Man steigt eine Treppe hinauf und steht in einem lichtdurchfluteten Foyer. Eine weitere Treppe führt nach oben, und genau dort war man noch bei den Redebeiträgen anlässlich des Festivals Odysseus des Nordens - Die Griechen kommen! (50 Jahre deutsch-griechisches Anwerbeabkommen).
Bis dorthin wollten wir aber gar nicht, denn im Foyer standen bereits einige Menschen an Tischen und nippten an einem Drink oder unterhielten sich. Eine Fotoausstellung lenkte die Blicke zwar auf die linke Seite des Raumes, doch wir waren auf Anhieb fasziniert von dem Menschen an dem Tisch genau vor uns, in der Mitte.
Dort stand er: Pandelís Thalassinós, unterhielt sich mit ein paar Leuten, lachte und scherzte herum. Mit schwarzer Hose, schwarzem Hemd, die langen Haare zu einem lockeren Zopf zusammengebunden. Wir waren ziemlich sprachlos, den von uns Verehrten jetzt so einfach da vor uns stehen zu sehen, live und in Farbe!

Ein wenig schlichen wir herum, unsere Blicke wanderten jedoch immer wieder zu ihm, diskret natürlich, wir sind doch keine Gaffer! Haha! Dann war er wieder weg. Während oben weiter geredet wurde (den Inhalt bekamen wir akustisch nicht mit), schauten wir uns die Ausstellung in Ruhe an. Noch hatten wir über eine Stunde Zeit, denn das Konzert sollte erst um 21.00 Uhr beginnen.

Auf einer Seite des Foyers, gegenüber dem Treppenaufgang, stand ein Tisch an der Wand, an den wir uns anlehnten. Nur wenige Meter entfernt schaute man durch eine Glastür nach draußen, auf einen kleinen Absatz, von dem eine Treppe hinunter in einen Hof führte. Und dort – und jetzt haltet euch fest – standen Pandelís Thalassinós, Michális Tzouganákis und einige andere und waren am Palavern, einige auch am Rauchen.

Pandelís kam nach kurzer Zeit wieder herein und an uns vorbei. Alex zögerte nicht lange und sprach ihn an. „Darf ich eine Frage stellen?“ – Pandelís blieb sofort stehen, nickte uns lächelnd und freundlich zu. Alex stellte uns beide kurz vor und endlich, endlich, konnte die Frage, die ihn schon seit Jahren umtrieb, geklärt werden. „Kann es sein, dass du 1991 auf Samothráki warst? Ich kannte da nämlich einen Musiker, der Pandelís hieß. Und der sah dir sehr ähnlich.“ Er ließ die Jahre kurz vorbeiziehen, verneinte aber dann. Er sei zwar auf Samothráki gewesen, nicht aber im Jahr 1991. Woher wir denn kämen? Ich sagte ihm, aus Saarbrücken, einer Stadt, die etwa 200 Kilometer weit entfernt von Mainz liegt. Pandélis war sichtlich erstaunt und freute sich sehr darüber, dass wir so weit gereist waren, um sein Konzert zu besuchen. Er sei das erste Mal in Deutschland, sagte er. Offensichtlich fühlte er sich sehr wohl. Nach ein paar Minuten wollte er dann weiter in den Saal.
Im Gespräch gewannen wir den Eindruck, dass Pandelís ein völlig unkomplizierter, offener und freundlicher Mensch ohne Allüren ist. In Griechenland ist er nicht nur bekannt, sondern ein viel geachteter Sänger und Komponist, der ein großes Publikum vereint und mehrere CDs veröffentlicht hat und der in den wichtigsten Musentempeln Griechenlands aufgetreten ist. Und um seine Bedeutung dort nachzuvollziehen, kann man sich die Interpretation von Κερύνεια mit Giórgos Daláras anschauen, wo Giórgos die zweite Stimme singt! Ein Lied, komponiert von Pandelís.


Alex hatte mittlerweile ordentlich Schmacht auf eine Zigarette. Ansatzlos ging er in Richtung Glastür und hinaus auf den Treppenabsatz. Als ich mich umblickte, sah ich, dass er sich angeregt mit Michális Tzouganákis unterhielt, als ob man sich schon seit längerem kennen würde. Ich bin dann natürlich direkt hinterher. Zuerst wollte man mich nicht durchlassen. Ich bestand aber darauf: Ich gehöre dazu! Achselzuckend ließ man mich dann gewähren.

Michális nickte mir freundlich grüßend zu, während Alex mich kurz vorstellte. Ich war jedoch so befangen, dass mir die Sprache fehlte, während Alex sich munter weiter unterhielt. Michális fragte ihn, wo er herkomme. Alex erklärte, dass er seit über 35 Jahren in Deutschland lebe. Michális’ Miene zeigte Anerkennung. Er meinte daraufhin, die Atmosphäre in Deutschland sei sehr positiv.
Er benutzte dabei das griechische Wort Klima, und ich Idiot verstand, dass er das wettermäßige Klima in Deutschland mag, worauf hin ich energisch den Kopf schüttelte. Ich blööööööööd!
Alex fragte ihn nach seiner Herkunft, und Michális erzählte, er sei in Belgien geboren und hätte dort seine Kindheit verbracht. Ende der 1970er seien sie zurück nach Griechenland. Alex fragte daraufhin spontan, ob sein Vater im Bergbau tätig gewesen sei, was Michális ziemlich verblüfft bestätigte.

Währenddessen gesellte sich ein weiterer Mann, den wir aber nicht kannten, zu uns. Man redete, Alex ging auch mal die Treppe nach unten, um seine Zigarette auszudrücken, kam wieder herauf, man redete weiter. Michális erklärte, dieser Mann sei der Veranstalter des heutigen Abends. Zu unserer Schande muss ich gestehen, dass wir im Vorfeld gar nicht wussten, wie Aléxandros Karósas aussieht. Zu sehr waren wir auf das Konzert mit Pandelís fixiert. Asche auf unsere Häupter!
Mit Respekt in der Stimme meinte Michális, auch Giórgos Daláras habe er nach Deutschland zu den Konzerten bringen können! Ha, wir seien doch kürzlich bei dem Konzert in Frankfurt gewesen, meinte Alex, und da habe er, Michális, doch auch gespielt! Und im letzten Jahr, nein nicht im November, sondern im Mai, hätten wir ihn auch in Frankfurt erlebt. Nur kurzes Überlegen bei Michális und mit einem erfreuten „In der Fabrik!“ hatten wir die Gemeinsamkeit.

Ich verstand nur die Hälfte. Und irgendwie war ich immer noch so erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit wir hier zusammen mit den Künstlern reden konnten. Vielleicht war das vom Veranstalter nicht so geplant, aber uns hat es sehr viel gegeben, die Menschen hinter den Musikern ein wenig kennenzulernen.
Was mich aber ärgert, ist, dass ich nicht in der Lage war, Michális für seine Musik zu danken, ihm zu sagen, wir großartig ich sein Lautenspiel finde, wie sehr ich seine Interpretationen mag und wie ich Kreta damit verbinde, wo ich mehr als zwei sehr intensiv erlebte Jahre meines Lebens verbracht habe. Ich sah einfach nur seine glänzenden, freudigen Augen und seine bescheidene, sympathische Art. Ein interessanter Mensch. Freundlich verabschiedeten wir uns dann schließlich. Er käme nicht mit zum Konzert von Pandelís, meinte er, er müsse jetzt gehen.

Kurze Zeit später öffneten sich die Pforten zum Saal. Wir waren bei weitem nicht bei den ersten, die sich ihre Plätze suchten (sie waren ja nicht nummeriert); aber vorne rechts, in der ersten Reihe, waren noch Sitzplätze frei! Und genau dort setzten wir uns auch hin.

Das Konzert