Ausflug nach Zarós


Wenn man seinen Urlaub schon in der Nähe des Ida-Gebirges verbringt und einen Mietwagen hat, bieten sich diverse Ausflüge ins Gebirge an. Einer davon sollte uns nach Záros bringen, diesen wasserreichen Ort mit seinem schönen See, der Forellenzucht und den vielen grünen, schattenspendenden Bäumen, auf der Südseite der Roúvas-Schlucht gelegen.
Auf der Karte erkennt man, dass man den Besuch als Rundtour planen kann. Den Hinweg wählen wir über Timbáki, Kamári und Vorízia, zurück dann über Gortína und Míres.

Wie genieße ich jedes Mal den Weg von Kalamáki nach Timbáki durch die Felder! Mittlerweile natürlich asphaltiert, damals noch ein Schotterweg und mangels fahrbaren Untersatzes vielfach zu Fuß durchlaufen.
Timbáki und Kókkinos Pírgos lassen wir heute recht zügig hinter uns und biegen dann rechts ab in Richtung Agia Gálini. Durch die Treibhausgegend, dann schließlich bergan und um das Militärgelände herum. Noch bevor es bergab nach Agia Gálini geht, zweigt eine Straße nach rechts ab. Bald danach dann eine weitere Straßengabelung; die ebenfalls nach rechts Führende ist die, die wir nehmen möchten.
Immer höher geht es, in die südlichen Ausläufer des Ida-Gebirgszugs hinein. Es ist so ein ganz anderes, schwer zu beschreibendes Gefühl, hier in den Bergen zu sein als vom Strand aus dorthin zu schauen. Vielleicht hat es mit der geänderten Perspektive zu tun, dass sich eine gewisse Leichtigkeit einstellt, wenn man sich den kleinen Ausschnitt der Welt, in dem man sich gerade befindet, nun von oben anschauen kann.
Das Treibhausland, nur noch als kleineres Dreieck zwischen den Hügeln sichtbar; als schmales Band hell abgegrenzt der langgezogene Strand, der sich von Kókkinos Pírgos über Timbáki, Kalamáki, Kommós bis zu den Klippen von Mátala erstreckt. Mittendrin der kleine Flughafen, den die deutschen Besatzer im 2. Weltkrieg mit Hilfe von einheimischen Zwangsarbeitern haben bauen lassen. Eine von ihnen hatte ich vor vielen Jahren kennen gelernt. Die Erinnerungen waren noch sehr präsent, als sie erzählte, wie sie es als Kind erlebt hat. Eine Entschädigung hat sie nie erhalten.


Die Sicht auf die Zwillingsinseln Paximádi hat sich ebenfalls geändert. Von Kommós oder Kalamáki aus erkennt man gar nicht, dass es sich um zwei, eng beieinander liegende Eilande handelt.
Ein weiteres Bild, das uns sich ständig ändernd begleitet, ist das des Psilorítis mit seinen Schneefeldern. Mal weiter weg, dann an einer Stelle zum Greifen nah, bedauere ich es, dass wir von hier nicht zu Nída-Hochebene fahren können. Nur zu Fuß käme man dorthin, was aber laut Information von Einheimischen auch nicht wirklich erstrebenswert ist. Wenn schon, dann lieber von Anóghia aus, doch dorthin werden wir dieses Mal nicht kommen.

Wie abgelegen die Dörfer erscheinen, die mitten im Berg liegen, Flecken mit weißen Kuben, die sich dicht gedrängt an die sanften Gebirgshänge schmiegen. Der üppig-grüne Baumbewuchs der Messará-Ebene ist längst spärlichen Sträuchern gewichen. Dort, wo es möglich ist, sind Nutzbäume angepflanzt. Letztendlich müssen aber doch viele Lebensmittel hier heraufgebracht werden. Heutzutage dürfte das kein Problem sein, auch im Winter nicht, doch wie abgeschnitten haben die Menschen früher in den Bergen gelebt. Häufig bleiben wir stehen, genießen die Landschaft, die Ausblicke in die Täler und auf die Erhebungen des Psilorítis, und genießen die Stille, denn nur wenige Fahrzeuge sind außer uns unterwegs.




Mittlerweile haben wir Plátanos und Lóchria durchquert. Unvermittelt erscheint nach einer Kurve ein tiefer Einschnitt im Berg direkt vor uns, die Kamáres-Schlucht. Ein weiterer Wagen steht dort schon im Schatten, zwei Urlauber sitzen auf dem Treppenzugang zur Schlucht, die leider verschlossen ist. Gute Idee, ein bisschen was zum Vespern mitzubringen.


Wir schauen uns ein wenig um. Direkt hinter einer Abzäunung, am Schluchtengrund, wachsen üppige Oliven- und Feigenbäume den Hang hinauf, letztere werden dieses Jahr eine reichhaltige Ernte abwerfen. Weiter können wir in die Schlucht nicht hineinsehen; auch deren Verlauf kann man nicht erkennen.
In gekrümmter Haltung liegt hier am unteren Ende des Felsspaltes ein armer toter Fuchs, der mit einem Lauf in eine ausgelegte Falle geraten ist. Hier ist Jagd-Gebiet, wie man einem Aushang entnehmen kann, der an einen Baum geschlagen wurde.

Weiter geht es in Richtung Vorízia. Noch kurz vorher biegen wir in einen betonierten Weg, der in Serpentinen steil nach oben führt. Wir sind gespannt, wohin wir gelangen werden.


Ziegenköttel bedecken den Oleander-gesäumten Weg. Aus den Bienenkästen am Straßenrand summt es deutlich. Rechts unter einem Baum hat sich eine Schafherde dicht in einen Baumschatten gedrängt; ein Wachhund ist nicht sichtbar, doch wer weiß! Auch größere Gesteinsbrocken liegen herum, sicherlich von einem stürmischen Wind herabgeweht. In einer Kehre passieren wir eine wild aussehende Müllkippe. Als leckeres Sahnehäubchen liegt mitten auf dem Weg ein verwesender Tierkadaver.
Die Betonauflage endet bald im Nichts. Zu Fuß könnte man über den sich anschließenden Schotterweg weiter, den Berg hinauf, doch wer weiß, wo der hinführt. Eine Beschilderung gibt es nicht. Also kehren wir wieder um, so wahnsinnig interessant war das jetzt nicht.


Vorízia und seine Einwohner waren, wie so viele auf Kreta, Opfer von Nazi-deutscher Gewalt im zweiten Weltkrieg. Auch dieser Ort wurde komplett zerstört. Da kaum etwas Altes erhalten ist, erscheinen die in Betonbauweise errichteten Häuser heute eher funktional als pittoresk. Den Ortsein- und –ausgang zieren Steintafeln, in die lange Gedichte graviert wurden, die den heldenhaften Widerstand gegen jedwede Besatzer und die Freiheit rühmen.
Als ich die Tafel am Ende des Dorfes aus dem Auto heraus fotografieren möchte, werden wir von dort herumhängenden Jugendlichen förmlich angesprungen. Der Vorlauteste fordert mich auf, ich solle ihn fotografieren und nimmt dabei eine fast obszöne Haltung ein. Alex gebietet ihm auf Griechisch Einhalt. OK, was soll man aus lauter Langeweile und hormonellem Übermut auch sonst tun, als blöde Touristen zu erschrecken.
Da wir überhaupt nicht auf Besichtigungstour sind, lassen wir die Klöster Varsamonerou und Vrondísi aus. Es ist uns einfach zu heiß dafür, und wir sind zu schlapp, sehnen uns nach der kühlen Frische von Zarós.


Der Parkplatz am See ist komplett gefüllt, denn die Idee, hierher zu kommen, hatten etliche andere aus der Umgebung auch. Mehrere kretische Parées sitzen wortgewaltig an den Tischen und genießen das Wochenende. Wir irgendwo dazwischen, direkt am Wasser, betrachten die dicken, vor uns herumschwimmenden Fische, fantasieren schon über unser Abendessen, beobachten eine Minischildkröte und freuen uns über unser Hiersein. Eine große Libelle kreuzt die Szene, lässt unsere Blicke folgen.
Zum Glück etwas weiter weg toben ein paar schreiende Kinder an Spielgeräten herum, Warum brüllen bloß alle Besucher hier ständig so herum?
Mit der Zeit lösen sich die Gesellschaften auf, und mit jedem Abzug wird es akustisch ein wenig ruhiger. Von den vielen Kurven und der Höhe, der ungewohnten Hitze und dem diesigen Wetter, das mich zwingt, die Augen zusammenzukneifen, ist mir ganz komisch geworden. Auch ein Ohr hat schon wehgetan. So bin ich dennoch froh, den Tag gemütlich verrinnen zu lassen, am See herumzuhängen und unsere wunderschöne Zeit auf Kreta zu genießen, ohne irgendwelche anstrengenden Sachen machen zu müssen.
Alex hat eine gute Idee und organisiert einen Teller mit Kühlschrank-kalter Frútta, herrlich erfrischend. Unsere Bedienung, eine junge Frau, hat es aus Kalávrita, vom Peloponnes, hierher verschlagen. Ein ganz schön weiter Weg!

Nach unserem langen, erfrischenden und relaxten Aufenthalt umrunden wir zu Fuß das kleine Gewässer, bevor wir wieder nach Kalamáki aufbrechen.






Eigentlich hatten wir ja auch vor, im Urlaub ein wenig zu wandern, eventuell die Roúvas-Schlucht hinauf, deren Einstieg hier in unmittelbarer Nähe ist. Doch vergebens: Die Wanderschuhe bleiben unbenutzt in der Ecke stehen, zu heiß ist es uns jetzt im Mai schon, um in der Sonne herum zu latschen. Ab 30 Grad ist da nichts mehr zu machen.

Bei unserer Rückkehr in Kalamáki gibt es viele hohe Wellen am Strand. Die Liegen sind zu dieser Stunde schon fast alle frei. Diesig ist es geworden, die Temperaturen zurückgegangen. Während Alex sich im Meer vergnügt, bleibe ich auf der Liege, schaue auf das glitzernde Wasser im warmen Licht der sich langsam senkenden Sonne.
Zum Abendessen im Delfínia gibt es heute etwas ganz Besonderes: Kakaviá (Fischsuppe) aus Stirá (gestreifter Zackenbarsch), einem großen Fisch, der über einen Meter lang wird und in den Gewässern der Umgebung häufiger vorkommt, wie uns der Wirt erklärt. Für 22 Euro pro Person lassen wir uns den Riesenteller munden, der Fisch schmeckt absolut göttlich!

Ausflug nach Agios Pávlos