Cimetière
de Montmartre


Für Alex habe ich mir eine Überraschung ausgedacht, die ich ihm bereits am Vortag angekündigt habe, wohlwissend, dass nun unbändige Neugier und Vorfreude aufbranden. Die Mutmaßungen reichen weit, relativieren sich jedoch zu einem ungläubigen und leicht enttäuscht klingenden „Wir gehen auf einen FRIEDHOF?“, als wir die Außenmauern des weitläufigen Cimetière de Montmarte umrunden, der nur wenige hundert Meter von unserem Appartement entfernt gelegen ist. „Warte ab, das hier ist nicht irgendein Friedhof, du wirst Augen machen," sage ich ihm. Den am Haupteingang ausgestellten Plan ignorieren wir, und ich erkläre Alex, dass wir bald zum Grab eines der ganz Großen kommen werden, den auch er sehr verehrt. Die Spannung steigt, als wir durch die baumbestandenen Alleen zwischen den alten Gräbern hindurchgehen. Genau weiß ich die Stelle nicht, doch vom Foto her habe ich mir die weiße Figur mit seiner Büste und die ungefähre Richtung eingeprägt.
Eine deutschsprachige Reisegruppe hat sich bereits um das Grab dieser besonderen Persönlichkeit geschart und lauscht den Worten einer Reiseführerin, als auch ich schließlich die kleine Statue entdecke.


Beim Näherkommen frage ich Alex, wer da wohl ruht? „Heinrich Heine“ raunt eine Spielverderberin aus dem Pulk. Na vielen Dank, liebe Frau, Sie waren überhaupt nicht gemeint! Die freudige Überraschung ist trotzdem gelungen. Alex ist gerührt, verehrt er doch diesen Poeten ganz besonders.
Zunächst spazieren wir noch ein wenig weiter und kehren erst wieder zurück, als sich nur noch vereinzelt andere Besucher am Grab aufhalten und dieses Dichters der Romantik und seiner Wortgewalt gedenken.


Wie ergreifend sich seine einfachen Zeilen in der Auseinandersetzung mit dem Ende auf dem Grabstein lesen:




Lieber Heinrich, wir verneigen uns tief vor deinem Lebenswerk. Ewig sollst du leben in den Gedanken und Herzen der vielen Besucher deiner letzten Ruhestätte. Nur deiner Frau hätte man wenigstens auf eurem gemeinsamen Grabstein neben einem lapidaren „Frau Heine“ auch den Vornamen mitgeben können. Sie hieß vor der Heirat Augustine Crescence Mirat und wurde von dir liebevoll „Mathilde" genannt.

Ein ausgiebiger Spaziergang führt uns weiter über diesen mit herbstlich gefärbtem Laub bedeckten Friedhof auf der Suche nach anderen Gräbern bedeutender Persönlichkeiten. Wir schlängeln uns durch schmale Durchlässe zwischen den alten Ruhestätten hindurch, lesen die Namen der hier Bestatteten. Unter anderem wurden auf diesem Friedhof auch der Maler Edgar Degas, der Komponist Jacques Offenbach, der physikalisch begabte Léon Foucault sowie der Schriftsteller Alexandre Dumas, der Jüngere, und seine „Kameliendame", Alphonsine Plessis, beerdigt.


Nachdem uns eine Passantin vollkommen in die Irre geschickt hat, finden wir ganz in der Nähe des Eingangs die Gräber des Komponisten Hector Berlioz und des Schriftstellers Émile Zola, wobei die Gebeine des Letzteren schon 1908 in die Ruhmeshalle des Panthéon umgebettet wurden.



Hier ruhen nun also viele der Künstler, die in Montmartre lebten, die sich in den Cafés und Ateliers trafen, zusammen lachten, sich auseinandersetzen, stritten, diskutierten, politisierten, malten, musizierten, schrieben, neue Sichtweisen erfanden und mit ihrem Schaffen die Welt veränderten.

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