Teil 1: Sífnos próti forá
(Zum ersten Mal auf Sífnos)

Copyright puchheim = MartinPUC, Juni 2009


Von Piräus her im Schnellboot

Pünktlich gelandet, die 9–Uhr–Maschine der LH ex MUC, die mich als Aegean–Bucher befördert hat. Es ist erst etwa 12 Uhr 20 in ATH, und schon um 13 Uhr herum sitze ich im Bus zum Piräus.
Skiáthos und das nördliche Évvia konnte ich besonders gut in Augenschein nehmen, aus meiner Vogelperspektive im Sinkflug, das Gelobte Land: Nördliches Euböa!

Eine gute Stunde später sitze ich im freitagnachmittags von diversen einheimischen Männerrunden gut besuchten Hafenkafenío beim Karaiskáki–Platz, hab eben erst drüben das Ticket besorgt, bin wieder rüber über die verkehrsreiche Straße und hinein in die Kurzpassage mit den Stufen hoch zu meinem Kultplatz "Foúrni Ikarías", einer ländlichen Café–Oase inmitten der Großstadt.
Kaum habe ich meine Flasche Amstel geleert, die eigens bestellte Riesenplatte Mezé verschlungen, steht dasselbe noch einmal vor mir, als Spende vom Nebentisch! Man möchte es nicht glauben, das mitten im Großraum Athína-Pireá – ich hätte so etwas eher auf Ágios Efstrátios inmitten der Nördlichen Ägäis erwartet. Schon bin ich im wahren Griechenland angekommen, in den Herzen der ersten Griechen, für diesmal, ich freue mich. Nach Sífno wolle ich, sag ich ihnen.

Da läge sie also, am Kykladenkai nahe dem Metrobahnhof, die langsamere Alternative namens Adamántios Koráis von Zante Ferries. Ein etwas betagtes Schiff, kein besonders großes, und es würde sogar auf Kíthnos haltmachen. Aber da kommt es mir in den Sinn, dass ich bei meinem ersten Besuch auf einer Insel doch lieber eher am Abend ankäme, nicht unbedingt bei Dunkelheit, und so entscheide ich mich trotz aller Antipathien für den Speedrunner II, der mit 41 Euro mit Sicherheit fast doppelt so viel Fahrgeld kostet wie das konventionelle Schifflein aus dem Ionischen Meer und mit seinem Flugzeugfeeling das glatte Gegenteil aller gemütlichen Fährschiffe verkörpert. So hab ich immerhin noch ein Stündchen länger Zeit für eines meiner Lieblingskafenía und eine kleine Hafenrunde, und das sollte sich ja auszahlen, mir viel Freude bereiten.

Auf dem Weg zum in der Fahrkartenagentur zwischengelagerten Gepäck lasse ich meinen Blick schweifen über all die Schiffsherrlichkeiten gegenüber, hinter den ganz nahe vertäuten Highspeedfähren und Flying Cats. Am imposantesten wieder die Reihung von ANEK–Schiffen (Elefthérios Venizélos, eine der beiden Kríti (I oder II), Prévelis), daneben die kleine Vitséntzos Kornáros, den neuen (Andi)Kíthira– und Réthimno–Fahrer.
Gut ausgerüstet mit Getränken vom Kiosk, gehe ich an Bord.

Auf dem Speedrunner II wird einem zumindest der Sitzbereich zugeteilt, in dem man bitte Platz nehmen soll. Das waren in meinem Fall lauter Plätze weit weg von den Fenstern, aber das ist ja nicht so ernst zu nehmen, gell!?

Etwas enttäuscht von den weiten, langen, etwas stickigen und sauerstoffarmen, zu höchstens einem Drittel mit Passagieren gefüllten Innenräumen entdecke ich bald den Aufgang zum Außendeck oben im Heckbereich. Genau das Richtige für einen Frischluftfanatiker! Leider wird er bei Ankünften auf Inseln gelegentlich zugesperrt, sehr schade. Wir gleiten also an den Dodekanes–Fähren vorüber, und nach Passieren der seitlichen Molen des Einlasses zum Piräus wird zwar Gas gegeben, man wundert sich aber dennoch, wie relativ langsam es vorwärtsgeht.

Stets aufs Neue eine großartige Kulisse, diese unendlich weit dahingebreitete weiße Riesenstadt mit ihren Erhebungen hinter dem Großhafen und der flankierenden Hügelbebauung mit ihren Ausfächerungen. Herrlich anzusehen die immer länger werdende Kielwasserschleppe hinter uns, wie auch die Inselumrisse voraus.

Ganz dicht geht es östlich an der Insel Ágios Geórgios vorbei, und es dauert schon seine zwei Stunden ab Piräus, bis wir uns an die SW–Seite von Sérifos herangetastet haben. Wir schippern an den großen Buchten der Südseite dieser Insel vorbei, kommen dicht ans Akrotíri Spathí heran und erreichen endlich die zunächst grandios wirkende tiefe Hafenbucht, den Órmo Livadhioú.
Verständlicherweise lassen sich viele von der Bucht mit der auf einem Fels jäh emporragenden Chóra sehr beeindrucken, doch ich kann mir nicht helfen: ich hab ein ungutes Gefühl bei dem Anblick des Ensembles mit den ausgedehnten Ufersiedlungen. Das mag vor Jahrzehnten noch ganz toll und ursprünglich gewesen sein, aber heute empfinde ich etwas leicht Abstoßendes, Künstliches beim ersten Blickkontakt. Der Kommerz drängt sich mir förmlich auf, und es ist doch Tatsache, dass hier die Besucher nach Kräften abgezockt werden. Irgendwie ist mir das alles zu neu und zu aufdringlich, am Buchtsaum.

So bin ich richtig froh, als wir ablegen und auf die Nordspitze des nahen Sífnos zusteuern.
Das ganze Eiland wirkt viel unscheinbarer und unaufdringlicher als sein Nachbar Sérifos, der allzu demonstrativ mit seinen auf die Hafenbucht konzentrierten landschaftlichen und siedlungsarchitektonischen Highlights protzt. Ich bin sofort angetan von der Schlichtheit der NW–Küste von SIFNOS.

Cherrónisos, dessen Kern tief in einer Bucht versteckt ist, zeigt sich mit seinen überbordenden, hangauf gestaffelten Neubauten – doch größer als ich es mir vorzustellen gewagt hatte (– immer diese alten Fotos!). Dann wieder zerklüftete Steilküste, ab und zu Häuseransammlungen.


Ankunft in Kamáres

Kurz nach 19 Uhr passieren wir das Kap Kávos Kokkálas. Meine Augen weiten sich vor Staunen, als wir in die wahrlich imposante, relativ schmale, von steilen Bergflanken umgrenzte Hafenbucht von Kamáres einlaufen. Es ist ein göttlicher Anblick – für mich viel schöner und natürlicher und um ein Vielfaches beeindruckender als diese nutt... Bucht von Livádhi von vorhin.
Na wenn schon die Hafeneinfahrt so grandios ist, was wird mich da erst im Inselinneren erwarten!?

Es fängt bereits zu dämmern an, als ich, völlig unbehelligt von Zimmervermietern, die Mole von Kamáres verlasse und am Kiosk und den ersten Tavernen der Uferpromenade entlangschlendere. Eine im ersten Moment groß, ja größer wirkende Siedlung, als sie tatsächlich ist, mit weit den Südhang bis vor die Felsen hochgezogenen Häuserreihen, so erscheint es dem rucksackbeschwerten Ankömmling, der von der schmalen Uferstraße aus hochblickt. Auf der nördlichen Buchtseite ebenfalls weiße Häuserzeilen, nicht so hoch gestaffelt wie hier herüben. Nach einer Minute ist man dann etwas unschlüssig, ob man das Ganze für groß oder nicht doch eher klein und recht menschlich dimensioniert halten soll.
Jegliche angelesene Orientierung die Tavernen betreffend geht gleich verloren, denn alles ist ziemlich zusammengestaucht, wenigstens an der vorderen, äußeren Uferpromenade, und das wirkt etwas verwirrend, so als ob es sich um eine sehr ausgedehnte Restaurantzeile handelte, die sich später aber als noch durchaus überschaubar entpuppt.

Irgendwo erkundige ich mich nach den Rooms Simeón, die ich im Internet entdeckt habe, und man weist mir den Weg. Ich steige einen Stufenweg hinauf zu einer höher gelegenen Parallelgasse mit parkenden Autos, ein alter Mann gibt mir letzte Instruktionen, und schon stehe ich vor dem etwas verwunderten jungen Simeón, der den unerwarteten Gast herzlich empfängt.
Mein Zimmer bietet eine prächtige Aussicht über die Bucht und die gegenüberliegende Bergflanke bis hinauf zu den beiden Gipfelklöstern des Heiligen Simeón und des Propheten Ilías. Einen kleinen aber netten Balkon hab ich. Das Badezimmer ist geräumig genug, hat ein eigenes Lüftungsfenster zur Eingangshalle (mit ihrer stets geöffneten Tür) hin und ist sogar mit einer Waschschüssel für die Handwäsche bestückt – so viel Voraussicht lob ich mir. Im Zimmer ist alles sehr sauber, Kühlschrank und TV sind vorhanden. Die Ausdrucke einer französischsprachigen Website zu den einzelnen Inselorten und –sehenswürdigkeiten in der Vorhalle verweisen auf überwiegend französisches Publikum, das zurzeit aber noch zu Hause weilt.

Ein erster Abendspaziergang, hin zur Mole, vorbei am Gros der Tavernen und Cafés. Insbesondere die Preislisten der meisten Tavernen lassen nichts Gutes ahnen – es ist ein ungewohnt teures Pflaster, auch auf den zweiten Blick. Doch zwei einfachere Kneipen ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich, die könnte ich mal beehren. Aber für diesen Abend bin ich erst einmal leicht geschockt und beschließe, mein frugales Mahl mit Käse, Wurst, Brot (leider nicht aufzutreiben, nur tagsüber beim Bäcker, man muss sich mit ungesüßten Gebäckstangen behelfen) und Tomaten, dazu Wein aus einem der beiden Minimärkte später auf meinem Balkon zu bestreiten.
Die Essensstätten sind auch nicht besonders gut gefüllt, nicht einmal die Cafés – ein Kafenío der alten Sorte vermisse ich schmerzlich, es sei denn, man zählt die urigeren der Tavernen zu den Zwitterwesen zwischen Restaurant und Kaffeehaus. Dennoch kein Vergleich zu Amorgós, ob Katápola oder Órmos Ägiáli! – Aber sooo schlimm ist es dann auch wieder nicht, wäre da nicht das hohe Preisniveau. Ein paar hübsche (Ess)Kneipen gibt es durchaus.

Nun geht es, bei einbrechender Dunkelheit, zum Scheitel der Bucht. Hier findet sich der (Anfang Mai) absolut unfrequentierte Campingplatz – sein Besitzer, Mákis, arbeitet am Zaun. Gäste hat er lediglich im zugehörigen Haus, wo Zimmer vermietet werden. Gleich daneben die besonders auf einer deutschen GR–Website empfohlenen Rooms Morféas, schön in Schuss gehalten und schon an meinem dritten Anwesenheitstag voll besetzt. Nachteil: Die Aussicht ist nicht so doll wie die von meiner Hangunterkunft. Vorteil: Direkt vor dem überbreiten Schilfgürtel hinter dem Strand gelegen, weit übermannshohes Schilf gleich gegenüber der wenig befahrenen Uferstraße. Wenn man da durchschlüpft, kommt irgendwann der sehr flach und kinderlieb meerwärts abfallende breite Strand. Außerdem gibt es bestimmt viele deutschsprachige Gäste – wers mag, ist hier richtig.
Nur schade, allerdings, dass vielleicht zwei Dutzend Zimmervermieter mit absolut hübschen Unterkünften aufgrund wiederholter Empfehlungen einer einzigen anderen Unterkunft im Web nun praktisch fast leer ausgehen müssen – daran denkt wohl keiner der Morféas–Empfehler und Existenzvernichter. Ich habe weiter oben übrigens meine Rooms Simeón empfohlen, weil ich einen kleinen Ausgleich schaffen wollte.

Ein weiteres, schwach besetztes kleines Hotel, auf der anderen Straßenseite das hölzerne Buswartehäuschen (Schulbus?), dahinter die Abzweigung der Nebenstraße ins nördliche Inselinnere und hinauf zu den Bergklöstern.
Ich geh aber nach links weiter, hinein ins ufernahe Viertel Ájii Anárjiri und gleich daneben Ajía Marína, wie alle Ortsteile der nördlichen Buchtseite nach ihren Kirchen – eher Kapellen – benannt. An der schmalen Teerstraße eine mindestens vom 90– zum 50–Grad–Winkel gekippte Telefonkabine. Ein Grieche hat sich da irgendwie reingeklemmt und ist erfolgreich am Telefonieren.
Erst ein zum Strand hin etwas breiteres Viertel mit dem ersten Kirchlein dort unten, ansonsten nur eine sporadisch hingeklatschte Straßensiedlung, die ich nordwestwärts abschreite. Rechts oben auf einem Felsvorsprung die Kapelle der Heiligen Marína mit ihrem pittoresken Treppenaufgang. Lauter schön weiß gekalkte Häuser trifft man hier an. Unter mir eine noch nicht geöffnete Terrassentaverne. Hinter mir eine Frau mit kleinem Hund, der ihr vorauseilt, sich ständig nach ihr umdreht. Nur ein einziger PKW überholt mich in gemächlichem Tempo.

Ich gelange zum Viertel der Ajía Ánna. Im allerletzten Hauskomplex eine von außen gut aussehende Pension mit zugehöriger Ufertaverne, in der sogar vier Tische besetzt sind. Wirkt sehr gemütlich, wenn auch modern – vielleicht ein Geheimtipp für so manchen?

Auf der staubigen Freifläche hinter dem letzten Siedlungshaus treffe ich vor der kleinen Schlucht, die, durchsetzt mit kantigen Felsbrocken, den Berghang herunterfällt, einen Viertelbewohner, der meint, ich solle bloß nicht mehr heute Abend da hochsteigen, besser morgen früh.
Als ich auf den Pfad zu der vielleicht einen knappen Kilometer entfernten Kirchenanlage der Ajía Ekateríni treffe, die mir vorhin im Abendlicht noch einladend entgegenschimmerte, muss ich stellenweise schon meine Taschenlampe bemühen. Ein Stück noch will ich hinterwandern.
Schon irre, jetzt da zu sein auf einer kleinen griechischen Insel, in dieser Ruhe und Dunkelheit und schon inmitten der Natur, nach nicht einmal einem ganzen Anreisetag!
An einem der nächsten Abende bin ich dann bis zu dem ummauerten Kirchenkomplex vorgewandert, hab mir sein Inneres angesehen, in tiefer Abendruhe. Sogar einen kleinen Schiffsanleger haben sie gebaut, mit einem sehr passablen Weg von dort herauf, für die Pilgerscharen am Fest der Heiligen.

Auf dem Rückweg tutet es draußen in der Bucht. Die Adhamándios Koráis (– jetzt schreibt er den Namen schon wieder anders!) ist angekommen und muss noch ein paar kleinere Kähne verscheuchen. Na, die gut anderthalb Stunden Zeitgewinn mit dem Speedrunner II haben mir ganz gutgetan, nicht so meinem Geldbeutel.
Als ich bei Makis und Morféas vorbeikomme, rücken die letzten Touristen Richtung Tavernenzeile aus. Ein prachtvoller, riesiger gelb–oranger Vollmond hängt in dieser Nacht des 8. auf den 9. Mai genau über dem leicht v–förmigen Taleinschnitt, den zwei Hügelflanken beiderseits der Straße hoch nach Apollonía bilden. What a sight!


Hinauf nach Apollonía

Kurz nach sieben Uhr früh. Ich weiß von dem 07:20–Uhr–Bus hoch zu den Dörfern, den ich nach meiner Morgentoilette dann auch vom Balkon aus erspähe. Nur etwa 200 m schräg unter mir liegt die nächste Bushaltestelle. Gegenüber eine Hundertschaft von Motorrollern und Mopeds und mehrere Dutzend Mietautos.
Gut ist, dass dieser Bus auch wochenends verkehrt. Der nächste startet übrigens so um 11 Uhr 40 (es ist Vorsaison) – sehr sinnig, wenn man bedenkt, dass die Busse zu den Inselstränden von Artemónas aus über Apollonía zwischen 9 und 10 Uhr losfahren, doch es gibt auch noch einige spätere, je nach Zielort.

Verzichte auf ein Frühstück hier unten in der Preisfalle. Mache mich zu Fuß auf den Weg. Kann sein, dass mich einer mitnimmt.
Es ist eine sehr gut ausgebaute, breite Straße, die vom Hafenort hinauf zu den zentralen Dörfern führt. EU–Breite eben, fast zu pompös für die hiesigen Bedürfnisse, jedenfalls zukunftsorientiert.

Es macht so viel Freude, das morgendliche Straßenwandern auf der sehr spärlich befahrenen Inselmagistrale, dass ich bald hoffe, NICHT mitgenommen zu werden. Einem netten Teenie, der sein Moped wegen mir abbremst und mir einen "lift" anbietet, muss ich dankend abwinken. Bei einer derart schönen Umgebung will ich lieber länger wahrnehmen, um mich schauen, statt schnell oben zu sein.
Im Tal hinter Kamares breiten sich Felder und Wiesen aus, durchsetzt von Gehöften. Mit jedem Kilometer den ich hochwandere, werden die Berge grüner, ein Phänomen, das mir von den übrigen Kykladen, die ich kenne nicht so, oder sagen wir nicht derart vertraut ist. Was ist das nur für eine grüne Insel, noch im Mai! Allmählich tauchen gelb blühende Ginstersträucher auf, der Anblick der beiden Gipfelklöster nördlich von mir wird immer umfassender. Unter mir ein Feldweg, auf dem sicher auch der Wanderweg verläuft. Rechts der Weg hinauf zu einem Steinbruch. Eine kleine Talsperre wurde als Schutz gegen die von den Winterregen verursachten reißenden Ströme erbaut, noch von Bauschutt und viel Erdreich umgeben. Weitere Kapellen erscheinen an den Nordabhängen. Im Scheitel einer Kurve taucht eine hübsche kleinere Kirche mit Nebengebäuden auf, beschattet von Kiefern und durch Zypressen als heilige Stätte ausgewiesen.

Was mich geradezu fesselt, ist der Anblick des verlassenen weiß leuchtenden Gipfelklosters auf dem anderen Profítis Ilías, dem höchsten Inselbergrücken, der von Süd her zu meiner Straße herunterfällt. Jede einzelne Talmulde in diesem grün gesprenkelten Massiv eröffnet neue Einsichten in die Höhenregion.
Die ersten vereinzelten Häuser links der Straße. Von irgendwo noch außerhalb des Hauptortes ist auch das zweite, viel niedriger gelegene Hangkloster (Theológos tou Moungoú) auf dem südlichen Bergrücken gut einsehbar.
Ein Esel grüßt mich von seiner Stellfläche aus. Seit Längerem sehe ich einem weißen Häuserkranz in Hügellage entgegen, und schon ist die Straßenverzweigung vor dem Ortseingang von Apollonía erreicht. Die Straße nach Süd würde in der Bucht von Vathí enden.

Apollonía also. Dessen inneren Ortsplan ich aus dem Kykladenbuch vom MM–Verlag schon zu kennen glaube. In Wirklichkeit nimmt man es doch ganz anders wahr.
Nachdem ich an einer Tankstelle, einer ersten Zimmervermietung und einer großen Blumen– und Pflanzenhandlung vorbeigelaufen bin, dreht die Ortseinfahrt gemächlich auf den Hauptplatz (die Platía Iróon) zu, der viel schmaler ist, als es einem der Plan im Buch vorgaukelt.
Rechts ein Stufenweg hinauf in höher gelegene Ortsteile. Eine erste Konditorei mit Café–Terrasse. Dann ein kleiner Kiosk. Links eine ganze Ladenfront mit integrierter Taverne und Post, rechts ein Park, dahinter das in Renovierung befindliche Volkskundemuseum. Etwas oberhalb und gleich neben dem Park ein weiteres Konditorei–Café mit kleiner Dachterrasse und Stehtischen im etwas beengten unteren Raum, dem Ladenlokal mit allerhand verführerischen Leckereien, darunter Bougátsa. Zwischen diesem und den Telefonkabinen am Park der Eingang in die Altstadt, eine schmale Gasse hinein ins kykladische Himmelreich. In der linken hinteren Ecke des Platzes, hinter ein paar abgestellten Taxis, von meiner Zuwanderwarte aus, die Art von altem Kafenío (Lákis), die ich so schätze – klein, unscheinbar und doch voller Atmosphäre – im Handumdrehen einer meiner Favoriten.

Erst einmal möchte ich die Hauptdurchgangsstraße – ein wahrhaft schmales Rinnsal von Durchfahrt – weitergehen. An einem sehr bescheidenen Tavernchen und dem Hotel Sofía (unten drin ein Minimarkt) vorüber dreht sie in sanftem Bogen nach rechts Richtung NE und E. Links ein Optikergeschäft, rechts ein Kleidershop mit etlichen anderen Sachen im Angebot.

Kein Wunder, dass es mir die Sprache verschlägt, als ich an der Einmündung der Ortsdurchfahrt in die östliche Ortstangente angelangt bin.
Ich hab gleich gemerkt, vom ersten Moment der Annäherung an die Insel an, dass mich Sífnos von seinen ästhetischen Qualitäten her (vulgo: schönheitsmäßig) nicht enttäuschen würde, und das sollte sich bis zum Ende meines Besuches in aller Konsequenz bewahrheiten!
So stehe ich und staune im bereits grellen Morgenlicht gegen den heißen Planeten hinüber nach Páros und seinen südwestlich vorgelagerten Inseltrabanten, unter mir eine schön, ja fast zu schön anzusehende landwirtschaftlich genutzte Ebene, teils mit Palmen bestanden und durch Mauerwerk gegliedert, ein paar weiße Häuserflecken darauf, unweit das weiß leuchtende Dorf mit es überragender Kirche: Káto Petáli.
Von mir aus links oben die Kirchen–Bellezza von Áno Petáli, blaue Kuppel, versteht sich, und ebenfalls zweitürmig, und nicht zuletzt unmittelbar links und rechts hier unten je ein einladendes Aussichts–Café, das linke noch aussichtsreicher als das rechte, dem fantastisch gelegenen Hotel Anthoúsa zugehörig.
Ich nehme Platz im linken Café. Weltmusik–Klänge schlagen mir entgegen. Der Nes ist besonders teuer, der klasse Aussicht angemessen. Sitzen und entspannen und sich freuen – keine Spur von "Spaß".

Die Bushaltestelle sowohl nach Fáro(s) und Platí(s) Jaló(s) als auch nach Vathí und auch nach Cherrónisso(s) (im hohen Norden) befindet sich gleich hier, nur ein paar Schritte vom Hotel Anthoúsa entfernt, bei der Einmündung der Ortsdurchfahrt. Der Bus hinunter nach Kamáres hält dagegen auf dem vorhin beschriebenen Hauptplatz.

Nachdem ich das Panorama ausgiebig auf mich einwirken lassen habe, gehe ich zurück zum Hauptplatz und steige zum ersten, aber nicht letzten Mal in diesem Urlaub die Gasse gleich neben dem Kafenío Lákis hoch in ein zweites kykladisches Himmelreich.
Ein Gässchen, ab und zu mit Stufen, zieht sich zwischen blendend weißen Häusern hoch bis zur Kirche von Áno Petáli. Es ist ein Traum, da hinaufzusteigen. Und traumwandlerisch locker bewältige ich die Tour, begeistert und bei jedem Schritt der Überzeugung, dass sich die wahre Kykladenarchitektur in konzentrierter Form auf Inseln wie Sífnos und Anáfi und Santorín und in der Chóra von Amorgós befindet, nicht jedoch auf Náxos, und auch nur stellenweise auf Páros.
Gegenüber vom und direkt neben dem Hotel Petali mit geschickt integriertem Swimmingpool zwei hübsche Zimmervermietungen, die ich mir merke. Die Gärten, die Ausblicke hinüber nach Paros!


Weiter nach Fáros und Chrissopijí

Nachdem ich den gleichen Weg zurückgegangen bin, kehre ich ein im Lákis, auf einen weiteren Kaffee. Eine ruhige Stimmung, die beiden alten Leute, zwei jüngere Besucher, und ich. Soziale Preise.

Um den Tag voll zu nutzen, nehme ich dann einen Bus nach Fáro, der zu dieser spätvormittäglichen Zeit von dort nach Platí Jaló weiterfährt. Es warten bereits einige Touristen, auch solche mit Koffern, an der Bushaltestelle mit der verboten schönen Aussicht. Gäste des Anthoúsa nehmen ihr spätes Terrassenfrühstück zu sich und gucken ins Land. Einige sitzen noch oben auf ihrem Balkon über der gar nicht so lauten Straße – da übertreibt ein Reiseführerautor ziemlich, was den Geräuschpegel anbelangt.

((Here's an aside – eine (theatralische) Nebenbemerkung: Ich habe mit zunehmenden Jahren allenthalben den Eindruck, nur die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen sind von Bestand und aussagekräftig, ganz im Gegensatz zu den unberechenbaren Rückschlüssen einiger eitler oder überforderter oder einfach schlampiger und schludriger Reiseführeraktualisierer oder gar –autoren.
Interessant auch zu verfolgen, wem, teils echten Reisebuchschreiberignoranten, man früher, in jüngeren Jahren, blind vertraut hat – nicht nur den gut gemeinten Karten im Maßstab 1:500.000! Wie schön, dass man selber Kraft und Erfahrung genug in sich hat, so manchen blanken Unsinn als solchen zu erkennen, gerade was Aussagen zu den griechischen Inseln betrifft.))

Der Bus ist auf der Platía von Katavatí angekommen, einem Platz noch außerhalb des Dorfes. Ein Gymnasium, ein Kinderspielplatz, ein Straßenkreisel. Eine spektakuläre Rundfahrt auf dem Kreisel, fast ein Bluff, dann geht es doch wieder die Hauptroute südwärts.
Wir passieren die Siedlung Exámbela und gelangen bald zu einem ein Stück über der Straße gelegenen Kloster, dem Moní Panajías Vríssis. Gegenüber verläuft eine enge Talung nordostwärts, und nur, weil eine Touristin im Bus aufspringt und den Fotoapparat zückt, erhasche ich noch einen Prachtblick auf den einige Kilometer entfernt auf einem Hügel über der Küste thronenden Ort Kástro, der sich genau an dieser Stelle den Busreisenden für einige Sekunden in voller Schönheit zeigt. Dafür konnte ich die erhabene Klosteranlage auf der anderen Straßenseite kaum eines Blickes würdigen.

Kurz nach der überraschend aufgetauchten Talung ist eine Straßenverzeigung erreicht, nach rechts ginge es Richtung Platí Jaló, unser Vehikel entscheidet sich aber für geradeaus und zockelt bald am Inselkraftwerk der DEI vorüber, aus einigen Rohren tritt Rauch aus, also wieder ein, wenn auch relativ kleines, Ölkraftwerk.
Nach einem weiteren Kilometer Fahrt taucht rechter Hand ein Stück Feldweg auf, aus dem heraus sich ein Esels– und Wanderweg, eine Abkürzung hinunter zu meinem Zielort Fáros, entwickelt.
Nur mehr vereinzelt stehen Häuser und Kapellen in der hier kargen Landschaft, sogar eine einsam neben der Landstraße gelegene Zimmervermietung ist unschwer auszumachen. Die lag wohl bereits hinter der einen großen Serpentine, die unseren Abstieg zum Meer hin einleitete. In der Ferne Síkinos und Folégandros, schon sommerlich umdunstet. Unser Buslenker grüßt ab und zu Bekannte, hupt oder hält an. Es geht gemächlich zu auf einer kleinen Insel, und die Entfernungen sind nicht so groß, dass mit signifikanten Verspätungen zu rechnen wäre.
Schon aus einiger Entfernung zeigen sich die Häuser der Küstensiedlung mit ihrer schmalen Ebene sowie ihre auf den östlichen Hügeln befindlichen baulichen Ausuferungen.

Fáros. Der Bus hält und wendet in der Nordostecke der Hafenbucht, da, wo der Fischerhafen beginnt und noch gut vor dem weiter westlich befindlichen Ortskern.
Neben mir steigen drei Frauen aus, darunter ein Schweizer Freundinnenpaar mit seinen Koffern.
Ich vertrete mir erst die Beine, indem ich an den Booten entlangspaziere bis zum Südende des Uferkais, von wo aus ich die allein wandernde jüngere Frau bereits am westlichen Strandende gegenüber angelangt und den Aufstieg in die Felsen antreten sehe.
Dann gehe ich zurück und im rechten Winkel nach links, vorbei an einer Mischung aus größerem Minimarket und Kafenío, vor dem es sich einige Griechen aufgekratzt palavernd gemütlich gemacht haben.
Schon hier vorne gibt es Rooms für Fremde. Doch die meisten ziehen bestimmt eine zentralere Lage vor, und so nehmen auch die beiden Schweizerinnen den Weg hin zum Ortshügel.
Ist ja ganz niedlich hier, und die nicht mehr als 2 km Luftlinie entfernte bekannte Kirche Chrissopijí auf der Felszunge ins Meer mit den ihr vorgelagerten Gebäuden hat man bereits allenthalben im Visier, von Faros aus. Außerdem noch die Insel Políegos, die aus dieser Warte das größere Mílos fast ganz verdeckt. Auch von Kímolos ist nichts erkennbar.

Ich stapfe auf der Uferstraße an einigen geparkten PKWs von Samstagausflüglern vorbei und komme bei der ersten Ufertaverne an, die Tische unter Tamarisken vor einem kleinen Strand – Ende der Fahrstraße. Hier beginnt der eigentliche Ortskern, und vorher wäre es nach rechts hintergegangen zu diversen Unterkünften in der kleinen Talebene. Neben der Taverne gleich die Snack Bar Gorgóna mit Sitzmöglichkeiten beiderseits des Weges hinauf zum Scheitel des Ortshügels.
Ich gehe ufernah meinen Höhenweg, entdecke zu meiner Linken noch eine weitere Ouzerí–Taverne und steige nach Sichtung einer ausgewachsenen Schlange bald hinunter zum größeren, ebenfalls sandigen Ortsstrand, hinter dessen Tamarisken ich auf den Einstieg zu einem Felsplattenweg zusteuere. Hinter diesem Strand wird gerade noch gebaut, in bzw. an einer umzäunten Strandunterkunft. Eine einsame Schöne und ein Pärchen bilden die einzigen Sonnenanbeter auf dieser Paralía.
Silbrig glitzernde Steine huiterm Strand erregen meine Aufmerksamkeit, und als ich die Stufen des schön angelegten Weges auf die erste Felsnase Richtung SW hochsteige, fällt mir sofort auf, dass sie alle aus demselben Glitzergestein geschnitten sind. Wirkt fast wie echtes Silber.
Der Weg führt nun vorbei an den Ruinen einer ehemaligen Erzverschiffungsanlage (angeblich Kupfer). Höher oben am Hang taucht eine Kapelle auf, die des Ájios Ioánnis. Noch ein Stück weiter und nahe über dem Weg die gut zugängliche Kapelle des Ájios Charálambos.

Nach nicht viel mehr als 20 bis 25 min ab dem Ortskern von Fáros steh ich über der Nachbarbucht von Apokoftó. Ihr hübscher Strand und die Landzunge mit dem hell leuchtenden weißen Chrissopijí–Kloster sind zweifelsohne schön anzusehen. Hinter den Tamarisken stehen zwei Tavernen, die eine, östlichere, wird gerade umgebaut. Ein großer Parkplatz gehört zu ihr. Neben diesem, gut nach hinten versetzt die Villa mit Garten eines Schweizers, der soeben mit seinem Gefährt das Grundstück verlässt. Ab hier ist also wieder "Autoland", zunächst allerdings auf noch ungeteerter Piste.
Die westlichere, einzig geöffnete Taverne hat schon etliche Gäste, auch ein Auto mit Münchner Kennzeichen rückt gerade an, eine ältere Dame steigt aus und strebt der offensichtlich beliebten, etwas erhöht über dem Strand situierten Essensstätte zu.

Zur Marienkirche der Panajía Chrissopijí führt eine Teerstraße, ein paar Autos und Roller sind in gebührenden Abstand geparkt, ein Häuschen mit Snacks und einigen Souvenirs überblickt die Zufahrt. Auf dem landeinwärtigen Hang nicht wenige weitere Bauten.

Man tritt also ein in den Klosterbereich, Maurerarbeiten sind im Gang, vor einem der Häuser ein älterer Mann. Überschreite den schmalen Meeresdurchlass im Fels auf einer Brücke. Von Weitem schon ist dieser Durchlass im Fels der Landzunge erkennbar.
Über oder an der Kirchentür ein hübsches marmornes Halbrelief mit einfach skizzierten Schiffen und Bäumen. Das Kircheninnere keine besondere Schönheit, dennoch ein heiliger Ort.
Die Felszunge hinter dem Gotteshaus ist begehbar und besteht aus zum Wasser hin abfallenden Felsgesimsen mit Salzpfannen voller Spritzwasser.

Nach kurzer Überlegung, ob ich die knapp 3 km bis Platí Jaló weiterwandern soll, kehre ich um und gehe zurück in Richtung Fáros, meine Eindrücke noch etwas auszubauen.
Nun gönne ich mir aber eine Rast unter einem Baum neben der Kapelle des Heiligen Charálambos, einem sehr schönen und meditativen Ort, an den es mich bestimmt öfter hinziehen würde, wohnte ich in Fáros. Gleich hinter dem Kirchlein echte, unberührte wie unverschmutzte Wildnis.
Wieder in Fáros angekommen, entscheide ich mich für ein verspätetes Mittagsmahl in der ersten Taverne am östlichen Ortsende, gleich bei dem kleinen Sandstrand bei der Zufahrt.
Dort hat es sich eine große griechische Familie mit Kind und Kegel bequem gemacht und lässt mich Gutes erhoffen.
Ich sollte aber ziemlich enttäuscht werden, denn preislich wie qualitativ war das von mir bestellte nicht für Freudensprünge geeignet. 12 Euro für einen sehr kleinen Teller mit Tintenfischstückchen in Essig, gut 6 Euro für einen griechischen Salat, das katapultiert, zusammen mit den Getränken und dem Brot die Rechnung schon einmal in Höhen deutlich über 20 Euro. Damit hatte ich an dem entlegenen Örtchen nicht gerechnet, erkannte es nun aber sogleich als eine geschickt getarnte Touristenfalle.
Aber Preise sind doch immer relativ, entgegnen mir Herr und Frau Ganzklug. Was dem an ein gastronomisches Hochpreisniveau gewohnten Schweizer günstig erscheinen mag, ist für einen kleinen Angestellten aus Nachbarlanden eben schweinisch teuer!

Um eine Erfahrung reicher, setze ich mich noch ins Kafenío–Pandopolío und warte auf den Bus zurück nach Apollonía. Ganz nett hier, doch AUCH etwas überteuert, der Laden.


Platís Jalós: Das Klein–Miami–Beach von Sífnos mit einer Überraschung um die Ecke

Anderntags ist gleich der wohl größte Badeort der Insel mein Ziel. Ich komme eher wegen seiner Umgebung, die Landschaft zu sehen, weniger die vom Ästhetischen her nicht gerade überwältigende kilometerlange Häuser– und Tavernenzeile an dem ebenso langen Sandstrand.

Schon bei der Anfahrt berührt und durchfährt man die grünste Gegend der Insel. Bergwärts wie talwärts schönstes Olivenland, in höheren Regionen andere Baumarten, doch stets Grün, Grün, Grün.

Noch oberhalb der Ebene von Platís Jalós, kurz vor einem Kirchlein neben der Straße, steigen die weniger ambitionierten Wanderer und Chrissopijí–Besucher aus dem Bus, denn hier zweigt ein Feld– und Wanderweg ab, der in Kürze hinunterführt zu der Hauptsehenswürdigkeit. Sie ist höchstens 1 km Luftlinie entfernt.

Als wir hinunterkurven in die Ebene, taucht auf Hügelhöhe rechts die Panajía tou Vounoú auf, das verlassene Kloster. Vor und unter mir breitet sich ein stark gewachsener Küstenort aus, am Ostende seiner Bucht ein relativ neu wirkender, großzügig erbauter Jachthafen, mit Sicherheit der größte der Insel.
Wunderschön, die im Hintergrund herunterfallenden Bergkuppen, –rücken und –flanken. Wie schön das Örtchen mit seinem geradezu idealen Hinterland wohl vor 30 Jahren noch gewesen sein mag!? Eine Bekannte schwärmt mir davon vor, von diesen Zeiten im südlichen Sífno, als die Ortschaften noch so winzig waren und die Sträßchen alle staubig. Jetzt fährt sie allerdings lieber nach Náxo, Amorgó und Kálimno.

Der Bus zockelt die Straßenmeile hinter der beach front entlang. Etwa in der Buchtmitte steigen alle außer mir aus – echter Herdentrieb. Ich lasse mich bis zum Endhalt bringen, wo, bei einem Wartehäuschen, der Bus wendet und die Teerstraße endet.
Ich gehe gleich die eine Straße etwas bergauf weiter, die bald zu einem Feldweg wird, der an zwei noch geschlossenen Hotelanlagen mit viel Grün vorüber weiter bergauf allmählich südwärts dreht.
An einem Wegknick nimmt man den Hauptweg nach rechts, es geht wieder bergab, und nach wenigen Minuten steht man an der ersten Außenummauerung eines Ferienhauses, hügelauf weitere Häuschen, die hinter und oberhalb der Lazárou–Bucht zahlreicher werden.

Die Gaststätte über dieser kleinen Nebenbucht scheint noch zugesperrt, obwohl schon ein Wirtspaar zugange ist. Es handelt sich aber um Aufräum– und Vorbereitungsarbeiten für die Saison. Die strandwärtigen Ausbauten des Restaurants wirken reichlich provisorisch: Holzverschläge und –terrassen am mehr als kärglichen Strand, sie erscheinen wie eingestürzt oder in jahrzehntelanger Ruhe verharrend. Dazwischen die polnischen Laute des (möglicherweise) Wirtsehepaars, ein oder zwei Kinder wuseln herum, das Auto mit der polnischen Nummer ist neben der Taverne geparkt.
Vielleicht haben sich da erste Auswanderer aus Ostmitteleuropa niedergelassen? Oder handelt es sich nur um irgendwelche Arbeitssklaven?
Die anderen beiden Auswanderer kommen von weiter her. sie stolzieren bedächtig im steppenartigen, mit einigen Bäumen bestandenen Garten zwischen Taverne und Strandterrassen umher, kommen mir in ihrem aufgeplusterten Federkleid ziemlich deplatziert vor, und ihren hochragenden Hälsen mit den kleinen Köpfchen dran. Es ist ein veritables Straußenpaar, das man hierher verpflanzt hat! Soll, meine verzweifelte Erklärung, wohl mehr Gäste anlocken – zurzeit ist kein einziger da.

Weit oben im Hang wird eine Straße vorangetrieben, das Geräusch der Raupen und des Schlagmeißelfahrzeugs ist überlaut zu hören. Scheint ganz so, als ob man die Wanderroute über der Küste, die mit dem weit ausladenden späteren Dreher nach Nord in Richtung Vathí, in einen neuen Feldweg umwandeln will.
Insgesamt ist Lazárou Beach nothing to write home about, es sei denn, man simst ein Foto von den Straußen, mit ein paar Bluff–Grüßen aus AFRIKA.

Zurück an der Buswendeschleife in Platí Jaló. Ich biege in das erste Sträßchen links ein, irgendwo da hinten muss der Campingplatz liegen. Olivenland. Einige Zimmervermietungen, die erste gleich mit der Europafahne, sodass ich sie schon für den Zeltplatz halte. Alles unbewohnt.
Der Campingplatz befindet sich viel weiter hinten, an einer Kreuzung geht es noch nach links, dann steht man auf einmal davor. Neben dem Platz ginge der kürzere Wanderweg nach Vathí ab, das Hinweisschild ist fast ganz zugewachsen.
Auf dem Campinggelände sticht mir gleich ein sehr hübsch aussehendes, einladendes Lokal mit gemütlicher, überwachsener Terrasse ins Auge, doch leider ist alles geschlossen, zugesperrt, keine Menschenseele auf dem Gelände. Das einzige Erkennungszeichen des "Camping" sind die draußen hingestellten, übervollen Mülltonnen mit entsprechender Beschriftung.
Mai ist also noch Winter, wann wird der Betrieb losgehen? Beim Zurückwandern zucke ich mehrmals zusammen, denn heftige Explosionen erschüttern die ganze Gegend. Als ich die Rauchwolken oben am Berg aufsteigen sehe, kann ich die Knalls dem Bau der neuen Straße da oben zuordnen.

Am Strand sind nicht mehr als zwei Café–Tavernen geöffnet, in ihnen konzentriert sich das bescheidene Treiben einiger Paréas. Hier möchte ich nicht wohnen. Wenn schon, dann weiter hinten in den Oliven, oder gerne auch da oben, wo ich Richtung Lazárou vorbeigewandert bin.

Es ist nicht viel Zeit bis zum nächsten Bus, so schlendere ich die Strandmeile entlang und wieder zurück – nichts Besonderes. Nehme Platz an einem der wenigen Tische an der straßenwärtigen Seite einer der lauten Strandkneipen direkt bei einer Bushaltestelle, geh rein, um meine Bestellung aufzugeben.
Ich werde sehr freundlich bedient, bekomme meine Limo mit Eis und Strohhalm im Glas, das kleine Dosengetränk für 2 Euro 50 – so bereichert man sich mühelos. Aufgeregt nach dem Bus fragende Mittouristen aus Frankreich kann ich beruhigen: er kommt gleich! Da ist er auch schon, nur legt er jetzt noch eine lange Ruhepause hinten am Wendeplatz ein, bis er uns endlich abholt und von diesem Ort der Langeweile erlöst. Die Franzosen scheinen sich hier auszukennen, haben ihr Getränk aus einem versteckten Laden erstanden, um ihren Geldbeutel zu schonen. But: No drinking on the bus!


In den zentralen Dörfern: Morgende und Abende im Kykladentraum

Was nun tue ich in den oberen Dörfern, bevor die Morgen– oder Spätvormittagsbusse von dort aus weiterfahren? Was mache ich nach Rückkunft von den Küsten– und Badeorten, wenn ich noch keine Lust auf mein Zimmer unten in Kamáres habe?

Morgens gehe ich zuerst auf einen Kaffee ins Lákis an der Platía von Apollonía, bin dort bald bekannt. Eine gute Bougátsa hole ich mir aus der kleinen Konditorei neben dem Park. Ein andermal gönne ich mir einen frisch gepressten Orangensaft vor dem Hotel Anthoúsa und seinem zugehörigen Konditorei–Café, weiche der sengenden Sonne aus und freue mich dennoch über die herrliche Aussicht.

Und dann, was kommt dann?
Na ja, je nachdem, wie viel Zeit ich noch habe bis zum Bus. Dann steig ich eine der beiden Gassen hoch.
Erst einmal wieder die nach Nord, Richtung Áno Petáli, hinauf bis zur großen blau bekuppelten Kirche, ein wenig Aussicht genießen.
Hier ist der Scheitel des Hügels erreicht, und es geht wieder langsam bergab, erst in einer Links–, dann steiler in einer Rechtskurve, alles auf einem breiten, autofreien Stufenweg inmitten blendend weißer Häuser.
In einer Talkerbe trifft der Weg auf die Straße mit einigen Geschäften, die nach Artemónas und in den Inselnorden weiterführen würde. Auf ihr gehe ich nur einige Schritte, nehme gleich wieder einen Stufenweg, der bereits zu Artemónas gehört.
Bald stehe ich auf einem Platz mit einer kleinen Kirche neben schattigen Bäumen. Geradeaus weiter steigt man höher und kommt an zwei Bäckereien vorbei, ein kleiner Hund lässt sich durch mich nicht vertreiben.
Dann zeigt sich schon einer der Hauptplätze des Ortes, eine Straßenverbreiterung, die sich im rechten Winkel zu meinem Stufenweg nach Ost hinzieht bis zur Kirche des Hl. Konstantínos vor dem Busparkplatz, von dem aus alle Linien der Insel starten.
Sieht man Fotos dieser Kirche mit ihrer Außentreppe hinauf aufs Dach und ihrem mittig über der Fassade stehenden doppelt durchbrochenen Glockentürmchen (mit 2 Glocken), denkt man, sie sei bestimmt umgeben von alten Kykladenhäusern. Doch das ist keineswegs so. Neben ihr eine große Taverne, To Liotrívi Manganás, hinter ihr der Busplatz, ihr gegenüber ein größeres, neu aussehendes Hotel mit eigener Café–Terrasse auf dem Gelände. Nur unterhalb der seitlichen Kirchenterrasse, südwärts, Gartenflächen hinter Häusern. In dieser Ecke wirkt der Ort auf mich gar nicht besonders urig!
Weiter vorne am Platz (von der Kirche aus gesehen) noch ein Kiosk mit netter Betreiberin, noch weiter vorne eine Ouzerí, die sich relativ modern gibt. Ich muss leider umkehren, für diesmal, kann aber schon verraten, dass sich der urigere wie auch der noblere Teil von Artemónas noch ein Stück weiter aufwärts befinden. Dazu später.
So richtig umwerfend ist (auch) die andere Seite der Siedlungsagglomeration, wenn man vom Dorfplatz in Apollonía aus startet.
Man geht also zwischen Park und Café–Konditorei hinein in die andere "Altstadt", passiert eine Fährenagentur, würde geradeaus auf einen sehr netten Minimarket treffen, links daneben über das Gässchen gleich der blütenumrankte Innenhof des Hotels Anthoúsa. Doch man biegt vorher schon links ab, beginnt den stetigen Aufstieg durch das obere Apollonía bis hinauf nach Katavatí. Sagen wir mal, es ist ein Abendspaziergang.

Im gleißenden Spätnachmittagslicht – im Mai bleibt es lange hell! – werfe ich Seitenblicke auf Schmuck– und Juwelierläden, Töpfergeschäfte, wieder eine Fährenagentur, kleinere und größere Essensstätten, manche nach weiter rückwärts versetzt, eine erste, von außen hübsche und dauernd zugesperrte Kirche, dann eine zweite, ebenfalls rechts, und dann wird endlich eine Stätte der Tradition mein Blickfang, linker Hand: das alte Kafenío des alten Drakákis (dessen Vornamen ich jetzt schon wieder vergessen habe, obwohl wir per Du waren).
Es liegt etwas zurückversetzt vom Hauptweg, nur ein paar Meter, und das verleiht ihm zusätzliche Würde. Die Theke drinnen steht zwischen zwei Gasträumen, aber jetzt sitzen sowieso alle draußen, was gar nicht so unproblematisch ist, denn es gibt nur wenige Quadratmeter im Schatten, das Lokal ist nach West hin ausgerichtet, gegen die noch starke Abendsonne.
Gegenüber ein Gemischtwarenladen der Sorte Plastik – Eisen – Küchenbedarf – Kleidung – Nippes, auf dessen Öffnung ein amerikanisches Pärchen sehnsüchtig hinfiebert.
Dauertränenden Auges – hier auf Sífnos werde ich mir erstmals der absoluten Notwendigkeit einer Sonnenbrille bewusst – blinzle ich den gnadenlosen Lichtreflexionen sämtlicher weißer Hauswände trotzend drei vor dem Kafenío anwesenden Holländerinnen, einer echten Freundinnen–Clique gehobenen Alters, ins Gesicht, und es kommt zu einer netten Konversation auf Englisch.
Das Míthos (Mythos) beim alten D. schmeckt, ist durchaus bezahlbar, und es wären hier auch Snacks erhältlich.

Doch auf die bin ich nicht so erpicht, denn in vielleicht 50 m Entfernung liegt ein Hotel, ebenfalls ein Prachtstück der alten Sorte, das Hotel Sífnos, und untendrin ist eine Taverne, natürlich mit Tischen draußen. Da will ich auf alle Fälle einmal essen. Auf dem hübschen Platz direkt neben den Hotel hab ich mich schon öfters aufgehalten auf dieser Reise, hab sehnsüchtig zu den Balkonen hochgeblickt, auf die alten Leitungen und Hausecken, die man so nicht mehr bauen würde. Dann westwärts hinaus übers Land, denn das Plätzchen ist durchaus aussichtsreich. Ach, diese alten griechischen Hotels! Wie gern ich einmal wieder in so einem wohnen würde, hatte ich mir gedacht. Ja, und dann probierte ich eines Tages wenigstens die Hoteltaverne aus, statt im D(h)rakákis einen Snack zu mir zu nehmen.
Draußen saß bereits eine Runde Franzosen, an einem Salat herumstochernd. Ich bestellte das erst Mal ein typisches Inselgericht: Revíthokefthédhes, Kichererbsenbällchen, dazu Tzatzíki und einen kleinen griechischen Salat, plus Amstel.
Ich hatte mich schon über die steinerne Miene der alten Frau gewundert, die von der jungen Bedienung stets nach den Preisen gefragt wurde. Kein Lächeln, kein Gruß kam je von ihrer Seite. Ein absolut unfreundlicher Laden.
Ich wollte es erst nicht glauben, als ich die Rechnung in der Hand hielt. Für 4 oder 5 mickrige Erbsenbällchen (4 Euro 50), einen kleinen Salat (? Euro), das Tzatzíki, sehr kleine Portion (5 Euro) und Brot plus Bier verlangte die steinerne Alte an die 20 Euro! Nun bin ich geheilt von romantischen Träumereien in Sachen schöne alte griechische Hotels, und im Hotel Sífnos werde ich bestimmt nie wieder einkehren. Das rundete bisher gewonnene Eindrücke die Preisgestaltung in sifnischen Tavernen betreffend jedenfalls weiter ab und verfestigte sch zu einem ganz klaren Standpunkt: Auf Sífnos essen gehen ist sauteuer! Später, in Westkreta, sollte ich teils nur die Hälfte der Preise auf Sífnos bezahlen (!).

An einem frühen Abend bin ich weitergewandert, an dem alten Hotel vorüber. Hab in das nächste Kirchlein links am Weg reingeschaut, bin dann zur nahen Hauptkirche hochgewandert. Schön ausgemalt, die Türen geöffnet, eine nicht ungeschickte Verbindung von Kirchenraum und umgebender Dorfatmosphäre. Draußen kann man etwas hintergehen und ein wenig übers Land gucken.
Gegenüber der Kirche ein neues schickes "Boutique–Hotel", das noch geschlossen hat.
Beim weiteren Hochsteigen, immer geradeaus, bleibt die Idylle erhalten, es wird blumiger, und nur der Platz vor dem nächsten Dorf mit dem Gymnasiumsbau und einem Rondell stört das einheitliche Dorfensemble doch deutlich.
Doch der ist schnell überwunden, und man taucht gleich wieder ein ins kykladische Weißgeschachtelte. Gegrüßt sei der Papás, der mir entgegenkommt.

Was am Südwestende von Katavatí so ganz besonders schön ist, und auch typisch für die westlichen Randbezirke der anderen Dörfer, ist diese herrliche Verbindung aus bescheidenen Wohnhäuschen mit ihren einfachen und doch hübschen Formen, üppigen Blumengärten und großem Feld oder Wiese gleich nebenan oder dahinter. Das ergibt in der goldenen Abendsonne zusammen mit all den Aussichtsmöglichkeiten, all den Kirchenkuppeln und Kaminwundern eine ganz besonders milde Stimmung, eine von ländlicher Schönheit, Ruhe und großem Frieden. Und wie es duftet nach Heu!
Als ich hinunterbiege, rechtsab, Richtung einem der Aufstiegswege zum großen Profítis Ilías, an so manchem Eselgetier, zahmem Hund und Feigenbaum vorbeikomme, an Stallungen, Werkstätten, Lagerhallen, und alles so grün und blütenreich garniert vorfinde, weiß ich mich im vollsten Glück.
Ich geh nicht ganz zu der Straße hinunter, aber schon hier ist alles besonders grün und buschig, und wenn ich den steilen Osthang des Berges ins Visier nehme, sehe ich nicht nur ein durchgehendes Mauerwerk da hochsteigen, an dessen Seite offenbar der Steilweg hinaufführt, sondern auch all die tiefgrünen Bäume, die grünen Flecken selbst noch auf den höheren Flanken. Südlich anschließend die hübsche Talmulde. Es ist ein wahres Wunder, sage ich bei mir. So viel Schönheit auf einmal rund um mich herum ist kaum auszuhalten!

Beim langsamen Zurückschlendern kann ich nicht umhin, einem älteren Herrn mein Herz auszuschütten und ihm klarzumachen, wie schön sie es doch alle auf ihrer Herrlichkeit von Insel hätten. Nein, was hab ich nicht alles schon gesehen und empfunden in Elládha, und jetzt das noch als krönende Dreingabe! Es ist gerade nicht die landschaftliche Großartigkeit Kretas, aber doch etwas herrlich Intimes, eine gelungene Mischung aus Klein und Fein. Man muss schon lange suchen, um eine solche Mischung auf so engem Raum zu finden wie hier auf dieser Ausnahme–Westkyklade.
An diesem Abend hab ich noch nicht gewusst, was für Ausnahmeeindrücke ich bald auf der anderen Seite, am Nordende der Dorfkette sammeln würde – als Krönung meines letzten Tages auf Sífnos.


Kurzwanderung nach Kástro

Hat man fast noch einen halben hellen Tag zur Verfügung, lohnt sich der vergleichsweise kurze Abstecher von Apollonía nach Kástro. Geht man wie ich zu Fuß, ist der Weg unter der Straße hindurch zu empfehlen, der nur wenige Schritte südlich des Hotels und Cafés Anthoúsa beginnt: eben unter der Straße hindurch, gleich zu Beginn, und der endet erst einmal in Káto Petáli, dem isoliert auf einer Ebene zu Füßen der mittigen Dorfkette gelegenen Dörfchen.

Ich wage gar nicht dran zu denken, wie es im April wäre, den alten Mauleselweg zu gehen. Noch Anfang Mai ist er gesäumt von Blumenwiesen, und jenseits der begrenzenden Mäuerchen ragt so manche Baumschönheit in den blauen Himmel, darunter auch fernere Palmen. Man erfreut sich an Rückblicken auf die zentralen Dörfer, sieht freudig der Großkirche am Rand von Káto Petáli entgegen, gelangt aber zuvor noch zu einem kleineren Heiligtum etwas abseits rechts des Weges.
In Dorfnähe ist ein Mann damit beschäftigt, den Weg von hineinwuchernden Pflanzen zu säubern. Auf dem Rückweg sehe ich ihn sogar einen mittelgroßen Baum fällen, und er lacht mir ins Gesicht, nach stundenlanger Mühe.
Steig nicht gleich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit die Stufen ins Dorf hinein, geh vielmehr südlich dicht außen entlang, die Begrenzungsfront aus Hausmauern wirkt ein wenig wie die eines mittelalterlichen Vorzeigestädtchens an der Romantischen Straße bei uns zu Hause. An der in der äußersten SE–Ecke der Siedlung gelegenen Kirche in einigem Abstand außen vorüber komme ich zu einem Platz mit einem zugesperrten Kiosk und Telefonkabine, dem Endpunkt einer geteerten Stichstraße von Nord her.

Einen kleinen Umweg durchs Dorf muss ich aber doch gehen, sonst hätte ich ja nichts davon mitbekommen. So schleiche ich also durch eine der östlichen Gassen am gerade die Kirche verlassenden frommen Volk vorbei, sehe irgendeinen Westeuropäer, der hier heimisch zu sein scheint, auf einer Erdgeschoss–Hausterrasse beschwörend auf einen Einheimischen einreden und drehe schon wieder abwärts aus dem Dorf hinaus. War ein schöner Weg.

Etwas desorientiert finde ich dann die richtige Richtung und gelange zum Hauptsträßchen von Artemóna/Apollonía her nach Kástro.
Das gehe ich kaum ein paar Meter, da sichte ich bereits das zierliche Schildchen auf der anderen Seite, wo ein staubiger Platz Autofahrer zur Rast einlädt und ganz unauffällig der Einstieg auf einen permanent abfallenden, die Straße abkürzenden, teils etwas überwachsenen Steinplattenweg zu finden ist.
Rechts oberhalb die Straße, links unten Gehöfte und Felder, geparkte Esel, auch einmal eine Art Bauhof. Und dort, wo der Wanderweg nach seinem steilsten Stück schließlich auf den Scheitel einer engen Straßenserpentine trifft und auf ihr weiterführt, links eine Halle mit davor und dahinter abgestellten zahlreichen Booten, rechts, über die Straße rüber, ein eingezäuntes Irgendwas–Grundstück, das von nach und nach immer mehr werdenden Hunden bewacht wird – nähert man sich ihm. Aber keine Gefahr: Alle sind jenseits des Zauns, und die meisten von ihnen sehen ganz lieb aus. Ach Ihr Autotouristen, Ihr Vermisser!

Ab hier kriegt man rechter Hand eine Schlucht mit, die kurz und tief bis zum Meer bei Kástro hinunterreicht. Eine Kapelle grüßt herauf, die andere, links der Straße, übersehe ich fast. Die Tiefe ist von Bäumen bestanden, eine Frau sammelt in ihrem Grund Kräuter (oder Schnecken?), dort, wo auf der Südseite der Schlucht ein Pfad hochführt in unbekannte Gefilde, an einem Haus vorüber. Höchstens zwei Autos ziehen an mir vorbei. Es ist eine gemütliche Inselecke. Und Kástro WAR einmal Inselhauptort.

Dann tauchen die beidem von jedem fotografierten blau bekuppelten Friedhofskapellen auf, rechts drüben. Sie sind gar nicht so landschaftsprägend wie man glauben möchte, wenn man die Unmenge von Fotos durchgeht, die jede GR–Website unter dem Stichwort Sífnos bereichern. Sie gliedern sich sozusagen bescheiden ein ins Ganze, die Kapellen, die blau bekuppelten, sie fordern keinerlei Prominenz.

Vor einer Windmühlenreihe steh ich nun, unter ihr ginge es auf einem Aussichtsfeldweg über der Ostküste nordwestwärts ab zur relativ nahen Kirche der Panajía Pouláti, einem Ziel, das ich mir für ein andermal aufspare.
Vor mir eine großartige Kulisse: Das alte ΣΙΦΝΟΣ auf steilem Fels, einem Vorgebirge, das vielleicht 60 – 80 m hoch aus dem Meer ragt und den es umklammernden Häusermassen seit Jahrtausenden bereitwillig Schutz gewährt. Gar nicht riesengroß und übermächtig, und doch groß und bedeutend, in früheren Zeiten, als Sífnos die Silber– und wohl auch Goldreiche war und ganz Hellas beeindrucken konnte.

Und welchen Eindruck hinterlässt das heutige Kástro beim Besucher?
Einen ausgestorbenen, ist man verführt zu sagen. Die Tavernen, die geöffnet haben, sind gästelos, an diesem Maitag gegen Mitte des Monats. Und es wird bestimmt keinen abendlichen Essenstourismus geben. Laute dringen heraus, Laute der Wirtsleute allein.
Der architektonische Eindruck fällt umso größer aus.

Es handelt sich um eine "klassische" Wehrsiedlung, die, hätte sie keine (teils ehemaligen) Tore, nicht zugänglich wäre. Das wird am deutlichsten beim südöstlichen Zugangstor, das nur über erstaunlich steile, im Sonnenlicht weiß glitzernde, überhohe Stufen erreichbar ist. Eine derartige, bewusst durch unangenehm hohe Stufen gestaltete Steile habe ich bisher nirgendwo erlebt, und das alte "etruskische" Tor über der Ausländeruniversität von Perugia (Perúdscha, Umbria, Italia) etwa ist ein echter Witz dagegen, von Passeggiata–Spaziergängern, von besoffenen oder vollgedopten Studenten auf glatt ansteigender Schräge kinderleicht durchschreitbar!
Wirklich imponierend, wie da, gleich links nach Durchschreiten des besagten Kástro–Tores, ein antiker Säulenmeter geschickt als Stütze eines vielleicht spanischen oder venezianischen Rundbogens Verwendung fand!
Im Lauf des Spaziergangs durch die Gassen sollte ich auf mehrere solcher Säulenstümpfe stoßen. Sie stehen meist nur mehr irgendwo rum, und der Denkmalschutz verhindert ihre Demontage.
Die ehemalige venezianische Festung in der Mitte des Burgbergs sticht heutzutage nicht mehr besonders heraus. Nach West hin wurde alles recht liebevoll restauriert, besteht zum Teil aus "offiziellen Gebäuden".
Man muss selber durch die Gassen streunen, um sich einen Eindruck vom genius loci machen zu können, die Reste älterer Baustrukturen und ihre Details wahrnehmen, auch die Stille, die über allem herrscht. Trotz sanfter bis härterer Musik aus einem Lokal – der Wirt spielt sich mangels Gästen selber was vor.
Insbesondere auf der Nord– und Ostseite ist der Hügelort auch außerhalb seiner Mauern, extra muros, schön umspazierbar, und auch von der Westseite lässt es sich noch toll runtergucken, vor dem Abstieg. Es sind traumhafte Ausblicke, die ganze Ostküste der Insel entlang, und natürlich hinüber auf Páros und seine Trabanten. Und ganz nah bietet sogar das Kirchlein der Sieben Märtyrer auf einem Felsplateau zu Füßen des Kástro–Hügels einen bezaubernden Anblick, zusammen mit dem Stufenweg, der dorthin hinunterführt.
Die Serália–Bucht östlich unterhalb des Kástro wirkt sehr entlegen und verlassen, von oben aus zu urteilen.

Vergebens warte ich eine Weile auf einen Bus zurück nach Apollonía. Dann entscheide ich mich, dieselbe Route, die ich gekommen bin, wieder zurückzugehen.


Skizze eines halben Tages in Vathí

Nicht viele Busse fahren nach Vathí. Man nimmt in der Nebensaison am besten den einen, den einzigen so um 9 Uhr vormittags, und irgendwann so um 16 Uhr rum den einzigen anderen wieder zurück.
Aber es ist der Mühe wert, vale la pena, sich für diese etwas abgelegene Bucht zu entscheiden, ihr einige Stunden zu widmen.

Vom südlichen Ende Katavatí's her biegt der Bus auf die Asphaltstraße ab, die zu Füßen der höheren Inselberge an einigen Sehenswürdigkeiten (minoische Akropolis von Ág. Andhréas, Pírgos Kadhé) vorbei allmählich nach SW dreht und ein längeres Stück hoch über der Ebene von Platís Jalós verläuft, mit den entsprechenden Tiefblicken.
Aus dem allseits beherrschenden Grün hebt sich die über der Ebene thronende Panajía tou Vounoú heraus. Auch nördlich auf den Berghängen über der Straße blitzen hier und da weiße Kapellen auf. Rechts das verlassene Kloster Taxiárchis Merisínis dicht am Weg.
Wie irre grün es in der Gegend ist! Man möchte es wirklich kaum glauben – und das auf den Kykladen!
Auf einigen weitständigen Haarnadelkurven geht es hinunter in die kleine, von silberblättrigen Oliven bestandene Küstenebene hinter der fast kreisrunden Bucht von Vathí.
Bei der ersten Serpentine zweigt ein gut ausgebauter Feldweg südwärts ab, der Einstieg auf zwei Wanderwege: den kürzeren, der vom Feldweg in spitzem Winkel nordwärts zurückbiegt und dann auf der Nordseite des Katsístria– Berges über das einsame Kloster Profítis Ilías Kondoú bei Campingplatz hinter Platí Jaló endet, und den in direkter Verlängerung des Feldweges viel weiter ausholenden, erst zur Fikiádhas–Bucht führenden und von dort weiter über der westlichen Südküste bis Platí Jaló verlaufenden.
Aus der Höhe bieten sich schöne Ausblicke (endlich!) auf das ansonsten weitgehend verborgene Kímolos und Mílos – wenn man nicht gerade zu den Gipfelbezwingern gehört.

Die meisten Häuser von Vathí gruppieren sich um das Nord– und das Südende der Bucht. Die am Südende wirken etwas unzugänglich, sozusagen "privater", eher den Einheimischen zugehörig, obwohl von besagter erster Serpentine eine Zufahrt auch zu ihnen hin abzweigt.

Der Bus hält an einem recht geräumigen Park– und Wendeplatz gut außerhalb der Häuserzeile am Strand. Man geht zwischen Gärten und Ölbäumen auf schmalem Sträßchen strandwärts, sichtet dabei ein grauweißes Pferd oder irgendeinen (tierischen) Esel im Baumschatten. Dieser Zugangsweg endet abrupt etwa in der Buchtmitte an den ersten zwei, noch geschlossenen kleinen Tavernen und dem Sandstrand, auf dem Autospuren in beide Richtungen gleich auf die fehlende Uferpromenade hinweisen.
Das Erste, was mich so richtig gefangen nimmt, ist die fantastische Einrahmung der Insel Kímolos durch die beiden Enden des Buchtausgangs – eine Insel eingerahmt wie ein Bild! Etwas Ähnliches hab ich auf Náxos erlebt, von Kóronos aus, wo sich an einer bestimmten Stelle im Dorf ein vergleichbarer Bilderrahmen für das große Ikaría ergibt.

Eine kleinere, etwas kugelige Einheimische, die mit dem Bus gekommen ist, verschwindet mit Sack und Pack in einer Taverne in der südlichen Buchtmitte, gefolgt von einer jüngeren Osteuropäerin, die beim neuen Großhotel untertaucht. Ich aber wende mich nordwärts und stehe bald vor der Tordurchfahrt direkt bei der zweischiffigen Taxiárchis–Kirche gleich bei einer kurzen und breiten Molenfläche, an deren äußerem Ende ein skandinavisches Segelboot mit junger Familie drauf festgemacht hat. Ich geh erst mal um die hübsche Kirche herum, bevor ich mir ihr Inneres zu Gemüte führe.
Wieder draußen, setz ich mich in die nahe Taverne mit den vielen Tamarisken und den unteren Tischen im Sand des Strandes, es ist wohl die mit dem Namen To Tsikáli, auf den ich aber nicht achte. Da es im Tamariskenschatten bald zu heiß wird, nehme ich Platz unter dem Vordach des Tavernenbaus und lass mir als einziger Gast einen frisch gepressten Orangensaft schmecken. Die Wirtin vertreibt sich die Langeweile mit Lesen und Telefonieren. Im Dorf ist kaum etwas los. Einmal ruckelt ein Kleinlaster im Sand vorbei, ein andermal ein Bauer mit Gepäck–Muli. Weiter vorne wird irgendwo herumgebaut. Außer der Bootsbesatzung sehe ich keinerlei andere Touristen. Es ist jetzt, um zehn Uhr vormittags, schon heiß, und man hat eigentlich keine große Lust, allzu weit herumzuwandern.

Bald verabschiede ich mich vorübergehend, indem ich einen Spaziergang ankündige. Hab den Bauern mit dem Lasttier das nördliche Kap hinauftrotten sehen und hinter einem Grundstückstor verschwinden. Will ihm nachgehen, vielleicht geht es dort oben ein Stück weiter, sodass sich ein noch besserer Blick auf Kímolos und Mílos bietet.
Beim Vorwandern zum Nordende des Dörfchens fällt mir ein großer, modern gebauter Minimarkt mit viel Glasfläche auf, dessen Besitzer mich von einem Tisch davor aus freundlich grüßen. Nach Nordost hin zieht sich die Bebauung ins Hinterland, wo noch einige Unterkünfte versteckt sind. Man geht jetzt auf einer befestigten Straße, die bald hinter der ersten Häuserzeile entlangläuft. Weitere Tavernen habe ich bereits passiert. Ein kleiner Laden oben am Hang wirbt mit Eiskrem. Unten über dem Strand die letzten beiden Restaurants, geschlossen.

In Kurven steige ich auf einem Feldweg zum eingezäunten Grundstück auf dem Kap hinauf. Noch vor Erreichen des Tores ist er grasüberwachsen, wird zum schmalen Pfad. Das Tor ist abgesperrt, nicht zu öffnen. So steige ich mit meinen dafür ungeeigneten Sandalen auf Ziegenpfaden übers Geröll noch etwas höher, am Zaun entlang. Hier ist kein Pfad mehr erkennbar, und ich raste auf einem Stein.
Ja, nun ist der Sífnos zugewandte Teil der Insel Kímolos noch deutlich besser zu sehen, und der sichtbare Teil der Insel Mílos dahinter ist einigermaßen gut gegen die vorgelagerte Insel abzugrenzen. Draußen im Meer ziehen kleinere Boote vorüber. Die Sonne sticht immer gnadenloser auf mich Schattenlosen herab, doch ich verharre fast eine halbe Stunde auf meinem Höhenplatz, bevor ich vorsichtig die steile Schräge hinuntersteige und anfange, die südlicheren Strandabschnitte zu erkunden.

Hinter der bereits geöffneten Taverne Manólis scheint noch ein weiteres Lebensmittelgeschäft zu existieren.
Unweit dieser Taverne trifft man auf das vor wenigen Jahren neu erbaute große Luxushotel Eliés Resorts, das jedoch nicht unbedingt unangenehm auffällt, denn es besteht aus vielen kleineren weißen Häusern mit dezent blaugrau oder olivgrün oder leicht beige gestrichenen Türen und Fensterläden, die sich noch ganz gut in die Landschaft einfügen. Die Anlage breitet sich hinter niedrigen Dünen und etwas Schilf ein wenig den Hang hinauf aus, und nur das Barhaus neben dem gigantischen Pool sticht wirklich als Fremdkörper ins Auge. Nun sagt mir jemand, dass das Haus erst am Donnerstag, 14. Mai seine Pforten für diese Saison öffnen werde, deshalb also die Ruhe vor dem Sturm, in der sich nur einige Arbeitskräfte, die dem Ganzen noch den letzten Schliff geben, bemerkbar machen. Kann natürlich gut sein, dass das später voll besetzte Haus für Unruhe und (Musik–)Lärm in der Bucht sorgt und seine Gäste den Sandstrand vor der Haustür und die nahe gelegenen Tavernen überschwemmen.
Jetzt aber gibt es damit keinerlei Probleme, lediglich eine Kleinfamilie und zwei Paare bevölkern die Strandmitte.
Ein Pfad führt in die Felsen hinter dem Strand, und auf diesem Weg wäre der südliche Teil der Bucht gut erreichbar. Ich gehe ihn nur ein kurzes Stück bis zu einem Haus und kehre dort um.
Auf der Terrasse der Taverne Manólis mit ihren zahlreichen Schatten spendenden Tamarisken genehmige ich mir noch ein Getränk, nachdem ich mir den großen Backofen angesehen habe.
Beim Überfliegen der Speisekarte wird mir klar, dass sich der Wirt bereits auf seine gut betuchte Nachbarschaftsklientel vom Großhotel vorbereitet hat. So fällt es mir nicht schwer, mein Versprechen einzulösen, mein Mittagsmahl in der Taverne bei der Taxiárchis–Kirche einzunehmen.
Beim Bezahlen bedankt sich die Wirtsfrau fast überschwänglich für meinen Besuch, dabei hatte ich lediglich was getrunken. Sie stellt sich wohl auf die Ist–Situation ein, mit den nur wenigen in der Bucht anwesenden Touristen.

In meiner Taverne To Tsikáli finde ich die skandinavische Familie von der Segeljacht bereits beim Mittagessen vor, und etwas später gesellt sich noch ein älteres deutsches Paar zur Gästeschar hinzu, sodass wenigstens drei Tische besetzt sind. Mein Essen, ein Auberginenauflauf, ist lecker und nicht überteuert. Nur schade, dass die meisten hier wohnenden Touristen, mit dem Frühbus, mit dem ich gekommen bin, bzw. mit ihren Mietwagen Reißaus genommen haben und sich wohl erst abends wieder blicken lassen. Und neugierige Tagesausflügler kommen nur wenige an diesem Tag, da fällt ein französisches Frauenwanderpaar richtig auf.

Die restliche Zeit bis zum 4–Uhr–Bus vertreibe ich mir mit ein wenig Herumgehen und –sitzen und mit dem Beobachten der Leute wie der Gegend.


Im westlichen Áno Petáli, oberen Artemóna und darüber hinaus: Ein Erlebnis der Sonderklasse

An meinem letzten Tag auf Sífnos will ich gerne noch die höheren Lagen der Orte Áno Petáli und Artemónas erkunden und zum Schluss noch einmal im Kafenío Dhrakákis einkehren, bevor ich einen Bus runter zum Hafen nehme.
Simeón von der gleichnamigen Pension hat sich als sehr großzügig erwiesen und mir gestattet, je nach Belieben bis 18 Uhr im Zimmer zu bleiben, und so werde ich noch einmal in aller Ruhe duschen können und muss nicht stundenlang herumhängen bis zur abendlichen Abfahrt der Áeolos Kendéris.

Ich nehm also wieder den Frühbus nach Apollonía und gönne mir ein Frühstück im Kafenío Lákis. Dann treibe ich mich im unteren Dorfbereich herum, schau mir ein Paar neue Ecken an, besorge schließlich das Schiffsticket nach Páro in einer Agentur in einer Seitengasse kurz hinter meiner Konditorei. Als ich ungläubig dastehe und die "5 Euro 40" für einen Witz halte, muss der Mann hinter der Theke lachen. Ja, ich zahle wohl eigentlich ein Ticket für die Panajía Chozoviótissa, die zusammen mit der Panajía Tínou vor einiger Zeit aus dem Verkehr gezogen wurde. Nun muss die Schnellfähre derselben Gesellschaft, NEL Lines, zum gleichen Tarif fahren wie die beiden langsamen Pötte früher – schon ein Kuriosum, aber NEL Lines haben eben kein anderes Schiff zur Hand, ihre Flotte ist in der nördlichen Ägäis und im Piräus–Chíos–Lésvos–Verkehr ausgelastet.

Also mal wieder den Stufenweg neben dem Lákis hoch, am kleinen italienischen Restaurant vorüber.
Bald kommt rechts ein Durchgang zu einer von weiter weg eher unscheinbaren wirkenden Kirche, sie nennen sie die der Panajía, obwohl auf dem Relief des Tympanons der Eingangstür ein Heiliger Georg entschlossen seinen Drachen tötet.
Leider ist zugesperrt, sehr zu meinem Ärger, und ich schleiche um das Kirchlein herum, bis ich auf die Idee komme, mal die Stufen an der Rückseite Richtung Empore hochzusteigen. Die Außentür da oben lässt sich anstandslos öffnen, und ich trete ein in einen sehr mystischen Innenraum, den ich von der Empore aus überblicke. Die seitlich neben mir abgestellten Nebensächlichkeiten stören mich nicht, denn ich bin sogleich positiv eingenommen von dem Raum und dem Ort.
Es herrscht insgesamt eine angenehmes Halbdunkel, doch ein kräftiger Sonnenstrahl fällt durch ein südöstliches Seitenfenster genau auf die große Marien–Ikone links in der Ikonostase und erleuchtet sie auf wundersame Weise zur Gänze, während die Nachbarikonen im Dunkel verbleiben. Das sieht so gewollt aus, dass ich nur stehen und staunen kann. Das Lichtspektakel verfehlt auch bei mir seine Wirkung nicht, es ist verblüffend und wird von vielen bestimmt als Fingerzeig des Himmels verstanden. Vielleicht deshalb die Kirchenbezeichnung "tis Panajías", auf der der Alte draußen besteht, und nicht "tis Panajías kjä tou Ajíou Jeorjíou"?

Ausnahmsweise biege ich vor dem Hotel Petáli links ab und sollte es nicht bereuen.
Allmählich gelange ich an den westlichen Ortsrand von Áno Petáli. Ein von Lose– oder Bruchsteinmauern eingefasstes Wegsystem breitet sich inmitten der Gärten und Felder, auch Weingärten, und der lockerer werdenden Bebauung aus, und es ist grad schön und wird immer schöner und weiter, und ich bin gleich wieder im siebten Himmel. Ich mag eine derartige Mischung aus lockerer Bebauung mit Häusern und Feldfrüchten und Getier drauf, droben auf einer Höhe, sauge die Weite in mich ein, schau um mich und kann es wieder kaum fassen, was für eine herrliche Kulturlandschaft sich die (griechische) Menschheit zu schaffen in der Lage war. Ein Leuchten von Weiß, Dunkelbraun, Grüntönen, Ocker, Gelb, wie man es sich nur wünschen und nur bei bestimmten Lichtverhältnissen erwarten kann.
Irgendwo gehe ich einen Haken nach rechts, die Bebauung wird dichter, der Weg fällt ab zur Schlucht zwischen Áno Petáli und Artemóna. Doch auch dieser Abzweig führt mich durch einen hübschen, mit alten verwinkelten Häuschen und Gärten garnierten Ortsteil, der mich ins Schwärmen geraten lässt. Das war wirklich soul–lifting, oder wie immer ich es nennen soll!

In der "Schlucht" ein Rinnsal, das wohl der Bewässerung entkommen ist. In dem Restrinnsal eines Baches weiter unten machen sich sogar Frösche bemerkbar. Dann bin ich wieder unten auf der Straße, und nach wenigen Schritten auf Asphalt wieder auf dem mir bereits bekannten Stufenweg hinauf nach Artemóna.

Doch diesmal mache ich keinen Schwenk nach rechts auf den Platz mit dem Kiosk, dem Lokal Liotrívi und der dreischiffigen, wenn auch kleinen Kirche des Heiligen Konstantínos.
Ich gehe vielmehr geradeaus weiter hinein in eine Gasse, an der mir linker Hand eine weitere, aber alte Bäckerei mit einem alten Ehepaar drinnen auffällt, und rechter Hand gleich eine der stattlichen klassizistischen Villen (diese allerdings etwas heruntergekommen und unbewohnt) in einem großen verwunschenen Garten. Auch links steht eine dieser Villen, mit besser gepflegtem Gartenpark. Aha, endlich! Nach links drehend komme ich an einem weiteren Restaurant vorüber, und in Kürze befinde ich mich in einem reinen Einheimischenviertel mit den typischen verwinkelten Gässchen, mit Stufen und Treppchen, kleinen Plätzen und Geschäften. Weitere Cafés, eines ganz modern, tauchen am Beginn einer Ladengasse auf. Sogar einfache Boutiquen sichte ich, ein Pandopolío, dann wieder ein ganz altes Kafenío, und nach einigem Hochsteigen guckt mich bei einer großen Kirche sogar der zugehörige Papás aus dem Vorgärtchen seines Hauses an. Ein Antiquitäten– und Möbelladen schließt das "Geschäftsviertel" nach oben hin erst einmal ab.
Hier oben wirkt Artemónas viel anders und VIEL schöner als unten am Hauptplatz, dessen östliche Fortsetzung die Busstation bildet.

Instinktiv habe ich die richtigen Gassen für meinen Aufstieg gewählt, um am Ende auf einem Weg hinaus zu den Windmühlen angelangt zu sein, wo ich mich erneut in einer sehr ländlichen Umgebung befinde. Allerdings einer in I–A–Aussichtslage!
Ich stehe auf der Plattform einer der Windmühlen, kann mich, wenn ich will, in den Schatten verkriechen und schaue genießerisch rundum übers Land.
Im Dunst ist jetzt auch Síros zu erkennen, Sérifos bleibt hinter den Bergen des nördlichen Sífnos verborgen, aber man sieht einen Teil von Kíthnos und nach Ost und Südost hin die übliche Inselvielfalt der mehr oder weniger benachbarten Kikládhes. Und jetzt gleitet da draußen auch noch das Schiff, dass ich diesen Abend nehmen werde, von Páros her kommend vorbei, wird sich bald meinen Blicken entziehen, auf seinem Weg nach Sérifo, dann Kamáres und weiter nach Mílo und Kímolo und zurück. Eine echte Schau, so gefällt's mir.

Ach, wenn ich doch noch den Inselnorden sehen könnte! Ich hab eigentlich keine Zeit dafür, muss ihn mir fürs nächste Mal aufsparen. Aber mal sehen, wie weit ich es heute noch zu Fuß schaffe, ich muss nur rechtzeitig umkehren.
So nehme ich also das steil zu einer Gästeunterkunft unterhalb der nächsten Windmühle hinunterführende Sträßchen, das in unverminderter Steilheit sehr bald auf die Landstraße von Artemóna in den Inselnorden trifft.

Selbst den Weg auf dieser breiteren Teerstraße empfinde ich als unbeschreiblich schön, wegen all der Aus– und Tiefblicke, wandere ich doch hoch über der Ostküste der Insel, mit Blick auch landein auf die weißen Siedlungsausläufer von Artemóna und die nördlich gelegenen Berghänge.
Neben mir üppige Ginsterbüsche, immer noch in gelber Blüte, unterhalb der Straße wieder Gemüsegärten und Oliven. Links über der Straße das Kirchlein der Heiligen Charálambos und Pandeleímonas, und bald noch zwei weitere Kapellen rechts unten im Grün über Schluchten. Ich komme fast bis zu den Häusern von Xévris und hab die Kapelle des Heiligen Minás schon im Blick, sehe ein fernes Bergkloster, wohl das des Ajíou Silvéstrou, auf seiner Höhe sitzen, muss dann aber doch umkehren.
Auf Autostopp hab ich keine Lust, denn ich bin vollkommen überwältigt von der Schönheit auch dieser Inselgegend und will sie noch Schritt für Schritt auskosten, so lange ich Zeit habe.
Langsam erklimme ich wieder die Anhöhe mit den Windmühlen, werfe einen letzten Rundblick um mich, tauche ein ins bezaubernde Gassengewirr des oberen Artemóna und stehe etwa 40 min später unten an der Platía von Apollonía.

Dann geh ich noch einmal hoch zum Kafenío Drakákis, das gerade wieder öffnet, nach der langen Mittagspause. Die Gasse ist voller junger Leute, etwas spät für den Schulschluss. Ein letztes Amstel dort, meine ungeschützten Augen tränen aufs Neue wie ein Wasserfall, angesichts all dieses weißen Glitzerns von allen umliegenden Hauswänden her. Dann geht es wieder runter zur Platía.
Dort nehme ich ein Taxi zum Hafen und meiner Unterkunft. 6 Euro, dafür keine Warterei auf den Bus.


Ein letzter Abend in Kamáres

Nach einer erfrischenden Dusche und dem schnellen Einpacken meiner Sachen setze ich mich noch einmal auf den Balkon und betrachte die hoch über der Bucht von Kamáres thronenden beiden Gipfelklöster.
Als ich so dasitze, locke ich durch meine bloße Balkon-Präsenz einige Neuankömmlinge an, die sich auf Zimmersuche befinden. So taucht links von mir bald ein älteres italienisches Paar auf dem Nachbarbalkon auf, und rechts zwei etwas flippige Badenerinnen aus dem hübschen Freiburg, die schon in der Mitte ihres dreiwöchigen Urlaubs angelangt sind und sich einen Abstecher nach Anáfi überlegen. Ihre Bekannte aus Wales muss einen Stock tiefer wohnen. Lauter Inselhüpfer, die nicht lange bleiben werden, die Italiener nur einen einzigen Tag. Ich kann mich noch kurz mit ihnen unterhalten. Schade, dass die Tage zuvor keine Leute da waren!
Na, da hab ich dem sympathischen Simeón noch einen guten Dienst erwiesen.
Dann verabschiede ich mich von meinem Zimmerwirt, der mich fahren möchte, doch ich lehne ab, da es doch nur ein paar hundert Meter sind und ich noch viel Zeit habe bis zur Ankunft meines Schiffes.

Zeit, noch einmal die Taverne Poseid(h)ónas mit dem netten Besitzerehepaar aufzusuchen und nach den sifnischen Wein (σιφναίικο κρασί) zu fragen, den sie mir besorgen wollten.
Sie haben ihn mir besorgt, einen Weißen aus eigenem Weingarten, und er schmeckt sehr gut – das hatte ich nicht erwartet. Auch der dazu bestellte Oktopus in Essig ist von der leckeren Machart, und was will man mehr?!

Erstaunlich viele Leute am Hafen und in den Tavernen hier unten, heute, denke ich mir. Und es tauchen immer wieder Linienbusse auf. Hat da etwa endlich der schon für gestern (Montag) angekündigte Fahrplanwechsel stattgefunden? Aber mitnichten, und die Busfahrer wussten auch von nichts. Nein, sie hatten nur die Hundertschaften von Schülerinnen und Schülern aus Páros herunterzuschaffen, die ihren Tagesausflug hinter sich hatten und oben fast die Gassen verstopften!
Ein Genuss, bei gutem Essen und ebenso gutem Wein die Passanten und die auf den Tavernenterrassen am Hafen sitzenden Speisenden zu beobachten, von meinem Lieblingstisch neben dem Taverneneingang am Ufersträßchen aus. Sehr entspannend, und da gibt es ja noch die riesige Vorfreude auf die nächste Schiffspassage mit einer bisher von mir nicht benutzten Fähre und natürlich auch auf das so hübsche Parikiá, den Haupthafen von Páros, wo ich in der Abenddämmerung eintreffen sollte.

Copyright puchheim = MartinPUC, Juni 2009

Páros sigá, sigá: genießerisch und klösterlich