Ausklang


Die letzten Teile meines Reiseberichtes jetzt im März und April 2020 fertigzustellen, ist mir sehr schwer gefallen, weil sich die Bilder, so wie wir sie erlebt haben, komplett geändert haben. Dort, wo wir noch vor wenigen Monaten entspannt unter vielen Menschen in Cafés gesessen, uns auf dem Domplatz gedrängt und uns in Massen von Fahrgästen in der U-Bahn aufgehalten haben, herrscht jetzt gähnende Leere.
Ausgerechnet die Lombardei hat die Krankheit am schlimmsten getroffen, eine Region, die uns so unglaublich gut gefallen hat, dass wir auf unserer Rückreise Pläne für einen nächsten Besuch geschmiedet haben, was aber angesichts des COVID-19-Ausbruchs so bald wohl nicht möglich sein wird.

Webcams zeigen weltweit in allen touristischen Hotspots das Fehlen von Menschen, schon seit mehreren Wochen auch in Italien. Die Sehenswürdigkeiten Roms, die zu dieser Jahreszeit belagert, die Brücken und Plätze Venedigs, die nach dem Winter von zig Reisegruppen verstopft wären, aber in diesem Jahr schon vor dem abgesagten Karneval lediglich von Polizisten kontrolliert wurden. Und eben der immer gut besuchte Domplatz von Mailand, der insbesondere im Regen ohne seine Besucher an Trostlosigkeit kaum zu überbieten ist.

Bei unserer Reiseplanung standen ursprünglich auch alternative Besuchsziele neben dem Comer See zur Auswahl, wozu wegen der räumlichen Nähe zu Mailand und der guten Nahverkehrsanbindung unter anderem Bergamo zählte. Die Stadt ist zum Sinnbild dessen geworden, was das Virus ungebremst anrichten kann. Die Bilder in den Nachrichtensendungen werden uns in Erinnerung bleiben, als man die Leichen, die die Krankheit täglich forderte, mit Armeekonvois wegbrachte, weil die städtischen Bestattungsinstitute und Krematorien von der zu bewältigenden Anzahl überfordert waren. Wie groß muss die Angst der Einwohner des Landes gewesen sein, als die Hiobsbotschaften jeden Tag zigtausende neu Infizierte und bis zu tausend Tote verkündeten und das Gesundheitssystem kollabierte.
Und Mailand selbst, jene moderne, selbstbewusste Stadt. Nichts bleibt von allem schönen Glanz, wenn die Angst um sich greift und es ans Sterben geht. So werden die Bilder von verwaisten Plätzen und gespenstisch leer wirkenden Straßen uns noch weiterhin begleiten, als ob die Städte ausgestorben wären, auch wenn sich die Lage in Italien zurzeit langsam zu entspannen scheint.

Wir wird der Tourismus der Zukunft aussehen? Werden wir künftig nur mit Mundschutz reisen? Werden wir überhaupt noch in Massen unterwegs sein wollen und dürfen, oder werden wir ab jetzt „auf Abstand“ bedacht sein? Wird es die Reisemöglichkeiten, wie wir sie kannten, überhaupt noch geben?

Uns bleiben die Erinnerungen an unseren letzten unbeschwerten Urlaub in einer wundervollen Stadt und den herrlich entspannt verbrachten Tag am Comer See. Wir hoffen, dort wieder hinreisen zu dürfen, auch wenn es eine Weile dauern wird und die Umstände andere sein werden. Doch im Moment ist das unsere letzte Sorge.

geschrieben im April 2020


Am Ende dieser Reisebeschreibung, zu Ostern 2020, in mitfühlendem Gedenken an die Opfer der Pandemie in Italien und weltweit, aus Verdis Messa Da Requiem (Teatro alla Scala), Anja Harteros' gefühlvolles Libera Me