Basilikazisterne und Galatabrücke


Heute ist unser letzter voller Tag in der Stadt. Noch einmal bummeln wir in Richtung Altstadt, als es zunächst leicht zu regnen anfängt. Wie viele andere suchen wir uns ein Vordach über einem Geschäftseingang in einer Seitengasse, in die wir geraten sind. Der Regen verstärkt sich, ein richtiger Wolkenbruch geht hernieder. Vorbeifahrende Taxen sind stark begehrt, doch sind fast alle besetzt. Nach einer Weile hört der Regen fast ganz auf. Zurück bleibt eine tropische Schwüle.

Wir folgen der Gasse ein Stück bergan und gelangen in eine schmale kopfsteingepflasterte Straße mit mehreren Juweliergeschäften. Aber was für welche! Ihre Besitzer machen sich nicht die Mühe, irgendwelche potentiellen Käufer von der Straße hineinzulocken. Was hier in den Fenstern ausgestellt ist, ist edelste und allerteuerste Ware. Ein El Dorado für den gut zahlenden Einheimischen oder auch für den Touristen mit prallem Portemonnaie, der sich nicht scheut, so richtig zu prassen und sich im Vorbeigehen ein paar Brillis zuzulegen.

Nach einigen Straßenwindungen stehen wir gegenüber dem Hippodrom wieder vor dem Restaurant Alemdar, in dem wir der Derwisch-Zeremonie beiwohnen konnten. Wir werden auf das Herzlichste begrüßt und trinken ein Käffchen, diesmal aus Witterungsgründen jedoch im Innern des Lokals. Von unserem Platz aus hat man alles prima im Blick, sieht auch auf die Straße hinaus. Hier kann man die Seele baumeln lassen, was für ein Urlaub!

Als wir das Lokal später verlassen, fängt es schon wieder an zu regen. Plötzlich stellen wir fest, dass sich der Restauranteingang gleich neben dem für unseren Geschmack recht unscheinbar wirkenden Eingang zur unterirdischen Yerebatan Zisterne befindet. Diese stand eh auf unserer Begehrlichkeitsliste und bietet jetzt auch noch Regenschutz. Nichts wie hinein!


Basilikazisterne (Yerebatan Sarnıcı, „Versunkener Palast“)

Eintrittskarten zu je 10 TL gibt es in einem Vorraum. In das Innere der Zisterne gelangen wir über eine Treppe nach unten. Ein Schild am Fuß der Treppe klärt uns über die Eckdaten auf:

  • Die Zisterne wurde im 6. Jahrhundert unter Justinian erbaut.
  • Sie ist 70 Meter breit und doppelt so lang, ihre Fläche beträgt 9800 Quadratmeter.
  • Sie ist umgeben von einer 4 Meter dicken, feuerfesten Steinmauer.
  • Das Dach wird von 336 Marmorsäulen getragen.
  • Jede Säule misst 9 Meter Höhe, mit ionischen und korinthischen Kapitellen, nur wenige nach dorischem Stil
  • Das Wasser wurde aus dem Belgrader Wald, 19 Kilometer von der Stadt entfernt, via Aquädukt hierher geleitet.
  • 1985 begann die Stadtverwaltung von Istanbul mit der Renovierung der Zisterne, seit dem 9. September 1987 kann sie besichtigt werden.

  • „Was haben die damals alles in ihren Köpfen gehabt“, staunt Alex beim Anblick dieser architektonischen Meisterleistung.
    Dunkelrote Beleuchtung und Flötenmusik schaffen eine ganz eigentümliche Atmosphäre – man wähnt sich in einem versunkenen Schloss aus 1001 Nacht.


    Auf Stegen bewegt man sich über dem seichten, sauerstoffreichen Wasser, in dem sich das byzantinische Ziegelgewölbe widerspiegelt. Der Blickwinkel durch die 12 Säulenreihen ändert sich stetig.


    Dicke Karpfen, aber auch jede Menge kleinerer Fische, sammeln sich an den Lichtquellen, direkt unterhalb der angestrahlten Säulen. Kondensiertes Wasser tropft an einigen Stellen von der Decke (Auf die Kamera aufpassen!). Eine Säule hat einen ganz auffällig gemusterten Schaft.


    Eine französische und eine türkische Reisegesellschaft verlaufen sich in der weiten Halle. Drei afrikanische Touristinnen bitten mich um ein Foto mit ihnen. Sie sehen toll und glücklich aus und wir wünschen uns gegenseitig noch einen weiteren schönen Aufenthalt. Eine nette Begegnung.

    Langsam nähern wir uns den beiden Säulen mit den Medusenköpfen in der Basis, auf die ein weiteres Schild am Eingang hingewiesen hat. Sie befinden sich im hinteren Teil der Zisterne. Hier tropft es am meisten von der Decke.
    Von ihrer Herkunft weiß man nur aus Sagen zu berichten. Eine davon meint, dass die Köpfe von antiken Gebäuden aus Rom stammen.
    Ein Medusenkopf ist kopfüber, der andere seitwärts als Säulensockel eingesetzt worden. Die Wissenschaft ist sich wohl einig darüber, dass sie absichtlich so positioniert worden sind.


    Das Getröpfel ist mir wegen der Kamera nicht geheuer, und so halten wir uns hier auch nicht so lange auf. Auch der Steg ist an dieser Stelle sogar etwas rutschig, doch nach wenigen Metern wird es wieder trockener.
    Immer wieder gleiten unsere Blicke durch die Säulenreihen: Mal diagonal, mal parallel zueinander verleihen sie der Halle den Eindruck von Weite und Größe.



    Unterhalb der Treppe, die wieder zum Ausgang führt, nehmen wir noch einen sehr köstlichen Tee in einem kleinen Café. Und während wir hier sitzen, kriecht die Feuchtigkeit in Kleider und Knochen. Langsam steigen wir wieder an die Oberfläche, hinauf in die Gegenwart und an’ s Tageslicht.


    Mittlerweile hat der Regen aufgehört und wir schlendern ein weiteres Mal in Richtung Markthallen. Auf dem Ägyptischen Basar wollen wir noch einmal einkaufen. Wir kennen ja jetzt den Weg durch die belebte Gasse mit den vielen Straßenhändlern.


    Noch mehr Gewürze wollen wir erstehen, um die wir unsere Küche bereichern wollen. Es macht einfach Spaß, sich von der Atmosphäre, den Düften und den Verkäufern einfangen zu lassen. In breitestem Schwäbisch werden wir von einem türkischen Verkäufer angesprochen. In seinem Geschäft lassen wir auch ordentliches Geld. Als wir die eingeschweißten Gewürzverpackungen später in Deutschland öffnen, entströmt ihnen ein so intensiver Duft, dass wir uns wieder auf dem Markt wähnen.


    Bei Pandelís

    Am Ausgang des Ägyptischen Basars, der sich zum Eminönü-Platz und der Galatabrücke hin öffnet, weist ein Schild auf das Restaurant von Pandelís hin. Dort wollen wir am frühen Nachmittag eine Kleinigkeit zu uns nehmen. Eine steile Treppe führt hinauf in ein Foyer im ersten Stock.



    Das Lokal befindet sich praktisch über dem Ausgang des Basars mit Fenstern nach beiden Seiten: Zur einen Seite blickt man auf die Galata-Brücke, zur anderen überschaut man den Gewürzbasar.


    Die Innenausstattung besticht ebenfalls durch die Verwendung blauer Kacheln. Diese verleihen den Räumen ein Gefühl der Frische und Kühle - nicht zu verachten bei hochsommerlichen Temperaturen.




    Außer uns hat sich zu dieser Zeit nur noch ein anderer Gast hier niedergelassen. Ein livrierter Kellner bedient uns dezent. Seit 38 Jahren ist er hier angestellt und weiß einiges aus der Geschichte des Restaurants zu berichten.


    Der griechische Besitzer Pandelís eröffnete sein gleichnamiges Restaurant im Jahr 1901. Sein Sohn, mittlerweile auch schon über achtzig, besitzt noch andere Restaurants dieser Art in Athen und pendelt ständig zwischen Konstantinopel und Athen, weiß unser Kellner.
    Das Lokal scheint einen hohen Bekanntheitsgrad bei den Schönen, Reichen und Mächtigen dieser Welt zu besitzen.
    Hohe Herrschaften und Berühmtheiten sind hier zu Gast gewesen: Audrey Hepburn, Toni Curtis, Roman Polanski, Peter Ustinov, Maximilian Schell, Soraya, ein neuseeländischer Botschafter und viele andere. Sie alle haben sich mit ihrer Unterschrift verewigt.

    Wir lassen es uns gut gehen, bestellen als Vorspeise Taramá, als Hauptgang Salzwasser-Lavráki (Seebrasse) auf Tomate in Backpapier, im Ofen geschmort, dazu grüner Salat aus Ruccola, Eisberg und Gurke mit frischen Dillspitzen und feinstem Olivenöl. Noch heute habe ich den Geschmack auf der Zunge.
    Dazu ein trockener türkischer Weißwein aus der Marmararegion, „Villa Doluca“, und frisches Weißbrot.


    Während wir speisen, ruft der Muezzin von ganz nah, Echos ertönen auch von anderen Minaretts. Der Blick von unserem Sitzplatz schweift über die Mündung des Goldenen Horns in den Bosporus. Viele Schiffe sind unterwegs, sogar ein Kreuzfahrtriese.
    Quirlig geht zu auf dem Eminönü-Platz, direkt unter unserem Fenster: Touristen und Einheimische queren in alle Richtungen. Jemand verkauft türkische Fahnen, ein anderer Snacks. Busse, PKWs und viele gelbe Taxen verstopfen die benachbarten Straßen.

    Nachdem wir ganz ausgezeichnet gespeist haben, ordern wir die Rechnung. Zu erwähnen ist, dass alleine die beiden Drittelchen Wein genauso viel kosten wie der Fisch. Was soll`s? Wir haben in bester Gesellschaft von Promis und Fürsten gespeist!


    Galatabrücke

    Zum Abschluss möchten wir doch noch einen Spaziergang zur Galatabrücke unternehmen, auf der sich eine von weitem schon sichtbare, scheinbar nie enden wollende Menschenmenge befindet. Um dorthin zu gelangen, gehen wir wieder durch eine der Unterführungen unter der Hauptstraße hindurch.

    Auf der Brücke herrscht tatsächlich reges Treiben. Die Menschenströme entpuppen sich aus der Nähe als dichtgedrängte Reihen von Anglern. Und die haben Glück: Sardinen füllen die Behälter.




    An einer Stelle auf der Brücke führt eine Treppe nach unten bis fast auf Wasserhöhe. Von hier aus erkennt man, dass sich unterhalb der Brücke ein Lokal an das nächste reiht.


    Ausflugsboote donnern im Sekundentakt hier vorbei, fast alle sind voll besetzt. Es scheint ein lohnendes Geschäft zu sein. Auch uns hat die Bosporus-Fahrt sehr gut gefallen, wir würden sie jederzeit wiederholen.


    Lange halten wir uns hier auf, schauen dem geschäftigen Treiben zu, genießen den Blick auf die Skyline, auf das bunte Leben, die Lebendigkeit.


    Ein letztes Mal fahren wir später mit der Tram zur Haltestelle Laleli-Universität und gehen zurück zum Hotel, um unsere Sachen zusammenzupacken.


    Loblied auf das Laleli-Gönen-Hotel

    Viele Schiffe ankern auf dem Bosporus hinter der Laleli-Moschee. Diesen Blick kann man genießen, wenn man sich im milden Abendlicht auf die Dachterrasse des Hotels begibt.


    Liegestühle laden zum Relaxen ein. Der Pool wird zu dieser Stunde kaum noch frequentiert.



    An den wenigen Holztischen kann man einen Imbiss zu sich nehmen. Leise Hintergundmusik aus dem Radio mischt sich mit den gedämpften Geräuschen der Metropole.
    Immer diesiger wird die Atmosphäre, als die Sonne untergeht und der Horizont sich rot verfärbt. Umso klarer leuchten die Positionslichter der Schiffe.

    Nur wenige Gäste sind um diese Zeit hier oben, obwohl das Hotel voll belegt ist. Internationales Publikum, vor allem aus Europa und Arabien.
    Heute Morgen beim Frühstück waren alle Tische im geräumigen Frühstücksraum besetzt. Die freundlichen und geschäftigen Servicemänner hatten alle Hände voll zu tun, das üppige Frühstücksbüffet immer wieder nachzufüllen:
    Frisches Weißbrot, Wurst, verschiedene Käsesorten, Tomaten, Gurken, Oliven, Joghurt, verschiedene Sorten Marmelade, Kuchen, eine passierte Suppe, weichgekochte Eier, Rührei, Kaffee und Tee, soviel das Herz begehrt. Was braucht man mehr, um sich für einen neuen Tag in Istanbul zu stärken? Und da gibt es doch tatsächlich Leute, die in ihrer Hotelkritik meinen, das Frühstück sei so wenig abwechslungsreich!
    Es ist natürlich interessant, sich irgendwo dazuzusetzen, dezenten Kontakt zu bekommen mit Menschen aus anderen Kontinenten, ohne gleich wortreiche Gespräche führen zu müssen. Eine arabische Familie mit zwei halbwüchsigen Kindern hat uns Platz gemacht, eine angenehme Gesellschaft.

    Unser Doppelzimmer ist geräumig, mit Betten, auf denen wir gut schlafen können.
    Am letzten Abend hören wir im Nachbarzimmer eine russische Parea, die wohl ziemlich über die Stränge geschlagen hat. Der Fernseher dröhnt. Doch bald verstummt der Lärm, sicher hat sich vom Hotel jemand darum gekümmert. Am nächsten Morgen türmen sich Whiskeyflaschen und Einkaufstaschen samt Verpackungsmaterial aus teueren Läden im Hotelgang vor der Zimmertür. Die haben es offensichtlich krachen lassen.

    Herauszuheben ist neben der unaufdringlichen Freundlichkeit der Angestellten – egal ob Rezeptionist, im Service Tätige oder Reinigungspersonal – die günstige Lage des Hotels für Touristen. Die Gegend ist ruhig, insbesondere nachts, doch kann die Altstadt mit der Tram ganz preiswert in wenigen Minuten erreicht werden.

    Mittlerweile ist es fast dunkel geworden. Immer noch auf der Dachterrasse sitzend sehen wir, wie nach und nach die Moscheen angestrahlt werden. Viertel vor neun, der Gebetsruf ertönt, deutlich vernehmbar von allen Moscheen der Umgebung.

    ***

    Unser Fazit der Reise nach Konstantinoúpoli/Istanbul:

    Gut vorbereitet und mit alternativen Zielen können fünf Tage dennoch niemals ausreichen, um alles zu sehen, was allein der historische Teil Istanbuls zu bieten hat. Es ist die Vielfalt, aber besonders die Widersprüchlichkeit, die uns hier am meisten beeindruckt hat.
    Märchenhafte Bauten, mystische Tänze, die traumhafte Kulisse des Bosporus; Geschäftigkeit und Geschäftssinn; Handel, wo man steht und geht; Kinder, die Papiertaschentücher zum Verkauf anbieten. Im Basarviertel am Goldenen Horn Juwelierläden mit so kostbarem Schmuck, dass man teilweise eigenes Wachpersonal an den Eingängen postiert hat. Die Sprachbegabung der Händler. Das lebendige und quirlige Treiben am Ufer des Goldenen Horns. Sehr viel Freundlichkeit und Höflichkeit gegenüber uns Fremden und Gästen.

    Und was wir alles nicht gesehen haben: Wir haben es nie über die Brücke zum Taksım-Platz geschafft, wo modernes Leben pulsiert. Infolgedessen konnten wir auch nicht den Rundumblick vom Galataturm aus schweifen lassen. Auch waren wir nicht in Fener, haben nicht die Chora-Kirche besichtigt. Die Prinzeninseln haben wir ebenfalls nicht besucht, haben nur im Rahmen unserer abendlichen Bosporusfahrt kurz am asiatischen Ufer angehalten, waren aber nie bei Tageslicht dort, um uns umzuschauen. Auch die historischen Bauten am Ufer des Bosporus haben wir nur vom Wasser aus vorbeihuschen sehen. Gern hätten wir einen Nachmittag im Café „Pierre Loti" verbracht. Uns ist auch bewusst, dass wir vom Alltagsleben der Istanbuler jenseits des touristischen Zentrums herzlich wenig mitbekommen haben.

    Neben der Vielfalt dessen, was wir aufgenommen haben und der herzlichen Freundlichkeit von Istanbuls Bewohnern hat sich aber auch Traurigkeit in uns breitgemacht, wenn wir an die Agia Sofia denken. Traurigkeit und Nachdenklichkeit über die nachhaltigen Veränderungen eines kulturellen Symbols, einer Entfremdung im Namen einer Religion, einer Umfunktionierung einer Kirche in ein Museum, die doch immer noch eine Kirche ist, in den Herzen der christlichen Besucher. Es tut weh zu sehen, dass die kostbaren Mosaiken nur (noch) ganz bruchstückhaft sichtbar sind und den Inschriften, Symbolen und Ornamenten aus vielen Jahrhunderten später eine überdimensionale Bedeutung beigemessen wird. Eine so große Bedeutung, dass das Alte verschwinden musste.
    Die so wundervollen Eindrücke aus Istanbul werden von dieser Traurigkeit begleitet, die wir mit vielen Griechen, wie wir später erfahren, teilen.





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