Hippodrom, Blaue Moschee, Kleine Agia Sofía


Nach dem anstrengenden Vortag noch etwas wackelig auf den Beinen wanke ich mit Alex in den Frühstücksraum unseres Hotels. Mir ist zwar immer noch nicht nach Essen, doch die passierte Frühstückssuppe mit viel nachbestellter Zitrone und einem (ich kann nicht widerstehen) ordentlichen Bohnenkaffee wecken meine Lebensgeister nachhaltig wieder auf.
Voller Freude auf einen geruhsamen Tag ohne große Stadtwanderungen schlendern wir auf der kürzesten Strecke zur Altstadt. Auch heute bieten die vielen Straßenhändler ihre Waren und Dienstleistungen feil, hoffen auf ein kleines bisschen Glück.





Im Hippodrom

Bevor wir uns ein schattiges Sitzplätzchen suchen spazieren wir durch das Hippodrom, die zentrale Pferde- und Wagenrennbahn in byzantinischer Zeit. Heute ein beliebter Park künden allein Säulenreste als noch (teilweise) erhaltene Monumente von jenen vergangenen Zeiten.
Nur noch bruchstückhaft erhalten ist die bronzene Schlangensäule aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., die ursprünglich in Delphi stand und im vierten nachchristlichen Jahrhundert in’s Hippodrom gebracht wurde.


Die aus einzelnen Steinen Gemauerte Säule stammt aus dem 10. Jahrhundert.


Der Ägyptische Obelisk wurde im Jahr 390 im Hippodrom aufgestellt, stammt jedoch aus Ägypten und wurde dort um 1490 v. Chr. errichtet. Er ruht auf einem steinernen Sockel mit interessanten Darstellungen und Inschriften, die wir jedoch nicht übersetzen können.


Nach einem gemütlichen Bummel durch das Hippodrom lassen wir uns in einem Outdoor-Café auf einen Tee nieder. Apfeltee ist überhaupt eines der tollsten Getränke, die ich kennengelernt habe: Es schmeckt ganz intensiv nach frisch gepflückten, grünen, noch nicht ganz reifen Äpfeln.

In unmittelbarer Nähe zur Blauen Moschee und direkt gegenüber dem Deutschen Brunnen (im Jahr 1900 zum Gedenken an einen Besuch des Deutschen Kaisers Wilhelm II. errichtet) lässt es sich auf unserem Bänkchen bestens aushalten.


Wir genießen es, das Leben ein wenig an uns vorbeiziehen zu lassen, „verdauen“ während einiger Stunden die vergangenen drei Tage, die so prall gefüllt mit Besichtigungen und Erlebnissen waren. Die Stadt hat uns definitiv in ihren Bann gezogen. Erst jetzt wird uns klar, was wir alles nicht sehen können, und dass fünf Tage gerade einmal ausreichen, sich einen groben Überblick zu verschaffen.

Von der Blauen Moschee ertönt der Gebetsruf. Nachdem die Straßenfegemaschine diesen fast völlig verschluckt hat, nehmen wir die Rasenmäher wahr. Ständig wird hier gewerkelt, um alles in Schuss zu halten. Wie man einigen Aushängen entnehmen kann, ist das Picknicken auf den Rasenflächen verboten.
Eine Ibero-Reisegruppe fährt im Bus vorbei. Ihr folgt zu Fuß eine kleinere, sehr ruhige japanische Reisegruppe. Dann fahren wieder Ibero-Busse vorbei, dazwischen ein Polizeiwagen, aus dem ständig Lautsprecherdurchsagen auf Türkisch zu hören sind.


Besichtigung der Blauen Moschee (Sultan-Ahmed-Moschee, erbaut 1609-1616)

Eine größere Menschenmenge hat sich im weiten Hofgeviert eingefunden. Wir stellen uns dazu, können den Eingang in die Moschee jedoch nicht erkennen, so dicht gedrängt stehen die Menschen. Langsam schieben wir uns alle zusammen nach vorne. Bald werden wir gefragt, ob wir Besucher oder Betende sind. Als Besucher werden wir angesichts des Andrangs um die Ecke zu einem anderen Eingang geschickt. Auch hier hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Kurz vor dem Eingang in die Moschee – die Schuhe sind bereits in Plastiktüten verstaut und mein Tuch liegt lose auf dem Kopf – schaut eine junge, freundliche Frau noch mal nach dem Rechten. Mein Dekollete muss ganz bedeckt werden. Mit geübten Handgriffen hat sie dies im Handumdrehen bewerkstelligt. Nun können wir das Gebäude betreten.


Die Größe des Innenraums und die Ausgestaltung von Wänden und Kuppeln sind überwältigend. Vier stämmige Säulen stützen die Hauptkuppel, ähnlich wie in der Agia Sofia. So vermittelt auch diese Kirche das Gefühl von lichter Weite und Größe. Prächtige blau-grüne, kunstvoll gearbeitete Kacheln zieren die Wände.


Auch viele Fenster sind in verschiedenen Blautönen gehalten. Auf einem schönen weichen Teppich kann man gemütlich herumlaufen und die Schätze bestaunen.

Eigentlich sollte diese Moschee die Agia Sofía in jeglicher Hinsicht übertreffen. Beide jedoch haben unterschiedliche historische Bezüge. Die Agia Sofía in der heutigen Gestalt ist über eintausend Jahre älter als die Blaue Moschee. Die Blaue Moschee wird auch weiterhin als Kirche genutzt, ist sogar Hauptkirche Istanbuls, die Agia Sofia ist ein Museum. Die Innenausstattung ist komplett verschieden. Aber ist es tatsächlich wichtig, wie viele Minarette jede Kirche und welche Kuppel den größeren Durchmesser, die höhere Höhe hat? Warum weitere Unterschiede aufzählen? Nach meiner Wahrnehmung sind beide Gebäude absolut einzigartig! Und daher sollte der interessierte Besucher auch beide besichtigen. Auf jeden Fall.

Die Blaue Moschee vermittelt durch ihre Erhabenheit trotz des Besucherandrangs ein Gefühl von Ruhe. Viele Gläubige verrichten ihre Gebete in den dafür bestimmten Zonen: Die Männer im Innenraum der Moschee, die meisten weit vorne vor der Gebetsnische, die Frauen ganz hinten, hinter der Besucherzone.


Drei tiefschwarz verschleierte Frauen sitzen dort und führen anschließend eine von ihnen, die offensichtlich sehbehindert ist, wieder hinaus. Ihre teuren Gewänder aus edlem Tuch werden hinten mit schmuckvollen Spangen gehalten.
Eine Großfamilie setzt sich neben mich auf den Boden. Kinder tollen herum. Ausgerechnet an der einen Säule, wo ein großes Schild besagt, dass man sich dort nicht hinsetzen soll, hat ein Teil von Nippon 3 Platz genommen.


Mir scheint, dieser Ort ist auch eine Pilgerstätte; Gläubige kommen nicht nur zum Gebet, sondern besichtigen die Moschee sehr ausgiebig. Das vielstimmige Gemurmel und Kindergeschrei verhallt in der Weite des Raumes und wird teilweise vom Teppich wieder verschluckt.
Die Atmosphäre ist allgemein locker und gelöst. Bloß denke ich, dass sich die Betenden vielleicht gestört fühlen. Doch niemand lässt Unmut erkennen.

Fotos werden gemacht: Vier Kinder, wie die Orgelpfeifen, an einer dieser beeindruckenden Säulen, unter einer arabischen Kalligraphie. Ein junger Mann durchschreitet schnellen Schrittes mit erhobenem Handy den Besucherraum und filmt dabei die blaue Wandverzierung. Beim nachträglichen Anschauen der Bilder wird einem mit Sicherheit schwindlig werden.
Eine junge Frau mit arabischen Gesichtszügen hat sich in etwa einem Meter Abstand zu mir auf den Teppich gesetzt und schaut mir unverhohlen beim Schreiben zu. Mein Blick zu ihr und sie schaut schnell weg. Doch immer wieder ruhen ihre Augen auf mir und dem Tagebuch. Sehr offen ist ihr Gesicht, hübsch und freundlich. Sie lächelt und ich lächle zurück. Doch wir sprechen uns nicht an. Es wäre ganz leicht gewesen. Manchmal hinterlässt das Unausgesprochene eine tiefere Erinnerung als nichtssagende Fragen nach dem Woher und Wohin.

Am Ausgang steht die Miniaturausgabe des Grabes des Propheten, die allseits bewundert und fotografiert wird. Ein Andenken für Zuhause.
Wieder draußen, im Innenhof der Moschee, lassen viele das Gesehene noch lange im schattigen Innenhof nachhallen, sind für sich, ein wenig versunken, ernst. Als wir durch ein Tor das Gelände verlassen, erblicken wir die Agia Sofía in ihrer vollen Größe und Schönheit auf der anderen Seite des Hippodroms direkt vor uns.


Sipahi Çarşısı (Arasta-Basar)

Am Ausgang des kleinen Parks vor der Blauen Moschee steht ein Schild mit einem Hinweis auf einen Basar. Die Blaue Moschee vor uns, biegen wir links herum in eine Gerade ein.


Im 17. Jahrhundert wurden hier die Stallungen für die Pferde der osmanischen Herrscher angelegt. Im Laufe der Zeit brannten diese immer wieder ab. Vor noch nicht einmal dreißig Jahren wurde das verfallende Gemäuer restauriert. Heute sind in den Stallungen kleine kunstgewerbliche Geschäfte untergebracht, die vor allem handgeknüpfte Teppiche und Kissen, Lampen und Fayencen verkaufen, auch solche aus Iznik, was von der Qualität und dem Bekanntheitsgrad vergleichbar ist mit unserem Meißner Porzellan.


Wir können nicht widerstehen und erstehen zwei Schüsselchen, die wir – wie fast überall möglich – mit Euros bezahlen können. Angenehm ist hier, dass wir von niemandem angesprochen und somit ganz in Ruhe schauen und auswählen können. Nur die Ibero-19-Reisegruppe nervt ein wenig.
Hinter dem Ausgang wenden wir uns nach links und folgen der Straße bergab in Richtung Hafen. In diesem Viertel stehen zum Teil moderne aber auch einige armselige, verfallende Wohnhäuser älteren Baujahrs.


Kleine Agia Sofia (Sergios und Bakchos Kirche, Palastkirche von Kaiser Justinian aus dem 6. Jahrhundert)

Beim Bummel durch die Straße unterhalb der Blauen Moschee erblicken wir zufällig eine weitere byzantinische Kirche. Es ist die Kleine Agia Sofia, die diesen Beinamen wohl deshalb erhalten hat, weil sie ihrer Schwesterkirche von der äußeren Form her gleicht und möglicherweise eine Art Prototyp für den Bau der großen Kirche war.


Äußerlich ist sie ein byzantinisches Gebäude aus rotem Ziegelstein mit einem Minarett. Das Innere der vergleichsweise kleinen Kirche ist gänzlich islamisch eingerichtet; auch die Wandverzierungen sind mit den entsprechenden Schriftzeichen und geometrischen Mustern versehen. Die Mosaiken, so liest man bei Wikipedia, wurden nach der Eroberung durch die Osmanen zerstört. Alles sieht sehr neu renoviert aus.


Eine kleinere, aber ruhige Reisegruppe wird gerade – auf dem Teppich sitzend – unterrichtet. Wir dürfen die Treppe hoch in die Galerie und erkennen ein steinernes Schriftband in griechischer Sprache.



Wenn einer den Anfang macht, kommen andere meist hinterher. Bald ist die gesamte Reisegruppe hier oben versammelt.


Der Gebetsruf ertönt, und einige Gläubige betreten die Kirche. Ein Junge im Fußballtrikot betet vor der Kanzel, fällt immer wieder auf die Knie, steht auf, wiederholt das Ritual. Wir verlassen still und leise die Kirche.

***

In einem Restaurant, wieder zurück in der Nähe der Blauen Moschee, machen wir Halt. Köstliche kulinarische Genüsse locken: Selbstgebackenes Brot und ein würziger Bauernsalat (alles ganz klein geschnitten: Tomaten, Paprika, Kräuter in würziger Soße und Bulgur), begleitet von einer eisgekühlten Cola. Alkoholische Getränke gibt es so nah an der Moschee nicht. Direkt vor uns ein Outdoor-Teppichladen, die Waren auf Motorhaube und Dach eines PKWs ausgebreitet.
Der Nippon-3-Bus hält und entlässt die Gruppe in das Nachbarlokal. Die Prozente sind dem Reiseleiter gewiss. Nippon 4 ist jetzt auch eingetroffen, wieder ergießt sich ein Schwall Besucher in das Nachbarrestaurant. Die Busfahrer werden von dem Besitzer unseres Restaurants aufgefordert, woanders zu parken als ausgerechnet vor seinem Lokal. Das wird aber schwierig. Heftiges, lautes und lang andauerndes Rangieren lässt uns am späten Nachmittag zurück zum Hotel aufbrechen.


Basilikazisterne und Galatabrücke



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