich klar.

Als ich mich aus den Laken erhob und einen Seitenblick auf das Zifferblatt riskiert hatte, wusste ich, dass ich den Frühbus diesmal nicht mehr schaffen würde, bin ich doch nicht der Typ, der ganz ungewaschen, unrasiert, ohne Morgentoilette all sein gewandliches Hab und Gut rasant und gefühllos in den großen Rucksack hineinstopft, den mir geschenkten Rakí, die Karten und die Bücher in den kleinen presst, und es derart binnen siebeneinhalb Minuten schafft, fertig vor die Tür zu treten.

Das kann ja langweilig werden, noch einen Tag in Frangokástelo zu verbringen, nicht? Nein, bestimmt nicht, aber ich will auch nicht mehr bleiben. Nicht zuletzt wegen der erneut dräuenden Unwetter.

Wohin also? Ein langwieriger Überlegungsprozess ging da voraus, ohne zu übertreiben. Anója, Axós – bei dem unsicheren Wetter, und, wenn ich Pech habe, den kretisch schwarz gekleideten Deutschen dort, womöglich, die auf Urkreter machen!? Weiter westlich, nach Paleóchora? – Naaa (helles "a"!), obwohl's so schön ist.
Chaniá, einmal für länger, mit Exkursionsmöglichkeiten? Auch nicht, eine Stadt nächstes Mal (– íssos). Nein, ich hab mich ans Meer gewöhnt und ans "Land" (the countryside), jedes Mal dasselbe, trotz aller guten Vorsätze muss es wenigstens ein Standquartier in Küstennähe werden, außerhalb einer größeren Stadt.

Weil ich auf dieser Reise nicht wie von der Tarantel gestochen hin und her sause, dabei 3 bis 5 Inseln mitnehmend, reicht mir ein zweiter Ort auf derselben Insel für meine restlichen Urlaubstage.

Immer dämmert aus der Erinnerung etwas so Hübsches herauf, etwas so Großartiges, dem ich nie widerstehen kann!
Oft entscheide ich mich dann, zumindest eine letzte Nacht in dieser Glücksgegend zu verbringen, wenn es mich schon so herumtreibt, und sei es nur auf einer einzigen Insel – Kreta ist beileibe riesig genug für zwei oder drei Urlaubswochen, es hat so viel Schönheit zu bieten, trotz aller Unkenrufe Andersgläubiger.

Na, ich weiß ja, es gibt noch den Schuuuulbus. Der fährt zu einer Zeit, die so mancher meiner Freunde und Bekannten noch als nachtschlafend bezeichnen würde. Dass ich den 7–Uhr–Bus ex Chóra Sfakíon verpasst habe, darüber brauche ich nicht länger zu sinnieren. Dass ich den Kurz–vor–oder–nach–acht–Bus nach Chóra Sfakíon noch erreichen werde, das ist klar, da bin ich sehr zuversichtlich.
Dass es für viele nicht infrage käme, sich auf das ungewisse Abenteuer, von einem Schulbus mitgenommen zu werden, einzulassen, dessen bin ich mir absolut bewusst. Aber das ist eben gerade das Schöne an der Sache, diese Ungewissheit und dieses kleine Restrisiko (ohne Internet–Vorbuchungsoption, unvorstellbar (!), aber ich sag Euch: man arbeitet daran!), zusammen mit der Art, wie man das Ding letztlich aus dem Stegreif selber schaukelt und beeinflusst.
Auf den (ca.) 16:30–Uhr–Bus von Frangokástelo nach Chaniá (nur Mo. – Fr.) werde ich bestimmt nicht warten. Trampen mit großem Gepäck ist mir zu mühsam.

Was für liebe Schulkinder sich da an jeder kleinen Straßeneinmündung versammelt haben. Man ist geneigt zu glauben, es gebe überhaupt keine Rabauken, Umtreiber, Selbstdarsteller hier an diesem friedlichen Ort. Drinnen im Bus sieht's dann immer ganz anders aus.
Alle 20 bis 30 Meter die Straße entlang hat sich ein Grüppchen allerbravster Schülerinnen und Schüler postiert, ganz selbstverständlich, der Busfahrer wird alle paar Schritte anhalten, das wissen die.

Unser, ihr Busfahrer ist ein im Herzensgrund Netter, wenn auch Forscher, den Kids gegenüber. Er hat bereits etwa 50 Lenze erfolgreich und hoffentlich verlustarm hinter sich gebracht und macht einen festen, ja gefestigten Eindruck, unterhält sich während der ganzen Fahrt mit zwei ihm bekannten, vielleicht sogar verwandten Kindern.
Es ist ein KTEL–Bus, der zu bestimmten Zeiten als Vehikel des Landkreises Sfakiá fungiert. Nur zum Einsammeln der ganz Kleinen, der Volksschüler, gibt es einen wirklich landkreiseigenen Kleinbus, der es allerdings nur bis Ágios Nektários schafft, meines frisch erfragten Wissens.
Nett wie er von Natur aus ist, hat mich der Fahrer schließlich anstandslos einsteigen lassen, aber nicht mit Gepäck (ist andererseits häufig sogar üblich, mit, das macht weniger Umstände). Große Schau vor den Kindern, Gepäck außen im Fach verstaut, dann rein mit ihm, dem Xénos.

Es wird natürlich knallvoll. Gut, dass ich relativ früh auf der Strecke zugestiegen bin.
Vorläufiges Endziel ist ein Schulhof, der des Gymnasiums am unteren, ostwärtigen Rand des oberen Ortsteils von Chóra Sfakíon, zu dem man ziemlich schräg und steil abbiegt, von der Straße aus, die weiter Richtung Hafen führt.

Wir gehören zu den letzten Ankömmlingen vor Unterrichtsbeginn – sfakiotischer Widerstandssinn eben, gekonnte Verzögerung. Zwei Lehrerinnen versuchen sich in der Meute zu behaupten, geben Selbstsicherheit vor.
Die armen Schüler!, denk ich mir. Beginne den P. aus Lýkos zu verstehen, der lieber an 3 (oder 4, oder 5) von 5 Schultagen schwänzt. Hat sich ganz schön lang hingezogen, diese Gymnasialzeit, damals, ich nehme es keinem übel, wenn er sich mal ausklinkt (Na, Du hast gut reden, Du hast's hinter Dir!).

Sieht recht einfach aus, so ein Jimnásio–Líkio in der Sfakiá. Ein derart schlichter Betonbau wäre selbst im mehrheitlich verarmenden Deutschland undenkbar. Ohne jeglichen Schnickschnack, ganz ohne Extras. Drüben in Libyen sehen sie besser aus, die Schulhäuser, möchte man meinen. Aber aufs Aussehen kommt's ja nicht an.
Bevor ich mir die inneren Werte der örtlichen höheren Schule zu Gemüte führen kann (jucken tät's mich schon, aber das hab ich bisher nur auf Kássos geschafft, in einer Volksschule), lässt mein Odhichós/Odigós (Fahrer) den Motor wieder an. Zeit, ihm ein paar Fragen zu stellen, denn nun bin ich mit ihm allein.

Auf dem Parkplatz der (aufgrund des mehrtägig vorangegangenen Schlechtwetters nicht anwesenden) Samarjá–Schlucht–Ausflugsbusse ist unser wirklicher Endhalt. Später wird aus dem Schulbus ein Überlandgefährt werden, bis hin nach Chaniá. Um elf rum werde auch ich mich auf den Weg nach Vrísses machen.
Und jetzt, jetzt hab ich erneut Zeit für ein ausgedehntes Frühstück im Hotel Stávris.

Da es schon wieder tröpfelt, hat sich die Breakfast–Szene nach drinnen verzogen. Nach kurzer Zeit schüttet es aus allen Rohren.
Auffallend das junge Paar aus Spanien, aber die Deutschen beherrschen das Geschehen. Alle meine Bekannten treffen wieder ein, es gibt einiges zu bereden, aber ich nehme sowieso bereits Abschied.
Wie schön, dass heute auch der Jórgis da ist, der ja eigentlich für dieses Haus zuständig ist. Er wirkt matt, seine Hand fühlt sich eiskalt an. Bedeutend kräftiger erscheint dagegen, wie seit eh und je, der Stávros, der zweite Bruder, und Aristotélis, der Dritte im Bunde, ist weiterhin der Ausgeglichenste und Lustigste, trotz allen Bedauerns ob der üblichen Rückgänge im Tourismusgeschäft; denn so richtig voll ist es hier eigentlich nur Mitte September bis Mitte Oktober. Kommendes Jahr muss ich wieder DEN GANZEN URLAUB HIER verbringen, bläut mir Aristotélis ein!
((Das kann ich nicht! Andere Inseln wollen mich wiedersehen, andere Gegenden Kretas.))

Von der anschließenden Busfahrt bis spätnachmittags erzähle ich nicht mehr alles. Ich hab diese Tour schon so oft gemacht und auch mehrmals ausführlich geschildert.

Was aber wirklich beeindruckend war, nach dem Umsteigen in Vrísses und in Réthimno, war zunächst ein recht ausgedehnter Halt vor dem Schulzentrum von Spíli. Es befindet sich gleich gegenüber dem großen Priesterseminar am nördlichen Ortsrand.
Diese Mittagsbusse von Réthimno her sind inzwischen perfektionierte Schulbusse geworden, die keine großen Rücksichten etwa auf Touristen mehr zu nehmen brauchen. Zumal die Mehrzahl der Touristen mit späteren Bussen nach Plakiás oder Ajía Chalíni ((pronunciation))/Agía Galíni zurückkehrt.
Nach gut viertelstündiger Pause geht die Fahrt weiter, mit einem Pulk Schüler an Bord, die wir tröpfchenweise in ihre Dörfer entlassen. Dicht hinter uns der Bus nach Keramés, zumindest bis Kissoú Kámbos, wo er nach West abbiegt.

Ein neben mir sitzender Schuljunge schaut in einer Mischung aus schüchtern und pfiffig immer wieder zu mir her, bis ich ihn schließlich anspreche. Woher er sei? Allgemeine Verblüffung, auch bei den umsitzenden Klassenkameraden. Aus Akoúmia. – Oh, Akoúmia, schönes Dorf! – Ja, aber Triópetra sei noch schöner. – Triópetra. Dieser schöne Strand?
Jetzt hab ich sie sichtlich beeindruckt, da kennt sich einer besser aus, als sie gedacht hatten, und er spricht mit ihnen in ihrer Muttersprache, so was. Dabei ist es so einfach, mit Kindern Griechisch zu sprechen.

Nun wird ein älterer Herr neugierig, der seinen Gangplatz etwas vor mir auf der anderen, linken Seite hat.
Ich rede mit ihm Griechisch, er mit mir ziemlich akzentbehaftetes Englisch. Ein sympathischer Alter, er sieht etwas ausgezehrt aus. Die Konversation zieht sich lange hin, bis Mélambes, wohin wir einen Abstecher machen und wo er aussteigt. Anschließend geht's dieselbe Strecke wieder zurück, vorbei am Abzweig nach Sachtoúria runter zur breiten Hauptstraße.

Zwischendrin konzentriere ich mich auf den Kédhros, den hohen Vorberg zum Psilorítis–Bergstock hin, der das zwischen ihm und eben dem Psilorítis gelegene Amári–Becken verdeckt.
Der Kédhros zeigt sich heute von einer ungewohnten Seite. "Seite" ist nicht wörtlich gemeint. Aber der Anblick gleich zweier, im Hinblick auf die ansonsten übliche Trockenheit unendlich langer Wasserfälle von seinen Höhen herab ist für mich etwas völlig Neues.
Schon von der noch dem oberen Dorf Kissós zugewandten Bergflanke stürzt das Nass kaskadenartig herunter. Doch weiter südlich, im oberen Teil dieser mir lange vertrauten auffallenden, wie durch einen Axthieb geschaffenen riesigen Kerbe im Hang (es gibt davon eine tolle Ansichtskarte), bietet sich ein noch viel ausgeprägteres Wasserfallspektakel. Ein Bergklotz, der sich bis in seine höchsten Höhen mit Wasser vollgesogen hat, während der vielen Regen. Immer für Überraschungen gut. Mal dichter Nebel, mal Dürre, bedrohliche Feuer, mal üppigste Wasserfälle.

Diese optischen Kédhros–Eindrücke sind durchsetzt mit den akustischen Unterhaltungsbrocken und den (beiderseitigen) Wahrnehmungsvorgängen eines alten, höchst interessanten Australien–Auswanderers und temporären –Rückkehrers. Der vergleichsweise kleinwüchsige Mann ist steinalt, aber noch relativ fit. Er gehört dem Schlag der althergebrachten, grundehrlichen, durch und durch rechtschaffenen kretischen Urgewächse an, die das Heute nicht mehr so recht akzeptieren können, meldet sich nach kurzen Pausen immer wieder zu Wort.
Es habe sich so viel verändert in Griechenland und auf Kreta, das gefalle ihm nicht. – Mir auch nicht immer, entgegne ich.
Im Wesentlichen gehe es heutzutage nur noch ums Geld, eine grausame Vorstellung. So vieles sei dabei verloren gegangen. Er habe nun bereits lange in "Straja" (to put it the Aussie way) gelebt, in Australia/Afstralía, weswegen ihm die Änderungen auf seiner Heimatinsel Kreta im Vergleich zu früher besonders auffielen. Er vermisse die früheren Werte und Liebenswürdigkeiten sehr. ((Und wir Touristen, die wir immer so von Kreta und den besonders netten Kretern zu schwärmen pflegen? – Fällt es uns auf?))

Wie er denn finanziell zurechtkomme? Bekommt er wohl schon Rente in Australien? Ach was, meint der Herr, die Rente sei ja nicht viel. Er habe es anders gemacht; er habe zwei Häuser gekauft, eines zum drin Wohnen, das andere als Geldanlage. Von dieser Geldanlage könnte er nun sehr gut leben, aber die Kinder bräuchten es ja vielleicht auch bald, und wer wisse, was die dann damit anfingen ... Sein Urlaub auf der Insel ist begrenzt, ein paar Wochen, dann geht es doch wohl wieder zurück auf die andere Seite des Erdballs.

Geschenk des Schicksals an einen Busreisenden. Vielleicht hat die Nähe zu Agía Galíni, dem Touristenort, das Urteil des alten Herrn beeinflusst. Mélambes liegt hoch darüber, und gar nicht so weit weg.
In Agía Galíni hab ich sofort Anschluss Richtung Timbáki und Míres, wo ich etwa 50 Minuten Zeit habe, auf den von Iráklio kommenden Bus nach Mátala zu warten. Das große Gepäckstück, der Rucksack, ruht im Innenraum des Busbahnhofs, ich selber schlendere zum Hauptplatz vor, auf ein Getränk und einfach um die mir sehr angenehme Ortsatmosphäre zu schnuppern, eine Mischung aus totaler Ruhe und Entspanntheit und pulsartig sich ergebender größerer Geschäftigkeit, je nach Eintreffenden.

Nur vielleicht fünf Minuten sitze ich vor dem ersten der Straßen–Kafenía in der Ortsmitte, dem an der Ecke zu einer einmündenden Seitengasse, mit den Holzstühlen ohne bequeme Sitzkissen, da taucht diese strahlend weiße Radfahrerin wieder auf, über die ich mich aus meinem Busfenster heraus schon gewundert hatte, genau zwischen Festós und Míres: Wer strampelt denn da so seelenruhig auf einem Fahrrad die breite Überlandstraße entlang?
Sie hält genau vor meiner Sitzwarte, lehnt ihr Mountainbike gegen einen Außenpfosten der Markisen des benachbarten Cafés, einige Herren machen ihr klar, dass sie es hier nicht abzusperren braucht, sie würden es bewachen, nur keine Sorge.
Schon erkennen wir uns wieder. Es ist die U., meine Kurzbekanntschaft aus dem Buskafenío von Vrísses, mit der zusammen ich nach Chóra Sfakíon weitergefahren war!
Das Rad hat sie in Kalamáki gemietet, immerhin ein ganz schöner Weg. Am schlimmsten sei das Steilstück in Kamilári gewesen, bis hoch zur kleinen Straßenkreuzung vor dem Friedhof, da habe sie schieben müssen. Ansonsten null Probleme.
Sie habe es in Loutró doch nicht eine ganze Woche ausgehalten, sei auf ein paar Tage in ihr ebenfalls geliebtes Kalamáki umgezogen und habe es nicht bereut. Wir trinken zusammen eine Kaffee. Ich empfehle der Mitbayerin, auf der Rückfahrt einen Schlenker über das hübsche Dorf Petrokefáli einzulegen.
Wir sollten uns bald noch einmal sehen – bei Jánni, dem liebenswerten einzelgängerischen Kochtalent in Kalamáki.

Als ich mich anschicke, zum Busbahnhof zurückzugehen, bremst, noch am zentralen Platz, gleich neben mir und einem Gemüseladen, ein PKW.
Es sitzen mehrere Leute drinnen, lauter Einheimische. Die Frau auf der Rückbank, die sich zu mir vorneigt, ist mir doch bekannt, sie fixiert mich lächelnd. Es ist Soumbouljá (Ζουμπουλιά), die Vermieterin einer meiner häufig aufgesuchten Bleiben in Pitsíd(h)ia, vom Ácropol. Am Steuer ihre Tochter, auf dem Beifahrersitz ein alter Kreter mit Stock, stattlich, wie es sich nur gehört.
So ein Zufall: Ich hatte tatsächlich vor, diesmal nicht nach Sívas zu streben, sondern es wieder einmal mit Pitsídia zu versuchen, und ich wäre sowieso aus freien Stücken zum Ácropol gegangen. So erfahre ich gleich, in welches Zimmer ich mich begeben soll, es sei zwar niemand da, aber alles auf, nichts zugesperrt. Na, da freu ich mich, so ein schöner "Zwischenfall", was will man mehr?

Zurück am Busbahnhof, fast am westlichen Ortsende von Míres. Zwei junge Frauen sind die zurzeit Verantwortlichen, da hat sich viel geändert. Ein alter Mann grüßt mich. Es ist genau der Alte, der abwechslungshalber mit meinen künftigen Wirtsleuten im Auto hierherkam, nun gleich wieder den Bus zurücknehmen will. Hat auch ein paar Jährchen in Deutschland gearbeitet und spricht noch ganz gut Deutsch.

Im Bus nach Mátala sitzen nicht viele Passagiere, vielleicht acht oder zehn. Auf der Anhöhe von Festós angelangt, staune ich wie stets über den Anblick der so ebenmäßig geformten doppelten Berggipfel auf gut halber Höhe des Psilorítis. Sieht aus wie eine Frauenbrust, wie ein übergroßes steinernes Stiergehörn, minoisches Symbol. Im Hintergrund der Kédros, neben ihm die gut einsehbare Öffnung des Amári–Beckens, das im letzten Krieg viel unter den Deutschen zu leiden hatte.

Links die uralte byzantinische Kapelle. Dann Ájios Ioánnis, jenseits scheinen Hangdörflein vom Südrand der Messará (der "Ebene zwischen den Bergen", méssa ta óri) herüber, darunter Kousés und das größere und fernere Pómbia ("Póbscha"). Rechts die verschiedenen Abzweige nach Kamilári.
Dann die große Kurve, oben taucht die Sívas vorgelagerte Bergkuppe mit der Aussichtskapelle auf.

Der alte Mann und ich vereinbaren, an der zweiten, der unteren Bushaltestelle in Pitsídia auszusteigen, ganz nahe meiner Bleibe. "Zimmer Nummer fünf", erinnert er mich noch, als wir auseinandergehen.
Über die vertraute Terrasse der Frühstückstaverne geh ich zum Eingang an der Westseite des Hauses, der Gang hinter der Tür ist laubübersät, wird aber bald gereinigt sein. Da steh ich schon vor meiner Zimmertür, der ersten links, wenn man um die Ecke gebogen ist. Keine andere Menschenseele scheint um diese Stunde im Haus zu sein.

Wohin also werde ich nach der Dusche meine Schritte lenken? – Nach Kalamáki hinunter, das hat doch bereits Tradition!

Copyright puchheim = MartinPUC, Dezember 2007

Zwischen den Bergen: am Ausgang der großen Ebene