Von Athen
nach Messolóngi


Unser Urlaub beginnt in der Woche vor dem Juli-Vollmond, als wir irgendwann nach Mitternacht in Athen eintreffen. Wir freuen uns, dass uns die Freunde am Flughafen abholen und wir später noch ein wenig klönen können. Das darauffolgende Wochenende verbringen wir entspannt in Athen und Marathónas.
Montags darauf heißt es schon wieder Abschied zu nehmen. In Piräus gibt es noch etwas zu erledigen, danach wollen wir das vorbestellte Auto in Egháleo, einem Stadtteil an Athens westlichem Rand, abholen. Beide Strecken sind bequem mit der Metro zu erreichen. Doch diese hat ihre Tücken.
Es ist ja nicht so, als ob wir das erste Mal verreisen, und uns ist durchaus bewusst, dass wir uns mit unseren Sonnenhüten und dem Gepäck als Touristen outen, die häufig mit ihrer Orientierung an einem fremden Ort beschäftigt sind, als dass sie ihre unmittelbare Umgebung genau wahrnehmen. Die Metro haben wir schon unzählige Male benutzt, und wissen, dass wir bis zum Endpunkt müssen. Wir halten uns auch nicht für schlauer als andere. Wie dem auch sei, uns ereilt dasselbe Schicksal, das schon viele andere Metrobenutzer getroffen hat: An einem der Haupthaltepunkte in der Innenstadt gibt es im Bereich der Türen, dort wo wir stehen, ein großes Gedränge, das unsere Aufmerksamkeit darauf lenkt, uns gut festzuhalten, um nicht umzufallen.
Den Diebstahl bemerken wir erst, als wir in Piräus angekommen sind und nach Kleingeld für die Gepäckaufbewahrung suchen: Das Portemonnaie ist weg, mitsamt den 300 Euro, die sich darin befanden. Aus einer vorderen Hosentasche geklaut. Wir sind fassungslos!
Zum Glück haben wir noch alle unsere Papiere, doch der Verlust des Geldes schmerzt. Unsere Stimmung ist erst einmal gekippt, bis wir alles rekonstruiert haben, uns selbst dann als doch nicht so blöd und naiv einsortieren. So viele sind schon in den Zügen beklaut worden, und nicht nur Touristen, wie wir später erfahren. Es sind Banden, die ziemlich geschickt und sehr dreist vorgehen. Unsere Schlüsse, die wir daraus ziehen: In der Metro werden wir uns künftig einen Sitzplatz suchen, egal, was wir mit unserem Gepäck blockieren. Falls dies nicht möglich ist, werden wir es möglichst vermeiden, uns im Bereich der Türen aufzuhalten. Und alle Wertgegenstände ganz eng am Körper halten. Oder einfach die Metro nicht mehr benutzen, sondern mit den Bussen fahren. Wir haben die Nase an dem Tag und zu dieser Stunde jedenfalls gestrichen voll.

Was uns besänftigt ist, dass wir in kurzer Zeit den Behördenkram erledigen können, für den wir hierher gekommen sind. Alles läuft reibungslos. Doch unser Aufenthalt in Piräus bleibt durch das vorhergehende Ereignis getrübt. Der Stadtteil kommt mir irgendwie ziemlich verwahrlost vor. Gerade der Bereich um den Metroausgang herum. Aber vielleicht hängt das auch mit meiner momentanen Stimmung zusammen.
Da wir um die Mittagszeit herum den Mietwagen abholen müssen und es schon reichlich spät ist, bleiben wir auch nicht mehr auf einen Bummel oder einen Kafedáki, sondern wagen ein weiteres Mal die Fahrt mit der Metro, nach Egháleo. Dieses Mal sind wir sehr aufmerksam und betrachten die Leute um uns herum (natürlich bekommen wir keinen Sitzplatz, und die Gänge sind verstopft). Mit den anderen Fahrgästen in unserer unmittelbaren Nähe nehme ich Blickkontakt auf, bemühe mich, richtig böse zu schauen (was mir nach wie vor nicht schwer fällt). Erst als der Zug sich geleert hat, entspannen wir uns.
Was soll’s, die Kohle ist weg, und wir können es nicht mehr ändern. Besser wir versuchen, unsere On-the-road-Stimmung wiederzufinden, indem wir nach vorne schauen.

Die internationale Autovermietung Alamo, mit mehreren Zweigstellen in Griechenland, finden wir unweit der Metro-Haltestelle in Egháleo spielend. Der über das Internet gebuchte Kleinwagen, ein Suzuki Alto, wartet schon im Hof auf uns, blank geputzt und neu. Die Übergabe geschieht sehr freundlich und professionell, und das Gute an der Lage ist, dass wir uns ohne wirkliche Ortskenntnisse nicht mehr im Zentrum Athens durch die Straßen kämpfen müssen. Im Gegensatz zum letzten Herbst, wo wir elendig lange die Auffahrt zur Autobahn nach Korinth suchten und uns immer wieder verfransten, befindet sich dieselbe Autobahnauffahrt von hier aus gerade mal um die Ecke.
Bei geöffnetem Fenster fahren wir schweigsam durch die Randbezirke Athens und weiter bis zum Istmos von Korinth, wo wir eine Kaffeepause einlegen. Es ist bewölkt, nicht so sehr heiß, aber schwül. Ein kräftiger Wind weht unsere Erfahrung vom Vormittag endlich ein wenig davon.
Unser Plan ist es, über die Ost-West-Schnellstraße, entlang der Nordkante des Peloponnes, von Korinth bis kurz vor Patras zu düsen, um über die relativ neue Brücke oder mit einer Fähre von Río (Peloponnes) nach Andírrio (Festland), zu gelangen. Eine Strecke von 85 Kilometern, die eigentlich relativ schnell zu bewältigen ist. Weiter soll es dann zunächst bis Messolóngi gehen, danach sehen wir weiter. Aufgrund von zahlreichen Baustellen soll es auf der Schnellstraße Einschränkungen geben, wurden wir vorgewarnt, und dass wir tunlichst langsam fahren sollen.


Jedes Mal, wenn wir von Deutschland nach längerer Zeit wieder nach Griechenland kommen, staune ich über die Farbintensität des Meeres. Das Wasser des Golfes von Korinth schimmert auch heute in einem satten, tiefen Kobaltblau, in einem Ton, den ich immer mit Griechenland verbinde. Während ich mich als Beifahrerin in die landschaftliche Schönheit auf der Fahrt vertiefe, setzt sich Alex mit den Straßenverhältnissen auseinander. Auf sehr langen Strecken ist die Fahrbahn nur einspurig. Eine Baustelle reiht sich an die nächste. Wahrscheinlich unfallbedingt wurden grelle Schilder mit riesigen Lettern in griechischer Sprache aufgestellt: „Allergrößte Gefahr! Auf den nächsten drei Kilometern passieren tödliche Unfälle!“ Keiner schert sich wirklich darum, manche fahren, als ob sie sieben Leben hätten, überholen im Überholverbot und gefährden mit ihrer Ungeduld andere Verkehrsteilnehmer. Schnell unterschätzt man Situationen, in denen Fahrbahnspuren enden, trotz vorheriger Ankündigung, und das Überholverbot sollte man selbst unbedingt einhalten, auch wenn andere darauf pfeifen. Ich bin sehr froh, als wir diese nervenaufreibende Gefahrenstrecke verlassen.

Schon von weitem erkennt man die Ästhetik der Charílaos-Trikoúpis-Brücke, die sich von Río nach Andírrio über den Golf spannt. Benannt ist sie nach dem griechischen Ministerpräsidenten, der schon vor 100 Jahren die Vision einer schnellen Überquerung der Wasserstraße über eine Brücke hatte. Doch erst im Jahr 2004 verwirklichte sich diese Idee.


Das Bauwerk stellt eine technologische Meisterleitung dar, weil es mit einer Länge von 2,5 km zum einen in einem sehr aktiven Erdbebengebiet liegt, und zum anderen keinen stabilen Untergrund für die Fundamente findet.
Gut ausgeschildert führt ein Abzweig direkt auf die Brücke zu, über die wir den Peloponnes verlassen werden. Die Maut für die Brückenbenutzung kostet für den PKW 13,20€, für LKWs und Busse liegt sie – gestaffelt – wesentlich höher.
11.000 Fahrzeuge sollen die Brücke täglich überqueren. Nimmt man an, dass davon 2/3 PKWs und 1/3 LKWs (bei einer Durchschnittsmaut von 30 Euro) sind, könnten sich die Baukosten von 771.000.000 Euro innerhalb von 10 Jahren amortisiert haben. Die Rechnung geht natürlich nicht auf, weil kontinuierliche Wartungsarbeiten ebenso laufende Kosten verursachen, wie notwendige Reparaturen. Auch das Mautpersonal muss bezahlt werden, und weder der griechische Staat noch die Europäische Investitionsbank werden die Übernahme der Gesamtkosten von jeweils 45% zinslos zur Verfügung gestellt haben.
Selbst wenn die Kosten erst nach 20 Jahren oder später bezahlt sind (oder von vorneherein auf die 42-jährige Laufzeit der Konzession verteilt wurden), kann die Betreibergesellschaft Gefyra Litourgia S.A. gute Gewinne einfahren. Nach Ablauf der Frist wird der griechische Staat die Konzession und damit die Mauteinnahmen und die laufenden Betriebskosten übernehmen.
Die privaten Anteilseigener von Gefyra Litourgia S.A. sind dieselben wie von Gefyra S.A., das Konsortium, das die Brücke geplant und konstruiert hat, Firmen, die mit Großprojekten dieser Art ihr Geld verdienen:
Vinci Concessions (57,45 %), Aktor Concessions (22,02%), J&P Avax (12,14%) und Athena S.A. (8,39%).

Unabhängig von allen wirtschaftlichen Erwägungen ist es ein Erlebnis, über diese Brücke zu fahren. Die Überquerung zu Fuß ist ebenfalls erlaubt und obendrein kostenlos.









Zur Einweihung im Olympiajahr 2004 in Griechenland gab es ein beeindruckendes Feuerwerk.


Auf der anderen Seite angekommen, halten wir uns nach links und folgen der E 55 / A5. Endlich fahren wir auf einer Landstraße, zwar rumpelig, können aber unserem eigenen, gemütlichen Tempo folgen.
Parallel dazu verläuft die Baustelle einer neuen Straße: dutzende von Kilometer aufgerissenes und planiertes Erdreich, aber keine Bautätigkeit, noch nicht mal ansatzweise. Irgendwo das obligatorische Schild über einen Zig-Millionenbetrag von Euros an Kosten für das Projekt. Der Bau – ein Opfer der Krise oder nur auf Eis gelegt? Bald tauchen wir ein in eine Hügellandschaft, weg vom Meer, passieren Dörfchen mit rot-gedeckten Dächern inmitten einer schönen Pflanzen- und Baumlandschaft, außerhalb der Ortschaften jedoch sommerlich verdorrt. Langsam umrunden wir einen Hügel, hinauf mit verführerischen Ausblicken auf das Meer, dann wieder bergab bis zum Abzweig des Kleinstädtchens Messolóngi.

Irgendwo am Ortseingang steht ein englischsprachiges Hinweisschild zum Garten der Helden. Diesen möchten wir uns ansehen, denn Messolóngi ist ein geschichtsträchtiger Ort. Obwohl ich so meine Probleme mit dem Thema „Heldenverehrung“ habe, finde ich den Park, der von 1822-1826 als Friedhof genutzt wurde, sehr sehenswert. Er erinnert an die griechischen und philhellenischen Persönlichkeiten, die im Befreiungskampf Griechenlands gegen die osmanische Herrschaft in den 1820er Jahren, und insbesondere an der Geschichte Messolóngis teilhatten. Ein trauriges Ende fand die zweite Belagerung der Stadt durch die Osmanen, als ein Ausbruchsversuch der Einwohner im Jahr 1826 verraten wurde. Nur wenige überlebten das anschließende Massaker.
Die historische Bedeutung der Stadt im Kontext des Befreiungskampfes führte zur Verleihung des Beinamens „Heilige Stadt“ durch den griechischen König im Jahre 1937. Die nationale Bedeutung ist bis heute ungebrochen.
Die Einrichtung einer Erinnerungsstätte in Form eines Heldengartens stammt von Ioánnis Kapodístrias, dem ersten Präsidenten Griechenlands nach der Befreiung. Gegenüber dem Hotel Liberty befindet sich der Eingang des Parks.




Gleich links des Eingangs steht die Büste von Dionýsios Solomós, Dichter der griechischen Nationalhymne „Hymne an die Freiheit", der uns auf einer Gedenktafel zur Einstimmung einige eindrucksvolle Zeilen aus seinem berühmten, unvollendeten Werk „Freie Belagerte“ mit auf unseren Rundgang gibt:

Freie Belagerte
Überängstlicher, der du dich vor deinem eigenen Schatten fürchtest, du Guter, sag, was hast du heute Abend gesehen? -
Nacht voller Wunder, Nacht, gesät mit Zaubereien.
Schön, reich und uneinnehmbar und voller Respekt, und heilig.

Mutter, großherzig im Schmerz und im Ruhm,
und wenn deine Kinder immer im heimlichen Mysterium leben,
ein wenig Licht, und fern, in großer Dunkelheit, und einsam.

In den Augen und im Gesicht erscheinen ihre Gedanken,
ihnen erzählt Großes und viel ihre unergründlich tiefe Seele. (...)

Immer geöffnet, immer schlaflos, die Augen meiner Seele.





Unter der Büste hängt eine weitere Tafel:

Sie sind bereit, die Schwerter,
in der gnadenlosen Flut der Waffen,
den Weg zu schneiden
und frei zu bleiben,
dort mit den Brüdern,
hier mit dem Tod.

Anhand dieser kraftvollen Worte kann man ermessen, welcher Freiheitswille und welche Entschlusskraft jener revolutionären Zeit zugrunde lagen: Der Zeitgeist, durchdrungen von den Erfahrungen Jahrhunderte währender Besatzung, nicht bereit zu sein, die Auswirkungen weiter zu ertragen und schließlich durch die Losung „Freiheit oder Tod“ im Bestreben geeint; der Entschluss der vom Hungertod bedrohten Einwohner Messolóngis, die keinen anderen Ausweg sahen als den Belagerungsring zu durchbrechen „...und frei zu bleiben, dort mit den Brüdern, hier mit dem Tod.“
Wer sich tiefer in jene Zeit hinein begegeben will, für den ist der Roman „O Kapetán Michális" von Níkos Kazantzákis (deutscher Titel „Freiheit oder Tod") ein absolutes Muss; er spielt allerdings nicht in Messolóngi, sondern auf Kreta.

In der ruhigen Parkanlage im „Garten der Helden" hat man neben einzelnen Gräbern auch Säulen zu Ehren bekannter griechischer Persönlichkeiten aus jener Zeit aufgestellt, nach denen heute noch Straßen benannt und die Teil des Geschichtsunterrichts in den griechischen Schulen sind. Namen, die nie vergessen werden.

Chrístos Kapsális Kiriakoúlis Mávromichalis Nótis Bótsaris
Aléxandros Mavrokordátos Spíros Kontoioánnis Geórgios Karaϊskákis

Den Freiheitskämpfern aus anderen Ländern wird hier ebenfalls gedacht. Die Gefallenen jeder Nation haben ein separates Denkmal erhalten: Polen, Italiener, Finnen, Schweden, Franzosen, Zyprioten und Amerikaner.


das russische Denkmal

Auch den deutschen Kämpfern wird gedacht.



Das Zentrum des Heldenparks bildet ein überdimensionales Kuppelgrab im mykenischen Stil, in dessen unmittelbarer Nähe weitere Säulen zu Ehren von Helden im Freiheitskampf platziert wurden.


Hoch oben, auf einem Sockel, steht die Statue eines der berühmtesten Idole, das man unweigerlich mit Messolóngi verbindet: Lord Byron, ein englischer Dichter der Romantik, der sich vom griechischen Freiheitsdrang inspirieren ließ, ihn mit nicht unerheblichen Mitteln mitfinanzierte, selbst nach Griechenland reiste, um am Kampf teilzunehmen, allerdings kurz nach seiner Landung 1824 in Messolóngi starb.


Auch andere herausragenden philhellenischen Mitstreiter jener Zeit, die wortgewaltig und zum Teil auch tatkräftig und finanziell den Freiheitskampf unterstützten, werden jeder für sich im Park gesondert geehrt. Einer davon ist der Schweizer Johann Jakob Meyer, Herausgeber der damaligen griechischsprachigen Zeitung Elliniká Chroniká.


Ein Philhellene anderer Art war der französische Maler Eugène Delacroix, der mit dem Gemälde „Das sterbende Griechenland auf den Ruinen von Messolongi“ (1826) jener dramatischen Ereignisse gedachte. Das Bild ist im Museum der schönen Künste, in Bordeaux, zu besichtigen.
Dieser Maler wird im Garten der Helden zwar nicht geehrt, doch die Freiheitsbewegung, die aus Griechenland über die europäischen Grenzen hinwegschwappte, gepaart mit den erschütternden Folgen von gescheiterten Kämpfen und Massakern an der griechischen Bevölkerung, inspirierte (nicht nur) ihn zu einigen sehr bedeutenden Werken, die unter anderem im Louvre ausgestellt sind. Zu ihnen gehört zweifelsohne „Das Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1822.


Wieder am Ausgang angekommen, beschließen wir, in Messolóngi zu übernachten und uns ein Hotel zu suchen. In den ruhigen Gassen des Örtchens werden wir nicht fündig. Vielleicht gibt es irgendwo am Wasser eines, denn Messolongi liegt auf einer Halbinsel, zwischen den Mündungsgebieten zweier Flüsse, dem Achelóos im Westen und dem Evinos im Osten; nach Süden hin öffnet sie sich in eine weite Lagunenlandschaft, die geprägt ist von zahlreichen Fischzuchtbecken und Salinen.
Langsam rollen wir in Richtung Hafen. Die Gegend ist ruhig, kaum jemand begegnet uns. Auf Nachfrage bedeutet man uns, einfach weiter, bis zum Ende, um das langgezogene Halbrund zu fahren. Und tatsächlich, an der östlichsten Hafenkante, befindet sich das Hotel Theoxenía. Obwohl es für unseren Geschmack sehr abseits gelegen ist, entscheiden wir uns hier zu bleiben, um nicht noch weiter suchen zu müssen. An der Rezeption erwartet uns eine fürchterlich vornehme Empfangsdame. Die Zimmer sind gut, der Preis stimmt, alles OK. Schnell ist das Gepäck ins Zimmer gebracht. Im Laufe der nächsten 14 Tage werden wir uns zu wahren Meisterkoffer(ent)packern entwickeln!

Jetzt aber schnell wieder raus, um die Umgebung zu erkunden. Gleich von diesem Hafenzipfel aus durchquert ein Straßendamm auf einer Länge von etwa 5 Kilometern in südlicher Richtung die Klísova-Lagune.


Sein Endpunkt heißt Tourlídha und beherbergt einen Sandstrand und einige Tavernen. Hätten wir das früher gewusst, hätten wir uns hier einquartiert, doch das ist jetzt egal. Wir bleiben auch nicht lange, haben kein Schwimmzeug dabei, sondern fahren langsam wieder zurück.
In den Wasserbecken rechts und links des Straßendamms stehen noch einige der alten Fischerhütten auf Pfählen, die inmitten der ruhigen Seenlandschaft, mit den Hügeln im Hintergrund, die schönsten Fotomotive bilden. Früher lebten die meisten Fischer in diesen Unterkünften, denn die weite Ebene war eine sumpfige Wasserlandschaft.


Wir genießen die Ruhe inmitten dieser fantastischen Lagune, deren glatte Wasseroberfläche auf uns wie Balsam wirkt. Die gesamte Umgebung hat etwas sehr Eigentümliches. Wir befinden uns in einem unverfälschten Stück Griechenland, das nicht vom Tourismus entstellt ist.






Auf unserer Reise haben wir ja noch einiges vor, und schon schwant mir, dass es sehr viel, wenn nicht sogar zuviel sein wird. Alleine hier könnte man viel länger verweilen.
In Tourlídha könnte man mindestens einen Badetag verbringen und zu Fuß über den Damm gehen oder vielleicht einen Fischer einmal bei seiner Arbeit begleiten. Auf einer der Erhebungen um Messolóngi könnte man sich einen Überblick über die Ebene mit ihrer weiten Wasserlandschaft verschaffen, und die beiden Flussmündungen bergen sicherlich ebenfalls einige Überraschungen, zumindest jedoch Restaurants mit einem reichlichen Fischangebot.


Geschichtsinteressierte könnten sich beispielsweise Ausgrabungen der Umgebung anschauen: das antike Kalydhón, (Relikte sind im archäologischen Museum im benachbarten Agrínio ausgestellt), Aghios Thomás mit den Ausgrabungen der römischen Bäder, das alte und neue Plevróna und Oiniádhes.
So wie es aussieht, verfolgen einige ältere Besucher ein ganz anderes Interesse: sie nutzen die salz- und schlammhaltige Lake für ein Gesundheitsbad.


Die Sonne senkt sich schon langsam, als wir unseren Ausflug beenden, das Auto vor dem Hotel abstellen und uns auf die Suche nach einer Taverne machen. In kurzer Entfernung, auf der dem Hafen zugewandten Seite, gibt es einen schmalen Streifen, wo man gemütlich in kleinen Cafés sitzen und den Sonnenuntergang über der Marina gegenüber auf sich wirken lassen kann. Genau das brauchen wir jetzt auch.


Irgendwie habe ich immer noch nicht das Gefühl, tatsächlich im Urlaub angekommen zu sein. Die Erfahrung des Diebstahls von heute Vormittag und die Fahrt über die riskante Schnellstraße an der peloponnesischen Nordkante haben die Nerven doch ziemlich strapaziert. Und dann taucht man plötzlich in dieses kleine, ruhige Paradies, das nur von wenigen, zumeist älteren griechischen Sommerfrischlern besucht zu sein scheint.


Die junge Bedienung ist so nett, und die Mezé-Platte, die sie uns zum Bier bringt, kann sich sehen lassen. Zur romantischen Erhellung bekommen alle Gäste ein Tischlämpchen mit einer Kerze, die die ruhige Szene später in einem zarten Licht flackern lässt.

Über Etolikó und Sálongo nach Arta


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