Wie es überhaupt begann - Teil I


Prolog

Ich komme mir im Nachhinein nicht grade verwöhnt vor, was Urlaube mit den Eltern anging. Während Klassenkameraden nach Spanien, Frankreich oder Italien fuhren, bzw. flogen, verbrachten wir unsere Urlaube an der Nordsee auf Amrum und Sylt.
Nachdem mit 15 Jahren die Zeit, mit den Eltern in Urlaub zu fahren, durch war, zog es mich gen Amsterdam und zu Festivals wie beispielsweise Roskilde. Richtiger Urlaub war nicht zuletzt auch eine Frage des Geldes, und das vorhandene Geld steckte ich später lieber in Motorräder... mit Ausnahme des Sommer 1987: im Juli flog ich auf Kosten der Firma meines Vaters nach München (er lebte derzeit dort) und fuhr von dort aus ganz allein mit der Bahn nach Italien, um auf relativ abenteuerliche Weise auf Giglio, einer kleinen Insel ca. 50km südlich von Elba, zu landen.
Schon in dem Jahr faszinierten mich der Sonnenschein, das milde Klima und das Licht am Mittelmeer.


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...und wie es überhaupt begann...

Zu meinem 26ten Geburtstag 1990 – naja, eigentlich ja der 27te, da ich am 29. April 26 wurde - rief mich ein damaliger Bekannter an, und ich fand das noch überraschend nett von ihm, hatte ich doch mit einem Anruf von ihm nun gar nicht gerechnet. Er wollte mir allerdings nicht gratulieren, wusste er ja gar nichts von meinem Jahrestag, sondern hatte Fragen zu seinem Motorrad, er fuhr das gleiche Modell wie ich zu der Zeit.
Also verabredeten wir uns für den ersten Mai zu einem späten Frühstück und falls das Wetter es zuließe zu einer gemeinsamen Tour.

Angekommen sah ich als erstes nicht Olafs Moped, sondern einen auf den ersten Blick höchst seltsam anmutenden Chopper-Umbau... den ich auf den zweiten Blick als XS650 erkannte.
Als ich den Helm abnahm sah ich diesen Mann in der Flickenjeans mit den zotteligen langen Haaren, dem Vollbart und den leuchtenden grünen Augen zum ersten Mal und fand ihn – das ist bei mir seltenst der Fall – spontan sympathisch. „Er möge auch keine Harleys“ war einer der ersten Sätze, die wir miteinander sprachen, und wussten beide noch nicht, welche Freundschaft sich über die Jahre entwickeln sollte.

Im weiteren Verlauf des Tages erzählte Torsten mir, dass er im folgenden Juni wieder mit dem Moped nach Griechenland fahren werde – und Ende August gleich noch mal, dann aber wolle er vom Peloponnes weiter nach Kreta.

Wir machten an jenem ersten Mai noch eine schöne gemeinsame Tour mit Olaf und Gabi, die in dem Jahr ihre erste Motorrad Saison erfuhr.

In den kommenden Wochen trafen wir uns das eine oder andere Mal, fuhren zusammen Motorrad und hatten eine gute Zeit.

Dann fuhr Torsten nach Griechenland.

Mein damals bester Freund Ralf und ich waren uns einig: 1990 wollen wir zusammen in den Urlaub fahren. Ralf zog es gen Süden, ich wollte dringend den ersten Motorrad-Urlaub machen... traute mich aber eigentlich bis maximal Dänemark, ganz im Norden...

Torsten war mittlerweile heil aus seinem ersten Urlaub für 1990 nach Hause zurück gekehrt.

Ralf und ich überlegten lange hin und her, und eines Abends, es muss Anfang Juli gewesen sein, waren wir uns einig: fragen wir doch mal Torsten, ob wir uns ihm Ende August anschließen können und fahren auch mit dem Motorrad nach Griechenland.
Irgendwie hatte ich meinen damaligen Chef überzeugen können, mir trotz schon vieler genommener Urlaubstage weitere vier Wochen zu genehmigen, die anfallenden Minus-Stunden sollte ich dann nacharbeiten.

Torsten fand die Idee mindestens so gut wie wir, Olaf und Gabi wollten auch mit und Torsten´s damalige Partnerin Petra war eh mit von der Partie – somit waren wir also zu sechst.

Mit diesen sechs Leuten unternahmen wir in den folgenden Sommerwochen einige schöne Touren und landeten eines Freitags in Bad Oldesloe auf einen Snack im Glacehaus.
Torsten hatte sich einen “griechischen” Salat – oder was man als solchen dort anbot – bestellt und fragte die Kellnerin nach einer weiteren Portion Brot zum Salat. Das ging ein paar Mal, die Kellnerin war schon voll genervt, und Torsten erklärte uns, daß man in Griechenland immer Brot zum Salat nachbestellen könne... das war sowieso einer seiner liebsten Sprüche “aber in Griechenland kann man, gibt es, darf man...”
Als ich abschließend zum Capuccino nach einem zweiten Keks fragte, platzte der guten Frau fast der Kragen.
Die Kellnerin wurde letztendlich mit einem fürstlichen Trinkgeld “entschädigt”.

Der Tag der Abfahrt rückte näher und näher, und wir waren mehr und mehr ins Planen vertieft, redeten täglich über kaum etwas anderes mehr.
Ralf und ich arbeiteten zu der Zeit als Studenten bei IKEA, Gabi arbeitete dort im Bistro, und wir verbrachten wenn möglich auch die Mittagspausen zusammen, schmiedeten Urlaubspläne und waren voller Vorfreude.
Unserem griechischen Arbeitskollegen aus Korinth – Ioannis – erzählten wir von unserem bevorstehenden Urlaub, und er gab uns noch ein paar erste Wörter mit auf dem Weg... das erste war das berühmte “M-Wort” , außerdem wußte ich nun, was “Guten Morgen”, “Guten Abend” und “Gute Nacht” hieß.

In einer Motorradzeitschrift las ich je einen Artikel über Korfu und einen über Patra, der Hafenstadt in der die Fähre von Italien nach Griechenland ankommt.
Mein Plan sah so aus, daß ich möglichst nur ein oder zwei Tage auf dem Peloponnes verbringen und sobald wie möglich nach Kreta übersetzen wollte - über Kreta wußte ich zu der Zeit nur ein paar Dinge, die mir frühere Freunde nach einem Urlaub auf der Insel erzählt hatten, trotzdem “zog” es mich irgendwie dort hin.

Dann endlich war es so weit: am nächsten Morgen wollten wir um 7Uhr früh abfahren.
Petra übernachtete bei mir, da Torsten schon am vorherigen Wochenende zu einem XS650-Treffen am Bodensee gefahren und von dort gleich nach Griechenland aufgebrochen war. Mit ihm zusammen würde Thomas aus Offenburg, ebenfalls ein leidenschaftlicher XS650-Fan, nach Griechenland kommen. Olaf und Gabi sollten am Wochenende darauf erst los fahren, da Olaf nicht eher Urlaub bekommen hatte.

Wir wollten uns erstmal alle auf dem Camping “Tholo” an der Westküste des Peloponnes treffen, den Torsten uns als sein “Zweites Zuhause” beschrieben hatte, an der Bar Costas und sein englischer Freund Bobby, die Taverna von Peter und Edith aus Hannover nebst Familie geführt.

Es war ein Mittwoch Ende August, pünktlich morgens um 7Uhr holten Petra und ich Ralf ab und starteten die erste Etappe von Henstedt Ulzburg bis Kufstein in Österreich.

Ich war bis dahin mit dem Motorrad nur bis Heidelberg gekommen, und fuhr als erster von uns dreien immer vorweg auf dem Weg in ein Land, von dem ich bis vor kurzem nicht mal genau wußte, wo es auf der Landkarte zu finden ist...

Ralf´s Motorrad, eine 78er BMW R100S, hatte Startprobleme, aber wir schoben ihn einfach nach jedem Halt an und hatten keine weiteren unerwarteten Vorkommnisse.
Gegen 18Uhr machten wir nochmal Pause bei Kiefersfelden, der letzten Raststätte vor der österreichischen Grenze, um unseren Familien zu berichten, daß wir kurz vor unserem ersten Zwischenstopp und wohlbehalten seien.


Wir kamen abends gegen 19 Uhr in Kufstein an, die Pension “Zum Bären” hatte an dem Tag leider geschlossen... ich war voller Adrenalin und hätte Bäume ausreißen, zumindest aber noch Stunden weiter fahren können – dachte ich. Kurz darauf landeten wir im Hotel “Goldener Löwe”. Wir checkten in einem 3er Zimmer ein und hätten nie im Leben mit so viel Freundlichkeit und Zuvorkommenheit deutschen Motorradfahrern gegenüber gerechnet – die Mopeds durften wir bepackt lassen und verschlossen vor der Backstube abstellen. Jetzt noch ein kräftiges Abendessen und ein Bier, dann schliefen wir wie die Murmeltiere... soviel zu “hätte noch ewig weiter fahren können”.

Am nächsten Morgen ging es frisch erholt weiter, wir schoben die BMW von Ralf ein weiteres Mal an und... kamen bis zum Ortsausgang, dort “verabschiedete” sich Ralf´s Moped mit einem kräftigen Knall.
Nun war guter Rat teuer, so konnten wir definitiv nicht weiter fahren. Einerseits wollten wir Ralf auf gar keinen Fall im Stich lassen, andererseits wollte Ralf uns die Tour auch nicht vermiesen, außerdem wartete Torsten auf uns, und die Handys waren noch nicht erfunden...
Glücklicherweise war ein Bosch Dienst in der Nähe, eine neue Lichtmaschine könne man besorgen, aber das ginge frühestens zum Abend bzw. zum folgenden Tag.
Ralf überzeugte uns schließlich davon, weiter zu fahren, er käme dann hinterher.
Schweren Herzens verabschiedeten wir uns. Dann fuhren Petra und ich weiter gen Griechenland.

Auf dem Brenner angekommen erkannte ich schemenhaft die Gegend, drei Jahre zuvor bin ich nachts mal mit der Zug über den Brenner gefahren.
Wir tauschten Geld und fuhren weiter, ich war überwältigt vom Anblick der Alpen im Sonnenschein und sehe heute noch vor mir, wie wir im gleißenden Sonnenlicht die Autostrada immer wieder um einen Berg herum auf den nächsten zufuhren.
Ich wurde mit den Kilometern immer langsamer, bis Petra mich ermahnte, schneller zu fahren, schließlich würde die Fähre nicht auf uns warten.

Die erste Rast machten wir auf Höhe Gardasee bei Rovereto, die nächste bei Bologna. Irgendwann kamen wir in einen kräftigen Schauer und ich hielt an, dachte daß Petra bestimmt eine Regenkombi anziehen wolle – sie fragte mich nur nach dem Grund für den Stop und mit ihren Worten “Das trocknet auch wieder” fuhren wir weiter.

Endlich kam das Schild für die Ausfahrt Ancona Nord und wir hatten die insgesamt ~1600 km Autobahn geschafft.

Am Hafen angekommen erkundigten wir uns nach der nächsten Fähre, es war die damals bei der Minoan Lines fahrende El Greco.

Per Euro-Scheck konnten wir die Fähre nicht zahlen, der Mann am Bankschalter zog demonstrativ die Jalousie zu, und so landeten wir am Bankomaten – Petra hatte bis dato noch nie Geld mit der EC Karte abgehoben und so durfte ich auch mit ihrer Karte den Jackpot ziehen wir buchten One Way Deckspassage. Ich erinnerte mich, wie ein ehemaliger Bekannter mir ein paar Jahre zuvor erzählt hatte, dass er mit seiner Freundin zusammen nach Griechenland gefahren war und Deckspassage gebucht hatte – ich konnte es kaum glauben, dass das überhaupt möglich sei, kannte ich doch bis auf eine Ausnahme bis dato nur die Autofähren auf Nord- und Ostsee.

Zur Fähre gedüst erwarteten uns Männer in schneeweißen Uniformen mit Spiegelglasbrille und Trillerpfeife – einer zeigte sich ganz angetan von meinem Finger-Sticker an der Lederjacke.

Torsten hatte uns empfohlen, auf alle Fälle eigene Spannriemen für die Motorräder mitzunehmen und uns auf keinen Fall vom teils recht hektischen Fährenpersonal verrückt machen zu lassen, und so banden wir in aller Ruhe ziemlich mitten im Schiff die Mopeds an.

Ab an Deck haben wir an der Steuerbordseite ziemlich weit vorn unter einer Überdachung unser Lager neben anderen Decksreisenden aufgeschlagen. Im Self Service Restaurant angekommen fuhr die El Greco auch schon ab und wir waren auf der nächsten Etappe auf unserer Fahrt in ein fernes Land.
Dort bekam ich meinen ersten echten Choriatiki und wunderte mich nicht schlecht, daß weder Möhrenstückchen, noch Kresse oder American Dressing dabei war...

Wir ließen die letzten zwei Tage Revue passieren und freuten uns, daß abgesehen von Ralf´s Panne bis hier hin alles so problemlos gelaufen war. Gleichzeitig fragten wir uns natürlich, ob bei Ralf soweit alles klappen würde und er dann ohne Probleme nach Griechenland nachkommen können würde.

Rund vierzig Stunden von zu Hause entfernt endete der Abend mit Petra´s Frage, ob es jemanden störe wenn sie im Schlafzimmer raucht.

Am nächsten Morgen wachten wir zwar im Schatten auf, es war aber trotzdem ausreichend warm – also raus aus dem Schlafsack und mal schaun was es zum Frühstück gibt.
Mir wäre nach Spiegelei mit Speck gewesen, statt dessen konnten wir für 450 Drachmen Coupons kaufen, auf die uns dann das, was man auf dem Schiff für ein Europäisches Frühstück hielt, gebracht wurde: ein paar Zwieback, ein kleines Päckchen Butter, ein Päckchen “künstliche” Marmelade, dazu eine Tasse Beuteltee und ein steinhart gekochtes Ei. Aber irgendwie schmeckte es doch.

Nach dem Frühstück erkundeten wir das Schiff, um uns später auf dem LuMa´s niederzulassen, mit unseren Nachbarn Smalltalk zu halten und dem Schiffsangestellten in seiner herrlichen Langsamkeit beim Ausbessern der Farbe zuzusehen – heute sagt man “Chillen” dazu...


Später konnte ich es mir nicht verkneifen, in den (doch recht kühlen) Pool zu springen. Nachdem Petra mit einem Blick auf die kahlen Berge Albaniens feststellte, dass das sie solch ein Land eigentlich nie sehen wollte, und wir außerdem vorerst genug von der Sonne hatten, saßen wir im Innern des Schiffes und erzählten uns gegenseitig unsere Lebensgeschichten, wir kannten uns ja gerade mal ein gutes Vierteljahr.

Abends legten wir in Igoumenitsa an und ich staunte sowohl über das geschäftige Treiben im Hafen, als auch über die immer noch anhaltende Wärme, immerhin hatten wir knapp Mitternacht. Das hatte ich beim meinem Italienurlaub drei Jahre zuvor nicht erlebt.

Plötzlich und unverhofft grüßte jemand “Hallo, ich kann auch auf die andere Seite des Schiffes umziehn” – ein ehemaliger Jahrgangskollege aus Petra´s Abitur-Zeit war ebenfalls auf dem Weg zum Peloponnes, hatte die Möglichkeit des Stop-Over genutzt und setzte nun seine Tour fort.
Letztendlich haben wir noch lange an dem Abend nett miteinander geklönt und das eine oder andere Henninger getrunken, damals zu 160 Drachmen die Dose.

Am folgenden Morgen wachte ich gegen 6 Uhr auf, stürzte in den Waschraum um mir die Zähne zu putzen und den Biergeschmack loszuwerden, eilte erfrischt zurück zu unserem Schlafplatz und – sah in der Ferne tausende Lichter glitzern: Patra.
Je näher wir kamen, desto heller wurde es und dann endlich legten wir an. Wir packten unsere Sacken, gingen in den mittlerweile heftig nach Abgasen riechenden und stickig heißen Schiffsbauch, verstauten unsere Klamotten auf den Motorrädern und hatten nach ~72 Stunden griechischen Boden unter den Rädern.

Wir waren Helden!

Jetzt noch die Formalitäten erledigt – es gab zu der Zeit noch nicht die “offene” EU wie heute und es galt jede Menge Formulare auszufüllen und Stempel zu sammeln – und raus aus dem Hafen.

Von nun an kannte Petra den Weg aus Torsten´s Beschreibungen und ich ließ sie vorweg fahren. Als wir aus Patra heraus auf der New National Road in Richtung Pyrgos fuhren, rollten wir eine Zeit lang hinter einem Tomatenlaster hinterher, aus dessen Ladeklappe der Saft tropfte, und wir fuhren im wahrsten Sinne durch frisch gepressten Tomatensaft.

Obwohl diverse Schilder mit “Breakfast” warben und die Gegebenheiten teils wirklich nett ausahen, hielten wir nicht an, wußten wir doch von der Fähre, was sich hinter der Bezeichnung “Breakfast” versteckte.
Wir wollten lieber zügig unser Ziel, den Campingplatz, erreichen und machten nur eine kurze Pause vor Pyrgos.


Als wir durch Pyrgos fuhren, es war mittlerweile Samstag Vormittag gegen halb10, begriff ich zum ersten Mal, wie sehr weit weg ich von zu Hause war. Die Hauptstraße fing vierspurig an, wurde immer schmaler und schließlich eine einspurige Einbahnstraße, zu beiden Seiten ein geschäftiges Treiben in den Läden, Auslagen der Fischläden, ein halbes Schaf hing beim Schlachter... und es wurde immer wärmer.
Schließlich “spuckte” die Straße uns am Ende an einer kleinen Platia wieder aus und wir verließen Pyrgos.

Wir kamen am Schwefelsee von Kaiafas vorbei – linksseitig der See, rechtsseitig der Kiefernwald und die angrenzenden Dünen – und fuhren durch das staubig-quirlige Zacharo, da sah ich das erste Schild mit dem Hinweis “Tholo Camping 6km”.

Kurz darauf bogen wir gegenüber einer kleinen Kirche rechts ab, gleich wieder rechts, um dann der Schotterstraße einem Linksknick zu folgen, den Bahnübergang (Zitat Torsten: “ Da muß man absteigen und schieben”) ganz vorsichtig zu überqueren, einmal links, einmal rechts der Straße zu folgen und dann waren wir endlich angekommen!
Nach gut 75 Stunden, ~1750 gefahrenen Kilometer und mittlerweile laut knurrendem Magen empfing uns Torsten mit “Haben die Mopeds gut durchgehalten?” – natürlich hatten sie, und wir übrigens auch.
Petra hatte sich eine andere Begrüßung von ihrem Freund gewünscht.
Torsten machte uns mit Thomas bekannt und dann ging es an die Bar, das längst überfällige Früstück wartete...

Was nun kam, kann ich kaum mit wenigen treffenden Worten beschreiben, jedenfalls stellte Torsten uns Costas vor, Bobby war einige Tage zuvor wieder abgereist, die Hauptsaison war ja vorbei.
Costas servierte zu “Hell´s Bells” in mehr als ausreichender Lautstärke, was man auf dem Camping für ein “Breakfast” hielt, ein paar Scheiben Weißbrot nebst abgepackter Butter und der anscheinend weiter verbreiteten “Kunst-Marmelade”, dazu einen Nes Cafe und hinterher einen Yoghurt mit Honig. Diese Kombination kannte ich bis dahin noch nicht, war aber spontan begeistert.
Da saßen wir nun bei lauter Rockmusik an der Bar, die Sonne schien und zu Hause war unglaublich weit weg... ein kaum zu beschreibendes Glücksgefühl machte sich in mir breit...

Der Camping Tholo war zu der Zeit wirklich ein kleines Paradies! Unmittelbar am Meer gelegen, schattige Plätze zum Campen, die man sich frei wählen konnte, saubere sanitäre Anlagen, eine gut geführte Taverna, ein Minimarket für das Allernötigste und eine Bar, die es an nichts mangeln ließ. Eine wunderschöne “Insel im Meer des Lebens”.

Nach dem Frühstück bauten wir schnell unser Lager auf, d.h. ich stellte mein Motorrad so auf, daß ich am kommenden Morgen Schatten hätte, und legte meine LuMa nebst Schlafsack dahinter, ein Zelt hatte ich gar nicht erst mitgenommen...
Danach checkten wir an der Rezeption ein – wir zahlten 500 Drs pro Nacht – und Thomas und ich gingen zurück an die Bar, wo ich das erste eiskalte Amstel meines Lebens trank. Danach ging es ab an den Strand, der Sand war so derart glühend heiß, daß Thomas vorschlug, sich auf meine Decke zu stellen und ich könne ihn ja ziehen.

Nachmittags gab es von Edith gebackenen Kuchen und abends aßen wir in der Taverna, um danach noch lange an der Bar zu sitzen und viel zu lachen... irgendwann fiel ich in meinen Schlafsack und schlief glücklich unter griechischem Sternenhimmel ein - ich war tatsächlich im Paradies gelandet.

Am kommenden Morgen wurde ich dadurch geweckt, daß mir jemand in die Nase kniff... Ralf!
Meine Freude war riesengroß, Ralf hatte es also auch geschafft... binnen Sekunden war ich hellwach und bestürmte ihn mit Fragen, um ihn parallel zur Bar zu zerren und ein Frühstück zu ordern.
Ralf hatte eine nicht ganz so entspannte Nacht hinter sich und brauchte ein paar Tassen Nes, um zu begreifen wo er war und zu erzählen, wie es von Kufstein aus weiter gegangen war... mit neuer Lichtmaschine, die ein unplanmäßiges Riesenloch in seine Urlaubskasse gerissen hatte, war er nach Ancona gedüst, hatte das nächstbeste Schiff genommen, welches einen unplanmäßigen Halt aufgrund einens Maschinenschadens einlegen mußte, war mitten in der Nacht in Patra angekommen und hatte sich nur an die Rücklichter seiner Fährenbekanntschaft gehängt, dabei einen Umweg über Olympia genommen und war irgendwann kurz vor dem Morgengrauen auf dem Camping Tholo gelandet.

Die folgenden Tage verbrachten wir zwischen unserem Lager, Bar, Strand und Taverna – wir spürten nicht das geringste Verlangen, den Camping zu verlassen, gefiel es doch allen gleichermaßen gut dort. Außerdem war es einfach nicht nötig, den Camping zu verlassen, konnten doch sämtliche Grundbedürfnisse bestens gestillt werden. Es gab Frühstück, mittags leckere Snacks an der Bar, nachmittags Kuchen und abends super Essen in der Taverna – und alles zu fairen Preisen! Einzig Petra als Vegetarierin war nicht so glücklich mit der Essens-Situation und hätte sich mehr Abwechselung gewünscht.


Wir hatten von morgens bis abends jede Menge Spaß und lachten uns nachts quasi in den Schlaf.

Ich fühlte mich zu der Zeit so frei wie noch nie, so fern ab von allen Verpflichtungen, Verbindlichkeiten, Zwängen und Gewohnheiten, ein für mich bis dahin wirklich unbekanntes Gefühl.
Ich kannte es nicht in dieser Art und Intensität, mich einfach von Tag zu Tag treiben lassen zu können, völlig unabhängig von Uhrzeit oder Wochentag.
Es war schlicht nicht wichtig, welchen Tag oder welche Uhrzeit wir hatten, wir standen auf wenn wir wach wurden, aßen wenn wir Hunger hatten und gingen zu Bett wenn wir müde waren.

Am folgenden Mittwoch trafen Olaf und Gabi ein. Olaf hatte bis Freitag arbeiten müssen, so daß die beiden erst am Sonntag morgen losfahren konnten. Sie sind dann bis zur Dunkelheit nach Italien rein gefahren, haben auf einem Rastplatz am Straßenrand übernachtet und sind gleich weiter nach Ancona zur Fähre gefahren – wie der Zufall es wollte, sind sie ebenfalls mit der El Greco über die Adria geschippert.

Obwohl Torsten uns mehrfach versichert hatte, daß er “Keinen Bock auf alte Steine” hatte, sind wir mal mit allen zusammen nach Olypia gefahren. Es war meine erste längere Fahrt ohne Helm, und irgendwann konnte ich kaum die Straße erkennen, so tränten mir die Augen.

Kurz bevor man den Ort erreicht machten wir Halt für ein Foto und ich dachte noch bei mir “So, DAS ist also Olympia...” - und war dann schon ein wenig enttäuscht, mit einer derartigen Touristenfalle hatte ich nicht gerechnet. Die “Alten Steine” haben wir uns bei dem Ausflug nicht angesehen.


Ralf hatte eines Tages ein langes Gespräch mit Peter und entwickelte daraus die fixe Idee, in der folgenden Saison auf dem Camping zu arbeiten. Der Job wäre gewesen tagsüber die sanitären Einrichtungen zu säubern und abends in der Taverna zu kellnern.
Die Bezahlung sollte frei wohnen auf dem Camping, frei essen in der Taverna und 1000 Drs pro Tag sein.
Je mehr Ralf mir erzählte, desto begeisterter wurde er davon, fing schon an wirkliche Pläne zu schmieden und versuchte, mich ebenfalls davon zu überzeugen.
Ich war allerdings nicht so 100%ig von der Idee zu begeistern, machte ich doch lieber an diesem wunderbaren Platz Urlaub, statt dort arbeiten zu wollen.

Bei einem Abendessen in der Taverna lernten wir Ruben und Susanne, sowie Hartje und Sabine aus Braunschweig kennen.
Beide Pärchen waren ohne sich vorher zu kennen unabhängig voneinander auf Motorrädern unterwegs, erstgenannte auf einer XS750 und zweitgenannte mit einer R100RS

Morgens half Costas´ Mutter an der Bar aus wenn es darum ging, Frühstück zu servieren. Ich grüßte sie jedes Mal “Kalimera”, welches sie stets mit einem Lächeln erwiderte.
Ich freute mich, ein paar meiner griechischen Wörter anwenden und damit nicht zuletzt auch meinen Respekt dem Land und seinen Bewohnern gegenüber äußern zu können. Ebenso freute es mich, dass Costas´ Mutter darauf einging und so sah ich meine Versuche entsprechend gewürdigt.

Die Welt ist anscheinend wirklich so klein, wie sie oft beschrieben wird, und so machten auch “zufällig” ThorstenE., ein Ex-Freund von Petra, und seine Freundin Ina, beide wie Torsten und Petra aus Elmshorn, einen Zwischenstop auf dem Camping Tholo – die beiden waren mit ihrem umgebauten Bedford Blitz auf einer Reise rund um das Mittelmeer und wollten ebenfalls später nach Kreta.

Mittlerweile waren wir somit zu neunt und genossen die Tage in vollen Zügen, hingen am Strand ab oder blieben auf dem Camping, spielten Tavli oder unterhielten uns einfach über Gott und die Welt, “philosophierten” über den Sinn des Lebens... allabendlich besuchten wir Costas´ Bar und es ging hoch her, gern gingen wir später noch an den Strand, machten Feuer und hatten einfach eine wunderschöne gemeinsame Zeit.
Obwohl wir uns als Gruppe erst seit kurzer Zeit kannten herrschte eine angenehme Harmonie, wir verstanden uns einfach und waren uns in den meisten Dingen unausgesprochen einig.
Wir hatten alle sehr ähnliche Ansprüche und Erwartungen an diese gemeinsame Zeit und konnten diesen gerecht werden.


Wir machten einen weiteren Ausflug mit den Motorrädern, diesmal sollte es einer von Torsten empfohlenen Strecke folgend ca. 200km quer über den Peloponnes nach Megalopoli und von dort aus über Andritsena wieder zurück zum Camping gehen.
Einen Abend zuvor hatten wir Tom an der Bar kennen gelernt, der sich diesem Ausflug spontan anschloss.
Laut Torsten “Zur Einstimmung auf die Fahrt zur Kreta-Fähre” fuhren wir mit insgesamt acht Motorrädern, Torsten auf seinem XS650 Chopper, Petra auf ihrer XS650, Ralf auf der BMW100S, Olaf auf seiner XJ650, Gabi auf ihrer SR500, Thomas auf seiner XS650, Tom auf seiner GPZ900 und ich auf meiner XJ650, zackig die Serpentinen hoch und ich war beeindruckt, sowohl von der Landschaft neben der Straße als auch von der Straße selbst.
Auffallend weil ungewohnt war für mich, daß uns bei den Durchfahrten durch die Dörfer die Leute meist noch freundlich zugewinkt haben, das kannte ich so aus Deutschland nicht.

In Megalopolis machten wir an der Platia Halt.

Ab Megalopolis teilten wir uns unabgesprochen, und so fuhren Torsten, Tom, Thomas und ich vorweg, genossen die kurvige Strecke und schalteten die Gänge durch, während der Rest eher auf Sight-Seeing aus war... ein Disput war aufgrund mangelnder Kommunikation vorbestimmt.
Nach einer energischen Aussprache fuhr Petra vorweg.

Im Laufe diese Ausfluges stürzte Gabi zum Glück nur leicht als sie für einen kurzen Augenblick die Konzentration verlor.
Als wir hinter Krestena wieder auf die National Road abbogen, konnte ich mit Mühe einen Auffahrunfall verhindern nachdem Petra (für mich unvorhersehbar) bremste weil nicht alle acht Motorräder in einem Zug abgebogen waren.

Am nächsten Tag wollten wir weiter nach Kreta.

Wie es überhaupt begann - Teil II