Teil 3: In Arkássa und von Arkássa aus,
und schließlich zurück nach Kreta

Copyright puchheim = MartinPUC, März 2010



An einem Freitagmorgen kurz vor 8 (Abfahrt in der Saison möglicherweise eine halbe Stunde eher) steigen wir aufs Schiffchen, das einige wenige Nordkarpathioten, die sich gleich in den Innenraum verziehen, und uns Touristen nach Pigádhia bringen soll. Es geht ganz locker zu auf dem Boot. Kassiert wird erst beim Aussteigen am Zielort, der Mann im Steuerhaus singt ab und zu ein Liedchen, das gedämpft zu uns herausdringt, und der einzige, sonnengebräunte, für uns sichtbare Matrose steigt barfuß auf den Planken herum. Szenen, die mich an frühere Jahre erinnern. Ganz intensiv wirken Meer und vorbeiziehendes Land auf uns Freiluftpassagiere ein.
Die beschauliche Fahrt hat nach fast genau 1 Stunde und 55 Minuten ihr Ende.

Bis zur vom Hafenbecken her kommenden Ausfallstraße (nord)westlich der Eparchie–Verwaltung schleppen wir unser Gepäck, nehmen schließlich vor einer Mischung aus Café und Kindergarten (ohne Kinder, aber mit vielen Spielgeräten drinnen) Platz und bestellen erst mal Kaffääh. Zwei von uns gehen dann zu Avis hoch, wo wir einen deutlich größeren Wagen als beim ersten Besuch bekommen, der uns für zwei Tage gute Dienste tun sollte.
Auf nach Arkássa! Heute über die Strecke an Lakkí und dicht am Inselairport vorbei.

Nach dem Hinabtauchen in die Ortschaft hinein schnell scharf links, gleich vor der Taverne Kríti. Das herrliche Sträßchen hinter ins Viertel Ágios Nikólaos. Die paar Hundert Meter finde ich immer besonders schön, insbesondere zu Fuß. Trotz aller spärlichen Bebauung hangaufwärts noch ein echtes ländliches Idyll, meerwärts. Gleich links oben das tolle Appartement, das mir vom Kalí Kardhiá durch Vermittlung von S. zur Verfügung gestellt worden war. Dann vorbei an einer anderen bereits von mir erprobten Wohnstätte, schon ist die kleine Touristensiedlung oberhalb des Sandstrandes erreicht.

Leider ist weiter unten, in unmittelbarer Nähe des Strandes, nun ein veritables Großhotel im Entstehen, dessen Gäste im Juli/August wohl alleine ausreichen, die Liegeplätze im Sand vor den Wellen einigermaßen gut zu füllen. Aber nun herrscht Ruhe vor Ort, wir fühlen uns als (fast) die einzigen Gäste im Viertel, selbst der Minimarkt mit dem so netten Personal oben an der Ecke, wo die Stichstraße zum Strand beginnt, hat seine Pforten geschlossen – ebenso wie der größere vorne gegenüber der Taverne Kríti (diese selbst hat auch bereits dichtgemacht). Man ist nun auf die Geschäfte im Ortskern angewiesen.

Doch unsere Wohngegend etwas außerhalb des Dorfes ist traumhaft schön, und man genießt sie selbst gegen Ende Oktober und nach Abzug aller anderen Mittouristen (die letzte Dienstagsmaschine von Air Berlin stellt sich als Abräumer heraus!) noch in vollen Zügen.
Unterhalb der kleinen Asphaltstraße vom Ort ins Strandviertel liegen hübsche Felder und Wiesen, erstrecken sich Schilfreihen und Hecken, stehen Ziegen und Esel in der Landschaft. Vor einem das klotzige, steil ansteigende, ins Meer hineinragende Paleókastro–Kap, ein prächtiger Aussichtsort mit einigen archäologischen Überraschungen da oben, südlich das niedrigere Kap, das den nicht übermäßig ausgedehnten Sandstrand zur anderen Seite hin begrenzt. Gegenüber der mächtige Felsbrocken namens Insel Kássos. Ausblicke auf karpathiotische Bergketten und das wunderschön anzusehende nahe weiße Dorf mit seinem hübschen, nach oben hin gestuften und sich verjüngenden typischen Dodekanes–Kirchturm.

Das alles bietet sich genauso von dem Eckzimmer unserer Unterkunft aus, das zu bewohnen ich das Glück habe.
Zwei Meter an mir vorbei ist ein Adler aufgestiegen, aus dem Gebüsch hinter einem Ziegenverschlag. Schnell durchquere ich mein Prachtstudio vom Balkon der Eingangsseite zu jenem der westwärtigen Aussichtsseite hin, um den Greifvogel zu verfolgen. Später sehe ich insgesamt vier Exemplare ihre Kreise ziehen.
Der Besitzer, Captain Michális, ist ein sehr netter Zeitgenosse, bei dem man sich so richtig wohlfühlen kann. Er selbst geht noch täglich schwimmen am nahen Strand, auch noch Ende Oktober, wundert sich, wenn der Gast es ihm nicht gleichtut. Denn das Wasser ist zweifelsohne noch warm genug für ein ausgedehntes Bad. Die Preise im Oktober eigentlich eine Unterbezahlung des Gebotenen. Hier schwelgt man im Urlaubsglück – wenn das Schicksal es gerade mit einem gut meint. Und füttert die Katzenschar.

Beim Schlendern durch Arkássa fällt mir zu meinem Leidwesen auf, dass das Kafenío der alten Frau mit ihrem so preiswerten Kaffee nun zugesperrt ist. Hat sich bestimmt nicht rentiert. Im Kalí Kardhiá verlangen sie zum ersten Mal viel mehr als auf ihrem Preisaushang steht.

Draußen an einem der Tische des Táka Táka Mam am Dorfplatz ist die Welt noch in Ordnung. Freundlicher Wirt, gutes, preiswertes Essen, Musik von der Bar gegenüber und ein bisschen Autolärm – wie es sich für ein griechisches Dorf gehört. Etwas seltsam kommt mir nur das Spiel einer Gruppe aus jungen Einheimischen und Amerika–Karpathioten vor: Sie postieren eine Menge mit Bier gefüllter Pappbecher auf einem Tisch des Lokals und schmeißen dann aus einiger Entfernung mit einem kleinen Ball nach ihnen. Wer, plumps und schwapp, in die Biersoße trifft, darf diesen einen Becher (ohne Ball) hinunterstürzen, d. h. ihn sich einverleiben – aussaufen eben.
Es dauert nicht lange, und einige kleine Jungs machen ihnen das mit wassergefüllten Bechern nach.


Zum Saisonende in Ádhia

Es ist nur ein relativ kurzer Ausflug von Arkássa aus. Ich will meinen Mitreisenden einmal das Reich von Níkos Papanikoláou zeigen, der meines Wissens in Pilés geboren wurde, väterlicherseits jedoch Wurzeln in Ólimbos hat – was sich immer noch in seiner Küche und seinem köstlichen Steinbackofen–Brotangebot niederschlägt. Wie es dem alten, bei meinem letzten Besuch noch so erstaunlich rüstigen Idealisten wohl geht?

Die kurvenreiche Westküstenstraße führt uns vorbei am Abzweig nach Pilés und kurz darauf auch jenem zum neuen Standort des Lokals Under the Trees, das von der Ágios–Geórgios–Bucht nun ein paar Kilometer nordwärts verpflanzt wurde. Wenn das Essen dort nach wie vor so üppig wie früher und vor allem der (kretische) Weißwein so köstlich wie gewohnt ist, werde ich es nicht versäumen, bei meiner nächsten Reise auf die Insel dorthin zu exkursieren.
Unmittelbar vor dem bewaldeten Anstieg über die Serpentinen Richtung Lefkós biegen wir bei dem großen Schild Pine Tree Restaurant das kurze Wegstück links ab, fahren an den Sunset Studios vorbei und schlüpfen schließlich durch die Toreinfahrt in die Gefilde des zweifellos größten Bananenpflanzers der Insel.

Eine angenehme Erinnerung kommt in mir auf an die wenigen Tage, die ich im Juni 2006 in Zimmer Nr. 3 in dem abgesonderten Bau vor dem Garten verbracht, an die Wäsche, die ich an den langen Dornen des Zierbusches auf meinem Balkon zum Trocknen aufgespießt habe, die Kilo von abgefallenen roten Blütenblättern in der Balkonecke, an die nette Bekanntschaft mit dem älteren Münchner Paar, das im Zimmer nebenan logierte (und die lange Wanderung von Lástos nach Spóa absolvierte, nach 1 Ü dort oben bei Thanássi) – der Ehemann ein überzeugter Athos–Liebhaber, dessen wunderbaren, in der Pause mit kulinarischen Schlemmereien angereicherten Athos–Vortrag ich später in München miterleben durfte.

Wir parken neben dem Haupthaus mit der Taverne und noch einigen Studios darüber, direkt neben den beiden Steinbacköfen.
Keine Menschenseele ist zu sehen, diesen 23. Oktober.

Auf der Terrasse nur mehr einige wenige Tische, einer davon garniert mit benutztem Geschirr, Granatapfelschalen, einem halb geleerten Frappé, einem Feuerzeug, irgendeinem langen Messer. Das Motorboot ist auf dem Westende der Gastterrasse abgestellt. Alles mögliche Zeugs stapelt sich daneben und dahinter. Schließlich, auf dem Weg zu den Toiletten hinter dem Haus, die offenen Werkzeugregale an der Hauswand, ein leichtes und liebenswertes Chaos.
Drinnen im Thekenbereich und rechts anschließenden, zur Theke hin völlig offenen und unvermauerten „Wohnzimmer“ regt sich auch nichts. Es ist aber nicht abgesperrt, und so dringen wir ein und rufen nach Níko – keine Antwort.

Besagtes leichtes (bis mittleres) und liebenswertes Chaos setzt sich im Küchen– und Wohnbereich fort. Ganz offensichtlich weilt hier kein Gast mehr, ist die Saison zu Ende, sind die ausländischen Hilfskräfte längst abgereist. Eine Albéna und ihr ebenfalls bulgarischer Mann hätten ihre ordnende Hand walten lassen, wären sie noch zugegen.

Das Wohnzimmer scheint nun zum Schlafraum ausgeweitet – ich erinnere mich gut an das Fußball–WM–Spiel, das ich zusammen mit anderen Juni–Gästen damals auf Nikos' jetziger Schlafstätte (seinerzeit eine Sitzgelegenheit) mitverfolgt hatte. Die Azzurri siegten gegen Tschechien, und das anwesende junge italienische Paar ist darüber schier ausgeflippt.

Richtig melancholisch erscheint mir dies alles nun, da niemand mehr zu Gast ist, der alte Mann sich selbst überlassen. Mit Sicherheit wird das kommende Saison wieder ganz anders aussehen.

Von oben schauen wir runter auf den Garten zur Linken. Viel ist gerade aufgegraben, es soll wohl Neues angepflanzt werden, insbesondere neue banánes. Sieht gerade nicht so idyllisch aus, wie man es ansonsten gewohnt ist.
Auf einmal nähert sich ein Auto, hält an, und hier ist er schon, der Níkos in Begleitung eines älteren griechischen Paares, das ihn hergebracht hat. Immer noch schlank ist er, keine Spur von Speckansatz.
Er zeigt ihnen etwas im Garten, kommt später zu uns, will uns in seiner trockenen, dennoch freundlichen Art etwas auftischen.
Albéna und ihr Mann seien schon vor drei langen Jahren weggegangen, erfahre ich von ihm. Wir bestellen was zu trinken, und Níkos bringt uns vier oder fünf Granatäpfel dazu, die wir zumindest mitnehmen sollten. Ach, immer wieder Granatäpfel! – Wir kriegen sie diesen Oktober wirklich überall geschenkt, es ist eben ihre Erntezeit. Wird allmählich zu viel, obwohl ich sie durchaus mag, nur komm ich mit dem Verspeisen nicht mehr mit, exportiere zum Schluss einige nach Jermanía. War natürlich dennoch eine nette Geste von Níkos.

Weil der Ort gerade leider nicht sonderlich attraktiv auf uns wirkt und ich inzwischen etwas betroffen dasitze, fragen wir lieber nicht nach weiterem Essen und verabschieden uns zügig.
Es ist doch besser, an gewissen Plätzen noch während der Touristensaison aufzutauchen, um sie dann voll auskosten zu können. Ádhia ist auch so einer.


Wiedersehen mit Thanássis auf der Lástos–Hochebene

Etwas ganz Besonderes hab ich noch auf Lager für meine beiden Kárpathos–Neulinge. Einen Besuch beim Thanássis in Lástos empfinde ich inzwischen als Highlight, hat er doch eine Paréa, der ich angehörte, vor einigen Jahren regelrecht kulinarisch verwöhnt, uns einen halben Tag lang bis gut in die Nacht hinein bei sich festgehalten mit immer neuen Spezialitäten, deren Verlockungen wir nicht widerstehen konnten.

Diese eine, sagenhaft scharfe Kurve zu Füßen von Pilés gilt es erst einmal zu bewältigen, ohne halbwegs geradeaus weiterzuschlittern. Ist das geschafft, erfordert nur noch das schmale Band von Gebirgssträßchen westlich von Voládha die volle Konzentration der Lenkerin, die nicht zu beneiden ist, entgeht ihr doch so mancher atemberaubende Tiefblick.
Auf der Ebene angelangt, finden wir zu meiner Überraschung ein inzwischen gut ausgebautes „Straßennetz“ vor, zum einen bis vor Thanássis’ Haustür, zum anderen bis zum nahe gelegenen Kloster Ich–weiß–nicht–mehr–genau–wie–es–heißt.

Da der Hochalmbewohner just bei unserer Ankunft damit beschäftigt war, die Ummauerung für ein Kazáni zum Rakí–Brennen zu vollenden, entschieden wir uns für einen kleinen Ausflug zu besagtem Kloster, an dessen Renovierung Thanássis, wie er uns versicherte, beteiligt war. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um das Kloster des Erzengels Michaíl.
In der eigentlichen Klosteranlage waren immer noch Bauarbeiter am Werk. Etwas überhöht eine hübsche Kirche, von der aus sich alles besser überblicken lässt. Ich denke, es war hier, dass Th. tatkräftig mitgewirkt hat an irgendeiner Verzierung. Er hatte es uns ja genau erklärt, aber lang ist’s her, aus der Rückschau.
Wir steigen den Hügel querfeldein, über Stock und Stein, weiter hoch, bis sich der Ausblick wieder voll entfaltet, bis weit in den Norden die Küste lang.

So, jetzt fahren wir zurück zu Thanássi. Parken wenigstens das Auto. Wandern dann noch eine gute halbe Stunde westwärts, erst auf dem Feldweg, dann wieder quer durch die Landschaft. Bestaunen eine gerade nicht gefüllte Schaf– oder Ziegenkoppel mit einem gegen die bösen Geister draufmontierten Gehörn.
Ein wenig dringen wir ein in den Nadelwald, der die Schlucht umfängt, in der sich der Weg hinunter nach Ádhia erstreckt. Nun glauben wir umkehren zu können. Noch ein Schwätzchen mit einem Bauern auf Feldarbeit.

Ja, Thanássis ist fertig mit der Arbeit, wir werden gewohnt freundlich aufgenommen und bewirtet, diesmal allerdings nur vegetarisch – alles aus dem eigenen Garten!
Sehr schade: Der Wein weist dieses Jahr keinerlei Überfliegerqualitäten auf (– mag sein, dass der gute schon aufgetrunken oder für besonders liebe Gäste reserviert ist). Das freudig erwartete Traubengetränk entpuppt sich leider als essigbetont mit explizitem Maggigeschmack. Die zweite, rotere Variante, von der nur mehr wenig übrig ist, schmeckt deutlich besser. Tadellos der Tsikoudhiá. Ein wohlgenährter älterer und ein schlanker, länglicher jüngerer Hund vervollständigen die Szenerie. Th. hat schon immer Hunde gemocht.
Bald ergänzt ein netter dänisch–österreichischer Besuch die Runde.

Thanássis, der agile Tavernenwirt und Selfmademan, will sein Reich weiter ausbauen. Nachdem die Zufahrt zu ihm fertig geteert ist, hegt er Pläne, den existierenden zweien weitere Zimmer hinzuzufügen – ein echter Optimist, angesichts des Besucherrückgangs auf der Insel.

Irgendwie schade, dass wir tags darauf nicht noch einmal zu einer größeren Feier raufkommen konnten. Ich hätte gerne die S. wiedergesehen und etwas länger gesprochen. Aber nichts zu machen wegen unserer Weiterfahrtspläne nach Kreta, und bestimmt auch besser für die Fahrerin des Leihwagens ..., hick!


Auf der Prévelis zurück nach Kreta

Wir vereinbaren die Übergabe des Leihwagens im Hafengelände von Pigádhia – direkt am Kai beim Hafencafé. Hierzu muss ich der Fahrerin gut zureden, wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch (bis hin zum totalen Verkehrsstau) in die für den Normalverkehr an sich gesperrte Zone einzudringen und dann auch noch im absoluten Halteverbot zu parken. Kicher, kein Problem, wir sind ja nur in der EU, nicht in Deutschland!

Der Mann von Avis ist so freundlich, hier auf uns zu warten. Kaum sind wir angekommen, springt er auch schon von seinem Kafenío–Stuhl auf, umschreitet das Gefährt, erkennt keine weiteren Dellen und gibt sich damit zufrieden. Nachgetankt haben wir auch noch gut.
Ist schon ein toller Service der Autovermieter, auf dieser Insel, da kann man nicht klagen. Sie geben sich jegliche Mühe, dem Gast entgegenzukommen.

Ich steig schon mal auf die Molenmauer, guck auf die Wellen über einen nicht gerade ästhetisch herausragenden Uferabschnitt. Seh zwei braune Schönheiten vor ihrem tsunamigefährdeten Uferhaus sitzen und einfach zusehen. Neben mir der Dieselgeruch wartender LKWs, hinter mir großflächige Kárpathos–Werbung mit jungen Frauen in olimbitischer Tracht, deren Schönste m. W. bereits verheiratet ist und wohl wie so viele zusammen mit dem Angetrauten abgereist ins ferne Ausland.

Viel unvermuteter als man glaubt schiebt sich plötzlich mit aller Power eine bullig breite Schiffsfront zum Anleger heran: die Prévelis – wie herrlich sie daherkommt, was für ein Prachtstück von Schiff! Eben ANEK, Kreta. Da sie zweimal die Woche ohne Zwischenstopp auf Chálki direkt von Rhodos hersteuert, nimmt sie in der Regel (aber nicht immer) den Weg entlang der Ostküste der Roseninsel, also an Líndos vorbei, und kommt für einen im Hafen von Pigádhia Wartenden um dieselbe Ecke wie die Fähren von Kássos und Kreta. Auf einmal ist sie da. Dann geht ein Raunen durch die wartende Menge, und ich hüpfe von der Molenmauer und jogge zu den beim Gepäck vor dem Café wartenden Frauen.

Eile hätte gar nicht notgetan, du Hüpfwichtel, denn es wird viel ausgeladen, mehr Fracht als Passagiere! Immer wieder rattern die Zugmaschinen in den Schiffsbauch hinein, um neue Auflieger ((Danke, Katharina, den Begriff hab ich von Dir)) herauszubefördern. Ein Geschrei, ein Gepfeife.
In der Menge der Zuschauer befinden sich auch Henk und Maria, die beiden so netten Holländer, und ich kann mich bei Ihnen verabschieden.

Von Deck aus sehen wir noch gut 20 Minuten diesem Treiben zu. Besonders schön immer die Ankunft der Spätankömmlinge unter den Automobilisten und Kleinhändlern, die nach ordentlicher Standpauke zum guten Ende doch noch aufs Schiff dürfen. All die auf dem Asphalt liegen gelassenen Sachen, die irgendwann abgeholt werden sollen!

Dann schäumt das Fahrwasser hinter dem Propeller auf, und diese tolle Kulisse einer weiten Bucht mit der bizarr geformten kleinen Felseninsel so nahe dem Anleger, mit den im Vormittagslicht gleißenden Hängen und Bergdörfern im fernen Hinterland entschwindet nach wenigen Minuten dem Auge des heckwärtigen Betrachters. Kurz nach 10 haben wir abgelegt.
Die Prévelis stampft Am(m)oopí/Lakkí, der Starkwindzone bei Afiártis und der T–förmigen Flughafenlandzunge entgegen. Für 17 Euro 90 (plus 50 Cent Hafensteuer) bis Iráklio Krítis. So viel kostete vor einigen Jahren schon das Taxi vom Flugplatz Kárpathos bis Arkássa. Das Schiff fährt aber eine ungleich längere Strecke.
Irre, wie sich das Dorf Menetés an seine Felshänge krallt.

Nun wieder die so vertraute 90–Grad–Drehung nach Passieren des Kaps Kastéllos. Links das Meeresungeheuer, der weit herausgehobene Riesenwalrücken von Kássos. Wer so etwas zum ersten Mal miterlebt, beschließt vielleicht auf Dauer, lieber das Schiff zu nehmen und auf den Propellerflieger zu verzichten. Rechts Arkássa, am Paleókastro–Kap erkennbar. In der Ferne die Sokástro–Insel vor Lefkós.

Die Nordseite von Kássos. Haarscharf vorbei an dem Aufschlitzer–Inselchen namens Kolofónas. Wehe dem Steuermann, der diese paar Quadratmeter spitzzackigen, nur 2 bis 3 Meter über die Wasserlinie aufragenden Fels nächtens übersieht, trotz aller Radarhilfen und dem Mini–Leuchtfeuer!

Nach dem Ablegen von der sich so hübsch aus der umgebenden Steinlandschaft heraushebenden Hafensiedlung Frí/Emborió steuern wir schon Ostkreta zu. Das Wetter wird suppig, wolkenverhangen. Lichtblitze zucken über die ganze noch sichtbare Länge des kretischen Festlandes hinweg.
Doch erst nach dem Auslaufen aus Sitía, der ostkretischen Hafenstadt, wird es so richtig ungemütlich. Der Bilderbuch–Papás (orthodoxe Priester mit „Zylinderhut“), der mit seiner Neuerwerbung von Digitalkamera neben der Heckfahne des Schiffes rumexperimentiert hatte, flüchtet im Sauseschritt, als sich mit einem Schlag, wirklich wie auf Kommando, alle Himmelspforten auftun und ein mediterraner Starkregen auf die Fähre herunterstürzt. Ganz Kreta dicht umwölkt, keinerlei Sicht auf das Dhíkti–Gebirge oder später das Psilorítis–Massiv. Stattdessen totale Überflutung der Außendecks, man watet geradezu im Wasser, zieht sich irgendwann freiwillig ins Schiffsinnere zurück.

Als wir den so meeresnahen Flughafen von Heraklion passieren, trauen wir unseren Augen nicht: Zwischen herabzischenden Blitzen landen und starten die Jets, so als sei das gar nichts Ungewöhnliches. Da hat wieder mal die Profitgier gesiegt, das Ziel, unbedingt die Flugpläne einzuhalten. Als Passagier würde ich da der Not gehorchend zum Physikgläubigen. Faradayscher Käfig und so. Kann ja nichts passieren!

Copyright puchheim = MartinPUC, März 2010