Meine Skepsis gegenüber kalymniotischen Taxifahrern ist nicht unbegründet. Ich habe einige als recht aufdringlich und unbeherrscht erlebt, so als ob man sich nicht einmal das Recht herausnehmen dürfte, "Nein" zu sagen, wenn der Steuermann eines dieser silbrigen Schlitten seine Hupe betätigt, auf die Bremse steigt und wortgewandt seine Dienste anbietet. Nun ist mein Reisebudget leider jedes Mal ein schmerzlich begrenztes, weswegen mir jegliche existierende Busverbindung immer sehr gelegen kommt, sei sie noch so schwierig herauszufinden. Schwierig herauszufinden ist in Póthia busmäßig nichts – solange das Lädchen im Erdgeschoss des Rathauses (neben der Kathedrale und dem Nautischen Museum, also vis–à–vis der kleinen Grünanlage an der Uferstraße), in dem die Busfahrkarten erhältlich sind, nicht gerade zugesperrt ist, wegen Mittagspause, zu früh am Morgen oder zu spät am Abend. Doch in solchen Fällen lässt es sich, zumindest auf der touristischen Hauptstrecke Richtung Mirtiés und Massoúri, auch drinnen im Bus bei dem gutmütigen alten Schaffner bezahlen. Die Tickets wandern sowieso unmittelbar nach dem Vorzeigen in eine große Abfalltüte, man behält nicht einmal ein kleines Schnitzelchen für sich, wie im kretischen Stadtverkehr für den Fall, dass einmal kontrolliert wird. Teuer ist sie keineswegs, die Fahrt mit dem öffentlichen Bus, selbst zum nördlichsten Dorf namens Emboriós kostet es nur 90 Leptá (= Cent, Mai 2005), dorthin gelangt man (im Mai) allerdings nur zweimal die Woche, montags und freitags um 09:00 Uhr – zurück zehn vor vier. Ins lange Tal von Vathí bringt einen (ebenfalls für 90 Cent) Jánnis, der braungebrannte, dunkel sonnenbebrillte, immer lustige, positiv eingestellte und stets zu einem Schwätzchen aufgelegte etwa 50–jährige Busfahrkünstler – oder, wenn man weniger Glück hat, einer seiner jüngeren Kollegen. Mehrmals täglich, viermal wenigstens. Ob es der große, für die engen Straßen prinzipiell zu unhandliche, alte blaue Reisebus, oder der etwas klapprige Minibus ist, bleibt dem Zufall überlassen. Wichtiger für alle Unwissenden ist eine andere Tatsache: Die Haltestelle nach Vathí befindet sich nicht direkt an der Westflanke des Dimarchío (Rathauses), dort, wo die beiden Wartebänke aufgestellt sind und alle anderen Busse parkieren, sondern direkt an der Uferstraße gleich daneben, etwa 40 Meter weiter östlich. Da kommt also Jannis daher, beispielsweise von der Hafenmole, wo ein oder zwei angekommene Fährenpassagiere zugestiegen sind. Immer dieselben jüngeren, seltener älteren Fahrgäste klettern in den Bus. Die Fahrt gestaltet sich gleich zu Anfang schwierig, denn mehrere Engstellen machen ein Durchkommen durch die östlichen Außenviertel von Póthia für einen Bus– oder LKW–Fahrer zur Qual. Eine Ausfallstraße, auf der ständig auf Haaresbreite zur Seite ausgewichen oder gar 100 Meter zurückmanövriert werden muss, was nicht selten ganze Wagenkolonnen betrifft. Klar, auch die beiderseits parkenden Autos sind schuld daran. Da sind gleichmütige Fahrzeuglenker gefragt, die so leicht nichts aus der Fassung bringt. Hat man einmal die Bucht mit dem hässlichen Inselkraftwerk passiert, kann man sich endlich auf die Schönheiten der Strecke einlassen, kleinere Buchten unterhalb der Straße und vor allem die Ausblicke zum nahen Psérimos, hinüber auf die sich schier endlos hinziehende Nordseite von Kos und nach Osten auf die ferneren türkischen Gestade mit ihren Gebirgszügen genießen. Begleitet von fröhlichen Melodien und griechischen Liedern über CD oder Radio, die Jannis summend und singend mitverfolgt. Nimmt man den letzten Spätnachmittagsbus vom Hafenörtchen Rína aus zurück, gestaltet sich der zweite Teil der Fahrt zu einem Wettrennen mit dem plötzlich auftauchenden "Dodekánisos Express", und Land– wie Seefahrzeug treffen fast gleichzeitig an ihren Bestimmungsorten ein (je nach Stau) – jedenfalls verpasst man den Katamaran vielleicht, und bei der noch früheren Nachmittagsfahrt die 15–Uhr–Fähre nach Mastichári IMMER, garantiert! (Stand: 20. Mai 2005.) Für diesen Fall empfiehlt sich dann wirklich ein Taxi, oder der jeweils frühere Bus, ungeachtet teils überlanger Wartezeiten nach Ankunft in der Stadt. Die Taxifahrer und ihre Vertretung im Verkehrsparlament der Insel sind schon schlaue Füchse, keine Frage. Gleichermaßen auffallend wie ernüchternd die zahlreichen Fischfarmen in den Buchten noch vor Vathí, kreisförmige oder rechteckige Großbehältnisse im Meerwasser, die meist zu sechzehnt oder achtzehnt zusammenhängen und in denen auf mir nicht ganz geheure Weise mit chemischen und pharmazeutischen Hilfsmitteln das "hergestellt" wird, was längst in den Inselgewässern zur Rarität geworden ist: Fisch. Wie froh ich deshalb immer bin, wenn ich ein hageres Fischermännchen eine Plastiktüte mühsam erbeuteten frischen Fangs zum Kauf anbietend durch die Café–Reihen der Hafenstadt laufen sehe! Doch die fröhlichen Liedchen über die Buslautsprecher trösten über so manches hinweg. Und wenn man wie Jannis beständig guter Laune ist, verträgt man das Fischzeugs abends in der Taverne sicher noch leidlich gut. Könnte ja genauso gut ein frischer Fang sein, von den zahllosen in die ganze Ägäis ausschwärmenden Fischerkaikis der Kalymnier stammen. Wer zum ersten Mal um die letzte Kurve oberhalb von Rína herumgefahren wird, unvermittelt einen Teil des "Fjordes" und des kleinen Hafenortes mitbekommt, zu dem es aber noch ein gutes Stück Weges ist, der wird aus dem Staunen über das baumbestandene, grüne, mit Dörfern durchsetzte, wirklich lange und weite Tal mit der inseltypisch kahlen Bergumrandung nicht mehr herauskommen. Zu bestimmten Jahreszeiten, gewiss noch im Februar/März, ist es erfüllt vom umwerfenden Blütenduft Tausender von Mandarinen–, Orangen–, Zitronenbäumen, leider nicht jetzt, Mitte bis Ende Mai. Auf dem Talboden entwickelt sich die Busfahrt zu einem diffizilen Unterfangen, denn ständig geht es auf mit Mauern und Zäunen eingefassten engen einspurigen Sträßchen um Häuserkanten und Ecken herum zwischen Obstgärten hindurch. Ein Buslenker aus unseren Breiten wäre hier aufgeschmissen, nicht so die streckenerfahrenen einheimischen, nicht so Jannis. Elegant und gekonnt steuert er auch den großen Bus um alle Ecken herum, bremst rechtzeitig ganz sachte, hupt und schimpft, wo es nötig erscheint. Es handelt sich zwar um ein ausgeklügeltes Parallelsystem von schmalspurigen Einbahnstraßen – bis auf weiter hinten im Tal – aber Hindernisse gibt es unterwegs immer noch zuhauf: etwas Geparktes, die Sand– und Steinhaufen einer Baustelle, absichtlich blockierende Spaßmacher usw. Herrlich der Kontrast des Grüns der Obstgärten und –plantagen zum Weiß der Mauern und Häuser. Auf der Hinfahrt gelangt man dennoch relativ schnell zum Hafenörtchen der Talung. Anders auf der Rückreise nach Póthia. Da zieht sich die Fahrt oft im Schritttempo mühsam durchs Tal, zur Verzweiflung all derer, die noch (vergebens) hoffen, eine bestimmte Fähre zu erreichen, über die hübsche, platanenbestandene Platía von "Plátanos" mit Kafenío und Tankstelle bis ganz hinter in Metóchi, bis zu der Stelle mit dem Dorffriedhof und einer Geflügelfarm, wo nur mehr ein Feldweg ins Gebiet von Stiménia weiterführt; genau dort wendet jeder Bus. Bushalt in Rína ist der große, meist ganz leere Parkplatz unweit des Ortseingangs, linkerhand nahe dem größten Minimarkt der Ortschaft. Gepäck ausladen, sich nett verabschieden, denn sofort geht es weiter, auf die Rückfahrt, ohne jegliche Wartezeit. Man sollte als Abreisender das Hupen der Busfahrer, wenn sie sich 5 oder 7 Minuten vor Ankunft auf den Serpentinen über dem Hafen "anmelden", also durchaus ernst nehmen und sich schon mal auf den Weg zur Haltestelle machen, sonst fährt einem der Bus vor der Nase davon. Was ich von den Einheimischen als Ankunftszeit in Vathí gehört habe, war immer (!) um (seltener) 5 bis (häufiger) 10–15 min zu spät – hätte ich dem geglaubt, wäre ich jetzt bei den Taxifahrern beliebt – ein Stammkunde, sozusagen. Da ist man nun angekommen, freut sich über den ruhigen, netten Ort, die Hauptstraße fast ohne jeglichen Verkehr, mit einigen Läden, darunter auch eine Konditorei, die seltsamerweise nur Torten führt, nicht einmal Tirópitta und dergleichen. Na, dafür kommt, als fliegender Händler, regelmäßig der Bäcker durchs ganze Tal, wie auch all die anderen Kleinhändler, deren Quäker von Lautsprechern schon den von großer Höhe herabsteigenden Bergwanderer gut verständlich beschallen. In einem Glasvorbau vor einem Minimarkt ist das Postamt versteckt, das nur stundenweise geöffnet hat. Und am Ende des Sträßchens eröffnet sich der Hafenvorplatz, gleichzeitig Hauptplatz, Platía. Rechterhand ein alter Favorit von mir, die kleinere, aber nette Taverne "To Limáni" (oder so ähnlich, was sind schon Namen – what's in a name? –jedenfalls von Pópi und ihrer Mutter Eléni, einer guten Köchin). Dahin geh ich auch diesmal zuerst, auf ein kühlendes Getränk, bevor ich die paar Schritte hintenraus aus dem Lokal schlendere und auf der vielleicht knapp 200 m langen Zufahrtsstraße zur 30 oder 40 Meter höher gelegenen Aussichtspension hochsteige. Unter dem Terrassendach des Lokals ein niederländisches Paar, er Hobbyzeichner, wie man gleich mitverfolgen kann, ein paar Männer aus dem Dorf und Verwandte der Wirtin. Eigentlich hatte ich gar nicht hierher umziehen wollen, doch die Tage in Póthia waren eher zum einsamen Betrachten des lebhaften Stadtbetriebs und für Kurzgespräche mit Einheimischen geeignet, in der hübschen Streusiedlung Emborió waren kaum Dauergäste eingemietet, eher Tagesausflügler anzutreffen, und hier sollte ich, das wusste ich von früher, wieder mit ein paar anderen anwesenden Touristen ins Gespräch kommen, bei ausgesprochen mehr Ruhe als etwa in Mirtiés. Und zudem hatte ich eine Wanderung im Visier, die nur von hier aus ganz sigá–sigá gut machbar ist. Und dass die Pension von Manólis bei all ihrer Schlichtheit ein kleiner Magnet ist, der Fremde anzuziehen versteht, darüber besteht kein Zweifel – unter denen, die schon mal dort waren, trotz der nicht unmittelbar vorhandenen Strände. Man kann freilich mithilfe von Eisenleitern ins Hafenbecken steigen, weiter draußen. Ich gab also dem Magnetismus nach und leistete keinen Widerstand. Ich nicht, aber das Zugangstor, das nicht nur verriegelt (– für ein Tier schwer beweglich, so ein langer Riegel), sondern auch noch mit einem zusätzlichen Kettchen abgesperrt ist. Da steckt zwar gleich der Schlüssel dran (– logisch!), aber erst einmal gewusst wie der sich drehen lässt – ohne leichten Druck darauf geht's nicht so besonders gut. Der Nachbar will es so, heißt es, "wegen der Tiere". Nach längerem Probieren hab ich das Schloss schließlich aufgebracht. Tags darauf erlöse ich einen schon länger vor "verschlossenem" Tor wartenden britischen Journalisten aus der Verlegenheit, außen vor zu bleiben und notgedrungen in das vergleichsweise gesichtslose, aber bestimmt viel leichter zugängliche und luxuriöser ausgestattete Hotel über einer der vier Hafentavernen an der Platía zu ziehen. Er beichtet mir später, dass er eigentlich viel lieber an solchen Plätzen wie dem von Manóli wohne, Treffpunkten und Austauschbörsen für Infos und Reiseerlebnisse. Er recherchiere gerade für eine Athener Zeitung ehemalige Perlen des Individualtourismus und was sich verändert hat bzw. voraussichtlich verändern werde. Deshalb hatte er nur einen Tag Zeit, der Arme. Die sich den Nordwesthang der Talung, noch westlich von Metóchi, hochziehende neue Erdpiste, die einmal einen Ringschluss mit der (seit Jahren) von Arjinónda (= Arginóndas) aus in Bau befindlichen bilden wird, ist ihm Indiz genug dafür, dass es mit der Abgeschiedenheit von Vathí bald vorbei sein wird. Da übertreibt er ein bisschen, der übereilig Informierte. Aber dazu mehr in einem anderen Bericht. Man steigt also die Betonpiste hinter dem Eingangsgatter hoch, biegt gleich zu dem Steintreppchen auf die erste der verschiedenen Terrassen (zwei Zimmer) des schön stufenartig gegliederten Baus ab und arbeitet sich über eine weitere Terrasse mit zwei Zimmereingängen und der hinteren Küchentür bis kurz vor die Treppe zu Manolis' Wohnung ganz oben vor – vorausgesetzt, man hat Zimmer Nummer 5 zugeteilt bekommen. Abgemacht hatte ich mein Kommen schon unten in der Taverne, als ich ihn in seinem Taxi eintreffen und an der Platía zwischenparken sah – er hatte kurz darauf wieder Gäste aus Póthia abzuholen. Ich erfuhr meine Zimmernummer und sollte unbedingt darauf achten, das Kettchen am Tor wieder zu schließen, das war vorerst das Wichtigste. Ach ja, so um halb drei rum wollte er alle Gäste auf seinem respektablen, großen Boot zu einem Strand fahren, ich solle unbedingt mitkommen – aber ich wollte nicht stundenlang in der Sonne grillen, hatte ja nur mehr zwei volle Tage, wollte eher was sehen und erwandern. Da ist er fast beleidigt. Später schwärmte man mir in holländisch gefärbtem Englisch bzw. Flensburgischem Hochdeutsch von kostenlosem Grillfisch für alle vor – leider hatte er die Zitronen vergessen. Die Bootsfahrt war übrigens zum Nulltarif – so ist der eben. Etwas schludrig zwar, aber durch und durch sympathisch und ausgesprochen altruistisch. Quasi als Begrüßungsgeschenk lehnt der noch nasse, fransige Putz–Mopp an meiner Zimmertür, daneben der Putzkübel mit der Brühe, wieder daneben der öffnungsreich geneigte Plastikbeutel mit den papierenen WC–Hinterlassenschaften meines/meiner Vorgänger(s). Aber ich bin gut im Nehmen und ich weiß einzuschätzen, was ein Junggeselle ohne jegliche albanische, serbische, bulgarische oder russische weibliche Assistenz zu leisten imstande ist, wenn er neben seinen täglichen Haushalts–, Putz–, Hundehalter–, Katzenbetreuer– und Vermieterpflichten auch noch das Agoräääo Nummer 19 japanischer Herkunft chauffieren muss, um Gäste abzuliefern und in Empfang zu nehmen und dabei immer gute Laune zu zeigen hat. Und bei so einem plötzlichen Aufbruch muss schon etwas dazwischengekommen sein, und Manolis vertraut gewiss auch auf meine Toleranz. Die Putzsachen einfach in die Ecke zwischen nächster Tür (– es war die Gemeinschaftsküche, so sorry! –) und Wand gestellt, dazu das pensionierte Klopapier, aber unauffällig. Als Zuschauer bei solchen Aktivitäten haben sich zwei haarige Ziegen vor dem stets verschlossenen Gartentürchen hinzugesellt, das von meiner Wohnebene hinaus zu zwei strahlend weißen Kapellen in duftender, bereits verdorrender Gräserlandschaft führt. Die Basisarbeiten einmal vollendet, auch das Betttuch und eine Decke aufgebracht, einen Stapel Bücher und Landkarten auf den Tisch draußen geladen, kann ich mich endlich all der Schönheit zuwenden, die mich hier so üppig umgibt. Ein großartiger Blick, von einigen der Terrassen das gesamte grüne, bergumkränzte Tal hinauf, von anderen über Ort und Fjord und nördliches Gebirge, rundum ein Garten mit Blumen, Zitronenbäumen, Zierpflanzen, mehrere terrassierten Flächen mit Tischen und Stühlen zum Genießen, Sich–Unterhalten, Essen, Trinken. Weiter hinten eine große Grillstelle, die Grillkohle in einem gemauerten Backofen verstaut, noch weiter hinten die Autostellfläche für das Taxi, neben einem vorsintflutlichen Vehikel, das noch nicht der Müllkippe preisgegeben werden soll. Auf einem schattigen Terrassenstück etwas abseits ein großer, dösender Deutscher Schäferhund, mehrere Katzen und frischer Katzennachwuchs in trauter Eintracht. Manolis, der braungebrannte, leicht ergraute schlanke Ex–Gastarbeiter in Kanada, wohl schon Mitte sechzig (sieht jünger aus und wirkt sehr vital!), erzählt lachenden Auges von seinem lammfrommen Ermís (= Hermes, dem Götterboten), dem unerschütterlichen, so nett dreinblickenden Schäferhund, vor dem sich keiner zu fürchten brauche. Der liegt auch immer nur dösend herum, es sei denn, er kommt seinen Katzenstiefvaterpflichten nach. Dann fasst er Kätzchen für Kätzchen mit seinem starken Hundegebiss am Balg und transportiert die Geschöpfe an einen bequemeren, weicheren Lagerplatz, unter den duldenden Augen der Katzenmütter, mit denen er, als sie selber klein waren, wahrscheinlich genauso verfahren hat. Ein Bild für die Götter, wenn sie sich dann alle an ihn schmiegen! Kommt es zur Fütterung durch Manolis, ergeben sich gewisse Eifersüchteleien zwischen Hund und Katzen. Bei dieser Aussicht und diesem gastfreundlichen, landschaftlichen, wandermäßigen und gastronomischen Angebot lässt es sich gut einige Zeit lang in Vathí verbringen. Das nächste Mal sollte ich doch länger als nur ein paar Tage bleiben, um das Gebotene erst richtig auskosten zu können. Diese Reise neigt sich leider schon ihrem Ende zu und ich bin nach der abschließenden knappen Woche auf Kálimnos richtig glücklich und zufrieden. Statt auf Kreta die Anfangsphase zum Runterkommen vom Arbeitsstress einmal hier verbringen? Auch 11 Tage? Mir scheint, die meisten Leute bewegen sich diesmal in Zwei– oder Dreitagerhythmus über die Inseln – wie ich es früher immer tat. Verständlich, denn der Dodekanes, Samos und benachbarte Kykladen locken mit ihren Reizen. Außerdem können die wenigsten abhängig Beschäftigten – außer den Lehrern, Beamten und öffentlich Bediensteten, die ansonsten mit mindestens einer Kur pro Jahr drohen –, noch so lange Urlaub nehmen, wie sie es gerne möchten. Um mehr mitzubekommen, setzt man halt auf eine kürzere Verweildauer pro Insel. Bis man merkt, dass man auf einer einzigen Insel, an einem einzigen Ort ebenfalls "mehr mitbekommen" kann, durch genaueres Hinsehen und mehr von sich aus gewährte Zeit, muss man erst ein wenig älter werden. Das alte Problem derer, die jeden Urlaub was Neues sehen wollen: die ganze Welt können sie in ihrer kurzen Lebensspanne doch nicht sehen. Lediglich die Oberflächen ankratzen, dann vielleicht Tipps zu Unterkünften geben. Am rechten Ufer fjordauswärts kommt man bald an den Segeljachten vorbei, aus Schweden (ein Großteil der zum Trocknen auf den Bootsleinen aufgehängten Wäsche ist blau und gelb: schwedische Nationalisten? Die Frau lacht über meine Bemerkung.), GB, Frankreich, auch aus D, und denen zur Seite liegen zwei weitere Tavernen. In der ersten davon, weiter landein gelegen als die äußerste, also in der weniger spektakulär gestuften, habe ich mich sehr wohlgefühlt. Abends ab etwa 22 Uhr ist es da manchmal brechend voll mit lauter Griechen – die am inneren Ende der Hafenbucht an der Platía speisenden wenigen Fremden ahnen wegen der Entfernung nichts davon. Eine derart unaufdringliche Wirtsfamilie um die nette Ioánna herum scheint sehr beliebt zu sein, und das Essen wird teils als Menü zum Festpreis von € 7.– angeboten, ob Fleisch oder Fisch, was viele zu schätzen wissen. Da kann nur mehr der Grigóri(o)s in Póthia mithalten, er bietet einige Gerichte inklusive kleinem Bier für 5 Euro 50 an. Ansonsten zeigt sich diesen Mai in Rína derselbe Trend wie an anderen Ausflugs– und Touristenorten: viel Gastronomie, wenig ausländische Gäste. In "meiner" anderen, der Platía–Stammtaverne am Ortsplatz vor dem Hafen, spielte sich abends das bekannte biologische Mai–Phänomen ab: die Invasion der schwarzen griechischen MAIKÄFER, hier einer viel kleineren Spielart als z. B. auf Tílos, wo die Dinger Kakerlakenausmaße erreichen. Zu Hunderten krabbeln sie auf Mauern und in Pflanzen herum, schwirren einem ins Haar, liegen strampelnd und sterbend auf dem Rücken, auf dem Boden – schon ziemlich lästig. Höchstens mit Gift könnte man denen beikommen, davor hütet man sich aber zum Glück. Dennoch sind Eléni und Pópi mehrere Besuche wert, der Qualität der Speisen wegen, wenn es auch mangels Gästen nur ein oder zwei Gerichte zur Auswahl gibt und noch keinen gegrillten Fisch. Eine begrenzte Menge einheimischer Zuschauer ist garantiert, und einer von ihnen erklärt sich spontan bereit seine Frau zu bitten, den komplizierten Riss in meiner Hose – ich war in Mátala auf Kreta auf einer feuchten Klippe vor der Höhle unterhalb des "Sunset" am Meer ausgerutscht und immerhin sehr glücklich auf spitziges Gestein gefallen – mit ihrer Nähmaschine zu stopfen. So ein Glück. Am dritten Tag danach erhalte ich das Prachtstück von Sommerhose zurück, kunstvoll mit passend gefärbtem Garn genäht. Das sollte NICHTS kosten. Ich stiftete also dem großzügigen Wohltäter und seiner Gattin eine Flasche guten kretischen Rotweins, den ich, ohne mir dessen bewusst zu sein, in seinem eigenen Supermarkt erstanden hatte! Darüber hat er sich wirklich amüsiert. Als besondere Sehenswürdigkeit der Ortschaft gilt der mit einer Mischung aus Süß– und Salzwasser gefüllte Fischteich etwa 100 m schräg hinter der nördlichen Taverne. Eine Nebengasse führt einen problemlos dorthin, wenn man dem Bachlauf folgt. Massenweise Fische bevölkern das Becken, und man wundert sich ob der kuriosen Mischung aus Groß und Klein, Fisch und Unrat. An meinem dritten und letzten vollen Tag in Vathí ist eines der beiden angenehmen holländischen Paare bereits wieder abgereist – ausgestattet mit vielen Tipps und ein paar Visitenkarten zu Kárpathos und Rhódos–Stadt. Das andere, ein paar Jahre ältere aus Breda peilt tags darauf als nächstes Ziel Astipálea (Astipaljá) an, danach wollen sie es mit Amorgós versuchen. Das deutlich betagtere deutsche Paar, schon in Rente, nun in München lebend, hat noch genug Zeit zu bleiben, will anschließend nach Tílos (oder Níssiros) und Sími, abschließend nach Rhodos zum Rückflug weiter. Neue Deutsche, wieder ein Paar, sind am Vorabend mit dem letzten Bus eingetroffen, in dem auch ich saß, von Samos her über kleinere Inseln. Sie unterhalten sich nachts im Dunkeln sitzend mit den beiden Neu–Münchnern, das Neuankömmlingspaar ignoriert mich unerwarteten Eindringling ziemlich brüsk, trotz des spontanen Integrationsversuchs der mir sehr sympathischen Flensburgerin, und ich ziehe mich deshalb gleich wieder zurück, vor solcher Abschottung. Und noch ein Einzelreisender richtet sich gerade in der Gemeinschaftsküche ein, als ich schon packe. Manolis hat frühmorgens das jüngere niederländische Paar zur Níssos Kálymnos gebracht, die um 7 Uhr Richtung Astipálea in See sticht. Ich hatte mich so gut mit ihnen verstanden. Ermís liegt gewohnt faul rum, versucht kurz was von mir zu erbetteln oder steht nur einfach so neben mir. Ich habe Manoli nachts einen Brief mit dem Geld fürs Zimmer und Dankesworten auf seinen leicht chaotisch bestückten Küchentisch gelegt, denn ich nehme den Frühbus, und da ist er schon längst über alle Berge. Hab dann noch bis drei Uhr nachmittags Zeit für die Stadt. Hoffentlich freut er sich über mein griechisch formuliertes Schreiben – denn seine Umgangssprache bei diesen Gästen ist zurzeit Englisch. Immer traurig, wenn man Abschied nehmen muss. Doch ich kann mich auch auf einen langen Vormittag und Mittag in Póthia, einen letzten Spätnachmittag und ausgedehnten Abend auf Kos freuen, wo ich mir für ein paar Stunden ein Fahrrad mieten werde. Nach so schönen Wanderungen, auch den beiden Busausflügen von Vathí aus mit Umsteigen in Póthia und nach so herzlicher Aufnahme auf dem offiziell so benachteiligten Kálimnos, wie sie alle meinen, die hier leben. Eine derart große, eigenständige, geschichtsträchtige Insel, und doch wird sie heute ganz offensichtlich ins Abseits gedrängt. Copyright puchheim = MartinPUC, Juni 2005, August 2006 |