Petra - Ed-Deir


Vom Eingang des Qasr el-Bint aus sehen wir die Zelte des gut besetzten Open-Air-Restaurants, aus dem es verführerisch duftet, und den Parkplatz für die Biotaxis.


Man bedeutet uns, durch das Restaurant zu gehen und vorbei am sich anschließenden Museums-Gebäude, für das wir bei unserem nur zweitägigen Aufenthalt leider auch keine Zeit mehr haben werden. Ab hier beginnt der Prozessionsweg nach Ed-Deir in den Bergen.


Zunächst weichen wir jedoch etwas vom Hauptweg ab und steigen in einer kleinen Nebenschlucht auf zu einer Plattform mit zwei Gräbern und, rechts daneben, dem Löwentriklinium.


Noch zu erkennen, wenn auch schon ziemlich verwittert, sind die Löwen rechts und links des Eingangs und die beiden Medusenköpfe auf dem Fries darüber.



Nach der Besichtigung begeben wir uns wieder auf den Hauptpfad nach Ed-Deir. An einer Schlucht entlang führt er zu einem großen Teil über Treppenstufen; insgesamt sollen es über 800 sein. Glücklicherweise liegt der Weg weitestgehend im Schatten, sodass wir die Hitze kaum spüren.





Ab und an stehen auf dem Weg auch Stände mit touristischen Andenken, aber längst nicht in einer solchen Dichte wie unten in der Nekropole. Immer wieder passieren uns Esels- und Pferdekarawanen aus beiden Richtungen, mit und ohne Personenfracht.


Ein Eselchen mit seinem Führer möchte uns überholen. Wir treten zur Seite. Bei jedem Schritt entweicht aus den hinteren Regionen des Esels Luft, was sehr lustig klingt. Es wird viel gelacht, doch ist man froh, als das von Blähungen geplagte Tier weitergezogen ist.
Immer höher steigen wir bergan, wobei ich feststelle, dass die ausgewaschenen nabatäischen Treppen wesentlich einfacher zu gehen sind als die neuen, kantigen. Sehr interessant wiederum die kleinen Details: erodierte Felsen, verwitterte Reliefs und Fassaden und bizarre Gebilde, vom Wind oder von Menschenhand geformt?




Zwischenzeitlich bieten sich atemberaubende Ausblicke!


Und während wir nach oben stapfen, passiert es: Ohne Anlass knicke ich um und stürze auf den Weg. Ich habe mich zwar nicht verletzt, aber der Knöchel tut höllisch weh. Sofort bleibt ein englisches Paar stehen und fragt, ob man helfen kann, während ich versuche, den Schmerz unter Kontrolle zu bekommen.
Sogleich eilt eine Beduinin herbei, nicht etwa, um ihre Hilfe anzubieten, sondern um Geschäfte zu machen: „Taxi, Taxi!“ schreit sie mir zu (und meint dabei einen Esel), doch ich winke ab. Tapfer ziehe ich meine Stützsocke, die ich vorsorglich eingepackt habe, aus dem Rucksack und stülpe sie mir über den Fuß. Danach kann ich wieder aufstehen und weitergehen. Bis zu einem kleinen Platz mit einem Open-Air-Café kraxeln wir, wo wir uns für eine Weile niederlassen.


Erfrischende Getränke werden hier angeboten. Insbesondere Lemon schmeckt traumhaft und besteht aus einem Teil frischem Zitronensaft; der Rest des Glases ist aufgefüllt mit Wasser. Frische, gehackte Minze rundet den Geschmack ab. Gut gekühlt - ein göttlicher Nektar (und - Lopedum sei Dank - mache ich mir keine Gedanken mehr darum, ob das Wasser aus der Leitung, einer Zisterne oder einer abgepackten Flasche kommt).
Von diesem Platz aus kann man auch die auf- und absteigenden Wanderer beobachten; einige kriechen mit sehr erhitzten Gesichtern den Berg hoch, andere, erprobte Bergbezwinger, kommen recht entspannt und munter hier an, wieder andere lassen sich von Eseln tragen. Ein Eselchen sucht sich sofort seinen Weg zu einer schmalen Felsnase, trittsicher und schwindelfrei.


Am besten gefällt uns jedoch das Panorama von hier oben, der weite Blick über einen Teil der Shara-Berge, den Ort Wadi Musa und die Königswand von Petra mit dem imposanten Palastgrab. Irre!


Nach unserer ausgiebigen Pause nehmen wir den letzten Anstieg. Jetzt reiht sich Stufe an Stufe, flachere Stücke gibt es kaum noch. Humpelnd und ächzend setzen wir Fuß vor Fuß. An einer Stelle führt der Weg einige Meter leicht nach unten, durch einen Felsspalt. Und dann sind wir angekommen: Zu unserer Rechten erblicken wir die Spitzen von Ed-Deir!


Ebenso überraschend, wie der Wanderer das vollendete Khazne zwischen den Wänden des Siq erblickt, genauso unvermittelt steht man vor dem faszinierenden Bauwerk von Ed-Deir, das sich schnörkellos einfach aus einer Felswand heraushebt.


Ed-Deir besitzt eine vollkommen glatte Fassade vor einem gewaltigen Gewölbe, beides nach nabatäischer Art aus dem Sandstein gemeißelt. Die Schönheit des Gebäudes wird durch den Kontrast zwischen seinen glatten Formen, der eleganten Schlichtheit, einer perfekten Symmetrie und den es umgebenden, verwitterten Felsen betont.
Das Gebäude misst ca. 50 Meter in der Breite und ist ca. 40 Meter hoch. „Alles ist monumental an Ed-Deir: das Eingangsportal mit ca. 4 Metern Breite und 8 Metern Höhe ebenso wie die krönende Urne über dem Hörnerkapitell der Tholos.“ (Dumont S. 374). Man nimmt an, dass in den jetzt leeren Nischen einmal Statuen standen.






Alex hat eine eigene Art, sich dem Gebäude anzunähern: Er spielt mit Licht und Schatten im Eingang von Ed-Deir.



Gegenüber, auf der anderen Seite des großen Vorplatzes, nehmen wir später bei einem weiteren Lemon-Getränk in einem Freiluft-Café Platz.


Während Alex ein kleines Spontannickerchen hält, folge ich einem Schild oberhalb des Cafés, das eine Aussicht über die Wüste am Gipfel eines Hügels verspricht. Dabei falle ich fast über ein riesiges Insekt und knicke vor Schreck im Sand wieder sehr schmerzhaft um, trotz Bandage.


Nichts wird es mit einem „Blick über die Wüste"! Ohnehin ist es schon spät geworden, und so humpele ich unverrichteter Dinge wieder zurück. Macht aber nichts, denn ein weiteres Mal verzaubert mich der Anblick von Ed-Deir, und zwar im allerbesten Spätnachmittagslicht.


Eine knappe Stunde werden wir wohl für den Abstieg brauchen, durch das Stadtgebiet Petras gehen bis zum Khazne, den Siq durchqueren und schließlich noch den Kilometer bis zum Ausgang wandern. Das werden wir bei Helligkeit sowieso nicht mehr schaffen, doch wird es beruhigend sein, wieder auf ebener Erde zu sein, bevor es ganz dunkel geworden ist.
Beide ächzen wir die Treppen hinunter: Alex mit beginnenden Knieschmerzen, ich wegen des verstauchten Knöchels. Wir stützen uns abwechselnd, achten auf jeden Schritt, kommen aber doch recht schnell voran.
Fast alle Händler haben ihre Verkaufszelte hier oben schon abgebaut, auf Esel verladen oder Huckepack die Waren nach unten geschafft. Eine himmlische Ruhe ist eingekehrt. An einem Felsen bleiben wir stehen und nehmen einige schöne, bunte Vögel wahr, die wir aus heimischen Gefilden nicht kennen. Im Trubel zeigen sie sich sicher nicht.
Ein junger Mann aus den USA kommt uns entgegen und berichtet spontan und begeistert von einem Gespräch, das er soeben mit einem Mann aus Marokko geführt hat. Dieser habe den ganzen Weg von dort zu Fuß bzw. per Autostopp zurückgelegt. Diese Art zu reisen hat unseren Gesprächspartner ziemlich beeindruckt. Den marokkanischen Wanderer haben auch wir zwar noch gesehen, doch für uns ist er zu schnell unterwegs.
Kurz darauf kommt uns tatsächlich noch eine Eselskarawane entgegen. Die Tiere tragen Touristen, offenbar will man noch nach Ed-Deir, obwohl es schon dämmrig geworden ist. Man wird nicht mehr allzu viel erkennen können, und zurück muss man ja auch wieder.
Die Frau, die ganz vorne reitet, sitzt merkwürdig schief auf dem Tier, das unbeirrt seinen Weg nach oben sucht. Ganz verkrampft ist ihr Gesicht, während sie ausruft: „I’ m falling down!“, doch niemanden scheint sie zu hören. Der Verantwortliche geht ganz am Ende der Karawane und dürfte die Nöte der Frau kaum mitbekommen, weil er mit dem Antreiben der Tiere beschäftigt ist.
Auf ebener Erde wäre das alles nicht gefährlich, doch hier oben, auf Treppenstufen und links eine tiefe, nicht gesicherte Schlucht neben sich, kann man im Dämmerlicht schon das Fürchten lernen, wenn man unsicher ist. Wir setzen unseren Abstieg fort, immer einen Schritt vor den anderen, und schauen genau, wo wir hintreten.
Eine andere Eselskarawane ohne Kundschaft auf dem Rücken überholt uns schnellen Schrittes. Eines der Eselchen rutscht auf einer Stufe aus und stürzt. Nicht schlimm, es landet auf seinem Hinterteil und steht auch gleich wieder auf. Doch wo wäre die Fracht gelandet, wenn es beladen gewesen wäre?
Angenehm ruhig verläuft der weitere Rückweg. Das Café gegenüber den Königsgräbern ist jedoch voll besetzt. Jetzt ist die Stunde der Einheimischen gekommen, die jungen Leute treffen sich hier. Immer mehr kommen uns entgegen. Die letzten Händler verlassen jetzt Petra, um in ihr Dorf zurückzukehren. Dicke Pickups fahren vor, werden mit Menschen und Waren beladen. Irgendwie sehen alle recht zufrieden aus. Viele junge Burschen haben ihre Pferde bestiegen. Einer gibt seinem Pferd übermütig die Sporen, und Ross und Reiter stürmen über die Ebene, gefolgt von einer dicken Staubfahne, davon.
Mittlerweile haben wir das Khazne erreicht, vor dem immer noch jede Menge Leute stehen und beim allerletzten Tageslicht die Fassade fotografieren.


So gerne hätten wir einmal Petra bei Nacht erlebt, eine Veranstaltung, bei der der Vorplatz des Khazne von unzähligen Kerzen erhellt wird und Flötenspieler durch die Lichterreihen schreiten.
Als wir den Siq hinaufgehen, wird es gänzlich dunkel. Nichts ist beleuchtet, und so freuen wir uns einmal mehr über die Leuchtkraft des Mondes. Obwohl unsere Beine jetzt wirklich müde sind, lehnen wir eine Fahrt mit dem Pferdewagen für 20 JOD ab und nehmen zusammen mit vielen anderen Petrabesuchern den ansteigenden Weg zum Ausgang in Angriff.
Müde und hungrig, aber glücklich über die gelungene körperliche Anstrengung, kehren wir im selben Restaurant (neben einem Hamam) wie am Abend zuvor ein und verdrücken eine ordentliche Portion.
Zufälligerweise nimmt der Fußgänger aus Marokko wenig später an unserem Nachbartisch Platz. Sofort scharen sich Einheimische um ihn und hören fasziniert seinen Geschichten zu. Bald erhält er sein Essen. Beim Verlassen des Lokals spreche ich ihn an. Er legt sofort los. Sein Ziel sei auf dieser Reise Palästina, danach würde er ein Buch schreiben. Er habe schon fast alle Länder der Welt bereist. Auf unsere etwas indiskrete Frage nach der Finanzierung entgegnet er, er würde nicht rauchen und fast alle Wege zu Fuß oder per Anhalter zurücklegen. Er schliefe in Hostels und Herbergen, wo er immer sehr preisgünstig unterkomme. Bevor er in ein Land einreise, würde er auch Anträge auf Preisermäßigungen stellen, sodass er sich die Sehenswürdigkeiten für umsonst oder den Preis der Einheimischen ansehen könnte. Für Petra habe er auch nur 1 JOD! gezahlt, wie die Jordanier.
Als Alex ihn fragt, ob er hier im Restaurant bekannt sei, meint er, nein, in diesem Lokal sei er noch nie gewesen. Und doch hat man den Eindruck, als ob er alle hier kennen würde. Er fügt noch lächelnd an, dass er umsonst hier essen könne.
Sicherlich wird er die Länder, die er durchquert, ganz anders wahrnehmen als der „normale“ Tourist, der aus dem abgesicherten Modus startet.


Von Petra nach Aqaba



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