Castello Sforzesco und Parco Sempione


Nach der ausgiebigen Dombesichtigung mit anschließender Erholung im Scala Café sind wir immer noch unternehmungslustig. Ganz in der Nähe soll es ein altes Kastell mit einer Parkanlage geben. Der späte Nachmittag erscheint uns für einen Besuch sehr geeignet.
So ungefähr wissen wir die Richtung und schlendern durch die belebten und verkehrsreichen Straßen. Der Weg führt geradeaus, vorbei an einem großen Kreisverkehr mit dem Garibaldi-Denkmal und schließlich direkt zum Eingang des Kastells.
Imposant erheben sich die Gebäude des Castello Sforzesco, einer ehemaligen Verteidigungsanlage aus dem 14. Jahrhundert, Militärstützpunkt, Residenz unter Francesco Sforza während des 15. Jahrhunderts (Begründer der Sforza-Dynastie, die die Lombardei etwa 150 Jahre lang beherrschte). Belagert, zerstört und wieder aufgebaut, nur um dieses Schicksal wieder zu erleiden, beherbergt das Kastell heute verschiedene Museen und Bibliotheken und ist Austragungsort von Veranstaltungen und regelmäßigen Ausstellungen. Um die Wende zum 19. Jahrhundert wurde die Anlage umfassend restauriert und erfordert auch weiterhin regelmäßige Instandhaltungsmaßnahmen.
Durch den Filarete-Turm, benannt nach seinem Erbauer, der im 15. Jahrhundert lebte, gelangt man in das Innere der Anlage.





Als erstes weitet sich der Blick über die geräumige Piazza d'Armi (Waffenplatz). An ihre frühere militärische Bedeutung als Exerzierplatz erinnert maximal noch ihre Größe.




Über Brücken und durch Torbögen sind weitere Innenhöfe miteinander verbunden. Gedrungen und schmal erscheint der herzogliche Hof, der Corte Ducale, umgeben von den Räumlichkeiten der ehemaligen herzoglichen Residenz.



Die Rocchetta wirkt mit ihrem Säulengang in sich geschlossen. Durch umfangreiche Renovierungen zwischen 2010 und 2013 wurden alte Dekor-Elemente an den Fassaden und der Decke freigelegt.




Im Inneren der Gebäude sind heute mehrere Museen beheimatet, wie das Instrumentenmuseum, Museum für antike Kunst, Museum für dekorative Kunst, eine Pinakothek, Bibliotheken, ein Foto-Archiv sowie eine Münzsammlung und vieles mehr. Ihr Besuch kostet Eintritt, der Aufenthalt auf den Plätzen jedoch nicht.
Nach einer Besichtigung der Museen steht uns nicht der Sinn. Stattdessen folgen wir den Klängen von Musik. Kaum zu glauben, dass es sich bei dem weiten Gelände, das wir nun betreten, um einen ehemaligen militärischen Übungsplatz handelte, denn zusammen mit der groß angelegten Renovierung der Burganlage um 1900 wurde daraus ein wunderschöner englischer Garten, der Parco Sempione (Simplon-Park).
Nicht weit vom Eingang, an dem etliche Sicherheitskräfte Posten bezogen haben, entlockt ein Musiker seinem Schlagzeug einen zünftigen Reggae-Rhythmus und singt die bekannten Texte. Umringt von entspannten Menschen jeglicher Couleur, die sich auf den Wiesen herumfläzen, hat der junge Mann offensichtlich Spaß an seinem Handwerk. Hier verweilen wir in wenig, wiegen uns im Takt der Musik und singen eine Runde mit.




Der Weg durch den Park schlängelt sich an weiteren Wiesen entlang und passiert hinter einem von Jugendlichen gut besuchten Basketballplatz ein kleines Theaterhalbrund mit interessant herausgearbeiteten Sitzgelegenheiten (Accumulazione musicale e seduta), im Jahr 1973 erschaffen vom Objektkünstler Armand (1928 - 2005) zur 15. Triennale.


Eine von Nixen bewachte Brücke („Brücke der Meerjungfrauen“), führt über ein idyllisches Gewässer mit Schildkröten und anderem Wassergetier. Ursprünglich überquerte diese Brücke in verlängerter Form den Naviglio San Damiano an einer anderen Stelle in der Stadt. Die vier gusseisernen Schwestern, die in einer Gießerei am Comer See gefertigt worden waren, brachten es in Mailand zu einigem Ruhm. Nachdem der Kanal überdeckt worden war (heute: Visconti-di-Modrone-Straße, Teil einer Ringstraße um den Innenstadtbereich), verlegte man daher die an dieser Stelle nutzlos gewordene Brücke in verkürzter Form in den Park.










Nach einem anstrengenden Tag in der Stadt mit der Bewältigung von Menschenmassen und Verkehrslärm vor den Toren des Kastells sind bei weitem nicht nur Touristen hierhergekommen, um ein wenig abzuschalten. Man sitzt auf Bänken und Wiesen, alle sehr gelassen und entspannt. Die Atempause in dieser Oase der Ruhe tut richtig gut.


Schließlich gelangen wir zum äußeren Rand des Parks. Hier steht der schon von weitem sichtbare, 25 Meter hohe Arco della Pace. Er sollte zunächst als Triumphbogen an den Ruhm Napoleons erinnern, wurde letztendlich nach dessen Niederlage in Waterloo dem Europäischen Frieden von 1815 (Wiener Kongress) gewidmet, daher auch die Bezeichnung „Friedensbogen“.



Denselben Weg wie bis hierher nehmen wir auch wieder zurück, überqueren das Brücklein über den Teich, lustwandeln über die Schlossplätze, tauchen wieder ein in die laute Menschenmenge auf dem Domplatz und bewundern die vom warmen Abendlicht angestrahlte Basilika, deren Pforten sich gerade schließen.


Schnell senkt sich die Dämmerung über die Stadt, während wir noch einer recht guten Zweimann-Rockband zuhören, die dem Publikum mit alten Gassenhauern wie Stairway to Heaven oder Smoke on the Water einheizt. Mittlerweile wirkt die nun in künstliches Licht getauchte Kirche nochmal ganz anders. Heinrich Heines Assoziationen gehen derweil über die bloße Betrachtung des Marmors bei Nacht hinaus:

„Im mitternächtlichen Mondschein gewährt es noch den besten Anblick, dann kommen all die weißen Steinmenschen aus ihrer wimmelnden Höhe herabgestiegen, und gehen mit einem über die Piazza, und flüstern einem alte Geschichten ins Ohr, putzig heilige, ganz geheime Geschichten von Galeazzo Visconti, der den Dombau begonnen, und von Napoleon Buonaparte, der ihn späterhin fortgesetzt.“


Bis Mitternacht müsste man noch ein paar Stunden warten, wenn der Platz sich geleert hat, die Straßenlaternen erloschen sind und die Figuren von ihren Türmchen herabschweben, um sich wispernd um Gehör bemühen. Doch so lange können wir uns hier nicht mehr aufhalten. Wir sind rechtschaffen groggy, nehmen daher die U-Bahn zum Hotel, gehen noch gemütlich essen und fallen schließlich in einen seligen Schlummer.

Die Informationen zum Castello Sforzesco und Parco Sempione wurden der offiziellen Seite zum Castello Sforzesco entnommen, Das Heine-Zitat stammt von der Seite Heinrich-Heine-Net beide Abrufe am 08.12.2019.


Navigli