Ankunft Die Luft riecht würzig, als wir den Flughafen in Girona verlassen. Es ist so warm, dass wir sogar die Jacken ablegen können, die wir vorsorglich übergezogen haben. Auch die Vielzahl der auffälligen Pinienbäume, an denen wir auf dem Weg nach Playa d’Aro vorbeifahren, wird von lieblichem Sonnenlicht beschienen. Freude erfüllt mich, wieder in mediterraner Umgebung sein zu können. Playa de Aro (oder Platja d’Aro auf Katalanisch) hat einschließlich der Eingemeindungen über 10.000 Einwohner. Durch seinen ebenmäßigen Sandstrand erfreut sich der Ort an der Costa Brava bei Touristen schon seit langer Zeit großer Beliebtheit. An seiner Uferpromenade laden Cafés und Restaurants zum Chillen und Schlemmen ein. Einkaufsmöglichkeiten findet man in den Geschäften auf dem parallel dazu verlaufenden Boulevard und seinen Seitengassen. Früher mit einem großen Pinienwald bedeckt, wurden die Flächen unter Auflagen zum Erhalt zumindest eines Teils des Baumbestandes schon vor Jahrzehnten als Bauland freigegeben. Der so entstandene Reise-Hotspot hat daher nur noch wenig mit der ursprünglichen Landschaft und dem Dorf zu tun. Das heißt auch, dass zu unserer Reisezeit, außerhalb der touristischen Hauptsaison, sehr wenig los ist. ![]() ![]() Eigentlich hatte ich eine üppige Hochhausmeile erwartet, wie man sie an touristisch stark frequentierten Stränden in Spanien häufig vorfindet. Doch ich werde angenehm davon überrascht, dass es zwar durchaus mehrere dieser Übernachtungskolosse gibt, das Erscheinungsbild jedoch nicht von ihnen dominiert wird. Im Gegenteil sind die schmalen Straßenzüge, die sich zwischen Hauptgeschäftsstraße und Strand hinziehen, eher von kleineren Wohneinheiten und Ferienhäusern gesäumt, von denen die meisten bei unserer Ankunft allerdings noch verwaist sind. ![]() ![]() Auch unsere Ferienanlage, inmitten eines ehemaligen Pinienhains gelegen, ist ebenfalls noch recht leer. Bei unserer sonntäglichen Ankunft sind die Öffnungszeiten des Büros eingeschränkter als wochentags, und so bin ich froh, dass wir rechtzeitig zum Einchecken eintreffen. Grußlos, als wäre ich ein Bittsteller, werden mir die Anmeldeunterlagen von der deutschen Angestellten brüsk aus der Hand genommen. Ebenfalls wortkarg bekomme ich den Schlüssel zur Wohnung ausgehändigt und die Richtung erklärt, wo der Hauseingang sei. „Um die Ecke, durch den Torbogen. Der Hausname steht da irgendwo über dem Eingang.“ Allein, ich finde ihn nicht. Mutter harrt nach der fruchtlosen Umrundung der gesamten Anlage neben den beiden Koffern aus, während ich mich wieder zu der missmutigen Person begebe. Tatsächlich macht sie sich plötzlich und unerwartet doch die Mühe, mich zum Haus (ohne sichtbare Namensbezeichnung) zu begleiten und – oh Wunder! – auch noch einen der Koffer eine Treppe hoch zum Wohnungseingang zu schleppen. Na immerhin ist das geschafft. Wirklich willkommen fühlen wir uns dennoch nicht. Das Gefühl sollte sich in dieser Anlage in den kommenden Tagen noch verstärken. Als wir unsere Zimmer beziehen, fällt uns auf, dass die Wohnung ebenso lieblos eingerichtet ist. Es ist zwar (fast) alles da, was man während eines zweiwöchigen Aufenthaltes so braucht, doch die grob zerschlissenen Vorhänge hätte man wenigstens austauschen oder den schief an die Wand geklatschten Fernseher ausrichten können. Auch die beiden Balkone hätte man vor unserer Ankunft ruhig mal säubern können. Vielleicht ist es Sahara-Staub oder einfach nur der gesamte Winterdreck, den ich schließlich wegfege und -putze. Lassen wir es dabei, im Großen und Ganzen war die Wohneinheit rückschauend dennoch OK. Uns interessiert vielmehr das Bistro, das hier angegliedert ist. Die Auswahl an Speisen ist zwar begrenzt, doch wird ein kleines Frühstück angeboten, und abends kann man den Tag bei einer Kleinigkeit ausklingen lassen. Das sind keine schlechten Optionen. Unser erster Strandspaziergang am Nachmittag gestaltet sich als recht kurz, da ein kühler Wind über die Promenade hinwegfährt und uns im durchgehenden Schatten aufzeigt, dass der Sommer doch noch etwas entfernt ist. Der Einfachheit halber bleiben wir am Abend im Bistro der Ferienanlage, bevor wir uns für den nächsten Tag rüsten. ![]() Erster Tag in Playa d‘Aro
Am ersten vollen Tag unseres Aufenthaltes möchten wir uns einfach nur ein wenig orientieren, herumbummeln, ein paar Kleinigkeiten für die Küche einkaufen und Erinnerungen auffrischen. Nach über zwanzigjähriger Abstinenz zeigt sich, wie sehr der Ort sich doch verändert hat. Wo früher ein staubiger großer Platz war, ist heute alles zubetoniert. Geschäfte füllen nun Lücken, die früher frei waren. Auch die Art der Läden in modernem Design ist eine ganz andere, eine Anpassung an das, was Touristen heutezutage wohl erwarten. Erinnerungen an früher lieb gewonnene, markante Punkte erwachen dennoch. Gedanken, die auch an das Lebensgefühl von damals erinnern: Lebenslust, Ungebundenheit und ein Gefühl von Freiheit. Eine Zäsur im Leben, die Zufriedenheit schenkte. Heute erleben wir den Ort noch im Winterschlaf. Geschäfte mit Waren für den alltäglichen Bedarf sind natürlich geöffnet, doch etliche der typischen Touri-Läden müssen erst noch mit den Waren der kommenden Saison bestückt werden. Im großen Spar-Markt findet man zwar keine Bedienung, dafür aber nach längerer Suche alles, was wir benötigen. Dafür müssen wir etwas tiefer in die Tasche greifen, als wir es für vergleichbare Güter zu Hause im Supermarkt kennen. Die Apotheken sind ebenfalls geöffnet. Ebenso bieten Friseure ihre Leistungen an, darunter auch Barbershops, die es früher nicht gab. Der große freitägliche Wochenmarkt findet jedoch wie eh und je statt. In den wenigen geöffneten Restaurants sitzen einheimische Gäste, unter die sich die noch wenigen ausländischen Touristen mischen. Wir haben ein sehr ansprechendea Lokal ausgemacht, nicht allzu weit von unserer Unterkunft entfernt, in dem man in schönem Ambiente draußen wie drinnen tafeln kann. Die jungen Bedienungen sind sehr nett, das Essen dagegen ziemlich gruselig: in der Mikrowelle Aufgewärmtes oder bis zur Schwärze Durchgegrilltes. Die Pilze von Grill schmecken wie verbranntes Gummi. Sie haben auch eine ähnliche Konsistenz. Der Salat geht in Ordnung. Wir bleiben tapfer und verzehren weitestgehend und ohne Klage das Dargebotene. Vielleicht hat der Koch einfach nur Liebeskummer oder einen schlechten Tag erwischt. Nach und nach wird sich der Ort für die anstehende Touristensaison öffnen. Gerade am Strand wird noch sehr viel gewerkelt. Das schließt auch eine lärmende Großbaustelle mit ein. Kaum auszudenken, hätten wir uns hier einquartiert. Unsere Unterkunft hingegen liegt in einer sehr ruhigen Gegend. Vielleicht auch, weil noch so wenig Gäste rundherum da sind. Die Strandrestaurants, in denen wir in unserer Fantasie gerne so manchen Abend verbracht hätten, schließen während der Woche alle zeitig: spätestens gegen 17 Uhr ist Feierabend. Erst gegen Ende unseres Urlaubs, als an einem sonnig-warmen Wochenende Scharen einheimischer Besucher zum Meer streben, kann man erahnen, wie belebt es in den Sommermonaten sein wird. Doch uns ist es auch so recht. So manchen Nachmittag, wenn wir gerade keinen Ausflug in die Umgebung machen, verbringen wir hier, laufen die Ufergerade hoch bis zu ihrem Ende und wieder zurück. Das ist mit Arthrose-geplagten Knien nicht so einfach, doch wir freuen uns an der Bewegung in der salzhaltigen Luft, am sanften Wellengang und dem breiten Sandstreifen, auch an der Ruhe und dem Meeresblick aus den wenigen geöffneten Cafés, in die wir einkehren und die Seele baumeln lassen. Manchmal kommen Wanderer vorbei, denn der Strand gehört zum Camí de Ronda, der sich von Portbou, an der französischen Grenze, über fast 200 Kilometer, in weiten Teilen an der Küste entlang, nach Süden erstreckt. Etappen führen durch Cadaqués, dem Wohnort von Salvador Dali, Roses, L’Escala, Torroella de Montgrí, Pals, Begur, Palamós, Playa de Aro, Sant Feliu de Guíxols, Tossa de Mar, Lloret de Mar und schließlich zum Zielort nach Blanes. Dort wo der Weg den Küstenabschnitt von Playa de Aro verlässt, kann man erahnen, wie abwechslungsreich dieser Wanderweg ist. ![]() ![]() Die rot hervorgehobenen Orte werden in den nächsten Tagen auch unsere Besuchsziele sein, allerdings nicht zu Fuß, sondern mit dem Bus von Playa de Aro. Eine größere Busstation (Estació Autobusos) liegt fußläufig von unserer Unterkunft nur wenige Minuten entfernt. Dort erhalte ich mit einer Mischung aus Spanisch und Englisch von der sehr netten und hilfsbereiten Angestellten hinter dem Schalter die wichtigsten Hinweise zu Hin- und Rückfahrten unserer Destinationen. Da die Orte (bis auf Girona) alle nördlich von Playa de Aro liegen, sind sie folgerichtig durch eine einzige Buslinie miteinander verbunden, der Linie 1 des Betreibers Safra Moventis, die mehrfach am Tag diese Richtung bedient. Zurück (und weiter bis Barcelona) geht es dann wieder nachmittags, sodass wir stets genügend Spielraum für unsere Erkundungen haben und uns die Aufenthaltsdauer auch jedes Mal genügt. |