Arta – Sirós-See –
Agios Geórgios – Ioánnina


Der Kaffee im Außenbereich des Hotels, neben der Einkaufsstraße, mundet hervorragend, als wir am Morgen dem einheimischen Leben aus der Besucherperspektive beiwohnen.
Arta präsentiert sich als eine lebendige Stadt. Passanten erledigen ihre Geschäfte. In den Cafés sitzen um diese Zeit viele Rentner, so wie es immer schon üblich war. Es wird angeregt geplaudert, die Stimmung ist lebhaft und gut. Gegenüber fällt uns ein Frisörgeschäft ins Auge, ein Schild über dem Eingang weist den Inhaber als Herrn Bótsaris aus, sicherlich ein Nachkomme aus der berühmten Familie der Freiheitskämpfer, die auch im Heldengarten von Messolongi verewigt sind. Aber nicht nur auf diesen Namen stoßen wir, sondern erfahren, dass auch Georgios Karaïskákis ein Sohn der Stadt ist.
Doch Arta blickt auf eine sehr viel längere Tradition zurück. Im dritten vorchristlichen Jahrhundert war der Ort unter seinem antiken Namen Ambrákia die Hauptstadt von König Pyrrhus. Seiner wird mit einem riesigen Reiterdenkmal auf der Platía Kilkís, direkt vor unserem Hotel, gedacht.


In und um Arta gibt es sehr viele Kirchen und Kapellen. Die Aghios Nikólaos tis Ródhias, Aghios Dimítrios tou Katsoúri, Moni Káto Panagiás, Kókkini Ekklissiá, Aghios Vassílios tis Ghéfiras, Aghios Vassílios Aghorás und die Panaghía ton Vlachernón stammen fast alle aus dem 13. Jh., letztere sogar aus dem 10. Jh.
Warum wohl gerade im 13. Jahrhundert so viele Gotteshäuser gebaut wurden? Vielleicht, weil Arta nach der Eroberung Konstantinopels 1204 durch die Kreuzritter erneut Hauptstadt wurde, nämlich die des Despotats Epirus, eines der Nachfolgestaaten des byzantinischen Reiches. Die Komnenós-Dynastie hielt die Herrschaft über hundert Jahre lang in ihrer Familie. Und so verwundert es nicht, dass beispielsweise die Kirche Aghia Theodhóra der Theodóra Petralíphaina, der Ehefrau des Despoten von Epirus, Michael II. Komnenós Dukás Angelos, gewidmet ist.

Die größte dieser Kirchen, die wir schon am vorigen Tag bei der Einfahrt in die Innenstadt von Arta bewundert haben, und die auf den ersten Blick eher einem dreigeschossigen Palazzo gleicht als einem Sakralbau, ist die Panaghía Parighorítissa (die Tröstende), ebenfalls Ende des 13. Jahrhunderts unter Nikephóros I. Komnenós Dukás erbaut.




Heute ist sie ein Museum, früher war sie Hauptkirche eines Klosters, von dem noch die Zellen im Außenbereich stehen. Das ehemalige Refektorium an einer Seite des Geländes ist leider verschlossen.


Das Innere der früheren Kirche beheimatet einige sehenswerte Fresken; die im Innenraum datieren aus dem 16. Jahrhundert. Insbesondere das Mosaik mit der Darstellung des Christus Pantokrator in der Hauptkuppel ist sehr gut erhalten und soll aus der Zeit des Kirchenbaus stammen, wahrscheinlich gefertigt von Künstlern aus Konstantinopel und Thessaloniki.










Die Kirche wurde dreischiffig konzipiert und mit fünf Kuppeln versehen, was zur Zeit ihrer Errichtung eine Herausforderung an die Baumeister darstellte. Interessant ist die Säulenkonstruktion im Kircheninneren, die die Kuppeln trägt.




Über die belebte Platía Skoufá, die zwischen dem Museum und unserem Hotel liegt, kehren wir zurück zum Auto und freuen uns auf eine kleine Erfrischung in der klimatisierten Umgebung. Wieder fahren wir nach Absprache in den Lastenaufzug, der uns und unser Gefährt schließlich zurück zur Straße bringt.
Unser nächstes Ziel ist ein berühmtes historisches Denkmal, die etwa 130 Meter lange Steinbogenbrücke, in ihrer jetzigen Form aus osmanischer Zeit (1612), ursprünglich aber schon unter König Pyrrhus erbaut. Sie liegt im Westen der Stadt, die vom Fluss Arachtos in einem Bogen halbkreisförmig umflossen wird, der Arta damit wie ein natürlicher Wassergraben umgibt. Ein paar Kilometer weiter unterhalb mündet der Arachtos in den Ambrakischen Golf.
Lieder ranken sich um die Frau des Baumeisters, die der Legende nach in die Brücke eingemauert worden sein soll, nachdem sie etliche Male eingestürzt war. Mit vier Bögen überspannt sie einen der größten Flüsse Griechenlands, der um diese Jahreszeit nur noch Niedrigwasser führt.


Etliche Cafés unter weiten und hohen Platanen säumen die Aufstiege der Brücke von beiden Seiten. In der fast unerträglich schwülen Mittagshitze sind sie jedoch verwaist. Trotz der Temperaturen überqueren wir natürlich das Bauwerk, stellen uns vor, wie früher Karren mit lautem Geklapper die eingebauten Steinschwellen überrollten.








Ein rot angestrichenes Gebäude an einem der Brückenaufgänge war das Wachhäuschen des osmanischen Grenzpostens, denn die Brücke trennte das freie vom osmanisch-besetzten Griechenland von 1881 bis zum Anschluss Artas an den unabhängigen griechischen Staat.


An der Westseite der Brücke schließt sich ein kleiner Park an, von dem aus man auf den Fluss schauen und philosophieren kann. Dem geben wir uns unter einer schattigen Platane eine Weile hin, sofern man bei der Hitze überhaupt geradeaus denken kann.
Oberhalb von Arta wird der Arachtos zum gewaltigen Pournári-See aufgestaut. Der Verlauf des Flusses wurde dadurch nicht geändert, sodass man eine gute Vorstellung davon bekommt, wie die Wassermassen ohne Regulierung in früheren Zeiten durch die Ebene donnerten und welchem Druck die Brückenpfeiler standhalten mussten.



Das kühle Café mit seiner netten jungen Bedienung, das wir anschließend aufsuchen, ist ein Traum. Neben eiskalter Cola und kandierten Wassermelonenstückchen als Leckerei bekommen wir auch einen großen Ventilator in unsere Richtung gedreht. Bald ist die Körpertemperatur wieder auf Normalbetrieb.
Von der Besichtigung einer weiteren der attraktiven Kapellen, wie sie in der offiziellen Broschüre über Arta abgebildet sind, verzichten wir aufgrund der Temperaturen und unserer mangelnden Ortskenntnis, sondern verlassen die Präfekturhauptstadt Arta (auf Albanisch: die Goldene) nach Norden, verlassen auch das breite Bett des Arachtos und stoßen auf das eines anderen Flusses, der ebenfalls in den Ambrakischen Golf mündet: den Loúros, der uns von nun an auf einer weiten Strecke, parallel zur E 5, zu unserem nächsten Ziel, Ioánnina, begleiten wird.


Noch befinden wir uns in der Ebene, haben bereits den Abzweig nach Filippiáda passiert, als wir auf der rechten Seite, in einer Wiese, die Ruine einer weiteren Kirche entdecken, dem Naós Pantánassas. Das Gelände ist umzäunt und leider abgeschlossen.


Auf der anderen Straßenseite führt ein Weg in einen Wald hinein. Aufgrund der Hitze fahren wir mit dem Auto das kurze Stück des Platanen-überdachten Schotterweges, der gesäumt ist von satt-grünen Sträuchern und Laubbäumen.




Ein umzäuntes Gelände birgt eine größere Anlage, ein Zentrum für Umwelterziehung, das zurzeit allerdings ein wenig verwaist aussieht. Welcher Standort wäre gelungener als mitten in einem Wald, am Ausläufer eines grün-türkis schimmernden Gewässers, dem Sirós-See?
In früherer Zeit befand sich an dieser Stelle ein Kinderdorf („Sirópoli“) für Kriegswaisen. Es wurde ab Ende der 1940er Jahre erbaut und fungierte bis 1975 als Bildungs-, Kultur- und Wirtschaftszentrum der Region mit einer Schule, einem Gymnasium, Unterkünften, einem Theater, kleinen Tierfarmen, einer Fischzucht und anderen Einrichtungen.
Bei einem Erdbeben 1965 erlitten einige der Gebäude schwere Schäden, und nach und nach wurde die ursprüngliche Funktion aufgegeben, auch weil die Kinder mittlerweile erwachsen waren und das Dorf verließen.


Als wir endlich das Auto am Ufer abstellen und den kurzen Weg hinunter zum See gehen, stoßen wir auf eine kleine Freifläche, auf der einmal ein Holzgebäude stand, das nun total verfallen ist. Vielleicht war es einmal ein Café oder der Ausgangspunkt für frühere Aktivitäten auf dem See. Heute hört man außer Zikaden nichts mehr an diesem stillen Gewässer. Nur Wespen und Libellen tummeln sich am Ufer.


Der 900 x 600 Meter große Frischwassersee ist mit dem Grundwassersystem des Flusses Loúros verbunden. Aufgrund von Messungen geht man davon aus, dass der Sirós-See vor 10.000 Jahren noch in einer Höhle lag, bevor das Dach einstürzte.
Trug man in den 1990er Jahren hier noch Wasserskirennen aus, wurden solche Aktivitäten nach einheimischen Protesten ebenso wie Fischen und Schwimmen gänzlich verboten. Zum Erhalt der ökologischen Einzigartigkeit des Sees wurden in den Folgejahren verschiedene Maßnahmen getroffen. Laut Beschreibung gibt es Wanderwege in der bewaldeten Hügellandschaft um den See herum, von denen aus man seine Schönheit bewundern kann.
Im Jahr 2010 verfärbte sich das Wasser des Sees plötzlich rot, wahrscheinlich aufgrund einer Vergiftung mit Burgunderblutalgen. Bei unserem Besuch ist davon nichts mehr zu sehen, doch wer weiß, woher diese Algenblüte herrührte.


Am liebsten würde ich direkt loswandern, dem Waldweg folgen, so schön ist es hier, so schattig und ruhig. Noch eine Weile genießen wir die Stille, bevor wir durch den Wald langsam wieder zurück zur Hauptstraße rollen.


Weitere Aufenthalte bis Ioánnina waren ursprünglich nicht mehr vorgesehen. Aus einem schon älteren, deutschsprachigen Faltblatt der Präfektur Préveza haben wir allerdings einen Hinweis auf ein „Römisches Wasserwerk“ in der Umgebung erhalten, das wir uns gerne ansehen möchten. Es soll auf der rechten Seite der Straße liegen, doch wir fahren Kilometer um Kilometer, passieren ein modernes Wasserkraftwerk der staatlichen Stromgesellschaft DEI. Ansonsten keine Spur von einer antiken Anlage.


Nach einer Weile kehren wir um und fragen an einer Kantina, direkt an der Straße mit Blick auf das DEI-Kraftwerk. Wir sollen umkehren, die Straße wieder nach Norden fahren, bis zum nächsten Abzweig (ca. 1 Kilometer entfernt) in Richtung Aghios Geórgios, dieser schmalen Straße dann folgen, wir würden automatisch auf das römische Relikt stoßen.
Gesagt, getan. Hinter dem Abzweig führt die Straße bergab in ein grün bewachsenes Tal und zum Fluss. Am tiefsten Punkt, der von riesigen Platanen markiert ist, erkennen wir plötzlich das riesige Gemäuer.


Gleich parken wir den Wagen im Schatten und laufen ins Flussbett, ausgetrocknet auf etwa drei Viertel seiner Breite, mit Steinen, Tümpeln, Büschen und Bäumchen. Auf der anderen Seite strömt der Loúros mit immer noch guter Fließgeschwindigkeit gen Süden, Richtung DEI-Kraftwerk. Sein Wasser ist sehr klar und eiskalt.








Rechts erheben sich die Überreste, nicht eines „Wasserwerkes", sondern eines gigantischen, dickwandigen und imposanten Aquädukts, das vom römischen Kaiser Augustus um die Zeitenwende errichtet wurde, um die Wasserversorgung der damaligen 300.000-Einwohner-Stadt Nikópolis, am Ambrakischen Golf, zu gewährleisten. Was wir hier sehen, ist aber nur ein kleiner Teil der riesigen, 50 Kilometer langen Leitung, die an den Quellen des Loúros (viel weiter nördlich) begann, teilweise sogar durch einen Tunnel im Berg verlief und an seinem Ziel zwei große Zisternen füllte.






In den Tümpeln hocken zahlreiche Frösche, und auf den Sträuchern drum herum feiern Prachtlibellen in ihrem blau-schimmernden Kleid Hochzeit.












Nachdem wir das Gelände Stückchen für Stückchen erkundet, uns an den vielen Larven in den Wassertümpeln erfreut, unsere Beine in das erfrischende Loúros-Wasser gehalten und uns satt gesehen haben an der gewaltigen Architektur des Aquädukts, kehren wir zum Auto zurück. Wir folgen der Straße weiter, aus dem Tal heraus, bis zu einer Rechtskurve, die über eine schmale Brücke führt, hinein in den Ort Aghios Geórgios. Linkerhand befinden sich längliche Betonbecken, die jetzt leer sind und aus denen Unkraut wächst, früher jedoch wohl Fische beherbergten.
Direkt daneben wird unser Blick eingefangen von einer ganzen Reihe Wäscheleinen im Hof eines Anwesens, in dem Teppiche zuhauf zum Trocknen aufgehängt sind.


Zunächst können wir uns keinen Reim darauf machen. Die Aufschrift auf dem Gebäude im Hof gibt auch nicht wirklich Aufschluss darauf, warum die vielen Teppiche dort hängen, sondern auf eine Wassermühle (Nerómilos) und eine Wasserreibung (Nerotriví). Aber was soll eine „Wasserreibung" sein??


Da wir gedanklich immer noch beim Aquädukt sind, kommen wir gar nicht auf die Idee nachzufragen, sondern schießen ein paar Fotos vom wassersprudelnden Hügel, der durch das überreich vorkommende Nass der zahlreichen Quellen förmlich überzulaufen scheint.


Erst zu Hause finden wir dank Internet heraus, was wir unter einer Nerotriví zu verstehen haben. Es sind unterschiedlich große Becken, in die mit ordentlichem Druck immense Mengen Wasser gepresst werden. In den Becken kann durch die kreisende Wasserbewegung dann die Reinigung auch großer Gewebestücke auf natürliche Weise stattfinden. Das Wasser reibt sozusagen den Dreck aus den Stoffen. Auch Wollteppiche hat man in ihren Entstehungsprozessen seit Jahrhunderten auf diese Art mit Wasser weich gemacht.

Es ist schon Nachmittag geworden, als wir zurück zur Hauptstraße, in Richtung Ioánnina, fahren. Manchmal nah an der Straße, manchmal auch ein wenig entfernt, begleitet uns der Loúros noch ein gutes Stück unseres Weges, bewässert unzählige Felder und füllt Fischzuchtbecken zuhauf. So grün und wasserreich hatten wir uns Westgriechenland nicht vorgestellt. Eher selten sehen wir Olivenbäume, wie auf der gesamten Weststrecke. Wahrscheinlich sind die Böden zu feucht.
Durch einen Tunnel verlassen wir nun die Präfektur Préveza hinein in die Präfektur Ioánnina, passieren den Ort Klisoúra. Neben uns fließt weiterhin der Loúros, doch ab jetzt fahren wir bergan. Uns begegnen Schilder mit Ortsnamen, die auf eine bewegte Vergangenheit schließen, wie das Martýriko Chorió (Märtyrerdorf). In Vouliásta angekommen ist die Loúros-Quelle nicht mehr weit. Ab hier verlief in der Antike das Aquädukt via Aghios Geórgios und Nikópolis.
Die Höhe macht sich jetzt ein wenig in den Ohren bemerkbar. Linker Hand erhebt sich der Tómaros, gleißend und geröllig, die Straße ist jedoch weiterhin beidseitig bewachsen von Bäumen und Sträuchern. Vor uns überquert in niedriger Höhe ein Storch die Fahrbahn.
Schließlich erreichen wir die Außenbezirke der 100.000-Einwohner-Stadt Ioánnina, zu erkennen am „Shopping Park“ mit IKEA und anderen großen Läden. „The Town of Silver Art Creator“, wie es auf dem Eingangsschild heißt. Eine riesige Freude kommt in mir auf, endlich diese Stadt wieder besuchen zu können, und Spannung darauf, was sich in den letzten 15 Jahren, seit meinem ersten Aufenthalt, verändert hat. Damals hatte ich den Ort bei einer Stippvisite aufgrund seines Flairs in mein Herz geschlossen.
In der schnuckeligen Pension „Spitikó“, in der wir zuerst anklopfen, bekommen wir leider kein Zimmer. Eine Oma mit Goldzahn hatte uns im Hof die Tür zu ihren Privaträumen geöffnet. Nein, wir hätten sie nicht geweckt, meint sie leise, sie müsse aber ihren Sohn fragen, ob noch ein Zimmer frei sei. „Ochi“, brummt es von innen heraus. Die nette Dame möchte uns entschuldigend auf eine Süßigkeit einladen, aber wir suchen jetzt lieber weiter nach einer Bleibe.
Im Hotel Elpís, in der Neoptólemo 10, einer ruhigen Seitenstraße im Zentrum (in der Nähe von See und Kastro), werden wir fündig. Ein einfaches Hotel, das unseren Ansprüchen an einen großen, nett eingerichteten, sauberen Raum vollkommen genügt, für 30 € am Tag, mit A/C, TV und Balkon und sogar einer Badewanne. Hier werden wir die nächsten drei Nächte bleiben.
Zum Glück liegt das Hotel nicht direkt am See, zum einen wegen der Moskitos, zum anderen wegen der ohrenbetäubend lauten Musik, die am Abend wahrscheinlich aus den vielen Lokalen am Seeufer schallen wird, wie mir vom ersten Besuch noch in Erinnerung ist. Ioánnina ist voller junger, lebhafter Menschen, eine Studentenstadt. Auch jetzt, in den Ferien, halten sich viele junge Leute hier auf.
Lange genießen wir die angenehme Kühle des nach Norden gelegenen Zimmers nicht, sondern machen uns zu einem ersten Spaziergang auf, der uns entlang der Außenmauer des Kástros in einem weiten Bogen zum Pamvotídha-See (Ioánnina-See) führt, wo wir an der schönen Uferpromenade entlang schlendern.




Viele Einheimische treiben zur frühen Abendstunde Sport. Vorzugsweise wird gewalkt, gejoggt oder auf dem streckenweise extra abgetrennten Weg geradelt. Andere haben auch ihre Angel ausgeworfen. Richtig bevölkert ist das Seeufer, man genießt die jetzt wieder moderaten Temperaturen in knapp 500 Metern Höhe.




Die Promenade beschreibt schließlich eine weite Kurve. Hier befindet sich immer noch das große, gut besetzte Café. Vor 15 Jahren schallte es den ganzen Tag über ohrenbetäubend hier heraus. Heute ist es eher angenehm leise. Wahrscheinlich ist der Lärm auch den Anwohnern gehörig auf den Keks gegangen.
Wir passieren die Anlegestelle für die Fähren zum Nissáki, dem Inselchen im See, wo gerade die „Queen Mary“ ablegt.




Schließlich gelangen wir zur Platía am See, ein Fotomotiv auch für Brautpaare, wie wir gerade sehen. In einiger Entfernung zu ihnen überqueren wir den Platz, nicht ohne von einigen der Maisverkäufer angesprochen zu werden. Eine Frau behauptet gar, Mais würde „schön“ machen, worauf Alex schmunzelnd fragt, ob sie denn glaube, dass er es nötig habe. Sie schlagfertig: „Du doch nicht, du bist eine Freude!“


Mehrere steinerne Denkmäler befinden sich im Park neben der Platía, auch eines, das den kretischen Kämpfern in den Balkankriegen gewidmet ist.




Michail Ioánnis Meladákis
Anführer
1889 – 1914


„Fremder, wenn du in das Land des Mínos gehst
und das Risítiko-Lied hörst,
sag' Ihnen, ich bin in Koritsá zurückgeblieben,
Wächter in Epirus, Ehre für Kreta."

Hinter dem Platz erkennen wir eine Reihe von mehreren Tavernen. In die Erstbeste kehren wir ein und sitzen gleich neben der Seekante. Langsam senkt sich der Abend herab. Malerisch der Blick auf das Minarett einer der Moscheen im Kastro-Viertel aus osmanischer Vergangenheit!


Das Lokal ist zwar nicht sonderlich gut besucht, die Kellner aber nett. Die Lage ist einmalig, so direkt am See. Die Haut ordentlich mit Autan getränkt, wagen sich die Moskitos nur bis knapp davor, um dann schnellstens die Kurve zu kratzen. Die drohende abendliche Moskitoinvasion braucht mich also nicht zu schrecken.
Wir bestellen mehrere Vorspeisen: Melitsána-Keftédes, Käsesalat, Gurken-Tomaten-Salat. Später soll noch ein Fleisch-Gericht folgen. Die Mesédhes schmecken hervorragend, doch beim Hauptgang schwant mir, dass man hier mit Fertiggerichten hantiert. Schon einige Male haben wir das erlebt, dass Tavernen die Zubereitung des Essens der Industrie überlassen. An diesem Abend erhalten wir Fleischstücke in einer dunklen Pappsoße mit Kréma (auf der Karte gab es kaum ein Fleischgericht ohne Krema (Sahne), was mich wiederum an die saarländische Küche erinnert. Der Saarländer liebt es nämlich, sein Essen in Sahne zu ertränken, sogar den Fisch! Brrrrr!!).
Zurück nach Griechenland: Selbst Hergestelltes und Zubereitetes schmeckt einfach viel besser, und um Restaurants mit Kréma-Gerichten machen wir in Zukunft einen Bogen. Doch was ist die Alternative? Psistaríen (Bratereien), wo man eher Kurzgebratenes erhält oder Mezedhopolía, wo man sich – wie der Name schon sagt – an Vorspeisen erfreuen kann? Wo gibt es die Estiatória, die auch „tis óras“ servieren, also eine Auswahl an warmem, selbst gekochtem Mittagstisch, dessen Reste am Abend noch in den Warmhalteschalen zum Verkauf stehen? Trügt mich meine Wahrnehmung, oder sind diese tatsächlich am Verschwinden? Die eigene Herstellung von selbst gekochter Nahrung (neben Vorspeisen oder Gebratenem/Gegrilltem) erfordert viel mehr Zeit, Einsatz und Know-How, was oft nur in einem Familienunternehmen zu bewältigen ist, in dem jeder mithilft.
Abgesehen von der Soßenpampe sind wir mit den anderen Gerichten an diesem Abend jedoch zufrieden. Was uns aber noch viel mehr begeistert ist die Nähe zum See, der Blick auf das erleuchtete Ufer des Dorfes auf der Gegenseite (Amfithéa), die Spiegelung seiner bunten Lichter im glatten See.


Vor uns das Lichtband der erhellten Café-Ecke Ioánninas und darüber, wie der Turm eines verwunschenen Schlosses über der Szene schwebend, das angestrahlte Minarett der Aslan-Pascha-Moschee.




Verstärkt wird dieser märchenhafte Eindruck am späten Abend durch den überirdisch schönen Aufgang des Julimondes, links neben dem Minarett: zunächst eine kleine Wölbung mit nur schwachem, dunkelrotem Schimmer, der schnell über einem unsichtbaren Berg zur Hälfte heranwächst und sich schließlich als fast noch runder Vollmond mit einer großen Leuchtintensität, in einer langen Spur, rot-golden im See widerspiegelt und die Fische im Sekundentakt springen lässt. Ein fantastisches Schauspiel, das mein Gefühl für diesen wunderschönen Ort noch tiefer werden lässt.




Noch vor Mitternacht schlendern wir an zum Teil geschlossenen, halbleeren, aber auch gut besuchten Lokalen vorbei, in denen ordentlich gefeiert wird, zurück zum Hotel, wo wir im angenehm temperierten und tatsächlich auch nachts ruhig gelegenen Zimmer in einen langen Schlaf sinken.

Ioánnina - Streifzug durch das Kastroviertel