Teil 1: Nach Rhodos
Copyright puchheim = MartinPUC, Juni 2008


Hätte ich gleich den nächstmöglichen und von Aegean empfohlenen Anschlussflug ex ATH nach RHO mitgebucht, wäre ich wieder schwer auf die Nase gefallen. Es ist schon ein Kreuz mit dem 11:15-Uhr-A3-Flug von MUC nach Athína, Ankunft so etwa 14:45 - laut Plan. Die Verspätung betrug diesen 7. Mai anderthalb Stunden, und nun versteht Ihr sicher, warum ich die knapp bemessenen Umsteigezeiten, die Aegean Airlines in ATH einplant, nur mehr mit einem milden Lächeln bedenken kann. Es klappt jedenfalls zumeist nicht, wenn man per A3 Flug Nr. 803 anreist. Nächstes Mal doch besser eine deutlich früher startende LH- oder Aegean-Maschine nehmen, liebe UmsteigerInnen.

Doch ich gehöre ja nicht zu den Weiterfliegern, sondern den Hobby-Seefahrern. Unschwer gelangt man per Bus in wenigstens 1 Std 15 min vom Athener Airport zum Hafen von Piräus, noch immer für/um 3 Euro 20. Wegen der Flugverspätung ist zwar die GA-Fähre schon weg, aber die Blue Star 2, die erst um 19:00 Uhr ablegt, ist sowieso eher in Rhodos, so um 08:00 Uhr morgens herum, also buche ich diese, bei einem netten alten Herrn fast ganz links außen in dem berühmten Schiffsagentur-Hochhäuschen auf der zentralen Mole des Piräus, das nun von dem bestens und sehr dezent restaurierten anderen, höheren Haus mit der Aufschrift "Hellenic Seaways" geschickt verdeckt wird und seine Baufälligkeit nicht mehr so bereitwillig wie früher preisgibt.
Der nette alte Herr und (wohl) sein Sohn eröffnen mir auch die kürzlich erfolgte Preiserhöhung bei Blue Star Ferries. So koste der billigste Sitzplatz nach Rhodos nun gut 57 Euro, und meine Koje in einer Zweier-Innenkabine kommt auf stolze € 93,50 (!). Fliegen wäre billiger, bemerke ich, aber das kann mich als Seemann doch nicht erschüttern, ich mach so etwas nur alle paar Jahre, tröste ich mich.

Gut, dass es gleich bei der Ecke des Hafenbeckens, wo sich jenseits der Straße der Piräus/Peloponnes-Bahnhof befindet, kostenlose Busse gibt, die einen bis zu den äußeren Bereichen des "Piräus" befördern. Mit schwerem Gepäck könnte man die Entfernungen zu den Dodekanes-Schiffen nur mit großer Anstrengung bewältigen, es geht tatsächlich um mehrere Ecken herum, noch ein gutes Stück vorbei an den Kreta-Fähren. Unweit der Sardinia Vera von Kallisti Ferries liegt die Blue Star 2 festgetäut, immerhin noch ein paar hundert Meter weiter drinnen im Hafen, nicht auf einem ganz unverblümten Strafposten dicht vor den äußeren Begrenzungslichtern der Hafeneinfahrt, wie die unerwünschte italienische Fährenkonkurrenz, dennoch weitab vom Schuss, im Vergleich mit den Kykladenfähren.

Beim Warten auf die Abfahrt eines dieser Hafenbusse betrachte ich mit Sorgenfalten die Sea Star aus Tilos, den kleinen Katamaran, der auf Position 142/143 eben genau in der nordöstlichen inneren Hafenbeckenecke auf bessere Zeiten wartet - armes Tilos, deshalb hast du zu dieser Zeit nur 2 Schiffsverbindungen pro Woche mit Rhodos, die Diagóras (ehemals D.A.N.E., jetzt Blue Star) sichert ganz nebenbei das Überleben der Insulaner. Die Protéfs (= Proteus) ist ja auch für längere Zeit ausgefallen, das fleißige Lieschen aus Sími, das ich tags darauf im Außenhafen von Rhodos-Stadt untätig liegen sehe.

Noch ein Telefonat, und schon geht es rein in den Schiffsbauch der Blue Star 2. Es ist erst Anfang Mai, aber bei Blue Star Ferries scheint immer viel los zu sein, im Vergleich zu anderen, älteren Fährgesellschaften. So reihe ich mich also ein in die Warteschlange der Kabinenbesitzer, am Empfangsdesk.
Der Ablegevorgang läuft bereits, als ich mein kartoniertes Cover in die Hand gedrückt bekomme, darin eine Chipkarte, orangene Grundierung, mit unserem Schiff und einem großen blauen Stern drauf, die den Schlüssel der Kabinentür verkörpert. Na denn mal sehen, ob ich - bei dem Preis - alleine sein werde in der Zweierkabine. Nein, werd ich nicht, eröffnet mir gleich der Steward, der mich zu meiner Tür geleitet.
Drinnen macht sich bereits ein junger griechischer Offizier schlaffertig - Donnerwetter, der muss aber erschöpft sein, oder Großes Vorhaben sti Ródho. Wir klären die Bettenfrage - er muss oben nächtigen, laut Steward. Schon um halb neun dreht er sich nach hinten und zieht einen langen Schlaf den kleinen Ausguckserlebnissen einer langen nächtlichen Schiffspassage vor.

Ich begebe mich erst einmal an Deck, die im Piräus liegenden Schiffe bei unserer Ausfahrt per Rückblick zu begutachten.
Die Schnellfähren von NEL Lines gibt es immer noch. Dazu riesige Highspeed-Katamarane von Hellenic Seaways, fast so hoch wie eine "blaue" Fähre. Dann die großen Kreta-Pötte von ANEK und Minoan. Dazu ein paar GA Ferries, Kreuzfahrer und Kleinzeugs für den Saronischen Golf.
Der Hafen ist hinter uns, Rückblicke auf das weiße Häusermeer der Vororte Athens, das sich die Bergflanken hinaufzieht. In der Ferne der Likavittós.

Jetzt ist eine Dusche fällig - für was hab ich denn eine Kabine gebucht? Ach wie gut das tut! Aber schlafen will ich noch nicht.
Happi-happi im großen Self Service des Schiffes, das auch noch ein First Class Restaurant aufzuweisen hat. Der Self ist um einiges besser als etwa bei Goody's, dem Fast-Food-Restaurant auf zumindest 3 anderen [wenn nicht noch mehr] Blue-Star-Schiffen, die nicht so weit fahren wie meines.
Als ich an der Kasse zahle, gebe ich gutes Trinkgeld, und die durchaus noch etwas jüngere Dame wundert sich. Ich sage auf Griechisch, in meiner Heimat sei das so üblich. Wo sie denn sei, meine Heimat? Deutschland. Ha, da habe sie lange gejobbt, oben im Norden, genau gesagt in Hannover. Es habe ihr gut gefallen. Nun sei sie wieder hier gelandet - Achselzucken.

Ich halte durch bis Síros. Ich geh doch nicht ins Bett, wenn ich Seeluft schnuppern kann, endlich wieder, ich Kontinentaleuropäer, weit weg vom Meer beheimatet, üblicherweise den Großstadtabgasen am Mittleren Ring in München ausgesetzt, zur Arbeitszeit!
Dieses Schiff, wie alle anderen der Reederei: Grundfarbe blau, oberer Rumpfabschluss und die Geländer weiß. Ein paar Teile rot, wie etwa die Rettungsringe. Schornstein ocker-orange, darauf beidseitig ein verzerrter blauer Stern. Silberne Abgasröhren ragen heraus. Die beiden Propeller schieben das Vehikel mit 26 Knoten durch die Fluten.

Unvergleichlich: die Nacht durchfahren. Ein Wunder: Ankunft in Ermoúpoli in einem exakten Zeitrahmen, der sich innerhalb von 5 Minuten bewegt. Síros im Abendlicht, Síros-Stadt nachts um halb elf, traumhaft schön, das ist schon Sonderklasse, so ein Anblick. Ja, Áno Síros liegt, vom Hafen aus gesehen, eher hinter als neben dem Hügel mit der griechischen Mitrópoli. Angestrahlt die beiden Gipfelkirchen, die orthodoxe wie die katholische, und die weiß schimmernde Stad ist sowieso erleuchtet. Wie immer ein großartiges Panorama. Menschenauflauf beim Anlegen, Motorräder treffen ein. Auf Síros scheinen sie stolz zu sein auf das Schiff, das von hier bis Rhodos fährt.

Wir fahren gen Patmos. Die Zeit ist egal. Abgehoben.
Patmos und Leros krieg ich nicht mehr mit, da schlummere bzw. döse ich in meiner stickigen, wirklich klein bemessenen, insofern überbezahlten Kabine. Kálimnos wird gar nicht angelaufen, aber Kos, und dort zieht's mich wieder an Deck, kurz nach vier Uhr früh.
Das Hafenkastell, in dem Werner Herzog filmte, im ersten Morgenlicht. Es wird ganz schön viel abgeladen, in Kos-Stadt, immer wieder rollen dieselben Triebköpfe von LKWs aufs Schiff, um weitere Anhänger abzuholen und auf der Mole zu parken. Gut 35 bis 40 min dauert das alles an diesem frühen Morgen.

Unsere Fähre ist schnell. In viel weniger als 3 Std, eher in etwas mehr als zwei, bewältigt sie die Passage zwischen Kos und Rhodos-Stadt. Nähe zum türkischen Festland, wieder die langfingrigen anatolischen Halbinseln. Jalí, Níssiros, dann Tílos rechtsab. Schließlich das von Halbinselarmen umfangene, reich gegliederte Sími mit den vorgelagerten Inselchen.

Längst ist die Roseninsel als langes Dunkel in Sicht, recken sich ihre höheren Bergstümpfe in den Himmel. Eine Silhouette, die sich mir im Lauf der Jahre fest eingeprägt hat. Wir stampfen in den Hafen hinein, legen in der Nähe eines riesigen Kreuzfahrers an, werden bestaunt und fotografiert.

Was also nun? Tun, nun. Nun, tun wir mal das Gepäck ganz langsam zum Neuen Markt vorschleppen, in mehreren Stationen mit Verschnaufpausen, immer am Ufer entlang. Gerade ist ein Katamaran von Dodekánisos Seaways zur Fahrt nach Kastelórizo aufgebrochen, es schäumt und sprudelt hinter ihm her. Wär auch was für mich gewesen, aber irgendwie beschränke und konzentriere ich mich diesmal auf einiges weniges.

Letzte Pause auf einem Mäuerchen vor dem Ansatz der Mole mit den Windmühlen, die den Mandráki-Hafen nach Ost hin begrenzt. Ein bekanntes altes rhodisches Gesicht mit einem ältlichen Kleinlaster pausiert dort auch, vor dem Eingang zur Eleftheriás-Tor-Bastion.
Das Wäldchen vor dem Taxistandplatz ist rasch durchquert, rüber über die Straße, schon trete ich in den Neuen Markt ein, in dem ich mich (nur in zwei ganz bestimmten Lokalen) immer so wohl fühle.

Den großen Rucksack lehne ich gegen einen Tragepfeiler der Dachmarkise des I Oréa Sími.
Ich begrüße (innerlich voller Freude: angekommen!) Stávro, und er grüßt auf seine ruppige Art zurück, spielt wie immer den Indifferenten. Ein erster Nes. An den unteren Außenmauern des schmucken Tempels, dem ehemaligen Fischmarkt, fangen bald Presslufthämmer zu rattern an, die öffentliche Bedürfnisanstalt untendrin ist bis auf Weiteres geschlossen. Es wird verschönert und renoviert. Heute würde ich es hier nicht lange aushalten, trotz der paar gutmütigen Hunde, die hier herumwedeln.
Ich gehe auf Buserkundung, sind eh nur 50 m. Zurück, Kaffee austrinken, zahlen, und schon sitze ich in einem KTEL-Bus nach Jennádhi (Gennádi). Mein Hab und Gut ist unten in einem kleinen Gepäckfach verstaut.

Aufs Neue die bekannte Route durch karge Landstriche Richtung Lindos. Immerhin gut darüber hinaus, diesmal. Noch ahne ich nicht wirklich, um wie viel schöner die Nordrouten mit den RODA-Bussen sein sollten, wenn man weit über den Flughafen hinaus exkursiert.

Copyright puchheim = MartinPUC, Juni 2008

Auf Rhodos:  Nach Jennádhi