Ab Memmingen nach Rhodos FMM ist ein Flughäfchen zum Liebhaben, ein Kuschelflughafen, und wenn man sich innen vor den Gates herumtreibt, könnte man sich mit dem Meckatzer Bier eines der besten überhaupt zur Beruhigung gönnen, worauf ich wegen der frühnachmittäglichen Uhrzeit und weil ich häufigen Klogang im Flieger vermeiden wollte, verzichtet habe. Draußen gibt es etliche riesige Parkplätze für tausende von Autos, alle sehr gut gefüllt, man sieht auch viele Tiroler und Schweizer Nummernschilder, die preisgünstigen Flüge mit Ryanair oder WizzAir haben sich längst nach weiter weg herumgesprochen. Dominiert wird der Airport von Menschen aus dem Balkan, bis hin zur griechischen Grenze, und selbst die Flugbegleiterinnen auf meinem Ryanair-Flug, die ich teils für sehr liebe Malteserinnen oder gar Britinnen gehalten hatte, entpuppten sich auf der Busfahrt nach dem Rückflug zum Memminger Bahnhof hin vom Sound ihrer Sprache her als Kroatinnen, Serbinnen, Bosnierinnen ..., wie auch die Busfahrerin, die in ihrer Muttersprache mit vielen einsteigenden Fahrgästen kommunizierte. Ja, ich hab viel zu viel bezahlt für meinen Flug, knapp 250,- Euro, aber ich wusste ja nicht, dass man es mit den Ausmaßen des Begleitrucksackes nicht so genau nimmt, geschweige denn nachmisst. Freilich musste ich wegen Absenz eines Smartphones (Einchecken übers Internet mit Gesichtserkennung) kräftig draufzahlen, um als wohl einziger Passagier eine papierene Boardingkarte beim Hin- und Rückflug am Check-in ausgehändigt zu bekommen. Diese Kleinigkeiten haben mich zusammen genommen 150,- Euro mehr gekostet, ansonsten hätte ich nur 100,- oder gar weniger gezahlt, ich war aber dennoch froh, nicht 550,- oder mehr Euros für Flüge ex MUC bezahlen zu müssen und wollte auch nicht für 350,- Euro oder etwas mehr mit Marabu, einer estnischen Tochter von Condor fliegen, da ich über deren Sicherheitsmängel gelesen hatte. Rhódos-Stadt Nach Ankunft in Rhodos-Stadt per Flughafenbus marschierte ich mit meiner schweren Last auf dem Rücken (13 kg plus ca. 6 kg beide Rucksäcke zusammen) über gewohnte und geliebte Pfade am Meer und der grandiosen Stadtmauer entlang bzw. durch Teile der Altstadt zu meinen „Rooms Eleni“, wo ich versuchte, den Schlüssel wie vereinbart aus einer Box mit Nummerncode herauszubekommen. Das hätte aber nicht funktioniert, und deshalb öffnete sich gleich die Eingangstür zum kleinen Innenhof und Panajóta, die hübsche 25-jährige Enkelin meiner langjährigen Vor-Gastgeberin, nahm mich doch persönlich in Empfang. Ich bekam für diese erste Nacht mein Lieblingseckzimmer im ersten Stock, gleich beim Tonnengewölbe, unter und vor dem ich schon so oft Aussichtsposition bezogen habe, das Katzentheater verfolgte, Gespräche mit Ankommenden führte, die einschwebenden Flieger ins Visier nahm, meine Schlückchen spätabends oder frühmorgens (dann nur Wasser) zu mir nahm. Herrlich sauber und gepflegt, dieses ziemlich kleine Zimmerchen mit einem Riesenbett und wunderschön gekacheltem Badezimmer, aber ohne Schrank, dafür ist kein Platz. Blick auf schönes altes Gemäuer. Auf riesige Hanfbäume, auf Reste eines alten Mosaikfußbodens einer gegenüber liegenden Ruine mit Garten als Katzenheim. Ich war wieder von den Socken, ich liiiiiebe diesen Ort aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, bin der glücklichste Mensch, wenn ich dorthin zurückkehren kann. Morgens darauf erste Stadtspaziergänge, gleich mal zum Neuen Markt mit seinem arabischen Aussehen, obwohl von den Italienern erbaut, zu meinem Lieblings-Freiluft-Kafenío, dem des alten Státhis mit seiner Kapitänskappe, seinem runzligen Gesicht, ein agiler, sehr beweglicher, noch immer recht schlanker Mann, der nun von seiner Tochter Stella und seinem Sohn Manólis unterstützt wird. Herzliche Begrüßung, kein Problem beim Wiedererkennen nach 5-jähriger Rhodos-Pause. Erst einen Nes mit viel frischer Milch und wenig Zucker, dann einen ersten Ellinikó mit etwas mehr Zucker: métrio. Stathis dabei beobachten, wie er ununterbrochen versucht, die vorbeiparadierenden Touris abzufischen, herzuwinken: „Hello!, yes please, Nescafé, Greek Coffee, please sit down …..“. Viele lassen sich überreden. Bald treffen die ersten Dänen, vielleicht auch Norweger ein. Dickbauchig. Bestellen um 9 Uhr früh ihre erste Retsina-Flasche, die Ehefrau macht mit. Ich sitze in der zweiten Reihe, den recht starken Luftzug durch das große Eingangstor vermeidend, die alten, meist armen Stadtgriechen mit ihrer schäbigen, abgewetzten Kleidung sitzen weiter hinten und bestaunen die Luxusmenschen, die sich permanent weitere Getränke leisten können, während sie, die armen griechischen Rentner, stundenlang bei einem erkaltenden Ellinikó (Greek Coffee) mit einem Glas stark chlorierten Leitungswassers für 1,50 Euro in Beobachterposition verweilen. Rundum Souvenirläden, Billigkleiderboutiquen, Sonnenhutbuden, Juweliergeschäfte, kleine und größere Fast-Food-Lokale. Ab und zu kommt ein wackeliges altes Vespa- oder Motorradgefährt, oft mit zerschlissener Sitzbank durchs Haupttor vom Mandráki-Hafen her hereingezockelt. Darauf zumeist ein mehr oder minder gut erhaltener Alter, nicht selten sitzt auf dem Trittbrett noch ein mitreisender Hund zwischen den Beinen des Lenkers. Die Stadtreinigung bläst in stoischer Ruhe Laub weg, stundenlang, stört damit die von allen Anwesenden ersehnte Morgenstille. Großartige Details tun sich dem aufmerksamen Auge auf: Eine abenteuerliche Verkabelung an den Wänden des Ovals der durchgehenden alten Hausreihe rundherum, so viele Nischen, herabbröckelnder Putz, alles alt und im Verfall, Tauben, eine schmale Eingangstür zur Wendeltreppe im oberen Stock, wohin es etwa zu einem Schneider geht, Ostafrikanerinnen sitzen in stoischer Gelassenheit vor ihrem billigen Schmuckangebot unter den Arkaden, auf erste Kunden wartend, immer wieder kommen Griechen durch den weiten Torbogen herein und steuern ein kleines, schmales Geschäftchen in der inneren Ladenfront an, das preiswerte Sandwiches für sie zubereitet, oder frisch gepresste, irre süße Orangensäfte, obwohl nur Fruchtzucker drin ist. Mit Sandwiches bewaffnet kehren sie zu ihrer Arbeit auf den Ausflugsbooten, zu ihren Jachten zurück. Státhis fischt ununterbrochen weiter im Touristenpool, hat dabei erstaunlich viel Erfolg. Die Dänen oder Norweger oder Finnen ordern die zweite oder dritte Flasche Retsina, einer packt sie immer in einen stretchigen Flaschenkühlmantel ein, seine ganz private Macke. Ich wandere weiter, aus der Néa Agorá hinaus, vorbei an der einen von zwei Busstationen, jener von RODA, also zum Airport und zu den Orten an der Westseite der Insel bis hin zum fernen Monólithos, dahin jedoch nur einmal die Woche, montagnachmittags. Ich will da ja hin, aber auf Umwegen von der Ostseite der Insel her mit der Konkurrenz-Busgesellschaft KTEL. Gleich beginnt ein Neubauviertel mit vielen, teils sehr noblen Geschäften. An gleich 3 Regenschirm- und Rucksackläden vorbei erreiche ich mein geschätztes Ecklädchen, wo sie diese Pitten (mit Käse, Spinat, Äpfeln usw. drin) oder süße Bougátsa oder eben auch frisch gepressten O-Saft verkaufen, den ich nun bestelle und beim Weitergehen in kleinen Zügen durch den Strohhalm trinke. Biege in die Straße mit den beiden Billighotels nebeneinander ein, das bessere heißt „Savoy“, aber die Wände sind dünn, die Seitenstraße ist nicht immer still, das Viertel wenig poetisch. Doch es gehört dazu, und es gibt auch hier viel zu entdecken. Irre viele Cafés, betrieben von jungen Leuten, machen sich gegenseitig Konkurrenz. In manchen Straßenzügen hier trifft man alle paar Meter auf wieder ein Café, ein Restaurant, eine Fast-Food-Kette, meist griechisch, etwa „Grigóris“, die auch auf manchen Blue-Star-Fähren, insbesondere zwischen den Kykladeninseln, die Versorgung der Passagiere übernommen hat. Das sind Morgenspaziergänge. Nicht lange nur durch die Poesie der Old Town, dorthin zieht es mich eher abends oder mittendurch auf Lebensmitteleinkaufstour oder auf dem Weg zu diesem großartigen Roof Garden Café über der Pension Mínos fast ganz oben an einer der höchsten Stellen nahe der Stadtmauer, relativ unweit meiner Unterkunft, ich kenne alle Abkürzungen durch enge Gässchen. Da sitzt man staunend, es kommen immer mal wieder Leute, praktisch jeder zückt sein Handy und fotografiert diese umwerfende Aussicht bis hinüber zu den Bergen der Türkei. Die erste Reihe ist natürlich die beste. Blick über die ganze Altstadt mit ihren Dachterrassen, Palästen, Minaretten, ihren 5 Moscheen, die eine sehr nahe mit dem bestens renovierten weiß strahlenden Minarett und noch in Funktion, unter den Eingangsarkaden Regale für die Ablage der Straßenschuhe. Dann der Hafenblick, welche Fähren liegen da gerade, ankommende Schiffe mit blauem Rumpf, knallorangefarbenem Schornstein mit einem verzerrtem dunkelblauen Stern drauf, kommen von weit her, aus Piräus mit diversen Routen, dann auch kleinere Fähren mit engerem Radius und höchstens 15 Knoten Fahrgeschwindigkeit, oder die beiden schnellen Katamarane (30 Knoten) von Dodekánisos Seaways, die sich dadurch auszeichnen, dass sie auf jeder angesteuerten Insel immer auf die Minute genau ankommen, eigentlich unglaublich, aber wahr. Dann die zahllosen über der Altstadt Richtung Flughafen direkt an der Westküste, etwa 15 km entfernt, einkurvenden Flugzeuge, wirklich eine Dauerschau, sie zu erwarten, dann zu fixieren, ihnen nachzuschauen gehört einfach dazu, sie fliegen bis in die Nacht hinein hier nur mehr höchstens 600 oder 700 Meter hoch, man erkennt ihre Bemalung, kann sie Ländern zuordnen. Dann die Gesprächsfetzen auf Skandinavisch, Englisch, Niederländisch, selten Deutsch, sehr selten noch Russisch. Diese Altstadt ist für mich ein einziges Erlebnis. Am nächsten Tag, Dienstag, habe ich noch einen halben Tag Zeit für die Stadt, die Blue Star Chios geht erst um 15 Uhr Richtung Chálki und Kárpathos. Erst einmal warte ich bis nach 8 Uhr, erst ab dann wird Frühstück im anderen, viel größeren Hof serviert, um den und über dem sich modernere Zimmer als in dem von mir so geschätzten älteren Hausteil gruppieren. Ich steige erst einmal hoch zu einer großen Aussichtsterrasse mit einladenden Sitzgelegenheiten. Von hier aus könnte man das Spektakel der einfliegenden Touristenbringer noch viel besser beobachten als von nebenan, wo sich nur ein relativ enger Ausschnitt des Himmels zeigt. Die Gestaltung dieser Anlage auf verschiedenen Niveaus finde ich äußerst gelungen. Eines der oberen Zimmer bietet sogar eine eigene kleine Terrasse – das wär auch was für mich. Ganz alleine bin ich auf der unteren Frühstücksterrasse. Panajóta ist auch herübergekommen und unterhält sich an einem weiter entfernten Tisch mit ihrer Küchenhilfe Tanja, einer sympathischen älteren Bulgarin, hängt ansonsten dauernd an ihrem Mobiltelefon. Das Omelett ist etwas einfach geraten, komplettiert mit zwei großen Scheiben griechischen „Bacons“, der scheußlich schmeckt und aus zusammengepresster Fabrikwurst besteht, ich hätte es wissen sollen. Garniert wird alles mit Gurken- und Tomatenscheiben, ein O-Saft kommt, ich bestelle auch Toast, „Butter“ (wie häufig üblich, entpuppt sich diese als Margarine) und etwas Marmelade – zu einem Omelett esse ich ausnahmsweise solche weniger gesunden Beigaben, weil sie den Geschmack ideal abrunden. Die beiden Bacon-Scheiben lass ich dann doch lieber auf dem Teller liegen, hoffe, dass die beiden gepflegten Hauskatzen, eine davon männlich, davon profitieren. Später bezahle ich und wundere mich über den günstigen Zimmer- und Frühstückspreis, nur 40 Euro für beides zusammen. Bei Booking.com hätte das Zimmer etwas mehr als 50 Euro gekostet, das Frühstück extra noch einen Zehner. Mein Gepäck darf ich noch bis 14 Uhr im Zimmer zurücklassen. Wieder viel Zeit für Stadtspaziergänge, in erster Linie den Besuch und ausgedehnte Beobachtungen der sich ständig wandelnden Szenerie beim Státhis in der Néa Agorá. Dort erst einen Nes, dann einen Métrio, zum Schluss noch einen frisch gepressten O-Saft. Hinauswandern auf die lange Mole bis zum kleinen Hafenkastell, das die Zufahrt zum Mandráki-Hafen (für Ausflugsboote und Jachten) bewacht. Im Schatten einiger Windmühlen lässt sich der Schiffsverkehr beobachten, die aus dem Touristenhafen herausgleitenden riesigen Kreuzfahrtschiffe, auch mal die eine oder andere Fähre inkl. der Katamarane aus der Türkei. Dann mein erster Besuch des „Roof Garden Café“ auf dem Dach der Pension Mínos (in der ich auch schon mal genächtigt habe, lang ist’s her). Einfach großartig, dort oben, die Zeit vergeht wie im Flug, man sitzt, schaut, staunt. Nach und auf Kárpathos So um 14 Uhr rum hol ich dann mein Gepäck im Zimmer ab und verabschiede mich fürs Erste von der so üppig fraulichen Panajóta, blühendes Leben, pralle Brüste, herrliches Haar, ihr Gesicht mit der relativ spitzen Nase weist die Züge ihres Vaters auf. Ich deute an, dass ich nach 7 Tagen in Diafáni, Kárpathos wieder zurückkehre, für eine weitere Nacht, danach fünf Tage im SW der Insel verbringen möchte und zum Schluss noch einmal 3 oder 4 Tage hier in den Rooms Eleni. Sie bittet um rechtzeitigen Anruf zwecks Zimmerreservierung, denn sie habe schon viele Buchungen. Dann schleppe ich mein Gepäck langsamen Schrittes aus der östlichen Altstadt heraus, dann auf einem neu ausgebauten, nun breiteren, mit Planken bedeckten Fußgängerweg den „Badestrand“ entlang bis zum Eingang des „Handelshafens“ (Emporikí Limáni), der ist für die großen Fähren und für Frachter zuständig und besitzt seit einigen Jahren zum Glück auch ein eigenes Hafen-Café mit einer Halle, in der sich die Schalter der Fährgesellschaften befinden. Hier gönne ich mir noch einen Nes und ein Sandwich. Kaufe das Ticket, billigste Kategorie = Platz oben an Deck im Freien für nur 17 Euro einfach. Möchte auch gleich das Rückfahrtticket haben, denn ich weiß, dass es in Diafáni keine Ticketagentur mehr gibt, da Nikos sich auf sein Altenteil zurückgezogen hat und jetzt nur mehr beim Frühstück in seinem sehr einfachen „Hotel Nikos“ mithilft. Der Mann am Schalter erklärt mir, er könne mir kein Ticket ausstellen, denn jetzt, nur 7 Tage vor meiner geplanten Rückfahrt, stehe der neue Fahrplan noch gar nicht fest, denn das moderne, schnelle Schiff, die Blue Star Chios, die mich nach Kárpathos bringt, geht anschließend gleich für 3 Wochen in eine Wartungswerft in Elefsína bei Athen. Dann übernimmt die 60 Jahre alte Prévelis, die schon früher diese Strecke bedient hat, die kann den Fahrplan aber nicht einhalten, weil sie zumeist mit nur 16 bis etwa17,5 Meilen die Stunde unterwegs ist und somit bis zu 10 Knoten langsamer fährt als die Chíos, die locker an die 26 Knoten schafft. So kann ich nur hoffen, für die Rückfahrt nach Rhodos irgendwie an ein Ticket zu kommen. Nikos hat mir ja gemailt, kein Problem, die Fahrkarten würden ausnahmsweise direkt auf den Schiffen verkauft, was ansonsten strikt verboten ist. Bekannte von mir haben das stark bezweifelt. Na, wir werden sehen! Ein herrliches Schiff, und diese Blue-Star-Farben (vorwiegend dunkelblau, weiße Umrandung, oranger Schornstein mit dem blauen Stern in der Mitte) sind eine wahre Zierde auf dem Meer, daneben eine Wohltat fürs Auge. Ich lasse mein Ticket (d. h. die für die Schifffahrtsgesellschaft bestimmten Teile davon) am Treppenaufgang gleich bei der Heckklappe abreißen, fahre die Rolltreppe rauf, geh weiter hinauf bis zum obersten zugänglichen Deck im hinteren Schiffsteil und such mir einen Tisch mit Stühlen unter einer Schatten spendenden Dachfläche. Von meiner hohen Warte aus schau ich zurück auf die Altstadt, erkenne das rote Dach der Windmühle, die Palmen, die Sonnenschirm-Reihe meines Aussichts-Cafés in einiger Ferne. Neben mir die riesige „Queen Victoria“, der berühmte Kreuzfahrer, mit angeheftetem Groß-Plakat, man solle ihm nicht zu nahe zu kommen, wohl wegen der Seitenpropeller. Um 15 Uhr legen wir ab, umrunden die Stadt, ihre Nordspitze mit dem großen Hotelviertel, den langen, breiten Stadtstränden, passieren in einigem Abstand die recht hässlichen Vororte Ialysós und Kremastí mit vielen Großhotels an der Küste und an den Hängen, oben an der Hangkante der ockerfarbene Komplex des Inselkrankenhauses, etwas außerhalb der Stadt gelegen. Nun ziehen wir am Flughafen vorbei, startende, landende Flieger machen Freude und neugierig. Der Fahrtwind tut mir gut, und das Meer ist ganz ruhig, eine ebene Fläche, ideal für schnelles Fahren. Die Griechen sagen: „I thálassa inä ládhi“, was bedeutet, dass das Meer still und schwer daliegt wie Olivenöl in einer Schüssel. Das Gegenteil wäre „Furtúna“, ein optimistischer Begriff für „Sturm“. Jetzt erscheinen die rot-weiß gestreiften Kamine und die Großtanks des Erdölkraftwerks, das die Insel mit Strom versorgt. Sie haben es bisher nicht geschafft, auf Sonnenenergie umzustellen. Nur die Privathaushalte haben fast alle ihre eigenen Sonnenkollektoren auf den Dächern, die zumindest für die Warmwasserversorgung gut sind. Entsprechende Wassertanks sind häufig gleich neben diesen Kollektoren angebracht. Wir nähern uns bald den ersten höheren Bergstöcken. Dem Profítis Ilías mit den alpin gestalteten, noch heute genutzten Hotelbauten aus der italienischen Besatzungszeit in Gipfelnähe, das hübsche Dorf Sálakos ihm zu Füßen. Etwas weiter südlich erhebt sich der ausgedehnte kahle Bergstock des Attáviros, mit 1215 m der höchste Inselberg, er wirkt viel höher, von oben blinkt die weiße Schutzkuppel des Radars zu uns herab, eine lange, kurvige Straße führt bis zum Gipfel hinauf. Bald erkennt man das von Kretern gegründete, aus seiner waldigen Umgebung weiß herausblinkende Dorf Kritinía. Meerwärts thront die Ruine einer Johanniterburg über der Küste. Weiter oben, zu Füßen des Attáviros, leuchtet breit das Weindorf Émbona(s) mit seinen bekannten Kellereien, wie z. B. Emery, aus der Ferne. In dieser Gegend wird der Großteil der rhodischen Weine erzeugt, mit teils ganz eigenen Traubensorten, die unheimlich lecker schmecken. Wir treten ein in den so waldigen, grünen Südwesten der Insel, all dieses Grün, oben kahle Bergrücken, wirkt paradiesisch auf mich, gerade in Kombination mit dem Blau des Meeres und den ganz nah westlich verstreuten kleinen Inselchen, größer nur Alimiá und das als hoher Bergrücken im Meer sich auftürmende extrakahle Chálki. Links ab, also nach backbord, der winzige Hafen Kámiros Skála, wo die beiden kleineren Boote von und nach Chálki anlegen, neuerdings auch viermal wöchentlich ein Boot von Tílos her, das die Lücke der fährenfreien Tage Richtung Rhodos füllt, sodass Pauschaltouristen von diesem Hafen aus mit Privatbussen vom und zum Flughafen transportiert werden können. Sehnsüchtig gleiten meine Blicke hin zum herrlich aussehenden langgezogenen Akramítis-Berg mit seiner silbrigen Gipfelregion ganz im Nordosten, den Wäldern an seiner Flanke und weiter runter bis zur Küste, der sich westlich des Attáviros-Massivs ausbreitet. Da hinauf möchte ich vom Dorf Monólithos aus wandern, nach meiner Rückkehr von Kárpathos, mitten rein in diesen wunderbaren Bergwald, diese einzigartigen kleinen Hochebenen, die von den beiden Bergflanken des Akramítis umrahmt werden. Ich freu mich so darauf! In weitem Bogen, also mit deutlichem Umweg, umschifft die Chíos kleinere Inselchen mit vorgelagerten Untiefen, bevor sie auf den Hafen und einzigen Ort der Insel Chálki zuhält. Uns Zuschauenden bleibt der Mund offen vor Staunen. Um die weite Hafenbucht gruppieren sich wunderschöne bunte Häuser mit Giebeldächern, ganz so wie auch auf Sými oder dem entlegenen Kastellórizo, dem letzten Außenposten Griechenlands gegenüber der südtürkischen Stadt Kasch. Es ist eine der allerschönsten Kulissen von ganz Hellas, es können einem die Tränen kommen ob all dieser puren Schönheit. Dazwischen gestreut die beiden Kirchen mit ihren typisch dodekanesischen Glockentürmen, zarte Konstrukte, die sich, häufig durchbrochen, in mehreren Etagen nach oben hin bis zum Kreuz verjüngen. Ich erkenne das recht versteckte Haus der alten Engländerin in zweiter oder dritter Reihe hinter der Hafenfront, wo ich zuletzt mehrere Tage über griechisch Ostern verbrachte, nur der obere Teil der weit ausladenden Baumkrone ist sichtbar, daneben die extra errichtete Hochterrasse, auf schwindelerregender Treppe erreichbar. Englische Feriengäste erwarten unser Schiff auf ihren meerwärtigen Hausterrassen, auf dieser Insel mieten sich die meisten ein ganzes Ferienhäuschen. Links hinter und hoch über dem Ort der jäh ansteigende Felsgipfel mit der alten Johanniterfestung auf seiner Spitze. Ein Gesamtbild für die Götter! Die breite Anlegefläche gesäumt von Neugierigen bzw. Abreisenden, wartende kleinere und größere Lastwägen und Privatautos. Laut schallt die Schiffshupe (ja, es tönt nur wie eine Hupe, kein tiefer, mächtiger Brummton aus dem Schornstein wie bei anderen Schiffen) über den Hafenort. Die Klappe geht nach längerem Manövrieren runter, die beiden Taue werden um die Poller gelegt, die Winden straffen sie. Es ist so weit: Das Ausladen kann beginnen. Zuerst laufen die Männer aufs Schiff, die gegen viel Geld transportierte Pakete abholen, dann rollen die ersten Autos von Bord, strömen Passagiere auf ihrer Spur über die Heckklappe ins Freie. So etwas ist immer eine Schau, sowohl für die sich an Bord Befindenden als auch die Inselbewohner, sozusagen ein Großereignis, diese Schiffsankünfte. Es wird fotografiert, was das Zeug hält. Nach gut 10 Minuten geht die Klappe wieder hoch, die Heckpropeller drehen sich erst langsam, mit zunehmender Entfernung vom Anleger schneller, jetzt nehmen wir Kurs auf Kárpathos, das längst als langer Strich am Horizont zu sehen war. Linker Hand nun das Kap mit dem Foúrni-Strand, an dessen Ende sich uralte Grabhöhlen im Fels befinden, da möchte ich auch von Monólithos aus runterwandern. Dann taucht der schier endlos lange Küstenstreifen mit seinen Stränden bis hin zur Südspitze von Rhódos auf, einige Kilometer landein läge das Bauerndörfchen Apolakkiá, aus dem der alte Státhis stammt, dessen Kafenío in Rhodos-Stadt ich so gerne aufsuche. Der Ort ist in ganz Süd-GR als Melonendorf berühmt, von hier kommen die besten und süßesten. Weit südlich ist nun die kleine Bergkuppe zu sehen, die „Insel“ Prassoníssi, das äußerste Ende von Rhódos, nur bei ruhiger See über eine kilometerlange schmale Sandstrandbrücke fußläufig erreichbar. Man muss aufpassen, wieder zurückzukommen, denn wenn der Wind zu stark auffrischt, wird diese Sandbrücke vom Meer überschwemmt. Je nach Windlage surfen hier die Besten ihres Faches entweder an der Ost- oder an der Westseite. Bei schönem Wetter und wenig Dunst ist diese Gegend bis hin zum Attáviros auch gut von Nord-Kárpathos aus zu sehen. Das Schiff eilt dahin, schneller als erwartet nähern wir uns der nur etwa 100 m breiten Meerenge, welche die Insel Saría vom langen Inselkörper von Kárpathos abtrennt. Diese Meerenge ist der „Stenó“ im Griechischen Neutrum, bedeutet einfach „eng, schmal“. Daher auch der Name eines empfehlenswerten, von Karpathióten betriebenen Lokals in einem Einheimischenwohnviertel von Rhodos-Stadt. Schon sind die weißlichen Häuser des hangauf gestaffelten Örtchens Diafáni sichtbar, die Kirche mit dem roten Schindeldach und den schönen, wenn auch neu gemalten Fresken drin, wo der polyglotte Papá Minás die Liturgie vollzieht. Näher und näher kommen wir, steigt die Erwartung der Diafanióten und Olimbíten auf neue Feriengäste, auf die Rückkehr von Verwandten aus Rhódos, auf neue Warenlieferungen. Schon vor Besteigen des Schiffes im Hafen von Rhódos hing wie eine Klette ein deutscher Landsmann an meiner Seite, der soeben eine kleinere Jacht gekauft hatte, die von den deutschen Eignern nun bis in die Nähe Athens überführt werden sollte, wohin nun der Herr unterwegs war. Ich hatte ihm die Prozedur erklären müssen, wie man aufs Schiff kommt, wer das Ticket in Empfang nimmt, wie es weitergeht, denn das war seine erste Fährenpassage in GR. Ständig musste ich mir Handyfotos von seiner Neuerwerbung angucken, seine Erläuterungen anhören. Er plant nun, auf große Fahrt zu gehen, ganz allein auf dem neu erstandenen Boot und obwohl er erst seit Kurzem seinen Bootsführerschein erworben hat. Vor dem sich anbahnenden großen Krieg möchte er zumindest bis auf die Kanarischen Inseln flüchten. Wie froh ich war, diesen eigentlich ganz netten Herrn nun bald loszuwerden, ich hatte schon Kopfschmerzen bekommen, war es gewohnt, diese tollen Ausblicke rundum ganz alleine zu genießen, ohne Gequatsche und Verpflichtungen. Ja, bin halt ein Egomane, nicht? Endlich sinkt die Heckklappe hinab, dürfen wir von Bord gehen. Ich schau über die wartende Menge neben ihren auf dem Anleger geparkten Bauernlastern und versuche Níkos Orfanós zu finden, der mir versprochen hatte, mich abzuholen. Die neue Mole mit dem Anleger am Ende erstreckt sich nämlich einige hundert Meter hinaus aufs Meer, der Fußweg ins Dorf beträgt noch einmal gut einen halben Kilometer. Schon gebe ich auf, bereite mich auf einen längeren Fußmarsch mit vollem Gepäck vor, als mich auf einmal eine jüngere Frau anspricht, ob ich der Martin aus München sei. Geschafft! Es ist María, die Schwiegertochter von Níkos, die ich noch nicht kenne, Sie lädt meinen großen Rucksack in den Wagen, ich setze mich auf den Beifahrersitz, und schon geht’s los. Einige recht verrückte Frauen („verrückt“ stammt von Maria) wollen noch mitfahren, es ist aber kein Platz im Auto. Nun die mir sehr vertraute Kulisse, ein wenig Freude kommt doch auf, trotz aller Bedenken hinsichtlich all der mich erwartenden Verpflichtungen. Mein Zimmer im unteren, eigentlich ersten Stock liegt an einer Ecke des Hotelchens, der Balkon knickt mit ums Eck und ist mindestens stolze 10 m lang, bietet eine phänomenale Aussicht übers Dorf und Meer und hin auf die nördlichen Bergstöcke. Ich sollte am Ende dafür inkl. Frühstück 40,- Euro zahlen. Niko, der eigentliche Besitzer, war da gerade nach Athen zu einem Gesundheitscheck abgereist, von ihm hätte ich es sicherlich billiger bekommen. Aber Maria ist nun der Boss, wie sie mir gegenüber äußerte. Ein etwas klappriges Zimmer, das kennt man ja von jeher in Nikos Hotel, das gehört einfach zum Charme dazu. Sogar ein kleiner Fernseher hängt an der Wand. Als Erstes fällt der Handtuchaufhänger zu Boden, als ich ihn nutzen will. Dann kommen die Handtücher eben über die Badezimmertür. Später klappert noch eine Art großer, blecherner Messingknopf aufs Pflaster, ich weiß heute noch nicht, wozu der gehört. Aber ansonsten ist schon alles OK, und ich hab ein riesiges Doppelbett und einen gut funktionierenden Kühlschrank. Erst einmal muss ich nebenan die Familie vom Restaurant „Dolphins“ begrüßen und der inzwischen auch ein Stück über 40 Jahre alten Popi nachträglich zu ihrer Hochzeit mit einem Hafenpolizisten gratulieren. Die Eltern waren strikt dagegen gewesen, einen quasi Ausländer aus Pátras als Schwiegersohn zu akzeptieren. Und es war eh schon ausgemacht, dass ihre Tochter einen ebenfalls schon etwas älteren Olimbíten aus einer sympathischen Familie heiraten sollte, was Popi kurz vor dem Termin zunichtemachte. Nun mussten sie zähneknirschend mitansehen, wie der Fremde geehelicht wurde. Jórgos, der Vater, tat angeblich seinen Schmerz mittels Mantinádes (Stegreifstrophen zur Musik) in aller Deutlichkeit kund. Jórgos wirkt schon schwer abgearbeitet, er fährt ja fast täglich mit seinem Sohn Pávlos raus zum Fischen, dann gibt es noch viel Arbeit auf den Feldern oben in Awlóna, es ist schließlich die Hochsaison für Artischocken, dann besitzen sie zahlreiche Grundstücke mit Olivenbäumen, etliche Ziegen, und nicht zuletzt haben sie noch einen großen Garten mit allerlei Gemüsesorten und vielen Olivenbäumen vor dem Haus. María, die Mutter, wirkt eigentlich nicht älter als noch vor 8 Jahren, obwohl auch sie schwer mitarbeitet, nebenbei noch die Hühner versorgt. Hier ist wirklich fast jede Familie autark, wenn es um Lebensmittel geht. Und ihr Brot backen alle in großen Steinbacköfen, die über die beiden Dörfer verteilt sind. Ich möchte schon bei dieser mir so lange bekannten und von mir geschätzten Popi Kanákis essen, verspreche, oft zu kommen. Einmal hab ich dort köstliche Artischocken mit Beilagen. Ein andermal recht grätige, dafür nicht so teure Fische. Aber im „Corali“, bei einer anderen Popi und ihren Mann, dem Lyraspieler und Meisterkoch, ist meist viel mehr los und das Essen kostet recht wenig, ist dabei äußerst lecker. Hier esse ich dann auch mehrmals. Als Abschluss bekommt man immer eine Art superleckerer, selbst gebackener Torte mit wenig Zucker drin: süchtig machend! Dazu oft noch einen kretischen Rakí, alles aufs Haus. Die Popi (so um die 50) hier ist etwas sprachbehindert, äußerst einfühlsam, aber schnell ermüdet und gestresst. Sie ist die Erste, die gleich nach meiner langjährigen Reisegefährtin Christína aus Essen (die jetzt aus Altersgründen nicht mehr reisen möchte) fragt, ihr schöne Grüße ausrichten lässt. Auch wenn nur 4 oder 6 Gäste vor dem oder im Lokal sitzen, kann es lange dauern, bis die Köstlichkeiten aufgetischt werden, das ist halt so hier. Michális spielt nicht nur sehr gut Lyra, sondern nimmt sich auch Zeit für seine Küche, damit es keinerlei Abstriche an der Qualität gibt. Tatsächlich ist alles von bestechender Güte, etwa die Ziege in Tomaten-Rotweinsauce, das Lamm in Zitronensauce, die typisch karpathiotischen Makaroúnes, die dicken, auf etwa 5 cm Länge geschnittenen, handgemachten Nudeln, die mit viel Öl und Zwiebeln und Knofel hergestellt werden. Doch hier bekommt man sie in verschiedenen Varianten. Ich hab die italienische ausprobiert und konnte kaum glauben, wir gut die schmeckten. Lediglich einmal bei einem Stifádo, also Rindfleischstücke mit viel ganzen Zwiebeln und dickerer Sauce gekocht, hatte ich zu kritisieren, dass da viel, viel zu viel Zucker dazugegeben wurde, der alles verdorben hat – so schade. Im Coráli isst auch gerne Nikos Orfanós, mein Hotelier, natürlich abends, nicht selten mit Familie inkl. Sohn und Schwiegertochter (die Tochter Maria lebt jetzt in Athen und ist zum größten Unwillen von Niko mit einem Deutschen, einem Sachsen verheiratet), und als er mich einmal alleine am Tisch sitzend sah, löste er sich sofort aus seinem Familienverband und setzte sich zu mir. Was für ein aufmerksamer, herzensguter, höflicher Kerl! Nebenan speiste der inzwischen auch gut über 80-jährige Roger Jinkinson, allgemein „O Dsínks“ genannt (ein „sch“ ist für Griechen unaussprechlich), der Autor von bald 4 Büchern über diese Gegend mit hübschem Häuschen mitten in Diafáni, mit seinem griechischen Freund sowie auch meinen Bekannten, dem Torben aus Bamberg und seiner schlanken, großen, sehr netten Frau, die sich ganz auffallend eine Art lange, ganz dünne Zopfsträhne auf einer Seite ihres langen schwarzen Haars gebunden hat und dafür überall bekannt ist. An einem eigenen Tisch speist eine ältere Dame, die sich beim Frühstück im Tiefparterre von Nikos Hotel als Linzerin entpuppt, die lange im schönen, von ihr geliebten Graz und nun in Gersthof am Westrand von Währing, Wien lebt. Mit dieser Beatrix sollte ich auch noch zweimal zusammen essen. Sie gibt mir auch den Tipp, meinen stark angeschwollenen großen Zeh nicht weiter mit auf die Nieren gehenden Salben, sondern einfach mit Topfen-Umschlägen zu behandeln. Aber leider gibt es hier nur Joghurt ….. . Ja, es war schon vorher spürbar, aber 5 volle Tage und Nächte lang musste ich mich mit einem durch meine Gicht stark geröteten und stark angeschwollenen linken großen Zeh herumplagen. Gott sei Dank hatte Marína, die kretische Frau von Nikos, in ihrer Medikamentenbüchse gleich zwei Salben für meine Krankheit parat und überließ sie mir großzügig. Davon eine mit Ibuprofen drin. Klar, Voltaren forte wäre noch besser gewesen, das weiß ich aus Erfahrung, aber die nächste Apotheke war 50-60 km entfernt, und keiner wollte rumtelefonieren, ob irgendein Bekannter etwa grade nach Pigádia, der im Süden gelegenen Inselhauptstadt runterfahre und nebenbei das „fármako“ mitbringen könnte. Der einzige Bus in den Süden und nachmittags zurück fuhr nur mittwochs, 1 Tag bevor mein Leiden begann. Und den darauf folgenden Dienstag ging ja schon mein Schiff zurück nach Rhódos. So erlebte ich diesmal Nord-Kárpathos ganz ohne Wandern, kam nicht mal rauf auf die nordafrikanisch anmutende Hochebene von Awlóna, um in der dortigen Taverne den Rest der sympathischen Familie Lentákis zu begrüßen, den so lieben Vater Michális, seine beiden Söhne und die eine Tochter, deren Haupt-Restaurant oben in Ólimbos ich dagegen zweimal aufsuchen konnte, per Autostopp, einmal im uralten schmalen LKW des Zimmerers, nach 3 Minuten Warten brachte er schließlich seine Beifahrertür auf, und das zweite Mal mit dem Ilektrológos, dem Elektriker dieser Gegend. Und die knapp 10 km runter nach Diafáni fand sich auch gleich jemand, der mich mitnahm. Meine Hotelleute, d. h. die nächste, junge Generation, transportiert in einem ihrer PKWs übrigens auch ihre Hotelgäste rauf und runter. Sie nehmen dafür von jeder/jedem 20,- Euro für die einfache Strecke (!), ein wirklich gutes Geschäft, aber sie meinten, es koste sie halt viel Zeit, besonders die Abholung zu Zeiten, die ihnen eigentlich nicht passten. Ich meinte darauf, hier sei dringendst ein öffentlicher Bus vonnöten, der mehrmals täglich, wenigstens zweimal, die Touris rauf- und runterbringen könnte. Aber diese Kosten möchte die Gemeinde wohl nicht aufbringen. Leider waren gerade griechische Osterferien, ich kam ja am Oster-Dienstag an, dem Tag, da abends und die Nacht durch das große Fest mit dem uralten Ringtanz in Ólimbos stattfindet. Hab das schon zweimal miterlebt, war nicht scharf, gleich am Abend unmittelbar nach meiner Ankunft schon hochzutrampen. Verzichtete diesmal also. Auf Tílos etwa gibt es einen Bus, der stündlich diese kleinere Insel durchquert und für nur 1,50 Euro Einheitspreis, egal wohin und wie weit, seine Fahrgäste befördert. Das erleichtert die Sache ungemein. 3 Euro statt 40 Euro! Vielleicht auch ein Grund dafür, dass nach griech. Ostern im Norden von Karpathos nicht mehr viel los war. Außerhalb von Schulferien existiert schon ein Bus, um 7.30 Uhr geht es, zusammen mit lediglich 4 Gymnasiasten, hoch nach O., um 14 Uhr wieder runter, eigentlich viel zu früh für Ausflügler, die oben auch essen gehen. Als dieser Bus das erste Mal montags wieder im Einsatz war, brachte er mich rauf, und der Fahrer meinte, um 14 Uhr Rückfahrt. Aber dieser Hohlkopf erinnerte sich nicht daran, dass karpathiotische Gymnasiallehrer*innen den ersten Schultag nach Ferien langsam, sigá, sigá, anlaufen lassen. So machten sie um 12 Uhr Schluss, und der Bus fuhr entsprechend früher und ohne mich zurück nach Diafáni. Diesmal musste ich in Etappen trampen, denn ein Lentákis-Sohn bog mittendrin nach Awlóna ab, danach hatschte ich mit wehem Fuß etwa 1 km bergab, bis ein superfreundlicher albanischer Maurer anhielt, um mich mitzunehmen. Albaner haben mir schon oft geholfen, einer nahm mich mal auf Naxos aus dem Nirgendwo gut 30 km bis zum Hafenort mit. Ólimbos am frühen Morgen. Wirkt wie ausgestorben, es wohnen dort auch kaum mehr als noch 40 oder 50 Leute permanent, und es werden immer weniger. Man spaziert auf und ab durch die Stille, all diese verblasste Schönheit, blickt landein auf großartige Landschaften, meerwärts und nach Süd oder Nord auf eine biblisch anmutende, bizarr geformte, zerschrundete und zerrachelte Bergkulisse, bei gutem Wetter käme sogar Ost-Kreta ins Visier, und Rhodos von der Höhenstraße in den Inselsüden aus sowieso. Ich werde echt melancholisch, empfinde erstmals diesen Gegensatz zwischen verlassenem Bergdorf und durch Tagestouristen überfülltem Touristenziel von einen Rest von Ursprünglichkeit Suchenden. Zu meiner Anwesenheitszeit sind es praktisch ausschließlich Holländer, die mit den zaghaft einsetzenden Schiffsexkursionen aus dem touristischen Süden voller Erwartungen in die traditionsgeprägte Region im Norden verbracht werden, um dann in einem Privatbus nach einem Fotostopp gegenüber dem sagenhaft schön den Berghang herunterfallenden Ort in Ólimbos einzufallen. Plötzlich wachen die Dagebliebenen auf, stellen ihre Souvenirartikel zur Schau, tragen Niederländer und Skandinavier plötzlich karpathiotische Kopftücher und essen einfache, ortstypische Gerichte. Etwa im „Ólympos“, dem Restaurant der Lentákis, das in seinem stets geöffneten Küchen-Schaufenster Berge von diversen Speisen zur Schau stellt. Hier treffe ich auch erstmals beim Vorbeispazieren Marína an, die recht dick gewordene eine Tochter, dahinter ihre früher so freche Schwester Maria, sowie die ebenfalls gut mollige alte Mutter, deren Arme bis zum Ellenbogen in Makaroúnes-Teig stecken. Ja, hier wird wirklich alles, aber auch alles selbst gemacht! Und noch eine Frau sehe ich, eine junge, schlanke von fast überirdischer Schönheit, grazil, blitzende schwarze Augen, schwarzes Haar. Es ist Marinas Tochter, dabei habe ich Marina und all ihre Geschwister vor Jahren noch selbst als Kinder erlebt – so vergeht die Zeit. Diese bildhübsche, erst 14-jährige Tochter namens Annoúla (= „Ännchen“) sollte ich den nächsten Freitag anlässlich des Kirchweihfestes mit vormittags überlangem Gottesdienst und Anwesenheit des Bischofs sowie einigen aus seiner Gefolgschaft sowie den beiden Ortspriestern (Pápa Minás von unten, der einfachere Pápa Jánnis von oben) in die ortstypische Tracht gekleidet auch bei der Abendveranstaltung mit Musik und Tanz im Gemeindesaal unter der Ortskirche von Diafáni wiedersehen, gekleidet in wunderschöne, lackartig glänzende Farben: dezentes Weiß, nicht wie andere Knallgrün oder Knallorange, dazu ein weißes Kopftuch mit dezenter grün-rot-schwarzer randlicher Bordüre. Die auf die Brust herunterreichende Goldkette mit etlichen schweren Goldmünzen durfte dabei natürlich nicht fehlen. Derartig gekleidete junge Frauen sitzen dann stundenlang auf ihrer eigenen Frauenseite reglos mit niedergeschlagenen Augen demütig wartend da und lauschen den Stegreifgesängen (hier rollen auch viele Tränen, wenn es um Verstorbene geht, bei den Gesängen) der an langen Tischen Whisky trinkenden Männer und den quäkenden, kratzigen Tönen der Lyra, der Laute und des Dudelsacks, bis es endlich, meist sehr spät in der Nacht, zum Ringtanz kommt. Ich hab diesmal nur kurz zugehört, hab weder den Dudelsack noch den Tanz abgewartet und ging lieber zu Bett – so ändern sich die Zeiten. Eines der allerschönsten einfachen Kafenía ganz Griechenlands befindet sich hinter der Paralía, der Strandstraße, von Diafáni. Eine wahre Zierde. Der Hort aller alteingesessenen Männer. Nur Touristinnen und natürlich männliche Touris wie meine Wenigkeit finden sich noch ein, doch keine Griechinnen. Dort sollte ich auch den inzwischen schwer gealterten Papá Minás treffen, mit einem dicken Hirtenstock bewehrt stapfte er mit seinem weißen Rauschebart und seiner dunklen Mütze durch die Gasse. Kurz nach meiner Ankunft wurden die doch zu modernen, nach dem Tod (vor wenigen Jahren) der langjährig hier arbeitenden legendären Anna eingeführten Stühle gegen herrlich hellblaufarbene, vom besten Stuhlmacher des Dodekanes aus Rhodos importierte traditionelle Stühle mit geflochtener Sitzfläche ausgetauscht, dazu die passenden Tische. Zusammen mit der Tamariske gleich davor und der niedrigen, netten weißen Ummauerung der Terrasse ein Bild für die Seele. Maria, die neue Besitzerin, die eigentlich eine Travel Agency im Hotelviertel von Rhodos-Stadt leitet, war für einige Tage hergekommen, um nach dem Rechten und ihrer sehr tüchtigen älteren Aushilfe auf die Finger zu sehen. Ich war voll des Lobes über diese exorbitante Verschönerung, und so erfuhr ich, dass Maria pro Stuhl 62,- Euro bezahlt hat, und es waren bestimmt an die 30 Stühle, dazu noch die sicher viel teureren Tische. Ich tröstete die Unternehmerin damit, dass sie nunmehr einen noch stärkeren Touristenfang-Magneten installiert habe, denn jeder sehnt sich doch nach dem alten GR, geht lieber in solche noch alt wirkende Lokale. Aber ich kann mich auch täuschen, es gibt bestimmt Leute, die sich lieber in einen bequemeren Korbsessel schmeißen, vor einem zeitgemäßeren Café mit Musikbeschallung. Noch eine ganze Reihe anderer Restaurants und Kafenía reihen sich in den Bogen der Bucht von Diafáni ein, am schönsten wohl das etwas abseitig gelegene von Maria Protópapas, dort situiert, wo alle, die zu den Fähren wollen, vorbeimüssen. So entspannend, hier auf einen Ellinikó oder ein Bierchen zu verweilen, gegenüber der Südteil von Rhódos bis hin zum höchsten Berg, dem Attáviros, näher die letzte rhodische Kuppe als Abschluss des Strandes von Prassoníssi. Weiter links scheint die Insel Chálki auf, je nach Dunst mal ganz deutlich, mal verschleiert. Ein anderes, ebenfalls wunderschönes altes Kafenío mit kleinem quadratischem Innenraum und Wendeltrepe zur unteren Gasse ist oben in Ólimbos eingezwickt zwischen einer Kapelle und dem Nachbarhaus, mit zwei Eingängen auf verschiedenen Gassenniveaus. Es ist das „Kríti“ von Fílippas und Archondoúla, die alte Frau häkelt geduldig alles Mögliche, ihr Mann, der früher bekannte Schürzenjäger mit ostkretischen Wurzeln, ist alt geworden, sieht matter aus als sonst, blüht jedoch erstaunlich bald wieder auf, wenn man ihn diskutieren hört, was einen fast schon überrascht. Mitten im Zentrum der Ausflüglerströme liegt das Kafenío-Restaurant „Parthenón“ des inzwischen auch älter gewordenen Nikos, der viele Jahre in N.Y.C. verbracht hat und ebenfalls gut Lyra spielt. Nun haben schon fast seine beiden Söhne das Sagen, zumindest der ältere, der an der Kasse steht. Der winzige Platz davor unterhalb der vielen Stufen, die zur Kirche und ihrem größeren Vorplatz hinaufführen, ist das eigentliche Zentrum von Ólimbos. Nur ein paar Meter schräg gegenüber steht noch das Häuschen, dessen Front nur aus einer Tür und etwas Mauerwerk drum herum besteht mit einem gemauerten Schriftzug darüber: Kafeníon Tzamboúna. Das ist das „Dudelsack“-Café, und früher, als der begnadete Antonis hier noch Kaffee und Whisky einschenkte, Mundstücke schnitzte und seine Dudelsäcke zusammenbaute und sie mit höchster Kunstfertigkeit selber spielte, ging es hier oft richtig wild zu. Selbst am Karfreitag spielte man für Christina und mich auf, sang, was das Zeug hielt, trank und feierte. Wie schön, das noch erlebt zu haben. Auch den Bruder Von Andóni, den Inselpostboten Michális, den besten Lyraspieler weit und breit, der in alle Welt eingeladen wurde, zusammen mit seinen Mitspielern karpathiotische Klänge ertönen zu lassen. Er lebt nun auf seine alten Tage in der Inselhauptstadt im Süden, kommt aber immer noch in sein Heimatdorf, um etwa auf Hochzeiten zu spielen und dabei immer, mehr oder weniger artifiziell – gut, es mag auch der viele Whisky sein –, Tränen zu vergießen. Leider ist das „Mílos“ bei den hinteren Windmühlen noch zugesperrt. Es ist die einfache Taverne mit eigenem Steinbackofen, wo alle mit dem großen Ausflugsschiff „Chryssovalándou III“ und den Privatbussen von Diafáni herbeigeschafften Touristen zwecks Mittagessen hingelotst werden, zumal die Besitzer mit der Schiffseignerin verwandt sind. Der alte Vassílis ist ein herzensguter alter Olymbíte, der sich bestens in der traditionellen örtlichen Musik auskennt und auch gerne einen ausgibt, wenn man ihm in irgendeinem Kafenío über den Weg läuft. Zu früh im Jahr. Das Schiff kommt noch nicht, erst gegen Ende Mai. Nur das weiße Konkurrenzboot hat schon zweimal an der kleinen Strandmole angelegt. Die Holländer wurden alle von einer offensichtlich neu angestellten, mittelalten Holländerin in die Taverne „Ólympos“ der Familie Lentákis reingewunken, meist mit Erfolg. Bei meinem zweiten Essen dort war es mir einfach zu viel, ich hielt diesen niederländischen Privatstaat auf Kárpathos kaum mehr aus. Musste vor zur inzwischen sehr alt aussehenden Sophía und ihrem nierenkranken Mann Mike und deren Kafenio-Taverne am Ortseingang flüchten, auf einen großen Ellinikó. Das ist das Restaurant, wo Sophía in ihren besten Zeiten Dutzende von ankommenden und abfahrenden Touristen mit viel Aufwand an ihre Tische zu locken verstand und auch ich mich früher zusammen mit hier frühstückenden Freunden wunderte, welche Summen man da im Vergleich zu anderswo zurücklassen musste. Ganz anders heute, Sophía scheint ihr Bestreben nach mehr Geld aufgegeben zu haben, rückt zwar immer noch eine Kommode mit Backwaren und Kräutern aus dem Innenraum ins Freie hinaus, wenn Gäste vorbeiparadieren, wurde aber bei den Preisen viel moderater. Die Konkurrenz nur ein paar Schritte weiter arbeitet seit Jahrzehnten mit einem angeblich sprechenden Papagei zwecks Touristenfang. Ich hab ihn nie was sagen hören, diesen Stoffel. Mike’s und Sophias Café ist jedenfalls der beste Ort, um nach Mitfahrgelegenheiten Ausschau zu halten. Oft sitzt der Mitnehmende bereits auf einen Kafedáki nichtsahnend am Nebentisch und bietet freiwillig seine Dienste an, wenn er einen Gast nach möglichen Fahrgelegenheiten fragen hört. Man will sich doch vor den Wirtsleuten nicht als hartherzig blamieren. Von den anwesenden Nationalitäten her gesehen waren die allermeisten in Diafáni Urlaubenden deutschsprachig, darunter vielleicht 3 Österreicher und ebenso viele Schweizer. Ein sympathischer junger Schweizer bewohnte ein Appartement mit Soufás-Bett mitten in Diafáni, das ihm Níkos vom Parthenó in Ólimbos vermietet hatte. Oben in O. traf ich auch wieder Claudia, eine langjährige Kárpathos-Besucherin, die sogar die Einführung der Elektrizität im Norden Anfang der Siebzigerjahre miterlebt hatte. Und beim Níkos im seinem Hotel in D. zog bald auch Martína aus München ein, die drei weitere Frauen aus ihrem Freundeskreis erwartete. Beim Frühstück traf ich anfangs noch ein skandinavisches Paar (ich bin mir unsicher welcher Nationalität) sowie einen sehr angenehm ruhigen Italiener, der per Motorrad unterwegs war und bald mit der Fähre nach Kreta weiterreiste. Holländisch oder skandinavische Sprachen hörte man in erster Linie von den Tagesbesuchern und den Reisegruppen. Aus GB oder USA etc. konnte ich niemanden ausfindig machen, auch höchstens ein Paar aus Frankreich. Wenige Tage zuvor, um griechisch Ostern herum, waren angeblich noch deutlich mehr Gäste anwesend. Vielleicht sollte ich noch von einem traumatischen Essenserlebnis im „Anemoéssa“, dem Nachfolgelokal des „Gorgóna“ von Gabriella und Gigi, zwei waschechten Italienern, in Diafáni berichten. Es liegt nur ein paar Meter vom so guten und preisgünstigen „Coráli“ entfernt, auf der gegenüber liegenden Gassenseite. Ich stieg also auf diese Terrasse und bestellte Lamm in Soße, dazu Kartoffeln und einen Maroúlisalat (Kopfsalat) sowie ein Viertel offenen Weins plus eine kleine Flasche Wasser. Zuerst wurde ein Salat für schätzungsweise 6 Personen, eigentlich noch mehr, aufgetischt, dieser schmeckte grauenhaft süß, war er doch garniert mit Scheiben getrockneter Feigen, getrockneten süßen Beeren und dergleichen. Ich möchte diesen Salat eigentlich nicht süß, sondern eher essigsauer und mit viel Olivenöl, und vor allem nur für eine Person. So ließ ich also das meiste davon stehen, fühlte mich verarscht. Das missglückte Machwerk sollte 11,- Euro kosten. Dann kam das Lammfleisch, es war als solches nicht zu erkennen, denn es bestand nur aus ganz fein geschnittenen kurzen Streifen in einer grässlichen Sahnesauce mit dünnen Paprikaschnitten – und dieses wohl von den Osterfeiertagen übrig gebliebene Fleisch war auch noch hart wie Stein. Es sollte 15,- Euro kosten. Zusammen mit dem Rest und dem teuren Brot wurde ich 33,- Euro los. Es gab kein Dessert als Dreingabe. Ich war dort natürlich der einzige Gast. Nikos O. sagte mir später, in diesen Laden gehe man einmal und dann nie wieder. Zum Vergleich: Im „Coráli“ zahlte ich zwischen 16,- und 21,- Euro für zumeist beste Qualität und bekam immer noch einiges dazu geschenkt. Ebenso bei der anderen Popi im „Dolphins“. An meinem Abreisetag bestellte ich für Mittag noch einmal ein gutes Essen im „Dolphins“ vor, einen Fangrí, der gehört zur ersten Kategorie von Fisch, also zur teuersten, schmeckt aber vorzüglich und hat recht wenig Gräten. Meiner wog angeblich 1,5 kg. Popi machte mir dazu einen liebevoll mit eingelegten Kapern und ihren Blättern sowie hausgemachtem Käse und den so leckeren kleinen dunklen Olivenaus eigener Ernte bestückten gemischten griechischen Salat, dazu noch Fritten, wie es sich gehört. Ausnahmsweise bekam ich zu diesem Abschiedsessen noch ein Viertel, es war eher ein halber Liter, ihres hausgemachten schweren Rosé-Weines von der Hochebene in Awlóna kredenzt: Lecker, lecker! Wegen dem Fisch bezahlte ich dann gerne 41,- Euro. Bekam noch die Mahnung mit auf den Weg, sie in Diafáni nicht zu vergessen und nun öfters wiederzukommen. Maria vom Hotel Nikos brachte meine Sachen auf meine Bitte wenigstens zum Kafenío der anderen Maria runter, also halbwegs zum Fährenanleger, denn sie musste sogleich Torben und seine Frau die weite Strecke zum Inselflughafen fahren, natürlich für gutes Geld. Also noch einen Ellinikó mit Wasser. Man versicherte mir, es gebe Tickets auch an Bord. Ich solle mich aber bald auf den Weg zum Schiff machen, denn es komme gleich an, eine gewaltige Ausnahme, denn jetzt sollte erstmals die Prévelis für 3 Wochen die Route der schnelleren Blue Star Chíos übernehmen, aber dieses 60 Jahre alte Schiff habe bisher immer bis zu mehreren Stunden Verspätung gehabt, wenn es von Piräus über Santoríni und Kréta hergekommen sei, eine weite Strecke. Und nun erstmals keine Verspätung! Wohl weil das Meer nach wie vor glatt wie schweres Olivenöl dalag. Beim Einsteigen musste ich meinen Ausweis in einen kleinen Sack plumpsen lassen, der dann oben an der Rezeption abgegeben wurde. Dorthin begab man sich nach dem Ablegen, um sich den Ausweis zusammen mit dem Ticket wieder abzuholen. Es klappte also doch! Welch eine Ausnahme, welches Wunder! Und noch etwas: Das Schiff kam tatsächlich wie geplant um 19.20 Uhr im Hafen von Rhódos an. Meine Befürchtungen, erst in den frühen Morgenstunden einzutreffen und meine Zimmerwirtin aus dem Bett klingeln zu müssen, stellten sich als übertrieben heraus. Zum Glück! Da ich auf den SW von Rhódos verzichten wollte, wo ich wegen meines lädierten Fußes eh nicht wandern hätte können und dann einsam und allein und mit der Aussicht auf nur einen einzigen wöchentlichen Bus in Monólithos herumhängen hätte müssen, beschloss ich, jetzt mal zwei Nächte in meiner Stamm-Pension zu verbringen und anschließend noch eine andere Insel zu besuchen. Diesmal musste ich ins Erdgeschoss und bekam ein Zweibettzimmer. Die Bettbreite reichte mir aber aus und ich fühlte mich gleich wieder wohl, hörte den Lauten der griechischen Passanten zu, stieg wieder hoch zu meinem Gewölbe, guckte Katzen und Flieger und erlabte mich an gutem Retsina oder an viel besserem Säwalljääää-Rotwein (Chevalier de Rhodes) von der Insel. Die üblichen Besuche beim Státhis und auf dem Roof Garden des Minos. Auf nach Tilos Um 9 Uhr morgens nach meiner zweiten Übernachtung sollte die „Stávros“, ein kleineres Schiff der NEL Lines, vom Handelshafen ablegen und auf ihrer Fahrt nach Kos auch auf Symi und Tílos, meinem nächsten Reiseziel, anlegen. Sitze draußen vor dem Hafen-Kafenío und erlebe eine Schweizer Familie direkt vor mir. Eine junge Familie mit zwei sehr germanisch aussehenden blonden Buben, zusätzlich noch ein Großelternpaar. Auffallend die schrille, so unelegante Stimme der jungen Mutter, die ununterbrochen laute Kommandos zu ihren beiden Söhnen krächzt, in einem unerträglich hässlich klingenden Schwyzer Dialekt. Ich hab echt nichts gegen Schweizer, aber einen derartigen Krach vertrag ich einfach nicht. Meine Hoffnung: Hoffentlich steigen die nicht wie ich auf Tílos aus! – aber doch, sie werden es tun. Um Punkt 9 Uhr vormittags legt die Stávros nach langwieriger Betankung ab. Auch der dünne Papás (Pfarrer) von Livádia, Tílos ist an Bord, bleibt im bequemen Salon unter Deck, während ich mir wie gewohnt einen Platz hinten am obersten Freideck suche. Die Fahrt wirkt zügiger als sie in Wahrheit ist, der Kapitän erzählt mir, dass sie (nur) 15 Meilen die Stunde schaffen, also 15 Knoten. So können sie auch die direkt vor ihnen fahrende Panagía Skiadení, das einzige konventionelle Schiff von Dodekánisos Seaways, nicht einholen. Überschallt wird trotz der Lautstärke der beiden wummernden Schornsteine der gesamte hintere Schiffsteil durch die ständig mit ihren beiden Söhnen weiterkeifende unerträgliche Schweizerin. Ich halte mir demonstrativ die Ohren zu, aber das nützt nichts. Schließlich gebe ich auf, suche mir einen Sitzplatz im vorderen Teil des offenen Decks, geh eh dauernd herum, von backbord nach steuerbord, mal die in morgendlicher Frische erstrahlende, sehr bergige türkische Küste, mal die imposante große Blue Star 1 oder 2 kurz vor ihrem Eintreffen auf Rhódos beim Vorübergleiten zu betrachten. Die Südseite von Symi zeigt sich recht kahl und öde, außer ein paar waldigen Stellen in den größeren Badebuchten, die von den Ausflugsbooten angesteuert werden. Es ist seltsam, ich fühle mich jetzt viel freier als auf Kárpathos, wie von einer Last befreit. Gut, dass ich meine Pläne geändert habe und auch noch einmal zwei Seepassagen erleben kann. Als wir an der Bucht von Pédi vorbei sind, wird die Fahrt stark gedrosselt, denn die Panajía Skiadení (der Name stammt von einem Kloster im Süden von Rhódos, das ich auch hatte besuchen wollen) legt erst einmal am großen Anleger außerhalb der Hafensiedlung Gialós/Jalós an, wohl um einige Autos und LKWs loszuwerden, dreht dann sofort wieder um, wahrscheinlich Richtung Kloster Panormítis, oder etwa gleich wieder zurück nach Rhódos? Nach 10 min Wartezeit kann auch die Stávros hier andocken, etliche Leute verlassen das Schiff. Weiter geht es um die Insel Nímos herum, das dauert eine ganze Weile, bis endlich die größere türkische Stadt Dátscha (ich schreib’s mal, wie man’s ausspricht) steuerbordseitig erscheint. In großem Abstand vorbei an der Halbinsel Kefála und dem auf einer kleineren Insel mit verbindender schmaler Landbrücke platzierten Kirchlein Ágios Emilianós halten wir nun bereits auf Tílos zu, das sich wie die Nachbarinsel Nísyros/Níssiros ganz deutlich am Horizont abzeichnet. Weiterhin begleitet uns nach Nord hin der überlange Arm der Dátscha-Halbinsel. Etwa 20 Minuten bevor wir in Livádia ankommen, zücke ich mein Handy, um in meiner ausgewählten Unterkunft anzurufen und nach einem freien Zimmer zu fragen. Nein, ich reserviere nicht ein Jahr im Voraus, es geht auch so. Es meldet sich ein äußerst höflicher jüngerer Herr von den George Aparts & Rooms, der sich als Márkos vorstellt, den Sohn des alten Jórgos. Auf seine zaghafte Frage, ob „40,- Euro zu viel wären“, wage ich es nicht, den Preis runterzuhandeln, was mit Sicherheit möglich gewesen wäre. Er hatte sich dermaßen höflich ausgedrückt, da kann man einfach nichts gegen sagen. Na, 5 Euro hin oder her, sind eh nur 4 oder vielleicht auch 5 Nächte, und ich war noch nie ein Knauser. Tilos wirkt auf den ersten Blick beim Annähern auf dem Schiff nicht so grün und nach Pflanzen und Blüten duftend wie in früheren Frühlingsmonaten, als ich die Insel wegen dieser ausgeprägten Düfte schätzen und lieben lernte. Es sollte sich als total ausgetrocknet erweisen, so etwas hatte ich im Frühjahr hier noch nie zuvor erlebt. Markos wartet mit hochgehobenem Schild auf dem Anleger, ich eile zu ihm und seinem Auto, dicht gefolgt von dem einen Paar, das mir schon auf der Herfahrt wegen der dicken Frau mit den beiden flachen Zöpfen aufgefallen war. Sie bekommen das Zimmer neben meinem. Rob und Sally stammen aus Belfast, Nordirland und sollten zu neuen Freunden von mir werden. Sie hatten insgesamt nur 1 Woche zur Verfügung, auf ihr bereits bezahltes Zimmer im Hotelviertel von Rhódos-Stadt verzichtet und waren für 4 Tage auf das viel ruhigere und wohltuendere Tílos geflüchtet, das Rob von früher her kannte. Ich bekomme das Zimmer 1 im ersten und obersten Stock, nachdem ich mich unten mit dem alten Jórgo und dem erst 3-jährigen pechschwarzen großen Mastiff namens Cooper angefreundet habe. Der Mega-Hund sollte mich fortan lieben. Ein sehr großes Zimmer mit eigener Küche plus Badezimmer hab ich da bekommen, davor ein langer Gemeinschaftsbalkon, darunter eine üppige Weinlaube und viele das Auge erfreuende Zierblumen. Der Blick von dem mir zugeordneten Balkontisch aus geht zur Platía und hinüber zum Fährenanleger – sehr schön. Ist mir, nicht zuletzt bei diesen hohen Temperaturen, lieber als eine der Aussichtsunterkünfte Marína Studios oder Anna’s Studios hoch oben westlich des Ilídi-Rock-Hotelkomplexes, zu denen man immer hochsteigen müsste. Gegenüber, in den Studios Apollo von Andreas, wo ich bei meinem letzten Inselbesuch wohnte, sind die begehrten Zimmer mit kleinen Aussichtsbalkonen, wenn auch zur Durchgangsstraße hin, alle besetzt, denn sie bieten eine bessere Aussicht als jene in der Seitengasse. Man nimmt also, wie auch ich, etwas Straßenlärm tagsüber in Kauf, dafür wohnt man zentral, ist mittendrin in der action, nur wenige Schritte sind es zur Platía, zu Jórgo‘s Kafenío und auch zum Bushalt. Wir beiden ankommende Parteien scheinen die einzigen zu sein in unserer Unterkunft, später sollten auch die beiden anderen Zimmer hier oben besetzt sein, was die Kontaktmöglichkeiten steigerte. Mein erster Weg führt mich zum alten Kafenío von Jórgo, er hat sich gut gehalten, ist kaum gealtert, seit ich ihn vor ca. 6 Jahren das letzte Mal sah. Hier versammeln sich ja viele der langjährigen Tílos-Fans, die meisten kommen diesmal aus skandinavischen Ländern, einige aus GB, nur wenige aus dem deutschsprachigen Raum. Am begehrtesten sind die beiden langen Tische mit Holzbänken zur Wand hin zu beiden Seiten des Eingangs zum Café, davor die Straße und das Geschehen des zentralen Platzes. Um die Ecke rum stehen noch weitere Tische zur Verfügung, und dann noch welche mitten auf der Platía, hinter denen zweier Konkurrenz-Cafés, sodass Jórgo oder seine Tochter teils weit laufen müssen. Zum ersten Getränke- und Fistíkia-Einkauf ( alle Arten von Knabberzeugs aus Pistazien, Erdnüssen usw.) geh ich hinter zum Mini Market des alten Panajótis, er ist wirklich alt und matter geworden, sitzt wie gewohnt häufig vor seinem Geschäft und füllt getrockneten Rosmarin, Thymian und andere Würzkräuter in kleine Säckchen für den Verkauf ab. Er war es, der mich damals bei meinem relativ späten ersten Inselbesuch Ende der Neunzigerjahre in seinem „Hotel Livádia“, jetzt ein teures Boutique-Hotel namens „Utopia“, gleich neben meiner jetzigen Unterkunft, so herzlich mit den Worten „Welcome to Tilos!“ empfangen hat. Dann möchte ich ein spätes Mittagessen im von mir immer so geschätzten „Omónia“, dem alten Café-Restaurant am Rand und etwas oberhalb des Dorfplatzes, wo man im Baumschatten so schön draußen sitzt und sich wie im alten Griechenland vorkommt. Endlich kann ich es wieder einmal nutzen, denn sie sperren erst ab Mai auf, und ich kam meist im April. Michális und seine Frau sind natürlich alt geworden, wohl über 80, und ein Grieche vom Peloponnes namens Paraskjevás („Freitag“, wie im Buch Die Schatzinsel) hilft beim Bedienen. Sie haben insbesondere um Mittag herum nur kleinere Snacks, vieles scheint mir Fabrik-Food oder Tiefkühlkost, wie etwa ihre Pizza. Aber Jígandes (Riesenbohnen in Tomatensauce) und einen Salat krieg ich, und das reicht mir. An einem der Folgetage esse ich hier abends noch einen recht guten warmen, in Essig eingelegten Oktopusarm, den mir Michális auch wärmstens empfiehlt – gut, aber nicht so toll gewürzt. Dann bleibe ich dem Lokal eher fern, nutze andere, bessere. Am frühen Morgen gibt’s immer erst einen Nes mit viel Milch und wenig Zucker beim Jórgo, dazu unaufgefordert ein großes Glas Wasser mit Eis. Danach suche ich das Snacklokal nebenan auf, das des alten Stávro und seiner Hilfe Vassíli (seinem Sohn?). Nur das „englische Frühstück“ dort hat mir weniger geschmeckt. Statt echtem englischem Bacon gab es den griechischen, eine Art industriell gefertigter Wurst aus mehreren zusammengepressten Sorten, die erhofften Baked Beans wurden durch kalte schwarze Bohnen, vielleicht von der Insel, ersetzt, dazu keinerlei Soße. Die Sausages waren griechischen Ursprungs, aber schon akzeptabel, zumal die original englischen auch nicht gerade gut sind. Dann natürlich Omelett, Butter, Marmelade und O-Saft. An den folgenden Morgen zog ich es vor, neben meinem zweiten Nes Joghurt mit Obst, Walnüssen und Honig plus einen frisch gepressten O-Saft zu bestellen. Sie freuten sich immer riesig, wenn ich wiederkam und sie der Konkurrenz vorzog. Nach 4 Tagen begrüßte mich Stávros dann per Handschlag. Nur einmal sündigte ich und setzte mich zu meinen neuen irischen Freunden ins Café von Níkos und María auf der Platía, wo ich ein wirklich fantastisches Omelett mit einer Vielfalt an Zutaten bekam. Nikos hatte sich überboten, seine Kreativität voll ausgelebt. Nach üppigem Lob meinerseits erfuhr ich, dass er vorhat, sein Restaurant „Níkos“ wiederzueröffnen, wenn auch evtl. an anderer Stelle, nicht mehr fast neben dem „Gorgóna“, um seiner Kreativität noch mehr freien Lauf zu lassen. María, die in N.Y.C. geborene Griechin und Frau von Nikos, kann ja sehr unterhaltsam sein, versteht es, mit Gästen optimal umzugehen. Man bekommt aber nie eine Speisenkarte, ist dann natürlich der Preisgestaltung der Wirtsleute voll ausgeliefert. Es hielt sich aber noch in durchaus erträglichen Grenzen. An meinem ersten Morgen auf Tílos wandere ich nach dem ersten Nes rauf zum „Ilídi Rock Hotel“, daran vorbei, ein sicherlich nicht gerade üppig entlohnter schwarzer Angestellter arbeitet im Garten, öffne das mit Draht verschlossene Gatter und starte eine Wanderung auf diesem schönen, teils sehr breiten Pfad über der Küste mit anfangs etwas schwierigen Stellen (und ich hab meinen Wanderstab im Zimmer gelassen), der zur Léthra-Beach führt. Ich begnüge mich mit der Wegstrecke um einige Bergvorsprünge herum, unten parkt eine größere hölzerne Jacht in einer der Buchten, mein Ziel ist „Ruth’s Rock“, der markante Fels neben dem Weg gleich gegenüber dem Inselchen Vrachonisída, wo Barry Ward nach dem frühen Herztod seiner Frau eine steinerne Gedenkplakette anbrachte, denn dieser Fels war Ruth’s Lieblingsplatz gewesen. Vielleicht erinnert sich jemand an diesen Barry mit seinem Franzosenkäppchen aus der wunderschönen nordenglischen Kathedralenstadt York, der sich in GR „Páris“ nannte, ein kleines Häuschen weit oben am Hang schräg hinter dem „Omónia“ sein Eigen nannte und nicht zuletzt der Schöpfer der damals einzigen Landkarte von Tílos war, der mit dem hellblauen Cover, basierend auf italienischen Militärkarten. Ich war damals oft mit Barry zusammen, auch beim Státhis im Neuen Markt von Rhódos-Stadt, auf der Fähre nach Tílos, bei einem Ouzo Frantzéskos, dem wohlschmeckenden Gebräu aus Samos, in irgendeiner Kneipe. Seine Frau war damals bereits gestorben, mit nur 50, ein Defibrillator, wie es ihn heutzutage überall gibt, hätte ihr Leben gerettet, aber auf dieser Insel gab es eben so etwas 1998 noch nicht. Barry trauerte seiner Frau permanent nach, trank sich wohl zu Tode. Eine zweite Wanderung in voller Mittagshitze muss ich wenigstens noch absolvieren, die über das Aussichtskapellchen Ágios Ioánnis hoch über dem Ostende der weiten Bucht von Livádia und zumindest weiter hinter Richtung dem Ruinendorf Jerá. Bis zur Hausruine mit einem noch einigermaßen erhaltenen Kamin kurz hinter der Abzweigung hoch zu den Feldern der Hochebene von Páno Méri schaffe ich es auch, das genügt bei dieser Affenhitze. Komme auf dem Rückweg wieder vorbei an der Stelle, wo früher eine Quelle aus dem Fels sprudelte, an der man sich erfrischen konnte, nun erkennt man den Ort nur mehr an einem Eisenrohr im Boden des Wanderweges. Schon beim Kapellchen des Hl. Johannes hatte ich meine beiden Nordiren angetroffen, erschöpft von diesem doch extrasteilen Anstieg auf der Teerstraße hin zu den „Stefanákis Villas“ und darüber hinaus. Lediglich ein einziges Wandererpaar eilt mir voraus, früher dagegen begegnete man ständig irgendwelchen Briten, es wandert noch weiter hinter, vielleicht sogar hinauf auf den Koutsoúmbas-Berg, der die Insel im Osten abschließt. Da oben war ich in meinen jüngeren Jahren auch schon mal. Trotz all der Hitze, der fast herbstlich aussehenden, verdorrten, sonnenversengten Frühjahrslandschaft, wie ich sie bisher noch nie gesehen hatte, fühle ich mich wohl auf Tílos, möchte wiederkommen. Alle sagen hier, sie hätten eigentlich gar keinen Winter gehabt, es hätte fast überhaupt nicht geregnet. Mir fehlen die in ihrer Farbenpracht strahlenden, vielfältigen Wildblumen. Man übersieht sie eher, denn sie stehen erschlafft und unterentwickelt in der Landschaft herum, in ihrer Mattigkeit gut getarnt, es fehlt und fehlte halt an Wasser. Lediglich die gelben Blümchen, vorwiegend im Ortsgebiet von Livádia selbst, machen sich besser bemerkbar. Und dort, wo bewässert wird, blüht und rankt und grünt alles prächtig, etwa im Garten des Hotels „Irini“. Einmal nehme ich den 11.30-Uhr Bus mit Umweg über Megálo Chorió und den spärlich besuchten Eristós-Strand, wo eine Taverne bereits ihre Dienste anbietet, an die Nordküste nach Ágios Antónios, der winzigen Siedlung mit kleinem Fischerhafen gegenüber der Nachbarinsel Nísyros/Níssiros. Vom Busfahrer Jánnis weiß ich, dort hat immerhin eine der beiden Tavernen geöffnet, wenn auch nur mittags über, mangels Gästen zur Abendzeit. Auch ein Kafenío hat bereits auf, es fehlen aber jegliche Gäste. So spaziere ich, vorbei an einem Badenden und einem Fischerboot auf Fang, am recht verschmutzten Kieselstrand entlang vor bis zum „Akrogiáli“, in dem leider wieder dieses junge Filmteam aus Frankreich herummacht, das mich schon bei der Anreise auf der Stávros genervt hat und das vor nichts und niemandem Rücksicht zu nehmen scheint. Auf der Platía von Livádia hab ich sie dann mal zur Rede gestellt und ihnen gesagt, sie sollten die Leute erst fragen, bevor sie sie filmen. Nun stehen sie in diesem verödeten Wirtshausinnenraum herum und bilden sich ein, der Erschaffung meisterlicher Kochgenüsse beiwohnen zu können, in all dieser Tristesse eines gottverlassenen Ortes. Im Web hat dieses Restaurant ja sehr gute Beurteilungen, doch jetzt wird nur ein Notprogramm geboten, einiges Vegetarisches, das ich auch nehmen hätte sollen, und ein schreckliches Gericht mit Schweinefleischstücken, diese wiederum fast steinhart. Der Salat und die Fritten sind gut. Ich reklamiere und meine, das Hauptgericht sei unzumutbar, worauf sie tatsächlich auch nichts dafür in Rechnung stellen. Anschließend schleiche ich am Grundstück und Häuschen der mir durch ihren Blog https://octopus-in-my-ouzo.blogspot.com/p/about-me.html vertrauten Jennifer Barclay vorbei, immerhin einer Oxford-College-Absolventin, weit gereist und schriftstellerisch aktiv, die sich aber nicht dafür zu gut ist, auch mal Monate lang in einer Taverne hinter dem Ágios-Minás-Strand an der Ostküste von Kárpathos als Bedienung und Putzerin auszuhelfen. Ich hoffe, sie einmal persönlich sprechen zu können, sie und den wohl ebenfalls anwesenden hervorragenden Blogger Ian Smith, einen Australier mit poetischen Fähigkeiten, den ich sehr schätze, so wie er die Gedichte von R. M. Rilke. Auf dem kleinen Parkplatz um die Kurve herum parkt denn auch ein alter Landrover mit englischem Kennzeichen und einem Hinweis auf einen Autohändler aus dem Bride Valley im südwestenglischen Dorset. (Einer Gegend, wo etwa auch sehr hochpreisige Weine und Sekte produziert werden, das nur nebenbei bemerkt.) Was für ein schöner Garten, von vielen Feigenbüschen eingerahmt und gegen die Asphaltstraße abgeschirmt, auch mehreren Palmen mittendrin. Alles wirkt im Moment leider recht verlassen, das Haus verschlossen, und ich möchte auch nicht stören, habe auf den Zufall gehofft. Dieser sollte mich tatsächlich eines Abends bei einem Spaziergang an der Paralía des Hafen-und Haupttouristenortes ereilen. Den gleich abfahrenden Bus lasse ich vorbei, ich wende mich nach West, vorüber an der etwas in den Boden versenkten Ágios-Vasílios-Kapelle und gleich auf einer Erdstraße nach Süd, wo mir sogleich ein Staub aufwirbelnder LKW entgegenkommt, der weiter hinten seine Erdfuhre abgekippt hat. Einige hundert Meter dringe ich ein in diese nun von einigen wenigen (eingefrorenen) Baustellen und Schuttablagerstellen durchsetzten, eigentlich so schöne Gegend, die mit Kermeseichen mit ihrem teils helleren, teils dunkleren Grün übersät ist und erst am Fuß größerer Bergstöcke in einiger Ferne endet. Wäre dieser kleinere, zunächst so unberührt wirkende Taleinschnitt mit dem hineingekippten Wohlstandsmüll inmitten dieser Traumlandschaft nicht, könnte man hier richtig glücklich draufloswandern. So aber kehre ich um und warte bei der Bushaltestellen von Ág. Antónios auf den nächsten Bus, enttäusche die auf den ersten Gast eingestellte Frau vom dortigen Kafenío. Jánnis fährt wieder vorbei an Jennifers Grundstück, am Fußballplatz und dem Militärposten gegenüber, am von der Größe her recht bescheidenen Jimnásio-Líkio (dem Gymnasium, das in GR aus zwei getrennten Schulstufen für jüngere bzw. ältere Schüler*innen besteht) im unteren Ortsteil von Megálo Chorió und dann zurück nach Livádia bis runter zum Hafen. Hier übrigens noch der Link zu Ian Smith’s Blogs mit seinen zahlreichen „hard words“, man muss schon einigermaßen gut Englisch können: https://whenthewineisbitter.wordpress.com/ Aber Ian ist nun auch ein alter Mann geworden, das Bloggen ist Geschichte. Eines Abends kommt mir auf der Paralía ein vom Bad im Meer ganz durchnässter, lieb aussehender mittelgroßer Hund mit hellbraunem Fell entgegen. Da klickt in mir ein Schalter um: Das muss Lisa sein, Jennifers Hündin! Und tatsächlich, 50 m weiter östlich stehen sie da, die beiden, Jennifer und Ian, der Gast von irgendwoher, kaum zu glauben, und diskutieren gerade mit einem jungen Griechen. Der etwas abseits irgendeine Arbeit macht. So kann ich einige Worte wechseln, bin voll des Lobes über Ians so poetische Texte, seine ganz hervorragenden Gedichtübersetzungen, bezeichne ihn als „poet“, mache aber klar, wie sehr ich auch Jennifers Insel- und Reiseberichte schätze. Sie hat sehr viel über ihre Wahlheimat Tílos geschrieben (Ian hatte übrigens auch lange in Ág. Antónios auf Tílos gelebt), auch in einigen ihrer Bücher, nicht nur den Blogs auf ihrer Website. Und Ian hatte zuletzt über seine Zeit in den bulgarischen Wäldern bei einfachen Menschen geschrieben, er hatte längst seine Fühler nach noch Ursprünglicherem ausgestreckt, als man es auf den Dodekánis(s)a findet. Ian nimmt sich sehr zurück, meint fast schüchtern, das sei ja viele Jahre her, er veröffentliche schon länger nichts mehr im Web. Tu felix Martin, der seine Webseite entdeckt hat! So schön, die beiden mal live erlebt zu haben! Lassen wir’s jetzt, das soll genügen, es handelt sich schließlich um meine Herzenssache. Eines anderen Abends, es muss ein Freitag gewesen sein, sitze ich wie viele andere im Hafen-Café Remédzo in Erwartung eines Großereignisses, der Ankunft des größten hier anlegenden Schiffes, der Blue Star Patmos, die ich schon um ca. 6 Uhr bei ihrer Ankunft von Piräus her noch etwas schlaftrunken in dieser so klaren, durch nichts verdorbenen Morgenstimmung von meinem Balkon aus beobachtet hatte. Geh vorher ein paar Schritte vom Café aus zum Gebäude der Hafenpolizei hinter, es wundert mich, eine größere Menschenansammlung in der Dunkelheit unter den Tamarisken anzutreffen, mehrere Gruppen, insgesamt bestimmt 120 bis 150 Personen. Bald erkenne ich die Kopftücher der Frauen. Es sind Flüchtlinge, die hier angelandet sind, wohl in der kleinen Bucht von Skáfi, etwa 3 km nördlich von Megálo Chorió gelegen. Ein junger Mann hebt einen riesengroßen Plastiksack mit Trinkwasser drin an den Mund, nimmt einen großen Schluck. Immer noch existiert am südöstlichen Ortsrand von Livádia, direkt beim Ortsfriedhof, ein Flüchtlingscamp aus Containern und kleineren Häuschen, jedem sind zwei Baustellen-Toiletten-Kabinen angegliedert, geradezu paradiesische Verhältnisse im Vergleich zu Lésbos oder Léros, etc. Klein und irgendwie fein, ich hab es mir selber angesehen, da waren aber keine Menschen mehr zu sehen, oder die Verbliebenen haben noch geschlafen, denn es war noch Wäsche an Leinen zu sehen. Das Schiff kommt an, natürlich ist die Schweizer Großfamilie mit ihrer lärmende Kommandos an ihre Sprösslinge erteilenden jungen Mutter mit im Café versammelt, die beiden Heckklappen werden runtergelassen, Leute und Fahrzeuge strömen aus dem Schiffsbauch. Und nach einer Weile setzt sich ein langer Zug von Menschen stillschweigend und demütig in Bewegung, zahllose kleine Kinder unter ihnen, ansonsten jüngere Männer und Frauen, sie sehen alle arabisch aus, einige vielleicht auch afghanisch, soweit ich das beurteilen kann. Nun beginnt das Trauerspiel. Nicht etwa zu einem der beiden seitlichen Treppenaufgänge werden diese „Menschen zweiter Klasse“ geführt, nein, gleich geradeaus, mitten hinein zwischen die stinkenden, Abgase auspuffenden Laster und PKWs, genau in die Mitte des LKW-Decks, und da ganz weit hinter Richtung Bug des Fährschiffes. Mir bleibt echt die Spucke weg. Ob es ganz da hinten wohl einen fensterlosen Verschlag inmitten all der LKWs gibt, der diese armen Kreaturen aufnehmen wird? Muss wohl so sein, denn in diesem Bereich geht m. W. keine Treppe hoch in irgendeinen Passagierraum weiter oben. Erstmals muss ich mitansehen, was es bedeutet, wenn ein Land wie GR, längst total frustriert, eine permanente Schwachstelle der EU-Außengrenze darzustellen, seine Konsequenzen zieht und es den Asylsuchenden von Beginn an zeigt, wie absolut unerwünscht sie hier sind. Und die anderen, zahlenden Passagiere sollen auf keinen Fall belästigt werden. Das Lager auf Tílos mag ja noch ganz ordentlich gewesen sein, aber dieser Transport erinnert mich an die Fußmärsche der KZ-Häftlinge des Lagers Dachau unter erbärmlichsten Bedingungen, die von den anrückenden Alliierten weg ins Rest-Reich getrieben wurden, auch wenn es doch nicht ganz so schlimm ist, in diesem Fall heute Abend. Einige deutschsprachige Feriengäste vor mir auf der Café-Terrasse munkeln was von einem großen Flüchtlingslager auf der Insel Léros oder in der Nähe von Athen. Sie scheinen das schon öfter miterlebt zu haben, sind schon etwas abgebrühter in dieser Hinsicht als ich es bin. Soll ich nun weiter vom guten Essen der Menschen erster Klasse erzählen? Ich mach’s - bin ja wie die meisten Leute versiert im Verdrängen. Erstmals gleich nach 18 Uhr im „Armenón“. Weil Sonntag ist, gibt es kein preiswerteres Tagesgericht. Was ich bestelle, ist gut und schon deutlich teurer, als in Nord-Kárpathos. Wer sparen will, darf nicht unbedingt nach Tílos fahren, oder man muss halt die anderen Tavernen aufsuchen, die preislich günstiger kommen. Einmal geh ich auch im „Almyríki“ richtig essen, nachdem ich Rob und Sally an der Fähre verabschiedet habe, vorher nur Mezé und einen Ouzáki hatte, aber von dem teuren 30-Euro-Weißwein (namens 10-18, eine weiße Cuvée zweier Sorten aus Émbona mit betörendem Bouquet) probieren durfte. Rob war voll des Lobes über sein Kotelett gewesen, es sei ein Gedicht gewesen. Sally hatte was Ausgefalleneres, war auch voll des Lobes. Deshalb bestelle ich abends bei dieser so überaus netten Familie vom Almyríki auch so etwas, bekomm ein ganz großes Stück Fleisch, viel zu viel für mich, die Katzen werden sich nachher freuen über mein Kleingeschnittenes. Als ich einen Rakí möchte, stellt sich heraus, es gibt da keinen. Stattdessen stellt mir der junge Mann einen 3 Jahre (oder waren es 10?) im Holzfass gereiften Tsípouro auf den Tisch, etwas ganz Besonderes und für 3,50 Euro noch bezahlbar. Danach werde ich gefragt, ob ich noch auf einen weiteren Drink Lust hätte, denn eine ältere Engländerin etwas weiter weg feiere die Geburt ihres Enkelkindes und gebe den wenigen Anwesenden einen aus. Also noch mal dasselbe – sehr fein. Zum Schluss bedanke ich mich bei der Spenderin und wünsche dem Baby alles Gute fürs Leben. Sehr vielversprechend sah übrigens auch die Speisekarte des Restaurants „Mediterranean Delights“ aus, neben der Dorfbäckerei und am anderen Ende der kurzen Verbindungsstraße, in der auch das „Grill House“ seinen Ecksitz hat. Da die jedoch einen Ruhetag hatten oder recht spät öffneten, kam ich nicht dazu, dort was auszutesten. Einmal stieg ich mittags wieder in Megálo Chorió aus dem Bus und entdeckte, dass das alte Kafenío „Palió Meráki“ neben und oberhalb dem mit Mosaikpflasterboden versehenen Vorhof der großen Kirche nun auch bis 14 Uhr, dann wieder abends, aufhat. Ein echter Gewinn, denn auf der Aussichtsterrasse des Lokals lässt es sich weit ins Land schauen, bis hin zum Eristós-Strand, über die weite, fruchtbare Ebene. Dort versuchte ich mal die Zucchini-Pflänzchen für nur 7 Euro, sie waren wundervoll. Noch etliche weitere Speisen auf der Karte bewegten sich im selben Preissegment. Unbedingt empfehlenswert. Bitte nicht mit dem neueren Café nur ca. 100 m unterhalb an der Durchgangsstraße mit dem Rathaus und dem Lebensmittelladen verwechseln, wo der Bus hält. Auf einem schmalen Wanderpfad, der oben aus dem Dorf herausführt, wäre Ág. Antónios nach nur knapp 1,5 km zu erreichen. Hab das schon öfters gemacht. Leider war auch um diesen Weg herum alles vertrocknet. Gerne hätte ich noch mehr Zeit für Tílos gehabt. Ich muss sagen, ich freu mich wirklich auf das nächste Mal auf dieser liebenswerten Insel! Aber wenigstens noch 3 Übernachtungen sollen es in meiner so geschätzten rhodischen Altstadt-Pension werden. Hab angerufen und ein Zimmer bestätigt bekommen. Zurück nach Rhódos Mit dem Katamaran Dodekánisos Express, der pünktlich auf die Minute von Níssiros her eintrifft, düse ich in gut 35 Minuten nach Chálki, vorbei an der langen Zackensäge des unbewohnten, schmalen Andítilos. Chálki zeigt sich auch von Nord und Ost her gesehen extrakahl. Kurz vor der Kurve zum Hafenort hin tauchen vor der Küste die Fischfarmen auf, mit denen wir Touris mit „frisch gefangenem“ Fisch versorgt werden. Noch ca. 1 Std. 20 Min. nach Rhodos-Stadt, wieder dieser bezaubernde Anblick des lang gezogenen Akramítis-Berges, der mir diesmal als Wandergebiet verwehrt blieb. Álli forá! Kurz vor Einlaufen in den Kolóna-Hafen holen wir noch die Prévelis ein, die nun wirklich etwa 40 Minuten Verspätung hat. Mein Katamarán kommt wieder exakt zur vorgesehenen Zeit, also um 20 Uhr, in seinem Heimathafen an. Von diesem Kolóna-Hafen ist es zu Fuß deutlich näher zu meiner Altstadtunterkunft als vom weiter entfernten Handelshafen aus, von dem ich meist ein Taxi für 5,- Euro bis zur Píli Panajías (Stadttor der Gottesmutter) nehme, was jetzt aber nicht nötig ist. Panajóta fragt mich, ob ich lieber „unten“ oder „oben“ wohnen will. Na klar: oben. Das zweite Zimmer von der oberen Eingangstür aus gesehen wird nun meine Bleibe. Wieder ein großes Bett, ansonsten ist es etwas eng, aber ich bin ja allein, also alles klar. In diesem alten Teil des Hauses gibt es auch keine Schränke, nur eine Stange zum Aufhängen von Hemden, Kleidern und darüber eine Ablage. Auf der Kofferablage hat mein großer Rucksack Platz, wenn er auch dem Lichtschalter gefährlich nahe kommt und es öfter als gewollt Licht wird. Das sind Dinge, die für mich nicht von Bedeutung sind. Ich vermisse auch den Fernseher nicht. Genieße stattdessen wieder den tollen Blick auf die gegenüber liegende Ruine mit den Resten eines Mosaikfußbodens, den großen Hanf-, den kleinen Feigenbäumen und der darunter herumstreichenden Katzengemeinde. Ein Wohlfühlort! Beim nächsten Frühstück, einem wunderbaren Joghurt mit Früchten, im Hof des neueren (eigentlich genauso alten, aber mit besser ausgestatteten Zimmern) Teils meiner Pension, lerne ich einen älteren Engländer kennen, der Großes vorhat. Eine lange Reise entlang der türkischen Küste über einige Inseln erst mal hoch bis Sámos, dann noch weiter. Er ist dankbar für Tipps zu Sími, Tílos und Níssiros. Mehr Zeit müsste man sich nehmen dürfen. Aber Rücksichtnahme auf andere zu Hause ist doch auch gut. Zweimal esse ich im „George’s Special“, dem Freilufttavernchen, eher einer Grillstube, der Familie von den „Rooms Eleni“ im Neuen Markt beim Mandráki-Hafen. Nie hätte ich gedacht, wie gut die kochen können, nahm ich doch kein Jíros, keine Souvlákia, sondern ein großartig gewürztes Jouvétsi, einen wohlschmeckenden Auberginensalat und dergleichen. Und Jórgos, der Vater, hat sich über meinen Besuch wirklich gefreut. Einmal wenigstens wollte ich das „Symi“, meine nun ehemalige Stammtaverne im Neuen Markt, beehren. Aber die horrenden Preise hielten mich doch von meinem Vorhaben ab. 20 Euro nur für Kalamari-Ringe ohne Beilagen schienen mir doch etwas viel. So stapfte ich durch die westliche Altstadt und durchs Ágios-Athanásios-Tor, eher eine gewaltige Bastion, wieder hinaus, überquerte die Dimokratías-Straße und fand meinen Weg in die Ajíon-Anarjíron-Straße hinein, vorbei an der gleichnamigen hübschen Kirche. Etwas zu früh war ich dran, denn das von Karpathioten, ja nahen Verwandten von Pápa Minás, dem Dorfpfarrer von Diafáni, betriebene, sehr beliebte Restaurant „To Stenó“ öffnet erst um 18 Uhr. So trieb ich mich noch ein wenig im Viertel herum, wanderte zum Ágios-Ioánnis-Platz vor, an dem sich noch vor etwa 6 Jahren ein weiteres uriges Einheimischen-Kafenío befand, jetzt in ein schlecht besuchtes Speiselokal umgewandelt, die Alten vertrieben. Wenige Meter weiter nach Nord hin fand ich an einer Straßenecke ein weiteres empfehlenswertes Tavernchen, das „Ta Marásia“. Es hat wie das „To Stenó“ sehr gute Kritiken und empfiehlt sich wie dieses als Ausweich-Speisestätte für gestresste, genervte Bewohner der westlichen Altstadt mit ihren Touristenmassen und den zahllosen Nepplokalen. Sehr schönes, sauberes Essen mit Kalamária als Hauptgericht im To Stenó. Was ist diesmal sehr schätzte, war ein Óporopandopolío, ein Lebensmittelladen mit Obst und Gemüse im Angebot, im oberen Teil der leider auch noch sehr touristischen Ippodámou-Gasse, etwas unterhalb der Einmündung des Alkéou-Gässchens. Vorsicht, hier ist nur bis 15 Uhr geöffnet, abends zugesperrt. Ein sehr freundliches, sich sichtlich gegenseitig mögendes älteres Ehepaar verkauft hier z. B. auch sehr gute Brote eines Bäckers aus dem Ajía-Anastasía-Viertel südlich der Altstadt. Für nur 2 Euro bekommt man riesige, frisch zubereitete Sandwiches mit viel Käse, Sambón („Schinken“, na ja) und Tomate. Außerdem fand ich hier noch 2020er-Flaschen des vorzüglichen C.A.I.R.-Rotweins Chevalier de Rhodes, allgemein nur „Säwalljääää“ genannt, und dieser Wein ist nach 4 Jahren in der Flasche bereits gut trinkbar, hat einen unglaublich schönen, weinbeerigen Nachgeschmack. In meinem Mini Market am südlichen Ende der Perikléous-Gasse, Ecke Odós Irínis, dem mit der leider verstorbenen deutschen Ehefrau, war dieser gute Tropfen für nur etwas über 6,- Euro nicht mehr im Angebot, angeblich wegen Lieferschwierigkeiten. Auffallend, wie sich alle an ihren Ladenkassen nun bemühen, dem staatlicherseits neu eingeführten System des Einscannens jeglicher verkaufter Ware mit Direktanbindung ans Finanzamt nach Kräften gerecht zu werden. Das ging in einem Fall so weit, dass der Betreffende nicht merkte, viel zu wenig von mir zu verlangen, weil er derart apparategläubig geworden war. Das Ding hatte sich tatsächlich schwer verrechnet, ich musste ihn darauf hinweisen. Also von dieser Seite her wird dem griechischen Staat so schnell nichts mehr entgehen – oder doch, wegen Fehlkalkulationen der Geräte?! Die Frühstücke in meiner Pension, halt: meinen „Rooms“, vor Jahren nannte sich die Unterkunft noch „Pension“, genießen, mit anderen Gästen reden, zur Pension Mínos vorspazieren und denen aufs Dach steigen auf ein Bier mit Wahnsinnsüberblick, noch etliche Male zum Státhis. So vergehen die letzten beiden ganzen Tage. Dann heißt es früh aufstehen, das Hoftor von außen zu verschließen, den Schlüssel im hohen Bogen in den Hof reinzuwerfen und ein letztes Mal über den morgendlich fast leeren Ippokrátous-Platz durchs „Thalassiní Píli“ (Meeres-Tor) über die Ringstraße rüber zum Holzplankenweg am Kolóna-Hafen noch einmal am Wasser entlangzuschwitzen, dann durchs „Píli Ajíou Pávlou“ und am „Yachting Club Café“ vorbei hin zur Néa Agorá auf einen letzten Nes beim Státhis, der bei meiner Ankunft um 20 nach 6 längst geöffnet hat, zwei Alte sind auch schon da, einer schläft vor seinem Ellinikó. Nun muss ich dem netten Wirt beibringen, dass ich in der Tat am Abreisen bin, keine weitere Insel mehr besuchen werde, sondern nur den Flughafen. Es ist noch genug Zeit, auf den 7-Uhr-Bus, den ersten der Flughafenbusse, zu warten. Dann Verabschiedung. Das Ticket für 2,50 Euro hol ich mir aus dem Automaten, der Verkaufsstand von RODA ist noch zugesperrt. Wenigstens die Rückfahrt zum Airport möchte ich bezahlen, nachdem die Hinfahrt in die Stadt wegen Nichterscheinens eines Schaffners nichts gekostet hat. Der Busfahrer selbst hat nicht kassiert. Einige Touristen und ein paar Griechen fahren mit, von Letzteren steigen die meisten vor Erreichen des Airports aus. In dieser Morgenstille wirken sogar die nicht gerade schönen Viertel, die wir durchfahren, etwas netter und freundlicher als beim Schock der ersten Durchfahrt nach Ankunft mit dem Flieger. Kein einziges Lädchen mit Zigarettenverkauf ist im gesamten äußeren Flughafenbereich mehr existent, nur noch Coffeeshops mit Snacks. So muss ich meinen Rucksack wieder bei auf den Check-in wartenden Mittouristen zurücklassen, den großen Busparkplatz bei der Ankunftshalle überqueren, um nach Erklimmen der Eisentreppe einen Períptero (Kiosk) am Ortseingang von Paradíssi zu erreichen. Immerhin 4 Packungen Karélia Fíltro erstehe ich dort, zum Anbieten für rauchende Freunde und Bekannte, nicht für mich selber. Sie kosten nun bereits knapp 4 Euro. Man kann den Schriftzug der Marke kaum noch erkennen, fast die gesamte Oberfläche der Packungen ist mit einem gruseligen Bild eines von seiner mitfühlenden Familie umgebenen jüngeren Herzinfarktpatienten mit Sauerstoffmaske besetzt. Dazu noch die Hinweise auf Krebs. Man meint es ernst, und viele Griechen haben das Rauchen eh schon aufgegeben. Da ich rechtzeitig da bin, hab ich schnell eingecheckt, bei Ryanair ist das noch im Terminal 1, dem älteren Teil, und bin einer der Wenigen an der Sicherheitskontrolle. Oben vor den Gates, deren westlichster Teil nicht genutzt wird, herrscht dagegen schon reger Betrieb. Einige Maschinen starten bald nach Polen, einige Eurowings-Flieger zu deutschen Städten. Aegean nach ATH ist auch schon vor Ort. Nur mein Flieger ist noch nicht da. Nichtsdestotrotz werden bereits die „Priority“-Passagiere gebeten, sich vor der Boarding-Kontrolle anzustellen. Kaum ist das Flugzeug gelandet, wird schon eine Menschenschlange nach draußen losgeschickt, wir warten dann eine gute halbe Stunde in praller Sonne und all diese Abgase einatmend auf das Aussteigen der letzten Passagiere, das Beenden der Betankung und die Reinigung der Kabine. Sehr seltsam! Eine Frau neben mir meint, sie hätte das vor ihrem Herflug in Memmingen auch so erlebt. Da hatte ich ja Glück gehabt, wir saßen dort nur etwa 40 Minuten bei laufenden Triebwerken bereits im Flugzeug, ein Höllenlärm in diesen Boeing-737-800, auf die Startfreigabe wartend, weil der Luftraum überfüllt war. Mir deucht, die Innenräume von Airbussen sind wesentlich besser schallgedämmt. Die Flugstrecke führt über Tílos, hart an Astipálea vorbei, Anáfi und Santoríni sind wunderbar zu sehen, über das östliche Amorgós, mit Blick auf die Kleinen Kykladen und das große Náxos, zwischen Ikaría und Míkonos durch westlich an Skíros vorbei, toller Blick auf Skópelos und Skiáthos, dann ein Stück westlich von Saloníki auf den Balkan. Auf dem letzten Flug-Viertel erkenne ich einige Kornaten-Inseln, später Rijéka und dann eindeutig Trieste mit seinem großen Hafen. Mit etwas verschleiertem Blick auf die Lagune von Grado halten wir, das Friaul überquerend, auf die Alpen zu, und da wir recht quer über diese Berge fliegen, dauert es ein Weilchen, bis sich die verschneiten, stark umwölkten Gipfel verziehen, wir in mehrere Schichten dicker Wolken eintauchen, und auf einmal die grünen Wiesen, Felder und Waldungen des Allgäus unter uns aufscheinen. Es wird eine butterweiche Landung von Ostnordost her. Ziemlich mickrig wirkt die Gepäckausgabehalle, zu der wir vom Flieger zu Fuß gebeten werden, mit ihren zu engen Toilettenräumen, in denen man sich kaum umdrehen kann, wenn andere im Weg stehen. Zwei Gepäckbänder. Die Sperrgepäcksausgabe wirkt stark improvisiert: Von draußen schiebt jemand einen Buggy rein, aber nur die ersten Rollen laufen, der Rest steht still, so fallen wegen des nachrückenden Kinderwagenparks einige Dinger runter, muss ein Pápi mit akrobatischem Geschick dies oder das aus einem Spalt neben dem Rollenband herausfischen. Aber insgesamt schätze ich nun diesen kuscheligen kleinen Airport mit seinen riesigen Parkplätzen sehr, geht es dort doch viel gemütlicher zu als in MUC, kein Vergleich. Der Memminger Flughafen und seine Hauptfluggesellschaften, hier insbesondere WizzAir, weniger Ryanair, befördern überwiegend Bewohner aus Balkanländern, die in deutschsprachigen Ländern tätig sind. Ryanair steuert immerhin noch Dublin, einen Londoner Airport, einen in Portugal oder auf den Kanaren an und einige griechische Ziele wie Rhódos oder Chaniá auf Kreta. Aber die meisten Ziele liegen auf dem Balkan, wo auch kleinere Flughäfen von FMM (Memmingen) aus bedient werden. Frustriert bin ich darüber, dass das altmodische Wirtshaus „Zum Älles“ beim Bahnhof, vor dessen überhöhtem Eingang die alte, rauchende Wirtin fast abwehrend Position bezogen hat, heute gar kein Essen anbietet, ich hatte mich so auf Weißwürste mit Breze und einem herrlichen, unvergleichlich guten Weißbier der Brauerei Meckatzer aus dem Landkreis Lindau gefreut. So bleibt es halt bei einer Apfelsaftschorle und einem Meckatzer, immerhin. Meine vom Flughafen mitgebrachte Memminger Zeitung darf ich bei der Wirtin zurücklassen, die einem aus purer Not die „Bild“ lesenden Stammgast sofort das seriösere Blatt auf den Tisch legt. Die Frau vom Snackladen im Memminger Bahnhof versucht mich gleich um 1 Euro zu bescheißen, aber ich merke es sofort. Wenigstens eine Butterbreze und ein grausames Salami-Brot mit der billigsten Fabrikwurst, die man sich vorstellen kann, stehen mir im Zug als Mittagessen zur Verfügung. Eindeutig: Der verkommene, in der Unterführung fürchterlich verdreckte Bahnhofsbereich von Memmingen ist eine echte Service-Wüste. Dabei benutzen nicht wenige Flugreisende diesen Bahnhof, und wenigstens das Wirtshaus gegenüber und die seltsame, verhaute Café-Bar nebenan sollten sich darauf einstellen. Als Krönung des Ganzen funktioniert dann im hellblauen Regionalexpress von Go-Ahead nach München keine der beiden Toiletten, alles zugesperrt. Deshalb bin ich gezwungen, beim gut 10-minütigen Halt in Buchloe schnell auszusteigen und in einiger Entfernung von meinem Lokführer aufs Nachbargleis, pardon, zu pinkeln. (Was hätten da die armen Frauen gemacht?) Aber dieses supergute Weißbier aus Heimkirch wollte ich mir einfach nicht nehmen lassen. Also, auf ein nächstes Mal von Memmingen aus! martinpuc
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