Ioánnina -
Ausflug zur Insel im See


Am frühen Abend, als die Temperaturen wieder erträglicher geworden sind, möchten wir die Insel im See, Nissáki, besuchen. Früh morgens bis spät abends verkehren die Fähren ein- bzw. halbstündlich hin und zurück. Der Fahrplan ist am Tickethäuschen ausgehängt, das während unseres Aufenthaltes jedoch geschlossen ist. Fahrscheine erwirbt man jeweils auf dem Boot.
Bis die Fähre anlegt, sitzen wir auf einer Bank, direkt am Anleger, an der Uferpromenade. Afrikanische Händler schwirren herum und versuchen Billigwaren zu verkaufen, unterhalten sich ein wenig, rauchen zusammen.



Schon bald nähert sich das kleine Schiff, das uns zur Insel bringen wird, entlässt ein paar Fahrgäste.
Dann dürfen wir Platz nehmen.


Abgesehen vom erfrischenden Fahrtwind bieten sich grandiose Blicke auf die Stadt mit ihrem historischen Bezirk auf der Halbinsel und der bergigen Umgebung insgesamt. Wer sich bisher dem Charme der Stadt entziehen konnte, wird ihr spätestens bei diesem Ausflug erliegen.




Die Überfahrt dauert nicht lange, was wiederum sehr schade ist. Als wir das Inselchen auf der der Stadt abgewandten Seite ansteuern, finden wir den Anleger im einzigen Dorf recht leer vor.



Neben einigen Cafés und Restaurants mit großen Aquarien, in denen sich (noch) lebende, essbare Fische tummeln, gibt es auch Geschäfte, die auf Touristen gerichtete Waren feilbieten. Häufig wird man beim Rundgang angesprochen, „come and look“, etwas nervig, aber verständlich - Massentourismus findet hier nicht statt. Interessant finden wir ein Geschäft mit Kräutern, Gewürzen, Likören und anderem Ess- und Trinkbarem aus heimischer Produktion.
Wir wissen auch nicht so genau, wo wir hinwollen, und was uns hier erwartet, also gehen wir einfach drauflos, bummeln zunächst durch die Gassen des lebendigen Örtchens, das schön hergerichtete kleine, alte Häuschen beherbergt, die alle bewohnt sind, und werfen einen kurzen Blick in die Ortskirche.






Außerhalb des Dorfes gelangen wir automatisch auf einen mehrere Kilometer langen Rundweg entlang des Sees. Herrlich, der hohe, alte Baumbestand inmitten der üppigen Vegetation: Feigenbäume, Blumen mit zartlila und weißen Blüten, und immer wieder saftiges Grün. An manchen Stellen leuchtet ein knallroter Schlangenwurz hervor.






Ein Info-Center am Ortsausgang ist um diese Uhrzeit leider schon geschlossen, und so setzen wir unseren Weg einfach fort.



Vom Fischreichtum des Sees können wir uns mit eigenen Augen überzeugen, als Haubentaucher sich ihre Abendmahlzeit ganz mühelos besorgen.




Auch Einheimische sind mit Booten unterwegs. Viele der Inselbewohner leben vom Fischfang.


Schon bald führt ein schmaler Pfad hügelan, in Richtung Inselmitte, in einen Kiefernwald, der den gesamten Inselrücken bedeckt. Für uns Mitteleuropäer ungewohnt ist das „Unterholz“, bestehend aus einer Riesenfläche mit falschem Salbei, der die Augen des Frühjahrsbesuchers mit einem leuchtend gelben Feld betören wird.






Nachdem wir die höchste Stelle erreicht und festgestellt haben, dass auch hier noch weitere Pfade durch das Waldgebiet abzweigen, kehren wir doch wieder auf unseren so schönen Rundweg, direkt am See, zurück.
Neben Geckos, Libellen und anderen Insekten begegnet uns mitten auf dem Weg auch ein Skolopender (Hundertfüßer), der gerade von einer Horde Ameisen attackiert wird und sich im Todeskampf windet. Armes Tier (aber giftig)!



Immer weiter folgen wir dem Weg, und haben schon längst die äußerste Spitze umrundet, als wir das Ufer vor uns jetzt dicht von Schilf und Gräsern umstanden sehen. In diesen Gürtel hat man eine Art Kanalsystem geschnitten, mit kleinen Zufahrten für die Boote hinaus auf den See.





Zurück in Dorfnähe passieren wir Gebäude, die offensichtlich schon älter sind, jedoch erneuert wurden. Vielleicht sind es Klöster, die verstreut auf der Insel stehen. Einige davon stammen sogar aus der Zeit des 13. Jahrhunderts.


Rechts führt ein Weg hoch zu einem der Klöster, das jetzt am frühen Abend sicherlich auch schon geschlossen ist und von uns daher nicht mehr besucht wird. Als wir dem Rundweg weiter folgen, erkennen wir noch einen weiteren, wohl viel älteren Pfad hinauf.



An einem angelegten kleinen Brunnen sonnt sich ein Gecko. Daneben lässt sich eine riesige Platane mit einem mehrere Meter dicken, bemoosten Stamm bewundern, die sicherlich auch schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel hat.


Nach einer Stunde eines sehr erholsamen Spaziergangs sind wir wieder zurück am Ortseingang angekommen. Der rötliche Schleier der untergehenden Sonne hat sich schon zart auf die zauberhafte Landschaft gelegt.
Wir hören die Gespräche von Männern, die an einem der schmalen Holzboote arbeiten und darüber diskutieren, wie man es am besten zu Wasser lässt. „Du würdest es am liebsten von oben in den See werfen“, schimpft ein Vater mit dem erwachsenen Sohn, und stapft davon, kehrt jedoch bald wieder zurück, um den Filius eines Besseren zu belehren. Viele der Barken sind hier vertäut.





Zurück zum Fähranleger durchstreifen wir nun die Sträßchen und Gässchen von der anderen Dorfseite aus. Schön wäre es, in dieser Idylle einen Sommer zu verbringen.




Interessant auch zu sehen, wie der See sich im Winter verhält, ob er zufriert, ob man gelegentlich auch festsitzt. Doch die Entfernung zum jenseitigen Seeufer, gegenüber von Ioánnina (in Richtung Amfithéa), ist nur gering.
Bei einem zitronigen Erfrischungsgetränk warten wir auf die Abfahrt unserer bereits startklaren Fähre, zurück in die Stadt, während wir noch ein wenig dem frühabendlichen, friedlichen Dorfleben beiwohnen.
Beim Ablegen schweift unser Blick noch einmal über das Örtchen, wo man sich um diese Uhrzeit dem Fischfang widmet.





Die Rückfahrt über den See dauert für unser Empfinden wiederum viel zu kurz. Auf dem schönen, zweistöckigen Schiff tuckern wir entspannt auf den See hinaus und genießen das weiche Licht über der Skyline von Ioánninas Altstadt.





Bei unserer vorabendlichen Vólta bummeln wir ein wenig durch die Straßen in unserem Hotelviertel. Ob es an der Krisenzeit liegt, ob es immer schon so war oder ob wir einfach nur mehr darauf achten, uns fällt auf, dass es viele Lücken in den Geschäftszeilen gibt, Geschäfte, die aufgegeben wurden. Kleine, aber auch große Tempel mit ihren protzigen Glasfassaden in den Außenbezirken.
Ein Gebäude, das wir passieren, beherbergt die berühmte Kaplánios-Schule, benannt nach ihren gleichnamigen Gründern, einem Brüderpaar aus Ioánnina. 1797 bis 1820/21, noch während des Osmanischen Empires, spielte sie - neben den Schulen von Smirna, Ayvalık und Chios - eine entscheidende Rolle bei der Unterrichtung explizit von Griechen, und wurde von wohlhabenden griechischen Händlern finanziert. Ihre Bedeutung verlor sich jedoch während der Herrschaft Ali Paschas.
In den 1920er Jahren wurde das Gebäude renoviert und beherbergt seitdem eine Grundschule. Der Eingang ist leider völlig beschmiert, eine Schande für solch’ eine geschichtsträchtiges Bauwerk.


Auch andere Schulen sorgten im Laufe der Jahrhunderte dafür, das Ioánnina den Ruf eines berühmten Bildungszentrums bekam. Selbst in den Zeiten osmanischer Besatzung, in denen es verboten war, die griechische Schrift zu lehren, und es überhaupt nur wenigen gestattet war, lesen und schreiben zu lernen, gab es Mutige, in der Regel in den Klöstern, die in Geheimschulen (Krifó Skolió) zur Wahrung der kulturellen Identität den griechischen Nachwuchs unterrichteten. Ob dieses Widerstandes gegen die osmanischen Assimilationsversuche gehörte Ioánnina folgerichtig im Zeitalter der Aufklärung zwischen 1647 und 1830 zusammen mit Konstantinopel zu den bedeutendsten Zentren.
Und so ist es auch kein Zufall, dass die Stadt heute eine große Universität mit etwa 17.000 Studenten hat. Bemerkenswert ist, dass bei ihrer Gründung im Jahre 1964 zuerst ein philosophischer Zweig eingerichtet wurde, der im alten Gebäude der ebenfalls berühmten Zosimaía Schule untergebracht war, die 1913 gegründet, ein Lehrerseminar beheimatete. Ab den 1970er Jahre erfolgte dann der Universitätsausbau (einige Kilometer außerhalb des Stadtzentrums) ganz in der Tradition des Wunsches nach höherer Bildung. Heute hat die Universität siebzehn akademische Fakultäten.

Unser Abendspaziergang nähert sich dem Ende, und damit auch die Besichtigungen des heutigen Tages. Da wir unterwegs kein Restaurant (sondern eher Mezedhopolía und Cafés) gesehen haben, schlendern wir wieder zur Seepromenade und klappern einige der hier gelegenen Restaurants ab. Wie schon am Vorabend kehren wir hier ein, dieses Mal im Achinós (Seeigel).
Bei gedämpftem Licht essen wir in Ruhe und netter Gesellschaft. Der Wirt mit hamburgischer Vergangenheit und sehr guten Deutschkenntnissen, erzählt uns ein wenig von seiner Heimat.
Der zehntausend Jahre alte Pamvotída- oder Ioánnina-See, sagt er, sei so trübe wegen der zwei Meter dicken Schlammschicht auf dem Grund. Eine amerikanische Firma hatte angeboten, diesen Schlamm zu entfernen, doch das hätte preislich den „halben Staatshaushalt“ verschlungen.
Der Zufluss aus den Bergen wird reguliert, sodass der See- insbesondere im Winter - nicht überlaufen kann, denn einen natürlichen Abfluss besitzt das Gewässer nicht. Stattdessen wurde ein „Kanáli“ gebaut, durch das überschüssiges Wasser abfließen kann. Ein etwa 10 km entfernt gelegenes Klärwerk reinigt das abfließende Wasser des Sees.
Mit einer zusätzlichen leichten Brise am heutigen Abend wird der Eindruck einer schnellen Strömung auf dem Oberflächengekräusel des Sees erzeugt, die durchaus von der Wasserregulierung herrühren kann – oder handelt es sich doch um eine optische Täuschung?
Mit solchen und anderen Themen, aber auch mit einer Rückschau auf den herrlichen Ausflug zur Insel beschließen wir den heutigen Tag. Spät am Abend, als wir unser köstliches Mahl schon längst beendet haben, geht der abnehmende, rote Mond erneut über einem der Berge, in Richtung Métsovo, auf und verbreitet wiederum einen zauberhaften Glanz auf dem See.



Die Höhle von Pérama