Erste Eindrücke von der Insel Kastellórizo
Copyright Martin aus M = puchheim = MartinPUC, Juni 2002, August 2006


Insel Tilos, im Mai 2002. Von Diafáni, Kárpathos bin ich hergekommen. Irgendwie zieht es mich schon wieder weiter, ich muss ja noch einen gewissen Sicherheitsabstand für die Rückfahrt per Schiff nach Pigádia über Rhodos beachten, und Wetterwechsel hin zu Sturm wären ein echtes Problem. So also nur drei Nächtigungen auf Tilos. Sotiris vom Hotel ist etwas verunsichert. Ich versichere meinerseits, das nächste Mal mindestens 1 Woche zu bleiben – ob ich dieses Verspechen halten werde?

Die Níssos Kálymnos ((- heutzutage bedient sie nur mehr den nördlichen Dodekanes und die Strecke nach Astipálea)) kommt wieder so um Mittag herum. In 11 Stunden bewältigt sie die Route über Symi und Rhodos nach Kastellórizo, von wo aus ich zur Not auch einen Flieger zurück nehmen kann.

Leslie F. geht mit mir zusammen von Bord, die ihr zugelaufene Katze im Tierheim von Rhodos-Stadt abzuliefern, anschließend einzukaufen. "Bad mother!", sage ich ein letztes Mal zu ihr, und das geht ihr nahe.
Kurzer Spaziergang, das Gepäck bleibt auf dem Schiff, das noch lange genug hier liegen wird. Ich solle jaaa rechtzeitig zurückkommen, bläuen sie mir ein.

Nach dem Ablegen in RHO um etwa 17 Uhr 30 wird es richtig interessant. Nicht wenige junge Griechen, vielleicht Soldaten, sind mit an Bord. Ausnahmsweise kein Rundkurs um die Nordostspitze der Roseninsel zurück in die Ägäis, sondern Kurs Oost in unbekannte Gewässer! Es bleibt so lange hell. Richtig dunkel wird es erst ab etwa 21:30 Uhr.

Ich bewundere große anatolische Bergstöcke, den Cal Dag (mit Häkchen drauf, gesprochen: Tschall Daj), noch andere, viel höhere Dags bis fast 3000 m sind vom Schiff aus zu sehen. Meine Türkeikarte hilft mir weiter. Ein weites, unbekanntes, mit Sicherheit äußerst faszinierendes Land.
Schiffe im Gegenverkehr gleiten backbord (hier: nördlich) an uns vorbei. Ungetüme mit z.T. seltsamen Aufbauten, fast wie Hochöfen. Einen merkwürdig aussehenden flachen Holztransporter, der zunächst wie ein Polizeischnellboot der Türken wirkt, das auf uns wartet, überholen wir schließlich. Wir kommen dichter und dichter an die Küste heran. Aus weiten Buchten glitzern uns türkische Städte entgegen.
Nach gut drei Stunden Fahrt erst verschwindet das am westlichen Horizont hell erleuchtete Rhodos ganz. Es tauchen steuerbord dunkle Inselrücken auf, Positionslampen, Leuchtfeuer, ein helles, weit strahlendes Licht offensichtlich auf Bergeshöhe genau vor dem Bug schließlich. Kurs darauf zu. Links türkische Küstensiedlungen im Nachtlicht. Wir schippern jetzt bald nur noch 1 Seemeile von der Türkei entfernt.
Das große Licht vorne verschwindet wieder, also liegt wohl ein Berg dazwischen. Wir biegen, vorbei am letzten Leuchtfeuer, um die Ecke: links Kaş (Kasch), rechts die grüne und die rote Hafeneinfahrtslampe von Megísti. Um etwa 22:45 Uhr kommen wir an. Alle warten am Kai, ein großes Ereignis.

Ich versuche zunächst in einer mir von Leslie F. empfohlenen Pension unterzukommen. Sie ist besetzt von Leuten, die vorreserviert haben. Dann doch weiter mit Damien, der mich zusammen mit einem deutschen Paar auch anstandslos zur Konkurrenz geführt hatte: Bravo! Seine Zimmer sind sehr groß und sehen ganz inseltypisch aus. Ein restauriertes altes Inselhaus ohne Balkone. Formen wie auf Symi, nur in viel kleineren Dimensionen und noch nicht so viele Ruinen wiederhergestellt wie dort.
Ich krieg das Zimmer im ersten Stock, eine steile, enge Treppe hoch, als EZ für 18 Euro. Dusche. Dann auf ins nächtliche Inselleben!

Erster Schock: Nach Ankunft des Schiffes schließen bald alle bis dahin gut gefüllten Tavernen. Ich hab Mühe Essen zu bekommen. Auf meinem kleinen Schiff gab es leider nur Snacks.
Der nette jüngere (= "kleine") Jorgos von der Taverne direkt hinter dem alten italienischen Fischmarkt mit den drei Bögen erbarmt sich und bittet mich gleich an seinen eigenen Tisch an dem kleinen Platz vor dem Lokal, schräg gegenüber dem Souvenirshop von Damien und Monika – ihre Pension ist weiter weg; sie ist natürlich Deutsche und sie werben im Internet für ihre Geschäfte.
Ich kriege beim Kleinen Jórgos einen großen Teller Mezé inklusive Keftédes zu meinem Retsina und meinem Wasser. Er lässt mich schließlich nur einen Bruchteil zahlen, symbolisch, sozusagen. Ich komme öfters wieder.

Ich wäre stets gekommen, gäbe es da nicht den "großen" (also älteren) Jórgos und seine Frau Margaró mit ihrer alten Taverne "Little Paris" direkt am Kai. Hier gefällt es mir auf Anhieb so gut, dass ich das restliche Tavernenangebot vernachlässige.

Zweiter Schock: Eine Trompete mit Fetzen militärischer Signale ertönt bisweilen während meines mitternächtlichen Vorspeisengenusses. Zum Amüsement von Jórgos und seiner Familie.
Ein kleiner Ein–Uhr–nachts–Spaziergang bringt mehr Klarheit, den Musikus betreffend. Es handelt sich um ein Mitglied einer bayerisch–österreichischen Jachtcrew, das perfekt in der Lage ist zu trompeten, während die Beine, übrigens auch aller anderen bereits in Schräglage befindlichen Tischgenossen, längst nicht mehr gehfähig sind. ((Das ist etwa so wie mit dem Autofahren, wenn man betrunken ist, pardon ... – ich hab selber kein Auto!)) Ein Wald von Flaschen besten rhodischen Ílios–Weißweines bedeckt den langen Tisch. Die Jacht liegt unbeeindruckt jenseits der Uferpromenade vertäut, also 15 schwierige Meter in die Hängematte oder Koje. Armes Schiff!
Ich denke bald, o Gott, wo bin ich denn da gelandet! – lauter ungeniert besoffene Deutsche ... Beim Little Paris vorbeischlendernd hatte ich außerdem ein nettes älteres deutsches Paar gesichtet, das ähnlich stark dem Weine zusprach/zugesprochen hatte – sie kommen seit fast 30 Jahren auf die Insel. Das rundet fürs Erste meinen Kastellorizo–Eindruck ab, und ich ziehe mich mit dem Gedanken ins Bett zurück, vielleicht die 9–Uhr–Propellermaschine tags darauf zurück nach RHO nehmen zu sollen. Andererseits flüstert mir Mutter Erfahrung zu: erst einmal abwarten, Gepeinigter!

Tags darauf sieht die Welt schon anders aus. Großzügig hingebreitet um das große Rechteck des Hafenbeckens und sehr pittoresk anzusehen liegt die Stadt im Morgenlicht. Schon in der zweiten und dritten Häuserreihe Ruinen, zerstört durch ein Bombardement der Deutschen und Italiener. Der Hafen hier war im Krieg ein britischer Stützpunkt.
Gegenüber die Häuser von Kaş, 4,2 Seemeilen entfernt auf dem Festland, eine ferne Straße quer den Hang hoch, auf halber Höhe eine Moschee. Auch den Abschluss des Hafenbeckens von Megísti bildet rechterhand eine ehemalige Moschee.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Hafens die zwei Luxusunterkünfte: ganz vorne der große Flachbau des Hotels Megísti, weiter zur Basis des Hafen–U's hin das schöne Hotel Kastellórizo, noch teurer (man sagte mir gut 90 Euro pro Zimmer).

Mit der 9–Uhr–Dornier ((es wäre heute eine Dash-8-100 mit mehr als doppelt so viel Sitzplätzen)) sind etliche griechischstämmige Australier angekommen. Vassilis, braun, schwarze Kraushaare, hochgewachsen, bebrillt, Baseballkäppi, sehr offener Mensch, streckt mir einfach so die Hand entgegen: "Hi, I'm Vassilis from Australia – what's your name?" Sie sind alle zu einer Hochzeit am folgenden Samstag gekommen, und es werden noch Zyprioten und Griechen aus Wien eintreffen. Das Brautpaar hat Kastellórizo zuvor nie gesehen, aber sie fühlen sich in der Heimat ihrer Vorfahren gleich zu Hause.

Kreuz und quer wandere ich durch die Gassen zwischen den teils verfallen(d)en Häusern, so viele Feigenbäume und Ziersträucher überall, ein richtiges Gartengemenge zwischen Häusermauern. Drei größere Kirchen. Hügelan nach Ost das alte Kastell und die Hauptkirche.

Dann bergab nach Mandráki, einem total verschlafenen Nebenhafen fast ohne jegliches Leben. Irgendwo ein verschlossenes Kafenío. Vorbei am Friedhof mit dem Grab der "Frau von Ro" (von der nahen Insel Ro; die Frau trotzte als letzte Bewohnerin des Inselwinzlings, die griechische Fahne in der Hand, allen verbalen türkischen Annexionsversuchen; nur solange von wenigstens einem Griechen bewohnt, bleibt Ro griechisch, hieß es damals offiziell; heute sind dort ein paar Soldaten stationiert) und einem desolaten Erholungsgelände fürs Militär, total verfallen, wandere ich die Teerstraße weiter. Zuvor hatte ich einen großen türkischen steinernen Wassertank neben der Straße gesichtet, mit Kuppel und aufgesetzter Spitze wirkt er eher wie ein uraltes Kuppelgrab. Die Straße führt an halb verfallenen Gehöften vorbei, gesäumt von Kiefern. Sie endet an der DEI–Station, dem E–Werk der Insel. Also zurück. Vor dem nicht gerade anziehenden "Strand" von Mandraki repariert ein Mann irgendetwas an einem Rasenmähergefährt mit Anhänger – er grüßt mich, es ist der Kleine Jórgos von gestern Nacht.

Unter der Burgruine führt ein befestigter und nachts durchgehend beleuchteter Rundweg das Felskap entlang vom Haupthafen bis Mandraki. Auf etwa halbem Weg oben im Fels ein lykisches Grab mit eigenartigem Portal und rundum Nischen im Inneren. Weiter vorne, auf einer ummauerten Betonfläche vor Häusern sonnenbaden Deutsche ein paar Meter über den Wellen.

Die hohen Felsabhänge hinter Megisti hoch führt serpentinenartig ein langer, steiler Treppenweg hinauf auf eine Art welliges Hochplateau mit lauter Felsplatten, Garrigue und ein paar ummauerten verlassenen Klöstern und Gehöften.

Tief unten aus dem Hafenort nach West hin die Straße zum kleinen Flugplatz, bergan.

Frühstück vor dem schönen Sacharoplastío eines sehr sympathischen, erst vor 2 Jahren zugezogenen Ehepaares, direkt am Kai des Hafens. Herrliche Torten und guter Filterkaffee, nicht nur der übliche Nescafé, sind hier erhältlich. Es sind sehr freundliche Leute. Der Papoús (Großvater) fischt mit Garnelenschalen als breit aufs Wasser gestreutem Köder zwischen den Tischen der Gäste. Eine wahre Fischversammlung. Alle 5 Minuten hat er einen an der Schnur, unglaublich. Meist handelt es sich allerdings um die schmalbrüstigen kleineren dunklen Fische der Art "Jermanós".
Ein schwedisches Paar gönnt sich schon die erste Flasche Retsina, während ich meinen ersten Morgenkaffee bestelle.

Ein paar Jachten, sie laufen allmählich aus. Herrliches Mittagessen, ein Gemüseeintopf mit viel grünen Bohnen, lecker gewürzt, beim Großen Jórgos im Little Paris – der Name trügt, es handelt sich um eine absolut urige, einfache und saubere Kneipe. Fisch gibt's erst abends, wenn der Grill angemacht ist ((– nicht vor Mai, meint Jórgos, als ich ein andermal im April vorbeikomme)). Das deutsche Paar pichelt schon wieder kräftig den köstlichen Ílios. Sind eigentlich nette Menschen, sprechen Griechisch, besonders er. Sie eine verhalten Lustige.

Einmal kommt eine Prozession am Hafenkai vorbei, mit "der Ikone", es ist Kirchweihfest oben in der Hauptkirche, kaum etwas davon zu spüren, diesen Tag. Alle reagieren sehr ehrfürchtig. Sieht seltsam aus, der fromme Vorbeizug an den morgendlichen Weintrinkerpaaren.

Mittags schwitze ich die Treppenstufen zur Hochebene hinauf, zerfließe förmlich in meinem Schweiß. Überall Blumen, auf und neben dem Weg. Gehe vorbei an einer kleinen Bergkuppe zum Kloster Agios Georgios, dann nach links, ostwärts. Der Pfad verliert sich, ich hüpfe von Fels zu Fels. Niemand anderer ist da. Im Norden das Panorama der nahen türkischen Bergwelt gleich hinter der Küste. Überbleibsel alter Rundbauten, einige archaisch, wie die Karte sagt. Bald komme ich zu einem steil abfallenden V–Tal. Weit und breit nichts vom Flughafen zu sehen. Wo ist er denn nun?
Zurück, und beim Kloster auf eine notdürftig geschobene Erdpiste, vorbei an anderen verlassenen Gehöften. Durch ein großes Gatter. Rechterhand Rufe von Feldarbeitern. Kurz nach dem Gatter links eine Art Geröllhalde, sie ist der Beginn eines sich bergab windenden alten Steinweges mit schön eingefasster Talseite.
Bald erkenne ich unten in der Ferne eine kleine Bucht. Ich biege um einen Wegknick und drehe mich nach rechts zurück. Wow! Hier plötzlich fällt das Ende der asphaltierten Flughafenpiste als Schuttschleppe steil in das Tälchen ab. Eine NW–SE–Piste, an der Ostseite nur 10 m von der Bahn entfernt eine durchgehende Steilwand!!! Aus der Bergflanke gesprengte Start–und–Landebahn. Da darf es beim Landen keinen Seitenwind geben, sonst ist es aus. Der Start ist sicher weniger problematisch. Die Westseite zumindest frei und ungefährlich.

Abwärts zu der verlockenden Bucht auf dem alten Weg. Herrliches Wasser, ein kleiner Felsvorsprung teilt die Bucht in zwei Teile. Aus etwa 20 m Höhe blicke ich auf große, dunkle Fische, ein Steinwurf bringt sie in Bewegung.
Ich steige hinunter. Ein Fischerboot liegt nur 300 m entfernt draußen. Das war der Große Jórgos mit Ausflüglern, wie ich später erkannte – wohl die Blaue Grotte angucken, man muss sich ducken, um, auf dem Boot kauernd, durch die niedrige Öffnung hineinzugelangen. (Bei meinem zweiten Besuch sollte ich mir zusammen mit einem einzeln reisenden Römer die fast "psychedelisch" blauen Fluten in der Höhle zu Gemüte führen – fast wäre das Boot nicht gefahren, mit nur 2 Passagieren.)
Zum Baden ist mir die spitzkantige Felsszenerie alleine zu gefährlich, auch die vielen Seeigel schrecken mich ab. Aber eine Traumecke ist es sehr wohl, und meine Zimmernachbarn haben auch ein Bad gewagt, wie sie mir erzählen.

Wieder hochschwitzen und den Nebenpfad der Neugierigen zum Flugplatz einschlagen. Er endet am Pistenende. Alles eingezäunt. Typische 800–m–Piste, wie z. B. auch auf Kássos. Westlich direkt neben der Piste ein riesiges neues Wasserreservoir, ganz offen, daneben ein zweites im Bau. Aber niemand ist da, trotz Wochenmitte – außer einer verstreuten Kuhherde, hübsche Tiere mit dunkelbraun glänzendem Fell.

Umständlich klettere ich über steile Bankette und außen vorbei in weitem Bogen zu einer Teerstraße schon jenseits der Empfangsgebäudeseite. Die gehe ich auch bis zum Ende. Ich gelange zu einem Tor vor einem Gelände mit offenbar unterirdischen militärischen Einrichtungen. Rechts davor geht ein dürftiger Feldweg weiter, wohl bis an die Südwestspitze der Insel. Ich verzichte für diesmal, komme ja bestimmt einmal wieder.

Auf der Teerstraße zurück Richtung Megísti. Erst einmal ist beim Flugplatz noch eine Kletterei über eine Absperrung nötig. Ich war offensichtlich in verbotenes Gelände eingewandert! Dann geht es vorbei an der Kaserne und der unermüdlich den Hauptort von oben her beschallenden Dampframme.

Eine Abzweigung, ein Wanderweg führt von hier zum Paleókastro mit den Kapellen hoch über dem Airport. Verzichte. War schon anderswo hoch oben.

Abends feiere ich mein persönliches Fischfest bei Jórgos und Margaró.

Jórgos, der einfache, vielleicht 60-jährige bescheidene, aber selbstbewusste braungebrannte Mann mit seinen grauen Haarkranz, der Halbglatze und dem schnittigen Schnurrbart. Kerzengerade steht er seinen Mann, ist Bootsbesitzer, Ausflugsveranstalter, Fischer, Tavernenwirt, Grillmeister und Zimmervermieter. Außerdem transportiert er Einheimische wie Touristen zum "Basári", dem Wochenmarkt, hinüber nach Kasch und "versteht es" auch mit den Hafenpolizisten drüben. Man kehrt zurück mit Bergen von Lebensmitteln, nützlichen Haushalts- und Handwerksutensilien, meist viel viel billiger erworben als es in einem griechischen Geschäft möglich wäre.

Margaró – "Was für ein schöner Name!", meinte Papá Minás in Diafáni, Kárpathos – ist seine einfache, gefasst wirkende, nicht unkritische, intelligente, quasi aus dem Küchen-Hintergrund heraus agierende Ehegattin. Sie ist relativ klein, ihre Beine sind etwas nach innen angewinkelt, das Haar schon einmal nach hinten zusammengesteckt.
Selbst ihr einfacher Maroúli-Salat stellt eine Köstlichkeit dar, wegen ihrer Art des Würzens. Beim Kochen helfen sie sich gegenseitig, in die sonntägliche, selbst die österliche Messe geht sie alleine, ihr Festtagsgewand verwandelt sie zur Dame, man ist dann richtig verblüfft. Den unabdingbaren (Nach-)Mittagsschlaf halten sie gemeinsam.
Sitzt man drinnen, fühlt man sich in einer Mischung aus Wohnzimmer, Küche und Klein-Taverne.
Sitzt man draußen an einem der wackligen Tische auf dem recht unebenen Pflaster, freut man sich über das Plätschern der Wellen am Kai, die schwankenden, farbenfrohen Boote, das Grillfeuer mit seiner Fischpalette, den Hafen- und Türkeiblick, den dünnen Strom einheimischer Passanten, vernimmt unbeantwortet bleibende Sätze wie "Pu pás me tin koúkla, Ioánna;" – Wohin gehst Du mit dem Püppchen, Ioánna?". Man spricht sich hier immer an, sieht sich ständig aufs Neue, da fallen auch viele scheinbar belanglose, aber doch liebe Worte, gegenüber einer auf und ab spazierenden jungen Mutter mit Kleinkind etwa – eine echte Kunst, sich stets neue Freundlichkeiten auszudenken!

Ich bearbeite einen großen, langen "Loútsos" (in diesem Fall eine Seehecht–Art) mit wenig Gräten und zartem Fleisch, den Fischnamen spricht der Tavernenwirt wie "Lutschos" aus, deshalb denke ich zunächst, der wird "Loúkios" geschrieben, mit kretischer Aussprache, aber denkste. Ein Prachtexemplar, von Jorgos eigenhändig aus dem Meer gefischt – also nicht wie so vieles in der nahen Türkei eingekauft (wie ich zuerst geglaubt hatte).
Er wollte erst 20 Euro für den Fisch allein, auf mein ehrliches Entsetzen hin ging er auf 10 herunter – ich gab ihm 13. Auf Tilos hätte er mindestens 20 gekostet, direkt beim Fischer.

Die köstlichsten, süßesten Tomaten seit langem! Ich denke mit Grauen an so manche riesigen, unreifen kretischen Exportungetüme derselben Gattung. Türkisches Essen ist manchmal doch entschieden besser.
Klar, Jorgos spricht auch gut Türkisch, davon kann man sich überzeugen, wenn er mal mit "Tourkía" telefoniert. Einmal fragt er mich, was die zweifache Namensnennung in einem der 20 Pässe bedeutet, die er für einen Kaş–Ausflug eingesammelt hat (ganz einfach: der Mädchenname der Frau). Jeder Kaikiskipper muss am Vorabend des Ausflugs auf Listen die Daten der Pässe eintragen, die dann dem türkischen Zollbeamten übergeben werden.
Man kommt hier als EU–Bürger für nur 15 Euro in die Türkei, Personalausweis genügt übrigens! US–Amerikaner müssen angeblich 45 Dollar hinblättern. Witzig: Sogar einen Duty–free Shop haben sie in Megísti, für die meist deutschen Touris aus der Türkei. Und es kommen auch täglich türkische Boote; Man versteht sich sehr gut untereinander. Die türkeierfahrenen Ausflügler werden nicht begeistert sein über die Preise auf griechischem Territorium.

Selten so riesige Spinnennetze gesehen wie hier. 10 bis 15 m Spannweite sind keine Seltenheit. Ich durchtrenne ständig welche, ungewollt, auf dem Wanderpfad. Immer das klebrige Zeug um den Mund, um die Arme. Man sieht, es gehen sonst kaum welche auf Wanderschaft! Und auch hier trifft man gelegentlich auf die großen Echsen, so 30 cm lang, mit ihren dicken Köpfen, bevorzugt in Ruinen oder Steinmauern. Tilos lässt grüßen.

Sehr schön der Wanderpfad ((nach Straßenneubauten oberhalb in späteren Jahren nun teils verschüttet!)) nach Ágios Stéfanos, wenn auch wieder schattenlos. Er beginnt vor der Post hinter dem Hotel Megísti, man steigt am besten beim Kinderspielplatz hoch.
Man nähert sich hier einer türkischen Halbinsel auf nicht viel mehr als vielleicht eine Kilometer, einer Feriensiedlung westlich von Kaş, die Häuser fast schon greifbar nahe, wenn man hinter der Kapelle hochsteigt. Ein uraltes Telefon in einem Nebenraum, und Pritschen ((hat sich inzwischen auch geändert)). 200 m weg von der Kapelle eine wunderbare trichterförmige Bucht ohne Seeigel (!). Mein Badeplatz. Völlig allein bin ich dort. Nur Jachten ziehen ab und zu vorbei. Das Wasser ist noch recht frisch: 18 – 19 Grad vielleicht, und das am 23.Mai. Ziegen starren auf mich herab. Eine blaue Plastikkiste treibt auf dem Wasser.

Am nächsten Abend genieße ich einen noch viel längeren, fülligeren Loútso. Bei dem lässt sich der Kopf wegen des dicken Rückgrates nicht mehr mit Messer und Gabel abtrennen.

Das deutsche Paar ist mittags schon ziemlich gut abgefüllt. Jeden Tag dasselbe. Die Männer nehmen's mit Humor, lassen sich dazubitten auf ein Gläschen, aber die griechischen Frauen zeigen sich nicht gerade erfreut, wenn sich eine Fremde so betrinkt, dass sie auf dem Weg ins Hotel von einem würdevollen armen alten Griechen gestützt werden muss. Aber wenn sie es doch zur Entspannung braucht ...

Ja, die meisten sitzen hier nur im Hafen rum, trinken, essen, gehen schlafen und machen ständig Türkeiausflüge, auch archäologische Busexkursionen ins türkische Landesinnere – bei den herrschenden Temperaturen sicher sehr erschöpfend. Ich empfehle dem exkursionslüsternen Vater meiner Vermieterin (beide Eltern sind gerade da) , doch einmal gesondert nach Dalaman oder Antalya zu fliegen, das käme dann möglicherweise viel billiger als die Türkeifahrten von Griechenland aus und das Leben in GR.

Laute italienische Opernmusik dringt aus der weit geöffneten Tür im Erdgeschoss eines Gebäudes in der Häuserfront direkt an der Uferpromenade, ganz nah dem Platz mit der unteren Kirche, der Eck-Pension und der Telefonzelle.
Drinnen ein Wohnzimmer, ein Mann mittleren Alters hantiert im hinteren Raum herum. Ich wage es Platz zu nehmen auf einem Stuhl draußen neben dem Eingang und genieße die herrlichen Klänge, während die lächelnde Ioánna ihr kleines Mädchen ganz langsam vorbeiführt, sich wahrscheinlich über den ungewöhnlichen Musikgeschmack amüsiert.
Mein unfreiwilliger Gastgeber freut sich, als er mich bemerkt, präsentiert mir gleich all seine CDs, eine kärgliche Auswahl. Er liebe die italienische Oper über alles. Verdi, Puccini, Donizetti, Rossini ... Mein Vorsatz ist gefasst. Beim nächsten Inselbesuch bring ich ihm eine CD mit.

Der Souvenirladen von Damien (sprich: "Deimjänn", Australogrieche) und Monika (Deutsche). Schöne Fotokarten zu gesalzenen Preisen neben den üblichen Artikeln, viele preiswertere und besonders hübsche Insel-Fotos von Leslie aus Tilos, die auch hier fotografiert ((Leslie wohnt inzwischen selbst auf Kastellórizo, im eigenen, behutsam renovierten Häuschen)). Ein Computer mit Internetanschluss ist vorhanden. Offenbar wieder einmal virengeschädigt, trotz Virenschutzprogramms. Aber Damien hat es ganz gut im Griff. Eine nette schwedische Hilfskraft arbeitet bei ihnen. Die Zimmer in der Pension werden übrigens von einer Finnin gesäubert, die ihre Arbeit wirklich prima macht. Täglich Handtuchwechsel usw.

Einige Häuser gehören schon Ausländern. Besonders angenehm scheint mir Luki aus Holland, die sogar einen Abend lang spaßeshalber bei Jórgo und Margaró bedient. Alte Liebe.

Megísti ist für mich eine Art Miniaturausgabe von Symi, weniger Häuserreihen, aber auch viel Verfall. Und es wird schon einiges aufgekauft und renoviert. Irgendwann könnte es hier wohl symiähnlich werden, aber wegen der Abseitslage bestimmt nie so überlaufen, denn es kommen kaum Tagestouristen aus Rhodos.

Viel Ruhe liegt über dem Ort.
Aber den Ruf des Hodschas aus Kaş habe ich nie vernommen. Es befindet sich doch etwas zu weit weg.

Nachts um 23:00 Uhr beginnt die Fahrt zurück nach Rhodos auf der Nissos Kalymnos. Vielleicht 2 Std. Schlaf hab ich. Etwa um 4:30 kommen wir in RHO an. Viereinhalb Stunden gilt es zu verbummeln, denn die "Vitzéntzos Kornáros" von L.A.N.E. hatte bei meiner Ankunft gerade Richtung Kárpathos und Kreta abgelegt, die hell erleuchtete Rückseite schien mir noch entgegen.
Aber ich weiß, dass es jetzt auch ein zweites Schiff gibt, samstags (und auch mittwochs) um 8:30 ((kam damals von Piräus über Kálimnos und Kos, deshalb wohl meist verspätet)), von GA Ferries, allerdings nur nach Pigadia (nicht nach Diafani!), wo es umkehrt. Bin ziemlich müde, und hab über 15 kg Gepäck auf dem Rücken. Ich wandere damit zum Neuen Markt. Schon um halb sechs ist Stávros, der Wirt vom "Paradosiakó Kafenío I Simi", am Werkeln. Gegen sechs nehmen die ersten Gäste Platz. Endlich ein Kaffee. Ich gehe noch ein wenig um den Markt rum, lasse das Gepäck unbeaufsichtigt auf einer Bank, es passiert gar nichts. Der arme deutsche Penner kommt und macht Morgenwäsche in der Toilette von Stavros' Kafenío. Die beiden haben ein gutes, großes Herz.

Die "Marina" kommt erst gegen Viertel vor neun. Sie legt um etwa 9:20 Uhr ab. Ich sehe alle Symi–Schiffe auslaufen, auch die "Nissos Kalymnos" legt Richtung Symi, Tilos usw. ab. Um 9:30 Uhr zischt plötzlich die "Sea Star" (Tilos) aus dem Mandraki–Hafen heraus und überholt alle. Sie ist also endlich in Betrieb! Die Marina biegt Richtung Südwest ab, dicht an der Küste entlang.


Copyright Martin aus M = puchheim = MartinPUC, Juni 2002, August 2006

Erster Besuch auf Kálimnos/Kálymnos