Teil 7: Von Náxos über Páros nach Kálimnos
Copyright puchheim = MartinPUC, Januar 2011


Auf der etwa einstündigen Überfahrt nach Páro hab ich den Eindruck, das Schiff fahre schneller als seine üblichen knapp 16 Knoten. Der Eindruck wird getrogen haben, doch die Geschwindigkeit passt einfach, man fühlt sich alles andere als auf einem langsamen Kahn zum ewigen Warten auf den nächsten Zielhafen verdammt (– wie einem das regelmäßig auf den alten GA–Fähren erging, sosehr ich ihre Existenz, all ihre Querverbindungen schätzte). Im Gegenteil: Man tendiert eher dazu zu glauben, die Ártemis könne es sogar noch mit der Áiolos Kendéris I aufnehmen, dem früheren Glanzstück von NEL Lines, das heute sein Flitzerpotenzial längst nicht mehr in ein tatsächliches, spritfressendes Fahrtempo umsetzen darf.

Die hitzeflirrenden parischen Gestade, wie dicht wir ihnen auf den Leib rücken! Oder besser gesagt den saftlosen Inselstreuseln, die den Nordosten des Eilands vorpostenhaft umlagern. Ein plötzliches Glücksgefühl überkommt mich. Mitten auf meiner Irrfahrt von Piräus mit großen Umwegen bis Kastelórizo freue ich mich nun ehrlich auf die Stadt Parikiá, auf ihr mit Palmen durchsetztes Weiß, die blitzsauberen Gässchen, die extralange Hafenpromenade und ein paar bekannte Gesichter, dabei gilt es doch erst das Vorbeifahren an der weiten Bucht von Náoussa zu genießen, Erinnerungen an den inneren Fischerhafen mit seinem leckeren Essensangebot aufzufrischen.

Dann der Inselhaupthafen. Eine echte Bucht, in die man da einläuft, nichts unbarmherzig den Elementen Ausgesetztes, an dem sich bei Sturm die Wellen brechen, wie so beispielhaft auf Náxos. Eine herrliche Anfahrt, für alle jene, die sich erstmals einem größeren kykladischen Hafen nähern, einfach ein Traum.

Gleich nach dem Aussteigen stoße ich am Ausgangstor des Anlegers auf den geschäftstüchtigen Fílippos von meiner inzwischen sehr geschätzten üblichen Páros–Unterkunft unweit des Hafens. Er wirbt zusammen mit einem Kumpel mit einem Schild für sich. Mache ihm kurz klar, dass er diesmal auf mich als Gast verzichten muss, mache anderen Ankömmlingen sein Garten–Hotelchen aber so schmackhaft, dass sie sich dafür entscheiden. Der Erfolgreiche bietet mir daraufhin sogleich an, mein Gepäck in seiner Gemeinschaftsküche unterzustellen. Klasse, das passt ja super, so bin ich frei und unbeschwert und habe ein paar Stunden Bummelzeit in Parikiá.

Erst um 20:15 Uhr wird die Diagóras hier Richtung Kálimno in See stechen. Das kenn ich ja bereits vom Vorjahr her, als ich dieselbe Tour wie diese Nacht schipperte, allerdings mit Rückkehr von Kálimno über Sandoríni und Weiterfahrt nach Kríti.
Mein Ticket kostet diesmal genau 20 Euro.

Zuerst suche ich wieder das Dhístrato von Michaela auf, wo sich nichts verändert hat. Das von sehr netten Griechen geführte Nachbarlokal ist allerdings viel besser besucht.
Ich bekomme im Schatten des Riesenbaumes eine Unterhaltung zwischen Deutschen und einer gebildeten griechischen Frau mit Tochter mit. Die beiden Hellenen erläutern geduldig die Umstände der griechischen Finanzkrise und ihre Ursachen im Rahmen der Weltwirtschaft.

Beim anschließenden Stadtbummel helfe ich einem Mädchen den so schweren Karton zum nächsten Müllcontainer schleppen – sie hat gut geschauspielert, das Ding war überraschend leicht, aber sie musste es unbedingt mühsam und stöhnend auf dem Boden daherschleifen. Am Müllcontainer sortiert eine Bulgarin oder Albanerin gerade noch Brauchbares aus, ein arg verrosteter, lebensgefährlicher Elektrokocher gefällt ihr schließlich, und sie nimmt ihn mit, freut sich mir gegenüber.
Dann wieder Eintauchen ins Gepflegte, ins makellose, blütenumrankte Weiß, in die Boutiquenwelt. Halte mich eine Weile beim Aussichtskirchlein über der Ufermeile auf, geh zurück zum Hauptplatz in Hafennähe und ein Stück nordwärts bis zum ersten, leeren Campingplatz.
Besorge mir anschließend kühle Getränke und lasse mich in Fílippos’ Garten zu einer Siesta nieder. Ein Bier wird für meinen Gönner im Kühlschrank zurückbleiben.

Pack meine Sachen und verlagere mich in das einfache Café, das voriges Jahr noch in albanischer Hand war, nun aber offenbar von einem Griechen übernommen wurde. Lande schließlich, nur 100 m weiter, auf einen preiswerten Souvlakiteller in dem kleinen Restaurant direkt neben einem Fährticketbüro gegenüber der Windmühle am Hafen, auf deren Begrenzungsmauer ich die letzte halbe Stunde vor Ankunft meines Schiffes verbringe. Die Abendsonne brennt immer noch recht gnadenlos auf die versammelte Menschheit herab.
Noch vor der Diagóras taucht ein Katamaran–Gebirge von Hellenic Seaways auf, aus dem sich die wohlhabenderen Athenrückkehrer und Touristen ergießen. Echter Trubel auf dem Kai und den Zufahrtsstraßen.

Mit ein wenig Verspätung trifft mein dunkelblauer Rhodos–Kreuzer ein, lässig schiebt er sich ganz langsam ans Ufer heran. Das alte Ehepaar aus Amerikí verabschiedet sich von mir und stellt sich mit Ziel Roseninsel in die Warteschlange der Eincheckenden. Ich geh dann durchs Haupttor aufs Chaos zu. Zum Schluss verläuft doch noch alles in geordneten Bahnen.

Beim Verlassen der Hafenbucht bricht allmählich (und viel früher als in nördlicheren Breiten) die Dämmerung herein. Gemächlich wummern wir in gebührendem Abstand das nördliche Páros entlang, halten später auf die Nordspitze von Náxos zu, querab das Lichtermeer von Náxos–Stadt, das nun so fern wirkt, so abseits der Fahrtroute, so out–of–the–way.

Von Dhonoússa sehe ich wiederum nur ein kleines Lichtchen. Lang dauert’s, bis wir an Kínaros, Lévitha und dem Kleinzeugs von Felsen dazwischen nördlich vorbeistreichen. Die Fahrt scheint unendlich langsam, wenn man die schwarzen Wellen ins Auge fasst. Ab und zu scheinen Positionslichter irgendwelcher Schiffe und Kutter auf, es wird wieder so lange dauern.
Aber ich spüre, ich rieche schon den Dodekanes. Weit ist es ja nicht mehr, nur dauern wird es noch.

Mitten in der Nacht wieder diese markante Lichterkette steuerbord voraus. Das Erkennungszeichen auf der Képhalos–Halbinsel von Kos. Und all die vereinzelten Lichtpunkte backbord voraus, und nordwärts. Dann auf einmal gehen die Lichter auf. Die ganze nördliche Küstenlinie von Kos leuchtet uns entgegen.

Als wir in die Bucht von Póthia (für DuMont–Fans: Pothiá, aber das ist m. W. die falsche Betonung) einlaufen, nehme ich meine Energien noch einmal zusammen, das wundervolle Schauspiel einer sich nächtlich entfaltenden Stadt in mich aufzunehmen.
Mühelos – im Gegensatz zum Vorjahr – und ohne vorbestellt zu haben krieg ich eines der wartenden Taxis. Wieder ein freundlicher jüngerer Fahrer, wieder seine letzte Fahrt für diese Nacht. Das Schiff sei fast eine Stunde zu spät angekommen, meint er. Sie, die Taxler, hätten untätig warten müssen.

Besonders geschickt dringt der Lenker meines Wagens von der östlichen Hafenpromenade aus um viele scharfe Ecken herum waghalsig ins Gassenwirrwarr ein, tastet sich die schmale Hauptgasse hoch ins Evangelístria–Viertel, an dessen oberem Endsaum die nachtdunkle Villa Melína hinter hohen Bäumen thront. Das gewaltige Gartentor quietscht beim Öffnen, war eh nur angelehnt. Taschenlampe an. Heute weiß ich, wie ich gehen muss, bin 1 Stock tiefer einquartiert, wieder im gelben Haus ganz hinten, jenseits des tiefen, noch ungefüllten Pools. Der Schlüssel steckt.

Copyright puchheim = MartinPUC, Januar 2011

Ein paar Tage Kálimnos