Zwei (nicht ganz freiwillige) herbstliche Wochen auf Kreta
Teil 4: Sfakiá–Erlebnisse

Copyright puchheim = MartinPUC, November 2011– Januar 2012


Die KTEL bringt mich ohne Umsteigen bis Chaniá, eine längere Wartezeit in Vrísses wollte ich diesmal vermeiden. Will außerdem unbedingt in einer meiner Lieblingstavernen einkehren.

Höchst zufrieden mit dem Essen bei den Gebrüdern Vounáki steige ich in den Frühnachmittagsbus Richtung Sfakiá. Erst fünf Minuten vor Abfahrt hat der junge Busfahrer die Einstiege geöffnet. Auf dem Beifahrersitz nimmt der „alte“ Pávlos Platz (so alt ist er gar nicht, sein weißes Haar macht ihn älter), offenbar hat er auf der Herfahrt als Fahrer fungiert und darf sich dafür auf der Rückfahrt ausruhen. Die KTEL Krítis zeigt sich da ganz human.
An verschiedenen Haltestellen im Stadtgebiet Chaniás steigen noch eine Menge Leute zu, doch selbst in Vrísses wird der Bus nicht ganz voll sein.
Bis auf ein kurzes Stück die Serpentinen hinter Ímbros runter zur Südküste ist die Straße inzwischen derart verbreitert, dass sie ziemlich problemlos befahrbar ist, ein hohes Maß an Konzentration ist natürlich erforderlich, in erster Linie wegen der zahlreichen Haarnadelkurven.
Wieder bin ich mit der fast unwirklich erscheinenden Szenerie des sonnendurchfluteten kahlen Küstenstrichs der Sfakiá mit den vom Dunst des Meeres leicht verhüllten Schemen der beiden Randinseln Südeuropas konfrontiert. Dabei wirkt die Schönheit und Weite des grünen Gebirgsvorlands mit dem Anblick der höheren Gipfel hinter Vrísses noch immer auf mich nach.

Gut zwei Stunden muss ich mir in Chóra Sfakíon irgendwie vertreiben, bis ich die letzte Fähre nach Loutró nehmen kann.

Pandelítsa hat noch mehrere Zimmer frei, kein Problem. Sie stöhnt auch nicht mehr, als ich ihr sage, ich bliebe (nur) drei Tage. Unmittelbare Zimmernachbarn hab ich keine, es sind gar nicht so viele Leute anwesend. Doch abends ist die kleine Taverne unten vor dem Haus relativ gut gefüllt, zumindest die überdachte Terrasse. Die Riesenportionen frisch geschlachteten Grillfleisches und die reichlich gewährten Nachspeisen inkl. ausnehmend guten Ratschís ziehen nicht nur Hausgäste, sondern auch Einheimische an.
Morgens, gegen Abend und nachts verbringe ich immer eine gewisse Zeit auf meiner Privatterrasse, die einen tollen Rundblick über die Bucht und die Küste lang bis Chóra Sfakíon gewährt. Ein wunderbares Plätzchen, nur schade, dass gerade mein Sonnenschirm so arg verschimmelt ist.
Schön auch die draußen hinter den Zimmern an der blütengeschmückten, weiß getünchten Wand des Durchgangs zur allgemeinen Verfügung platzierten Nützlichkeiten: Nicht nur ein großer Mülleimer und eine lange Wäscheleine mit Klammern, sondern auch zwei Plastikschüsseln für die kleine Privatwäsche. So bleibt es mir erspart, nach einer Schüssel zum Kleiderwaschen zu fragen.


Vorbeischaun in Líkkos (Lýkos) und Livanianá

Meine erste Exkursion gilt wie gewohnt der Gegend westlich von Loutró.

Auffallend, wie jetzt der hinter den Häusern der Fínix–Bucht hügelauf abzweigende Wanderweg eingezäunt ist. Die Großfamilie legt Wert auf ungestörten Weidebetrieb. Den steinigen Pfad zur Höhe hinauf, durchs kleine Gatter, dann runter zur Erdstraße, nicht mehr wie früher nach links weiterklettern.

Weidetiere laufen herum, der Schäferhund wird von einem Familienmitglied in Zaum gehalten, fünf Autos stehen oberhalb des Häuserkomplexes von Nikos’ Small Paradise geparkt. Ein Haufen bereits abgenagter Zweige türmt sich neben dem Weg.
Also die vielen Treppenstufen zwischen den Häusern runtersteigen. Noch relativ weit oben kann ich schon einmal die María begrüßen, Nikos’ Frau.

In der hinteren Terrassenecke vor der Taverne sitzen die Herren der Familie inkl. Manólis, dem Mandolinenspieler, und der Großmutter. Klar, ihr Gedächtnis ist groß, sie erinnern sich an mich. Allgemeine Begrüßung. Nur Eidheen (ich schreib den Namen wieder so, so lässt er sich leichter sprechen), Theos irische Frau, ist leider nicht anwesend. Dafür ein Teil des Nachwuchses plus mindestens ein lieber Hund. Ein Begrüßungs–Rakí wird kredenzt.

Traditionsgemäß, d.h. meiner eigenen Tradition folgend, habe ich mich an einen der vorderen Tische über dem nahen Strand gesetzt, noch leidlich von der Terrassenlaube beschattet. Deutsche links und Deutsche rechts, lauter gestandene Leute, kein Freak aus früheren Äonen. Vielleicht auch inzwischen zu soliden Bürgern transformierte Ex–Freaks.
Es entwickeln sich nach kurzer Zeit nette Gespräche. Gerade das gefällt mir hier so gut, Einzelreisende sind insofern bestens aufgehoben.
Ausführlich erfahre ich von einem Augenarzt, woran das deutsche Kassensystem krankt, und viel Interessantes mehr. Manche Gesichter scheinen mir recht bekannt, es handelt sich um Wiederkehrer wie mich, mit dem Unterschied, dass sie alle hier wohnen. Auch eine jüngere Familie wirkt sehr sympathisch, wir kommen ins Gespräch, doch sie begleichen leider bereits die große Rechnung, müssen abreisen. Per Boot werden sie nach Loutró gebracht, das gehört zum Service.

Ja, seit Jahren tummeln sich in Líkkos nicht wenige Familien mit kleinen Kindern, trotz des nicht so tollen Strands – aber für einen kühlen Schwumm reicht es allemal, für ein Sonnenbad sowieso. Man fühlt sich wohl in dieser abgelegenen Umgebung, die kretischen Familien mit etlichen Kindern scheinen auch Touristenfamilien anzuziehen. Und insbesondere Theos und Eidheens Herzlichkeit trägt Früchte.

Stunden versitze ich an diesem idyllischen, alles andere als überlaufenen Plätzchen, nehme auch ein Essen ein. Meist ereignet sich irgendetwas Bedeutenderes während dieser Verweilzeit.
Heute ist das wirklich was Besonderes: „Carétta, Carétta!“ ruft Jórgos, der Konkurrenzwirt des nahen Akrogiáli, vom Landungssteg herauf. Aha: Caretta caretta! Die bekannte große Meeresschildkröte, die sich mit der Eiablage an von Menschen überlaufenen Sandstränden zunehmend schwerer tut. Eine größere Touristenschar begibt sich eilends zum Anleger, ist entzückt, fotografiert wie wild rund um die Mole herum. Langsam und schräg treibt bzw. paddelt das Tier dicht unter der Wasseroberfläche lange genug herum, sodass wirklich alle genügend Zeit zum Betrachten haben. Besonders Sachkundige behaupten, das Tier sei in dieser Gegend nichts Seltenes. Aber ich zweifle, denn noch nie hab ich ein anderes Exemplar in der Nähe gesichtet.

Aufbruch Richtung Livanianá, dem Dörfchen dort oben am Hang. Selbst wenn man den sehr steinigen Wanderweg meidet und den bequemen Feldweg nimmt, dauert es doch eine halbe Stunde nach dort oben, dem Einstieg in eine großartige Bergwelt.

Die letzte Rampe, der eigentliche Abzweig nach links in die fast verlassene, von hohen Bäumen abgeschirmte Siedlung ist sogar geteert. Zeitgleich mit mir ist ein deutsches Touristenpaar per Auto eingetroffen. Erneute Konversation, Ermunterung, doch nach Líkkos runterzufahren.

Steige erst einmal ein wenig im Dorf herum, bevor ich mich in die Taverna Livaniana von Tilman begebe, dem „Umsteiger“ aus der SW–Ecke unserer deutschen Heimat. Ein sehr eigenartiges Gast– und Kaffeehaus! Schon draußen zeichnet es sich durch Anderssein aus, zahlreiche unterschiedlichste alte Schuhe zieren als gut verteilte Anklebsel in Abständen den Gitterzaun der Eingangsseite. Spannend!
Das betagte Piano drinnen links im Garten erweckt zusätzliches Staunen. Ein Schlauch von etwas wirrem Gastgarten (er ist mir von viel früher bekannt), dann die Privaträume, gleich im ersten eine schöne Stereoanlage, wie man sie früher hatte.
Der Typ nimmt einen gleich gefangen, zieht einen in seinen Bann, irritiert einen zumindest, dabei gibt er sich insgesamt ganz bescheiden. Klar, dass es ein ziemlich ausgefallener Mensch ist, den man an diesem Ort nicht unbedingt erwartet hätte. Anwesend ist auch eine Hilfskraft, ein weiterer, jüngerer Deutscher mit viel weniger Ausstrahlung. Auf dem Tisch ein Buch mit Zeichnungen.
Mal hier gucken: www.livaniana.de Man vergisst sogar die herrliche Aussicht übers Libysche Meer, denn gleich bahnt sich ein interessantes Gespräch an (– wenn Sie nicht gerade sehr egozentrisch sind und/oder definitiv ihre Ruhe haben wollen).
Als noch ein netter holländischer Intellektueller und seine ruhige Frau hinzukommen, ist die Runde komplett. Einer setzt sich sogar kurz ans leicht verstimmte Klavier.

Man erfährt von denkwürdigen Vorkommnissen. Anlässlich des Erd– und Seebebens vor Fukushima im fernen Japan hätten sich die Tiere in der Umgebung ganz anders benommen als sonst, scheinen das Beben selbst aus dieser Entfernung gespürt zu haben. Einmal seien mehrere kretische Flintenträger aus einer fernen Stadt erschienen und hätten nach den vielen Tauben der Ortschaft gefragt, sie abzuschießen. Just an und nur an diesem Tag habe man nirgends mehr Tauben gesichtet, somit waren auch keine zu jagen.
Berichtet wird auch von einer berühmten amerikanischen Burger–Kette, die bei den Kretern nicht sehr hoch im Kurs steht. Die Macs hätten trotz expliziter Warnung dennoch eine Filiale in Chaniá gebaut – sie wurde prompt in die Luft gesprengt.

Inzwischen lebt neben Tilman und dem Münchner Sarden Ítalo noch ein weiterer Deutscher im Ort, er hat sich ein altes Haus gekauft. Unweit des Ortsrandes Richtung Anópoli hat noch eine Schweizerin mit Kind ihre Bleibe. Vielleicht kommen nach und nach andere hinzu, das ehemalige Dorf wiederzubeleben, wer weiß?

Wunderbar, wenn ein Mensch nicht einmal Kronkorken in den Müll schmeißt. Tilman sammelt sie getrennt und führt sie einem Recycling zu, da frag ich mich allerdings, wo auf Kreta. Jedenfalls gefällt es mir, wie hier auf die Umwelt geachtet wird.

Solchermaßen moralisch aufgerüstet, steige ich ins Dorf hoch und darüber hinaus, passiere dabei den anderen hier ansässigen Deutschen, der mit jemand irgendwas aushandelt, wohl das Haus betreffend.

Statt bei der Felsfläche geradeaus weiterzugehen hin zum Einstieg in die große Schlucht, wende ich mich nach rechts und folge im Zickzack einem alten Maultierpfad um eine Felsnase herum und hoch in entlegenere Gefilde. Was für ein herrlicher Wanderweg! Starke Erinnerungen an früher, in Begleitung, auf derselben Strecke.
Da: Ein Riesenvogel streicht über mich hinweg! Keine A–380! Nein, einer dieser Geier–Kolosse, Spannweite gut 2,50 bis 3 Meter, die ich früher für Adler gehalten habe. Tilman hat von Lämmergeiern gesprochen, da hat er sich m. E. aber getäuscht. Mehr und mehr dieser Vogel–Getüme tauchen auf, ziehen ihre Kreise über dem Ödland. Und ich geh weiter leicht bergauf auf schmalem Pfad, bis ich endlich die Straße von Anópolis her erreiche. Da hätte ich stark abgekürzt gehabt, ginge ich nun diese Straße bergauf weiter. Auf dem Rückweg die Piste hinunter dauert es ziemlich lange, bis Livanianá wieder in Sicht kommt. Nur wenige hundert Meter sind noch nicht geteert, fast alles ist fertig – bis Livanianá.

Was mich in erneuten Bann zieht, sind die Geier, die weiterhin meinen Weg begleiten. Als ich um eine Ecke biege, seh ich zu meiner Verblüffung gleich fünf von ihnen auf einer nahen Felsenspitze nebeneinander sitzen und rasten. Später finde ich heraus, dass Lämmergeier (= Bartgeier) meist Einzelgänger sind und in höheren Bergregionen leben. Ihre Flügel sind schmaler, der Schwanz länger als beim Gänsegeier. Deshalb, und bei genauerer Betrachtung von Federfarbe und Schwanzform, kann es sich hier auch nur um Gänsegeier gehandelt haben. Ein wohl nicht alltägliches Erlebnis, doch auch früher schon hab ich hier und unten am Sweetwater Beach Geier gesichtet.
Wie ich von Astrid Scharlau, Azalás, Ostseite von Náxos, weiß, soll es übrigens auch auf der Insel Náxos immerhin ca. 30 Exemplare dieser Geierart geben. Und auf Kreta sehr wohl auch noch Lämmergeier, allerdings meist in höheren Gebirgsregionen, obwohl so mancher welche in den Schluchten der Sfakiá gesehen haben will.

Genug erlebt für heute, als Dreingabe hab ich ja noch den steinigen Pfad zurück nach Loutró durch eine archaisch anmutende Landschaft.


Umzug nach Chóra Sfakíon

Unverblümt vergrault und für ein paar Sekunden betont missmutig nimmt man vor dem Stávris zur Kenntnis¸ dass ich als alter Stammkunde schon wieder nach Loutró ausgebüchst war – wo das doch überhaupt nichts zu bieten habe, im Vergleich zum Hauptort der Sfakiá.
Sehr bald beruhigen sich die Gemüter wieder, ich möchte ja drei Nächte bleiben, und Aristotélis konfrontiert mich mit der Frage: „Thélis káti romantikó?“ Gemeint hat er ein Zimmer mit besonders hübscher Aussicht. Ich sag mal ja.
Nicht ins alte Haus lenkt er seinen Schritt, nein, in ein ganz neues, dessen oberer Zugang quasi hinter der Kapelle neben dem Tamariskenbaum versteckt liegt.

Sie scheinen mir das allerschönste Zimmer zu geben, in ihrer Neuerwerbung, einem mehrstufigen Hausgebirge, auf dessen hafenwärtiger Hauptfassade noch in großen schwarzen Lettern Alkyon geschrieben steht.
Mein Zimmer hat einen netten kleinen überdachten Balkon und ein Seitenfenster. Man hat wirklich den gesamten alten Hafenbereich und fast die gesamte Ufermeile bis hinüber zum letzten Molenhaken und hinauf zum Wald beim Busparkplatz im Visier. Mir sollte das bald regelrecht zu viel werden, es ist nicht jedermanns Sache, derart viele massierte Eindrücke gleichzeitig in sich aufzunehmen, anderen aus überhöhter Schrägposition bei ihrem Balkontreiben zuzusehen und selber in exponierter Warte von zahlreichen Passanten angestarrt zu werden.
Aber es war wirklich gut gemeint vom netten Aristotélis, dafür musste ich ihn loben. Wenn ich aber ehrlich bin, muss ich zugeben, um wie viel besser es mir im alten Haus des Stávris gefällt, mit weniger umfassendem Blick. Die eine Seite Richtung Loutró ist dort natürlich die Krönung, möglichst in einem der beiden oberen Stockwerke.

Ein bunt gemischtes Publikum ist beim Frühstück vertreten, nicht nur Deutschsprachige. Einige davon über Attika Reisen eingebucht, man merkt es daran, dass sie per Taxi eintreffen und auch als Einzelreisende eigens von einem Taxi wieder abgeholt und zum Chaniá Airport gefahren werden.
Andere sind eher typische Einmalübernachtungsgäste, die nur einen kurzen Stopp einlegen, um tags darauf gleich mit dem Mietwagen weiterzuziehen.
Doch es gibt auch Langzeiturlauber, wie z.B. die geschätzte Wiltrud, die mindestens zweimal im Jahr für einige Wochen vorbeikommt. Oder eine liebe Wienerin aus der Filmbranche, begeisterte Schwimmerin, die gleich die Ohren spitzt, als ich einen ihrer Lieblingsregisseure, Emir Kusturica, erwähne, der eine der Hauptrollen in dem Film „Nikóstratos Pelekános“ spielt, dessen Dreharbeiten ich im Mai 2010 kurz live auf Sífnos mitverfolgt hatte.
Dazwischen dann solche wie ich, die wenigstens drei oder vier Tage bleiben.

Gerne sitze ich immer an der Fensterfront vor der Ufertaverne Lefká Óri von Andreas Fasoulákis und seinen beiden Söhnen Jánnis und Jórgos. Es ist auch das Stammlokal von Peter Trudgill, dem Autor des wundervollen und stilistisch ausgefeilten Buches In Sfakiá, das man unbedingt im englischen Original lesen sollte, denn die deutsche Übersetzung weist einige Schwächen auf, und die vielfach vertretene feine Ironie, der Witz sowie die puns des Englischen sind in ihr einfach nicht immer darstellbar. Peter und seine Frau Jean sind jedoch gerade nicht auf Urlaub in ihrer Lieblingsgegend.
Das Nachbarlokal zwanzig Schritte weiter, noch vor der Taverne des Xenía, hat die Familie Fasoulákis inzwischen aufgekauft und zum Hafencafé für Touristen umfunktioniert.
In einer Ausbuchtung der äußeren Servierküche der Taverne werden die Speisen zur Schau gestellt, die tief drinnen hinter dem Gastraum zubereitet wurden. Vielleicht ist das Essen im Livikón eine Spur besser, aber wohler fühle ich mich doch seit Urzeiten hier. Ein kommunikativer Platz, die wenigen Bekannten, die zugegen sind, streunen immer wieder mal vorbei oder kommen auf ein Essen.
Klar hab ich diesmal auch im Livikón zweimal traumhaft gut gegessen.

Wenn wir schon beim Essen sind: Erstmals hab ich die Taverne The Three Brothers über dem Vrísi Beach ausprobiert (dem Strand, wo Jean übrigens mal einen riesigen toten Geier beseitigt hat). Es war wohl der letzte Öffnungstag im Jahr gewesen, und eine Kleingruppe russischer Bedienerixe inkl. Köchin sorgte für die wenigen Gäste. Die Russin erwies sich als begnadet am Herd, meine Garídhes auf Nudeln schmeckten einfach himmlisch.

Nach wie vor treibt mich die Sorge um, irgendwann mal mit der Prévelis von der Großinsel wegzukommen. So studiere ich mehrmals täglich marinetraffic.com und Konsorten auf dem von der Familie Perrákis in der Mischung aus Tresenraum und Rezeption zur Verfügung gestellten PC. Er wird am laufenden Band von Hotelgästen genutzt, und ebenso, neben einem zweiten Gerät in unmittelbarer Nachbarschaft, von Stávros junior und Jórgos junior.

Ach ja, diese beiden Junioren der Familie. Mit gleichgültiger Miene sitzen sie da, die Lustlosigkeit in Person, hochgradig gelangweilt, grüßen, wenn es hoch kommt, gerade noch kurz und geben ansonsten keinen Pieps von sich. In Facebook sind sie zu Hause, scheinen nicht wenig Zeit darin zu verbringen. Natürlich sind sie noch in einem Alter, in dem es andere zu beeindrucken gilt. Stávros jun. stellt seinen teuren, nagelneuen schwarzen BMW schon einmal vors Haus, claro. Da staunen einige der Gäste aus ärmeren (mitteleuropäischen) Regionen nicht schlecht. Doch die Fraktion der bereits in die Jahre gekommenen touristischen Residenten kann in Sachen fahrbarer Untersatz wohl gut oder zumindest irgendwie mithalten.

Gar nicht wohl fühlt sich der Ehegatte eines deutschen Paares, das ich kennengelernt hatte. Er klagt über starke Rückenschmerzen. Aristotélis bietet sofort schwere Kaliber von Schmerzmitteln an, Voltaren 100, oder so, jedenfalls die stärksten dieser Marke. Zwei Tage vor der Rückreise nach Deutschland hat die Psyche wohl durchgeschlagen. Der Mann zieht sich aufs Zimmer zurück. Ich mache einen Spaziergang mit der Frau ins obere Dorf.
Lange nicht mehr dort oben gewesen. Aber man findet sich schnell zurecht, denn alle Wege führen hinauf, irgendwie.
Der meiste Staub ist aus diesem Ortsteil verbannt. Stattliche Wohnhäuser säumen unseren Weg. Hunde trippeln vorbei und werfen uns neugierige Blicke zu. Gelegentlich ein Saumpfad zwischendurch. Die kleinere alte Kirche linksab. Wir aber steuern auf die aus der Ferne so groß wirkende exponierte Ágii–Apóstoli–Kirche (wohl aus dem 15. Jahrhundert) ganz oben zu. Obwohl bereits einsturzgefährdet und nicht zugänglich, ist sie doch eine imposantes Bauwerk. Der seitliche Glockenturm auf ruinösem Unterbau erweckt mit seinen Rundungen den Anschein, als wäre er von keinem Geringeren als Gaudi (Barcelona) gestaltet worden.
Vom Vorplatz bzw. der leeren Fläche hinter dem Kirchlein aus haben wir einen schönen Rundblick über den Ort und das unmittelbare Hinterland bergwärts.


Kurztrip nach Anópoli

Auf der inzwischen supergut ausgebauten, verbreiterten Teerstraße gehe ich die Küste entlang westwärts, störe ein paar verirrte Ziegen hinter der meerwärtigen Leitplanke auf, luge kurz in die Ílingas–Bucht mit ihrem schönen Kieselstrand hinunter und lege einen kurzen Stopp bei der ersten Serpentine mit dem Abzweig des Wanderpfades zum Gliká–Nerá–Strand, dem Sweetwater Beach, ein.
Kaum bin ich wieder aufgebrochen, reagiert bereits ein Touristenpaar aus Deutschland auf mein Handzeichen und nimmt mich mit. Wie die küstenparallele Strecke, sind nun auch die Serpentinen hinauf nach Anópoli sehr gut ausgebaut. Stark verbreitert, haben sie an Schrecken für den Autolenker verloren. Die Fahrt ist dennoch weiterhin Konzentrationssache. Nichtsdestotrotz unterhält sich der Fahrer mit mir. Mag sein, dass ich schon einmal in früheren Jahren von ihm mitgenommen wurde.

Auf dem Platz vor dem Plátanos mit der selbstbewusst dreinschauenden Daskalojánnis–Büste steige ich aus, das Paar fährt weiter zur Arádhena–Schlucht und vielleicht bis Ágios Ioánnis.
Wegen des nicht allzu guten Wetters setze ich mich erst an einen der wenigen Tische im Innenraum der Taverne, werde von den freundlichen, leuchtenden Gesichtern der Besitzerfamilie angestrahlt. Es sind ausnehmend nette und sympathische Leute, bei denen man immer wieder gerne vorbeischaut. Kein Wunder, dass die Zimmer im ersten und zweiten Stock häufig voll sind, belegt von Wandergruppen auf der Durchreise oder erklärten Anópoli–Fans. Auch ich habe hier schon zwei Nächte verbracht.
Nachdem ich einen wärmenden Tee zur mir genommen habe, zieht es mich doch nach draußen, an die Touristentische. Eine Markise schützt gegen den immer wieder mal einsetzenden Nieselregen.
In Abständen treffen immer neue Autotouristen ein, umrunden die Büste in der Platzmitte, lassen sich von dem ziemlich mickrigen „Loutró“–Schild irritieren und biegen (jeder Zweite!) tatsächlich da hinter südwärts ab, fahren bis zum bitteren Ende gleich unterhalb der Aussichtskapelle der Agía Ekateríni, drehen, ahnungslos den herrlichen Rundblick von nur wenige Schritte weiter oben über die Küste der Sfakiá und hinein in die Lefká Óri missachtend, sogleich um und tauchen, gebranntes Kind, fünf Minuten später wieder neben dem Plátanos auf. Ein paar fragen dann aus dem Autofenster heraus nach dem Weiterweg, andere schnallen es von selbst und finden bestimmt hin zur legendären wackeligen Brücke über der langen, tiefen Schlucht. Doch erst einmal gilt es die versammelte zudringliche Hundemeute entlang der Straße hinter sich zu lassen.

Auf unerschrockene, angriffslustige Bellos hab ich keine Lust, wähle deshalb einen Weg nordwärts. Kurz vor dem Dörfchen Limniá, einem weiteren Teil der Gemeinde Anópoli, dreh ich wieder um, vorbei an umzäunten Gehöften mit Oliven und einer Menge Hühnern und Schafen. Irgendwie bin ich heute nicht darauf erpicht, dauernd von den Bauernhunden verfolgt zu werden, die natürlich auch die Gässchen von Limniá verunsichern.
Mit Schaudern denke ich an eine diesbezügliche Erfahrung zurück, als ich einmal im frühen April den Pfad von Loutró aus hochgestiegen und in das noch winterlich perfekt umzäunte Großdorf mit seinen weit verstreuten Siedlungsteilen eingedrungen war. Kaum hatte ich das Gatter wieder geschlossen, fingen die sich frei auf der Straße herumtreibenden Hunde schon zu bellen an. Und ich musste kurz darauf an allen vorbei, ein echtes Spießrutenlaufen. Nur gut, dass sie mittlerweile an durchziehende Wandersleute gewöhnt sind. Aber ihr Platzrecht nehmen sie sehr wohl noch wahr, machen auf sich aufmerksam.

Ob ich wohl per Anhalter wieder nach Chóra Sfatschoú zurückkomme? Geht nicht gleich.
So marschiere ich also Richtung Ortsanfang. Links eine beliebte Pension mit Leihautos davor. Rechts die bekannte Bäckerei. Dann das urigere Stück zwischen Feldern. Dann die vereinzelt stehenden Häuser, mal links, mal rechts des Weges. Ich weiß genau, aus welchen unscheinbaren Mauerzwischenräumen heraus ich schon einmal von einem Schäferhund fast zu Tode erschreckt wurde, warte nur darauf, dass es wieder geschieht.
Das Tierchen ist jedoch weitergezogen, knurrt mich erst nach 200 m von Weitem aus an. Dafür springt ein pechschwarzer Köterkollege für ihn ein, der mir unbedingt beweisen muss, dass ich an seinem Revier vorbeitrotte. Mein Wanderstock ist bereit, aber es kommt doch nicht zum Schlimmsten. Ist auch besser, die Taktik „Ich–bin–ein–unerschrockener–kretischer–Bauer“ anzuwenden. Steifen schnellen Schrittes zieh ich meines Wegs, der Stock klappert besonders laut auf dem Asphalt.
Erst nach Passieren der letzten bzw. ersten beiden Unterkünfte links/rechts des Weges kann ich mir sicher sein, es unbeschadet geschafft zu haben.

Ein Stück vor mir überquert ein Schäfer mit seinen Tieren die Straße. Der zugehörige Hütehund ist so schnell verschwunden, wie er sich kurz gezeigt hat.
Wieder im Geierland, direkt oberhalb von Sweetwater Beach. Das Warten auf in meiner Richtung fahrende Amáxia beginnt, während ich weitergehe.
Im Plátanos haben sie mir wieder (wie schon mehrmals die Jahre zuvor) von dem Bus berichtet, der Schulkinder zum Hauptort runterbringt. Ich weiß also, dass bald einer kommen wird, hab schon mehrmals einen erwischt.

Erst 500 oder 600 Meter bin ich bergab gestiefelt, da höre ich oberhalb von mir ein Brummen. Ein blaues Gefährt steuert auf das von mir soeben umkurvte Serpentinenende zu. Ich positioniere mich.
Es ist ein Minibus, einer ganz ohne Schüler. Sein Fahrer, ein total netter junger Typ aus Chaniá, macht den Rückweg ganz alleine. Da hab ich wohl etwas missverstanden, vielleicht hat er Schüler raufgebracht.
Ein Gespräch entwickelt sich. Mr. X kommt schultäglich vom weiten Chaniá her, um seine Schulkinder rumzukutschieren. Nach getaner Arbeit fährt er wieder in die Großstadt zurück. So viel leistet sich der Staat also für ein paar Schüler.
Interessant ist, dass mein Fahrer Mitglied eines Mountainbiker–Teams ist, das bei internationalen Wettbewerben teilnimmt. Er trainiert in den Weißen Bergen. Und neulich waren sie alle zusammen sogar in Berlin, auch bei irgendeinem Radsportereignis.
Zu einigen meiner Lieblingsinseln muss ich mich nun schon bekennen, aber Kreta ist ganz vorne mit dabei, und der Chanióte ist zufrieden.


Nach Komitádhes

Eine allein reisende Deutsche, mit der ich erst kurz vor ihrer Abreise über Wiltrud ins Gespräch kam, hat ihr letztes Frühstück serviert bekommen und wartet auf ihr Attika–Reisen–Taxi zum Flughafen.
Kein Problem, ich darf ein Stückchen mitfahren, geb dem sich heftig wehrenden Fahrer am Ende noch zwei Euro für einen Kafedháki. Die Frau amüsiert sich köstlich über diesen Zweikampf.

So steh ich nun vor der geschlossenen Taverne beim Abzweig nach Frangokástelo und lasse mich von zwei scharfen Hunden hinter dem Zaun ankeifen.
Nicht weit von hier biegt ein Feldweg nach Süd ab. Den nehme ich, will erst einmal zur zweischiffigen Panagía–Thymianí–Kirche gelangen, die in splendid isolation mit ihrem strahlenden Weiß und dem rötlichen Ziegeldach aus der kargen Küstenlandschaft herausragt.
Die letzte Wegkurve, dann steh ich vor dem einen (von zweien) Zugangsgatter zur Kircheneinfriedung, dem Friedhof mit noch viel Freifläche, der das Gotteshaus umgibt.
Aus etwa 1 km Entfernung (Luftlinie) lugt das Dorf Komitádhes, eingebettet in ein dunkelgrünes Ölbaummeer, zu mir herüber. Besonders frühmorgens herrscht eine wohltuende Stimmung und Stille über diesem Landstrich, man sollte insofern noch besser den Frühbus um sieben von Chóra Sfakíon her nehmen.

Die hübsche Kirche mit dem Glockentürmchen sozusagen im V–Ausschnitt der beiden Dachgiebel ist leider verschlossen. Man kann lediglich einen verschwommenen Blick durch eines der vergitterten Fenster werfen.
Wie einige alte Reliefreste zeigen, ist es eigentlich ein Kirchenneubau auf den Ruinen einer im frühen 19. Jahrhundert von den Türken zerstörten Vorgängerkirche. An dieser Stelle, einem vormaligen Kloster, soll sich ja das kretische Revolutionskomitee getroffen haben, das die Teilnahme am großen griechischen Aufstand von 1821 gegen die türkischen Besatzer beschloss. Und schon früher war sie eine Versammlungsstätte, an der wichtige Beschlüsse der Sfakioten gefasst und Recht gesprochen wurde(n).

Heutzutage geht man hier durch ödes, steiniges, karges Weideland, die Tiere sind meist in großen Grundstücken eingepfercht.
Ich kurve den staubigen Weg küstenwärts hinunter, bis mir eine Ziegenherde in Ruheposition den Weg versperrt. Bei meiner Annäherung springen die ersten Tiere zwar auf, doch ich will ihnen ihre Ruhe lassen.
Die recht tief eingefurchte längere Schlucht zu meiner Linken war schon beeindruckend gewesen. Bald hätte ich die Küste erreicht, aber was soll’s. Es hätte mich bestenfalls ein zerklüfteter Felsenstrand erwartet.

Auf dem Rückweg komme ich wieder an der Kirche der Panajía vorbei, wende mich dann ostwärts, weiter unten mündet ein anderer Feldweg ein, den ich Richtung Dorf hochwandere, bis ich vor einen Höhlenkirche stehe. Wenige Schritte weiter beginnt das Olivenland, doch zuvor muss ich etwas mühsam ein großes Gatter öffnen und wieder verdrahten.
Ich trete ein in einen kühlen Grund, wie er in der deutschen Dichtung geschildert werden könnte, beschattet von riesigen Oliven. An der tiefsten Stelle quert mein Weg eine feuchteres Areal, im Winter bestimmt ein Wasserlauf. Dann steigt der Weg wieder an. Auf der Höhe biegt links ein Pfad ab, den ich nehmen muss, denn ich suche ja ein altes Kirchlein im Abseits.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde es gebaut, dieses nun graue, unscheinbare Einraumkirchlein des Ágios Geórgios mit dem aufgesetzten Ziegeldach. Es ist ummauert, man tritt, wenn man wie ich von Süd her kommt, durch eine niedrige Maueröffnung in den bescheiden dimensionierten Vorhof. Keine andere Menschenseele stört die Ruhe über der heiligen Stätte.
Trotz der relativ neuen, unverschlossenen Tür wirkt der Ort etwas vernachlässigt. Die hübschen, eher schlicht wirkenden Fresken im feuchten Innenraum sind stark verblasst, dennoch gut erkennbar. Gemalt hat sie Ioánnis Pagoménos (der „gefrorene Johann“) um 1313 herum.
Leider steht im Kreta–Fohrer (18. Auflage 2009, jetzt, im Februar 2012 immer noch die aktuellste) gar nichts darüber zu lesen. Überhaupt wird Komitádhes darin nur sehr kurz als Einkehrort für Imbros–Schlucht–Wanderer abgehandelt. Aber man kann auch nicht erwarten, dass jedes Dorf des großen, kirchenreichen Kreta dort in aller Ausführlichkeit beschrieben wird. Ist eben kein Kunst–Reiseführer.

Nun muss ich mich ins Dorf vorarbeiten. Die erste Wegstrecke ist recht idyllisch. Über Felsen führt sie zu Olivengärten. Der Weg erstreckt sich, teils eingezäunt, zwischen den Gärten hindurch.
An einer eher unübersichtlichen schattigen Gartenstelle verzweigt sich alles, und ich wende mich fatalerweise nach rechts, hätte aber wohl eher nach links gehen sollen. Mit Sicherheit kann ich es nicht sagen, denn bald befinde ich mich auf einem stark zugewachsenen Pfad (das weckt Hoffnung), zu meiner Linken wieder ein Zaun.
Schließlich muss ich erneut ein Gatter öffnen, komme so in einen gepflegten Hof eines Anwesens, kein Mensch zu sehen, nur Hühner und die permanente Drohung eines herbeistürzenden Hofhundes.
Nun wird es richtig schwierig, denn ich brauche ziemlich lange, bis ich es endlich raushabe, wie ich das extrem verdrahtete Zufahrtstor aufbekomme.

Endlich steh ich, von einer Frau aus dem Nachbarhaus aufmerksam beäugt, angedreckt und zerzaust und sichtlich erlöst auf einer geteerten Nebenstraße am Rand von Komitádhes. Das war echt eine Tortur, und ich kann nur hoffen, dass das nicht der normale Zugangsweg zu dem Kirchlein mit den Fresken ist. Das nächste Mal such ich den (richtigen) Weg vom Dorf aus, erfrage ihn zur Not.

Jetzt ist eine ausgiebige Rast fällig. Wie gewohnt, bevorzuge ich hierfür die Taverne (mit Zimmervermietung) von Jórgos Dhelijannákis (Giórgos Deligiannákis) und seiner deutschen Frau Anette. Das Lokal liegt mitten im Dorf an der Durchgangsstraße, wenn man von Chóra Sfakíon her kommt, auf der rechten Seite. Es lässt sich hier schön auf einer Aussichtsterrasse sitzen, doch es ist nicht gerade warm, ich geh lieber rein zum Wirt.
So einfach das Haus und der Gastraum wirken mögen, so gut und schmackhaft ist doch die Küche. Nach ausführlicher Unterhaltung mit dem Gastgeber wird mir ein ausgefallenes Gericht aufgetischt, eine Erfindung von Jórgo. Es ist eine Art dicker Suppe aus verschiedenen Gemüsesorten vermengt mit Mizíthra–Käse (oder ähnlichem …), alle Zutaten aus eigener Produktion. Seit Jahren wird es von dankbaren Touristen geschätzt, kein Wunder, schmeckt es doch, zusammen mit dem leckeren Brot und etwas Wein, ganz vorzüglich.

Jórgos in der Blüte seiner Jahre, die Familie hat mehrere lebhafte Jungs, die nach einiger Zeit auf der Bildfläche erscheinen, der Schulbus hat sie aus Vouvá hergebracht. Kurz darauf betritt noch eine Schar junger Lehrerinnen und Lehrer das Lokal und setzt sich an einen der Tische. Alle sind gut mit Jórgos und seiner Frau bekannt. Die Anette krieg ich auf meinen Wunsch hin zu sehen, kann mich ein wenig mit ihr austauschen, sie kommt eigens herunter aus der Wohnung.
Das Paar versteht sich prächtig, das ist offensichtlich. Mit den Jungs wird mal griechisch, mal deutsch gesprochen.
Jórgos kennt natürlich auch eine mir bekannte nette GR–Liebhaberin aus dem Frankfurter Raum, die regelmäßig im Ort vorbeischaut.

Eine sehr schöne Rast war das, die mach ich gerne wieder, wenn ich im Dorf bin. Alle wichtigen Lebensmittel hausgemacht: Gartengemüse, eigenes Öl, eigene Tiere – was will am mehr? Dazu noch ein, zwei Ratschés zur Abrundung. Und man fühlt sich herzlich aufgenommen.

Zu Fuß mach ich mich auf ins Hauptdorf der Sfakiá. Gerne nähere ich mich ganz langsam meiner Unterkunft, hab noch genug Zeit und Energie. Auf einem Stellplatz bei der Großtankstelle unweit der Zufahrt zum Hotel Vritomártis steht der mir bekannte blaue Mini–Schulbus geparkt. Sein junger Fahrer ist an diesem Tag wohl im eigenen PKW nach Chaniá weitergereist.
Die alte Ágii–Apóstoli–Kirche hoch über dem Dorf wird sichtbar. Von den beiden Cafés am Ortseingang aus werfe ich noch einen Blick die Küste lang nach West, ein herrliches Bild. In Kurven geht es hinab, vorbei am Tanz– und Volksmusikzentrum, das seit Jahren sehr erfolgreich wiederbelebt wurde.

Als ich mich tags darauf von den drei Brüdern des Hotel Stávris verabschiede, drückt mir der Mordskerl von Stávros fest die Hand, schaut mir tief in die Augen und zwingt mir fast die Zusage ab, im kommenden Jahr wiederzukommen. Griechenland sei am Ende, haben sie mir unlängst entgegengerufen und unausgesprochen zu erkennen gegeben, dass auch sie einer unsicheren Zukunft entgegensehen. Umso mehr setzt man auf die deutschen und deutschsprachigen Stammgäste.

Copyright puchheim = MartinPUC, Februar 2012

Von der Sfakiá nach Piräus