Ausklang


Unser letzter Tag soll der Entspannung dienen. Daher haben wir auch keine weiteren Ausflüge geplant, sondern einen letzten Strandbesuch, um dann in Ruhe die Sachen flugtauglich zusammenzupacken.
Ein letztes Mal noch starten wir am Abend einen Versuch, ein leckeres Menü in einer Taverne zu bekommen. Uns wurde in Néos Marmarás ein Lokal empfohlen, in dem es tatsächlich selbst gekochtes und schmackhaftes Essen geben soll. Das wollen wir als Tageshighlight noch austesten. Schon am Nachmittag sind erneut dunkle Wolken aufgezogen, viel früher als sonst.




Trotzdem fahren wir ins Nachbardorf, finden den angegebenen Weg jedoch nicht und kehren dann am Ortsausgang, direkt an der Uferstraße, in einem der Lokale ein. Wir nehmen im Außenbereich Platz, und keine Viertelstunde später ist dieser komplett gefüllt.
Tatsächlich enthält die Speisekarte die guten griechischen Gerichte. Zur Feier des Tages haben wir eine ordentliche Bestellung aufgegeben, als ein paar Tropfen auf unseren Tisch fallen. In Windeseile packen wir unsere Getränke und flüchten nach drinnen. Keine Sekunde zu früh, denn eine große Gewitterwolke bringt neben Blitz und Donner vor allem eine große Menge Starkregen mit.
Mittlerweile wurde unser Essen serviert. Nicht alle Gäste finden im nicht allzu großen Innenbereich des Lokals einen Sitzplatz, sodass etliche Leute um uns herumstehen. Gemütlich ist das nicht, doch uns treibt sowieso die Sorge um, unser Auto könnte ins Meer geschwemmt werden. Als einziges steht es auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Bisher laufen die Wassermassen aber noch geschwind über die Straße ab. Nicht so in der Taverne. Den überschwemmten Außenbereich kann man trockenen Fußes nicht mehr durchqueren.


Als wir mit dem Essen fertig sind, versichert sich Alex von der Eingangstür aus, dass unser Auto noch da steht; auch ich bin kurzzeitig aufgestanden, und zack ist der Tisch belegt. Meine Tasche und der Schirm wurden mal eben zur Seite auf den Boden geworfen. Weggegangen, Platz vergangen. Friss oder stirb. Man macht sich auch nicht die Mühe, mal einen Satz dazu zu sagen, sondern ignoriert mich in voller Länge. Was für eine Mentalität! Selten habe ich mich im Urlaub so auf zu Hause gefreut. Ich kann dieses egoistische Gehabe, diesen Wettstreit um das Frühstück, um Sitzplätze, Strandliegen usw. nicht mehr ab. Das soll Urlaub und Erholung sein? Never!
Nachdem der Regen etwas nachgelassen hat, waten wir durch den Außenbereich der Taverne zum Auto und fahren zum Hotel. Hinter Pórto Karrás müssen wir ja von der Hauptstraße abbiegen. Die letzten zwei Kilometer fahren wir nun in vollkommener Dunkelheit durch einen vom Regen durchfeuchteten Wald. Wäre ich zu Fuß und alleine unterwegs, würde ich mich fürchten, so archaisch mutet die stockfinstere Landschaft jetzt an. Würde mich nicht wundern, wenn uns plötzlich ein Tier aus der Urzeit vor die matten Scheinwerferfunseln springen würde. Diese Fahrt durch den tropfnassen Wald und die damit verbundenen Emotionen sind mir denn auch als Besonderheit in Erinnerung geblieben: Unheimlich, aber von einer berauschenden Schönheit!

***

Am frühen Morgen des darauf folgenden Tages verlassen wir noch vor dem Frühstück das Hotel. Nie wieder werden wir hierher zurückkehren.
In Nikíti gönnen wir uns einen kräftigen Kaffee in einem Imbiss, dann geht es weiter über die Schnellstraße nach Thessaloníki. Unterwegs knallt es, und schon prangt ein Loch in der Windschutzscheibe. Als ob wir es geahnt hätten, haben wir eine entsprechende Versicherung abgeschlossen, sodass es bei der Autoübergabe am Flughafen keine Probleme gibt.
Lustigerweise treffen wir im Flughafengebäude noch das zypriotische Paar, das wir am Hotelstrand kennengelernt haben. Sie sind ebenfalls auf der Heimreise und begrüßen uns lautstark wie uralte Bekannte.
Der Rückflug nach Stuttgart verläuft zwar problemlos, die Landung jedoch nicht. Heftige Seitenwinde und damit verbunden ein kräftiges Auf- und Abwippen der Flügel zwingen den Piloten beim Landeanflug zum Durchstarten. Eine Viertelstunde später gelingt die Landung dann vollkommen unaufgeregt, so wie sich auch das gesamte Procedere des Durchstartens wie Routine für uns Passagiere anfühlte.
Auf dem Rückweg über die Autobahn sehen wir noch ein lichterloh brennendes Auto am Straßenrand. Was sind wir froh, wieder zu Hause zu sein und die Haustür hinter uns zumachen zu können.

Auch wenn wir im Urlaub eher Land und Leute erleben möchten, fünf gerade sein lassen und uns nicht über jeden Minimalmist aufregen, haben uns in diesem Jahr die Auswüchse des Massentourismus arg zu schaffen gemacht. Vor allem lag es an der Überfüllung fast aller Orte; kaum ein Fleckchen war zu finden, wo wir uns wohlfühlen konnten. Wir waren nicht verärgert, sondern eher enttäuscht über den Wandel hin zum aus unserer Sicht Negativen. Uns ist bewusst, dass es nicht am Land liegt, sondern an der Erscheinung dieser Tourismusart. Am Ende reichte es nicht einmal, sich auch mit zeitlichem Abstand den Aufenthalt insgesamt schön zu gucken.
Der überbordende Massentourismus bringt zwar einigen Menschen Geld, führt jedoch auch zu großen Veränderungen. Touristen werden nicht als Individuen wahrgenommen. Vielmehr sind sie Mittel zum Zweck, Geldmaschinen, dafür werden sie gefüttert und abgefertigt, erhalten ein Dach über dem Kopf und sollen sich nicht beschweren.
Insbesondere die Familie, die die Anlage in Sithonía betreibt, stellt ein gutes Beispiel dar. Wie etwa im Minimarkt, der wohl abwechselnd auch von einem der Söhne verwaltet wird. Tritt man ein, erwarten einen seine Käsemauken auf dem Tresen, wo andere ihre Lebensmittel ablegen. Kaum den Blick gehoben schiebt er das Geld in die Schublade. „Apódixi“ (Beleg) fordere ich. Müde überreicht er mir darauf hin einen Tippstreifen aus der Rechenmaschine mit einer kaum lesbaren, einsamen Zahl darauf.
Unsere Einwände bezüglich des kaputten Moskitonetzes wurden ignoriert ebenso wie die fehlende Senderauswahl im Fernsehen. Na gut, damit kann man leben, insbesondere mit Letzterem. Allerdings hatten wir kaum das Gefühl, dass unsere Wünsche auch nur irgendjemanden tangieren würden. Irgendwie war alles so beliebig. Da haben wir aber schon ganz andere Gastfreundschaft erlebt.
Dennoch hatten wir natürlich auch schöne Momente. Dazu zählen in allerster Linie die Besuche bei unseren Lieben, sie waren mit Abstand die Highlights unseres Aufenthaltes. Danach reihen sich der Ausflug nach Ouranoúpoli, Marias Kantina und die Umrundung der Halbinsel durch den immergrünen Wald ein. Am Ende hatten wir in der Campingplatz-Taverne auch noch ein paar nette Camper unseres Alters kennengelernt, mit denen wir ein paar Viertel Wein leerten und uns sehr angeregt austauschen konnten. Dennoch steht für mich fest: In den Hauptreisezeiten möchte ich nicht mehr in den Süden, weder nach Griechenland noch sonst wohin. Vielleicht maximal nach Kreta, da kann man immerhin in die Berge ausweichen, wenn es einem am Meer zu voll wird.
Für 2019 habe ich mich wegen Frühbucherrabatt zum Jahresende 2018 mal nach den Flugpreisen umgeschaut. Was für eine unglaubliche Abzocke in den Ferienzeiten! Einfach zum Vergessen.