Zum Kerkínisee


Mit den Erinnerungen an das gestrige Konzert wachen wir nach erholsamem Schlaf im klimatisierten Zimmer auf, packen unsere Sachen, frühstücken noch etwas und verlassen dann gleich Thessaloniki. Nichts wie raus aus der Hitze, raus auf` s Land!
Für den Rückweg nach Fanári wollen wir uns richtig Zeit lassen und einen großen Schlenker zum Kerkínisee machen.

Wir verlassen die Stadt in nordöstlicher Richtung, fahren ein Stück Autobahn und biegen in der Nähe von Lití ab auf eine Nationalstraße, die durch das hügelige Hinterland über Strimonikó führt und nördlich von Serrés, in Lefkónas, auf eine weitere Nationalstraße stößt.
Im Radio spielen sie tolle Musik, wir singen mit bei Volume 27 und kaum Verkehr auf der Straße, genießen den schönen Tag und sind bereit, Neues zu erkunden.
Hinter Asiros beschließen wir, die Nationalstraße zu verlassen und auf schmalen Sträßchen durch die Dörfer zu zuckeln. Die Mittelgebirgslandschaft bringt immer wieder neue Eindrücke für das Auge, langweilig wird es hier nicht.


Als wir über die Dorfstraße nach Lachanás hineinfahren, beschließen wir, hier eine kleine Pause einzulegen.


Am Dorfeingang erinnert ein Kriegsdenkmal an die Schlacht von 1913 während des Balkankrieges. Die aufgereihten Kanonen zeigen alle in Richtung Bulgarien.

Ein Hund liegt faul mitten auf der Straße. Wir brauchen nur der Musik zu folgen, die uns in ein winziges Lokal lockt. Thalassinós at his best! Neben einer kleinen Paréa gutgelaunter junger Leute nehmen wir an dem zweiten Tisch im Außenbereich Platz und singen einfach das Lied mit, was uns augenblicklich in einen freundlichen Kontakt mit den Sitznachbarn bringt. Die zusammengestellte Disk trifft voll unseren Musikgeschmack, und der Frappé ist reichhaltig und preiswert. Itane mia fora singt Níkos Xyloúris, einfach zum Schwärmen. Aber sorry, Kreta ist gerade weit weg. Vielmehr begeistert uns die Momentaufnahme in diesem kleinen nordgriechischen Dorf und prägt sich ein.
Ein Auto mit zwei jungen Männern hält vor dem Lokal. Unsere Sitznachbarn rufen: “Kommt her, setzt euch dazu!“ – „Geht nicht, wir haben zu tun, müssen 4 Autos waschen!“

Wir schauen uns noch ein wenig im Dorf um. Keine Villen gibt es hier, dafür aber normale Einfamilienhäuser ohne Schnickschnack. Es wird gewerkelt. „Lachanás ist ein lebendiges Dorf“, hat uns auch das Dorfmagazin vom Juni verraten.

Nach unserer Rast streben wir wieder zur Nationalstraße und erreichen schon bald Strimonikó. Von hier führt eine schmale Straße zunächst links am Strimónas-Fluss und im weiteren Verlauf am linksseitigen Ufer des Kerkínisees entlang. Dort, am Ausgang des Sees, befindet sich ein Staudamm.


Auf dem weiteren Weg begegnet uns fast niemand. Ganz langsam rollen wir fast lautlos am Rand des ruhigen, graufarbigen Sees vorbei.


Direkt am Ufer erkennt man, wie viel Wasser jetzt im Hochsommer der See bereits eingebüßt hat. Doch der breite sumpfige Uferstreifen ist ein Paradies für Wasservögel, die hier bequem der Nahrungssuche frönen.



Immer wieder bleiben wir stehen, genießen den Blick auf die spiegelglatte Wasseroberfläche und das mächtige Kerkinigebirge im Hintergrund. Doch am meisten fasziniert uns die Vielfalt der hiesigen Vogelwelt.











Scheu sind sie, die Reiher, Pelikane, Löffler, Störche und Kormorane. In Ermangelung ornithologischer Kenntnisse versuche ich einfach nur, mit meinem Kameraobjektiv möglichst nah an die Vögel heranzuzoomen. Was mir allerdings nicht gelingt, ist, einen Reiher im Flug zu erwischen. Zu schnell ist er aus dem Blickfeld verschwunden. Beeindruckend die Flügelspannweite.

Irgendwo auf der Strecke begegnet uns eine Viehherde. Die gut genährten Tiere suchen Schatten unter den Bäumen und das kühle Nass zur Erfrischung.


An einer Stelle möchte ich aussteigen, werde jedoch gleich von großen Käfern bombardiert. Nein, es sind Zikaden, die sich einerseits auf meinen Kopf fallen lassen, andererseits die Gummidichtung der Beifahrertür belagern. Merkwürdig!
Die Insektenwelt ist so nah am Süßwasser vielfältig und zahlreich. Libellen vollführen sogar Yogaübungen!


Immer weiter rollen wir am westlichen Ufer des Sees entlang und erreichen am westlichsten Zipfel den Ort Kerkíni. Ein wenig Tourismus hat sich hier entwickelt. Es gibt Unterkünfte und Esslokale. Mittlerweile ist die Mittagszeit schon überschritten, sodass wir uns zu einem Imbiss entschließen. Etliche Tavernen bieten Süßwasserfische aus dem See an. Für unser sehr reichhaltiges Mal (ohne Fisch) zahlen wir gerade mal 12 Euro.
Von unserem Platz aus sehen wir auf fast jedem Strommast Storchennester oder einzelne Störche stehen, die sich in der Hitze mit offenem Schnabel Kühlung verschaffen.



Im Ort gibt es ein Infozentrum, in dem ich mir Material zum See besorge.


Der Kerkínisee steht ebenso wie der Vistonídasee bei Pórto Lágos unter dem Schutz der Ramsarkonvention.
Schon vor 20.000 Jahren füllte sich in der Region eine Seenlandschaft regelmäßig mit dem Schmelzwasser der Gletscher des Rodhópengebirges. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in der Region vorwiegend Marschland, das jahreszeitlich bedingt immer wieder überflutet wurde und fruchtbare Erde hervorbrachte. 1932 wurde der Kerkinisee als künstliches Wasserreservoir und zur Landgewinnung durch Kanalisation der Wasserläufe angelegt. Das neue Stauwehr wurde erst 1982 fertiggestellt. Diese Maßnahme veränderte den Charakter der Landschaft und die Einnahmequellen der Menschen.


Die Artenvielfalt umfasst 30 Fisch-, 12 Amphibien-, 22 Reptilien- und 300 Vogelarten, (von denen 50 auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten in Griechenland stehen) und 58 Säugetierarten.
Obwohl es sich also um einen künstlichen See handelt, hat dies auf das Vorkommen vieler, z. T. auch seltener Wasservögel, keinen Einfluss. Der gesamte Charakter des Sees weist optisch keinesfalls auf eine künstliche Anlage hin.




Später setzen wir unseren Weg fort. Die Straße führt jetzt etwas weiter vom Wasser weg. Zu Fuß (wenn wir Zeit hätten) könnten wir ganz um den See herum gehen, direkt am Ufer entlang. Hoffen müssten wir allerdings, dass uns keine Schafherden mit Riesenhütehunden begegneten, meiner heimlichen Phobie. Vom Auto aus gesehen blickten sie aber ziemlich cool und gelassen drein.

Wir passieren die Dörfchen Neochóri, Mandráki, Akritochóri, Thrákiko und Omaló am Nordufer des Kerkínises. Dort, wo der Strimónas in den See mündet, verlassen wir das Wassergebiet und fahren zur Nationalstraße, die weiter nach Siderókastro und Serrés bis zum Golf von Orfanós führt. Dort möchten wir uns noch den imposanten Löwen von Amphípolis anschauen, den wir bisher nur aus einer Vorbeifahrt mit dem Bus kennen.

Unterwegs genießen wir herrliche Weitblicke, die nur durch das Kerkínigebirge im Norden und die Hügelketten des Vrondoús- und Meníkioberges auf der östlichen Seite begrenzt werden. Blicke über prosperierende Landwirtschaft; kleine Dörfer, nicht reich, aber lebendig, mit freundlichen, gelassenen Menschen.

Der steinerne Löwe bei Amphípolis zieht immer wieder Menschen an. Der genaue Zweck seiner Erbauung ist nicht bekannt, doch – wie man einer Infotafel entnehmen kann – wurde er wahrscheinlich zu Ehren von Laomedon aus Lesbos, eines der drei Admiräle Alexander des Großen, errichtet, der sich in Amphípolis niedergelassen hatte.



Löwe mit Taube

Es ist schon fast Abend geworden, als wir beschließen, die noch 200 km bis nach Fanári ohne weiteren Umwege in Angriff zu nehmen, am liebsten über die Egnatía. Doch irgendwie verpassen wir die Auffahrt und fahren über die alte Nationalstraße, direkt am Meer entlang. Einfach fantastisch das stille Meer zur Rechten, die Ferienorte, die Insel Thássos gegenüber. Eine mächtige Turmruine und im Rückblick eine ganze Anlage liegt friedlich in der Abenddämmerung.

Kurz vor Kavála gelangen wir unbeabsichtigt doch noch auf die Egnatía, umfahren die Stadt großräumig, erhaschen aber doch noch Blicke von oben auf diesen wundervollen Ort, der jetzt am Abend hell vor dem dunkelblauen Meer schimmert.

Es ist schon dunkel, als wir bei Pórto Lágos anhalten, weil ich die Mondsichel fotografieren möchte. Ich öffne das Fenster nur einen Spaltbreit, und sofort beginnt ein Angriff von Milliarden von Killermoskitos. Aber ganz schnell schließe ich das Fenster wieder in einem Reflex. Die Mondsichel muss ich nicht auf Foto haben! Nix wie weg hier, auf direktem Weg nach Fanári!


Die letzten Tage in Fanári und Umgebung



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