Teil 4: Mílos – gleich noch einmal
Copyright puchheim = MartinPUC, Dezember 2010


Meine Münchner Freunde sind von Athen her nach Mílos gekommen und nicht willens, ein paar Tage Sífnos einzulegen. So bleibt mir nichts anderes übrig, als eben noch einmal die schöne benachbarte Vulkaninsel anzusteuern. Das bedeutet, dass ich auf Síkinos verzichten werde, um später für die Dhodhekánissa noch genügend Zeit zu haben.

Erst um ca. halb vier Uhr nachmittags wird die Speedrunner IV von Kamáres ablegen, das Ticket (immer noch 14 Euro nach Adhámas/Adhámanda) erstehe ich unten im Hafenort bei meinem Vermieter und mache ihm noch ein Kompliment zu seiner herrlichen Unterkunft, worüber sich seine Gesichtszüge erkennbar aufhellen.
Ein letzter kurzer Aufenthalt in meiner Stammtaverne, Abschiedsworte, die Amerikanerinnen packen nach ihrem Sonnenbad auf dem Kai–Beton auch zusammen, die griechischen Jungs vom Café nebenan recken ihre Hälse, das Speedboat schwebt ein und landet an.
Neues Publikum für Sífnos entsteigt dem Schiffsbauch, es interessiert mich nicht mehr – I’m off. Wenn auch in Gedanken noch ein bisschen beim Mákis und den Seinen.

Ein zweites Mal konzentriere ich mich auf das Kirchlein der Panajía Tóso Neró, als wir aus der Bucht heraus und um die Ecke gebogen sind. Unser Kurs geht dann aber schnell ab von der Westseite der Kykladenschönheit. Kímolos rückt näher, später wieder der Durchblick auf die „Krone“ von Políegos, aber da lausche ich bereits Unterhaltungen eines amerikanischen Paares und der von Mílos mit mir abgereisten Gruppe jüngerer und älterer Amerikanerinnen – dessen älterer Part sich bald als Norwegerinnen entpuppt.

Der ältere, wohl von Mílos stammende US–Bürger und seine viel jüngere Gräkoamerikanerin an der umarmenden Seite geben den US–Mitbürgerinnen Tipps zu Mílos und zu einer ganz bestimmten dortigen Unterkunft. So werden sie gleich auf Pollónia im Inselnordosten eingeschworen, werden jedoch von ihrer recht schmuddeligen Unterkunft enttäuscht sein.
Aber zunächst gibt es viele hilfreiche Erläuterungen zu allem, was man vom Achterdeck aus bei der Annäherung an die Insel sieht: Sarakíniko, Pláka, Klíma usw. Der einsame Inselwesten wird ausgeklammert.

Nach höchstens 1 Stunde Fahrt legen wir in Adhámas an, gemächlich an einem ankernden Schiff vorbeidrehend. Ich freu mich auf meine Leute und darauf, mit ihnen zusammen ein Stückchen mehr von Mílo zu erkunden.
H. und H. begleiten mich hinter zum Hotel Thalassítra, wo ich wieder das bereits erprobte Zimmer im 1. Stock des Altbaus bekomme. Und die anderen beiden bewohnen das westliche Eckzimmer mit dem optimalen Ausblick in den Ort hinein. Optimal für H–1 auch, um eine schlimme, hartnäckige Erkältung endlich auszukurieren – es ist beinahe geschafft – Glückwunsch!

Wir exkursieren hinauf zum Kástrofelsen über der Pláka, sehen gleich mehrere Schiffe aus– und einlaufen. Abends vergnügen wir uns nach dem Ouzáki auf einem unserer Zimmerbalkone im Hafenort, genießen ein gutes Mahl in einer auch von den Taxlern empfohlenen Ufertaverne an der Ausfallstraße nach Süd und sehen dem nächsten Morgen mit Freude entgegen.


Inselrundfahrt mit Überraschungen

Die Entscheidung fällt zugunsten von Vangélis’ Autovermietung, der unseres Zimmervermieters, und die ist ein wenig versteckt in der zweiten Reihe hinter der Uferfront am Ansatz der Altstadt von Adhámas. Während bei einer freundlichen Deutschen gebucht wird, schlürfe ich in der nahen Taverne einen köstlichen frisch gepressten Orangensaft. Dann kann’s losgehen.


Abstecher in den Inselsüdwesten

Die östliche Buchtseite entlang, ganz dicht am Ufer, passieren wir die Salzflächen von Alikés mit dem angrenzenden Flughafen und sehen uns bald darauf dem recht hübsch wirkenden Campingplatz mit etlichen Bungalows gegenüber. Viel scheint sich dort noch nicht zu tun.
Unweit des Platzes eine unbeschilderte Straßenverzweigung mit Verkehrsinsel – wer gut im Erraten von Himmelsrichtungen ist, findet problemlos seinen Weg.

Wir gelangen hinab zum Westende des äußerst hübschen Achivadholímni–Strandes, einem einladenden langen grauen Sandband mit genügend Schattenbäumen dahinter. Gleich zur Linken der wunderbare, ja bezaubernde „Muschelsee“ (= Achivadholímni), ein erstaunlich gut intakt gebliebenes Naturparadies inmitten grünster Busch–, Schilf– und Halbstrauchvegetation.
Man glaubt seinen Augen nicht trauen zu dürfen, so saftig knallgrün empfängt einen dieses Eingangstor zum extrem spärlich besiedelten Inselwesten noch im Monat Mai. Eine wahre Wohltat fürs Auge! Wir freuen uns über die ganz unerwartete Schönheit dieser Gegend.
Gemächlich windet sich unser Kleinwagen die Ausläufer der südlichen Bergkette hoch, inmitten all des Grüns, und seine Insassen staunen mit offenen Mündern angesichts der diesseitigen Landschafts– bzw. der jenseits der Binnenbucht sich ausdehnenden Siedlungspracht.
Kapellen, Sendemasten, Windräder werden zum Blickfang auf unserer Seite.

Beim weißen Kirchlein der Ajía Marína angelangt, müssen wir uns für eine von drei weiterführenden Staubpisten entscheiden, die gut ausgebaute Asphaltstrecke ist hier zu Ende.
Ich hab immer noch das Angebot eines der Taxifahrer im Ohr, mich zu einem sprudelnden Wasserfall zu Füßen des höchsten Inselberges zu bringen, deshalb wollen wir mal sehen, ob sich irgendwo ein Anhaltspunkt für das Naturphänomen ergibt.
Wir hätten vielleicht die Abzweigung nach links oben nehmen sollen, eine schlechtere Piste als die anderen beiden. Auf dem mittleren Feldweg, einem bereits breit gewalzten, teerungsbereiten, kommen wir zwar an mehreren kleinen Schluchten vorüber, aber es ist wohl alles noch zu tief unten für einen Wasserfall. Weiter oben vielleicht.
Nach etwa 2 km Kurverei ab der Kirche der Hl. Marina lassen wir uns vom uns folgenden Straßenbaufahrzeug überholen und wenden schließlich. Die „Lagune“ von Rivári muss für die Beifahrer auch nicht sein, so bin ich überstimmt.
Zurück beim Muschelsee von Achivadholímni, vertreten wir uns die Füße und gehen auf Ziegenpfaden auf das Binnengewässer zu. Idyllisch ist es hier in dieser Halbkugelbuschlandschaft, und vollkommen ruhig. In die Schilfzone dringen wir nicht ein, wollen die Fauna nicht stören. Hier lässt es sich wirklich Kraft tanken – alle eingefleischten Mílos–Skeptiker werden vielleicht gerade an diesem Ort ein erstes Mal in sich gehen.

Nur wenig später befinden wir uns etwas oberhalb des Provatás–Strandes an der Engstelle des Inselsüdens. Schon bei der Zufahrt waren es mir zu viele Bauten in der Landschaft, weiter unten ist es nicht viel besser: ich mag einfach entlegenere Strände lieber, nicht solche, wo jeder aus dem Autofenster raus dem Geschehen zugucken kann. Klar, wir hätten etwas westwärts wandern sollen. Das Ostende dieser Provatás–Gegend kann uns jedenfalls gar nicht bezaubern. Schnell weiter!


Weiter in den Inselsüdosten

Wenige hundert Meter nördlich der Alikés–Salzflächen biegen wir Richtung des Binnendorfes Zefiría ab, wo wir ein Stück vor dem Zentrum mit Blick auf die stattliche Marienkirche die Teerstraße nach Südost nehmen.
Eine etwas langweilige, nicht gerade von Schönheit strotzende Ebene, die wir da durchkreuzen. Vielfältiger und hübscher gestaltet sich erst der Anstieg hinauf ins Hügelland. Höhepunkt wird ein Aufschluss, ein ausgedehntes Tagebau–Loch links der bereits wieder bergab fallenden Straße. Vulkangestein in allen Braun–, Rot– und Ockertönen starrt uns entgegen. Schon drehen wir hinab zum Küstenörtchen.

Paliochóri ist weniger ein Dorf als vielmehr eine lockere Reihe von in ihrem Gros verlassen wirkenden Unterkünften und Tavernen. Das gefühlte Zentrum ist offensichtlich der staubige Platz beim Westende des langen Hauptstrandes, der sich vielleicht einen knappen Kilometer ostwärts hinzieht. Hier liegt auch die Bushaltestelle, die im Mai noch nicht bedient wird.

Gleich rechts, blickt man meerwärts, die Taverne Sirócco (Scirocco), unscheinbar und auf den ersten Blick wenig einladend. Vom Strand aus gesehen gewinnt sie an Attraktivität, und der Hungrige begibt sich (tunlichst!) auf die Freiterrasse des Lokals – wir zumindest haben das nicht bereut.
Man hat die Wahl zwischen im vulkanbeheizten Strandsand gegarten oder normal in der Pfanne gebratenen oder gegrillten Speisen. Selten feines, sauberes und leckeres Essen bekamen wir hier serviert! Der griechische Salat war äußerst fantasievoll zubereitet, und die gegrillte Soupiá war ein Gedicht. Ein wohl vollkommen unterschätztes Lokal. Bezeichnenderweise speisten auch die uns für ihre Gourmetgelüste bekannten beiden Schweizer an einem der Tische.

Nun steht ja auf einem der Paliochóri–Strandfotos bei milos–greece.com alles unmittelbar westlich des Scirocco unter Wasser. Das war im Mai 2010 nicht mehr so ausgeprägt der Fall. Man konnte noch etwa 100 m bis zu einem Felsenkap hin auf einem durchaus relativ breiten Strandabschnitt zu Fuß gehen.
Im Schatten eines Felsen ließ ich mich nieder und stakte hinein ins lockende Nass. Es war ein schönes, erfrischendes Bad, nur schwefelresistent sollte der/die Badende schon sein, denn es stinkt stellenweise ganz erbärmlich nach dem Vulkanelement. Ich nehme an, insbesondere an dieser felsigen Steilwand direkt am Wasser mit ihren wunderschön leuchtenden Rot–, Grau– und Weißtönen, dazwischengesprenkelt gelbgrüne Flecken mit Rissen im Fels, aus denen die Erdgase hervortreten, von denen ja nur der Schwefel sinnlich wahrzunehmen ist. Mílos: Einer der Hot Spots des griechischen Vulkanismus, jedenfalls. Zum früher mühelos zu Fuß erreichbaren Weststrand gelangt man nur noch schwimmend oder über einen Umweg von hoch oben, von der Zufahrtsstraße aus. Nachdem ich noch etwas hochgestiegen bin zum Siedlungsteil östlich hinter dem Strand und auch die dortige angerostete Telefonkabine jenseits aller Funktionalität vorfand, begab ich mich wieder zum Platz vor dem erwähnten Lokal und wartete auf meine lieben Mitreisenden. Ab nach Norden!


Querdurch nach Saratschíniko (Sarakíniko)

Ich glaube, es war westlich von Zefiría, wo wir nordwärts auf ein schmales Sträßchen einbogen. Gehöfte und Weiler zu beiden Seiten, nähern wir uns inmitten der Felderlandschaft des nördlichen Teils der zentralen Ebene der Siedlung Ájios Stéfanos. Ganz hübsch die östliche und nordöstliche Bergumrandung, dahinter lägen die Tagebaugebiete der Ostküste.
Gleich hinter der Siedlung einige hundert Meter ungeteerter Holperpiste, uns entgegenkommende Autotouristen staunen wie wir über den unerwarteten Rüttelparcours.
Doch bald ist wieder Asphalt unter den Rädern.
Zehn Minuten später fahren wir auf einer Zufahrtsstraße bis zum Parkplatz über der Sarakíniko–Bucht an der Nordküste der Insel. Einige andere Fahrzeuge sind bereits abgestellt.

Es ist ein echt heißer Maitag. Umso blendender das grellweiße Terrain der Mondlandschaft aus mehr oder weniger rundlich geschliffenem Bimsstein, in das wir nach wenigen Schritten eintauchen.
Meine Begleiter finden es atemberaubend schön. Natürlich finden das auch all die anderen bereits Anwesenden, die auf fein geschliffenen Felsplateaus herumsteigen und die paar Meter hinabgucken in tiefe Einschnitte und hin zu bizarr geformten vorgelagerten Felsen im Meer. Zentrum des Ganzen ist eine fjordartige schmale Meeresbucht, an deren Ende sich ein winziger Strand befindet, der von 5 oder 6 Leuten gut besetzt ist. Wir steigen ebenfalls herum.

Die schmale Bucht setzt sich landeinwärts als begrünter Canyon fort, den ich bis zu einer Steilstufe hintergehe. Dann ist es Zeit, durch eines der aus dem Fels geschnittenen Tore weiter vorne (meerwärts) einzudringen in ein System unterirdischer Gänge mit Nebenhöhlen, der Hauptgang erstaunlich lang, breit und hoch. Ein ideales Lagerhaus für Fischer und wohl auch Schmuggler aus der Zeit der Sarazenen! Die Begleiter richten sich inzwischen zum Baden her, konkurrieren mit den „Massen“ am Winzstrand. Ich gehe langsam im Zickzack wieder hoch Richtung Parkplatz und setz mich auf eine Holzbank unter irgendeinem schattigen Baum etwas oberhalb des Platzes. Einfach zu grell und heiß für mich.
Vor den Kühlerhauben der Autos tief unten der Canyon, den ich begangen habe.


Entspannung an meinem letzten Mílos–Abend

Erst das Ritual des abendlichen Balkonsitzens mit einem kühlen Getränk oder gar einem Ouzáki. Die Stunde, die jeder für sich hat, bevor man sich zusammengesellt. Auch ein bisschen auf der allen zugänglichen Balkonfläche verweilen, die den Innenhof überragt und seitlich ins Land gucken.

Dann der Aufbruch. In der Lagerraumhöhle vor und wegen der Hanglage gleich unterhalb unseres Hauses hantiert Vangelis’ Vater an Fischernetzen herum, hat ein paar freundliche Worte für uns übrig. Hinunter geht es in den Ort, wieder zwischen all den Blumen der Vorgärten.
Wir nehmen Platz im linken der beiden unmittelbar nebeneinandergelegenen Cafés an der Westseite des Hauptplatzes mit dem Taxistand. Auf einer Riesenleinwand wird ein Fußballspiel übertragen. Aus anderen Lautsprechern hämmert auch noch Musik auf die Anwesenden ein. Ähnlich laute Töne lärmen von der Konkurrenz herüber. Man kriegt fast Kopfweh. Die Getränke sind jetzt und hier nicht überteuert, man braucht ja nicht unbedingt einen (überteuerten) Nes bestellen.

Ich dreh anschließend noch eine Runde und besorg mir schon mal das Schiffsticket nach Náxos. Es wird eine herrliche Route werden, mit lange nicht mehr gefahrenen Umwegen. Etwas, worauf man sich trotz der frühmorgendlichen Abfahrt (07:00 Uhr) so richtig freuen kann.

Copyright puchheim = MartinPUC, Dezember 2010

Auf der Ártemis von Mílos nach Náxos