New Orleans
Louis Armstrong Park, Van Gogh Immersive


Unser gebuchter Event, eine immersive Van-Vogh-Ausstellung, wird erst am Nachmittag stattfinden und ist vom Hotel aus gut zu Fuß erreichbar. So haben wir nach dem Frühstück noch ausreichend Zeit, den Louis-Armstrong-Park mit dem kleineren Congo-Square zu besichtigen. Es soll ein heißer Tag werden, schon um halb zehn Uhr morgens sind es 28 Grad. Die Schwüle vom Vortag ist allerdings etwas gewichen.

Der Louis-Armstrong-Park liegt jenseits der Rampart Street, die das French Quarter von der Tremé-Neighborhood trennt. Wir brauchen nur die Toulouse Street hochzugehen, ein paar Meter nach rechts, und schon stehen wir vor dem Eingang zum Congo-Square. Seine Nutzung reicht weit in die Geschichte hinein. Angehörige des Volkes der Houmas feierten noch vor der Ankunft der ersten französischen Entdecker ihr jährliches Getreidefest an diesem als „geheiligt" angesehenen Ort.


Überliefert ist auch der Verkauf versklavter Afrikaner auf diesem Platz seit den 1740er Jahren. Sonntagnachmittags (wenn sie frei hatten) trommelten, tanzten und sangen sie hier ebenfalls. Dann herrschte ein reges Treiben der 500 bis 600 Menschen. Unter den berühmten Tänzen waren Bamboula, Calinda und Congo. Dieser Ausdruck afrikanischer Kultur entwickelte sich schließlich hin zum Mardi Gras und wahrscheinlich zum New Orleans Jazz und anderen Formen. (frei übersetzt von einem am Platz aufgestellten Kulturmarker)


“Es sind afrikanische Riten, die prägend waren“, erklärt uns spontan ein Mann mit einem Blechblasinstrument in der Hand, der gerade vorbeischlendert und uns lesend vor dieser Tafel sieht. „Heute heißt es, der Jazz sei amerikanischen Ursprungs, in Wirklichkeit hat er sich aus afrikanischen Ausdrucksformen entwickelt. Es gibt auch andere, nicht afrikanische Einflüsse, wie in der Verwendung des Saxophons, das aus Europa kam. Jazz ohne Sax ist undenkbar.“

Eine auffällige Skulptur aus der jungen Vergangenheit interpretiert das lebhafte Geschehen auf dem Platz. Das Andenken ist dem Big Chief Allison „Tootie“ Montana (1922-2005) gewidmet, der über 50 Jahre lang der Chief of Chiefs des Yellow Pocahontas Mardi Gras Indianerstamms war, eine kulturelle Ikone von New Orleans. Ihm ist es zuzuschreiben, das sich der Mardi Gras von der einst maskierten, gewaltvollen Abrechnung mit persönlichen Gegnern hin zum Wettbewerb der schönsten Performance mit Kostümen, Musik und Tanz entwickelte.




Auch wenn der Congo Square bei unserem Besuch leer ist, so finden hier doch immer wieder Zusammenkünfte rund um Mardi Gras statt, auch zu Ehren von Tootie Montana.

Ein weißer Bogen, der Armstrong Arch, überspannt den Durchgang zwischen Congo Square und dem restlichen Louis Armstrong Park. Hohe, alte Bäume mit breiter Krone spenden über den Bänken Schatten. Einige haben es sich dort gemütlich gemacht, insgesamt ist der Park aber fast menschenleer.







Hinter dem Bogen hat sich eine New Orleans Marching Brass Band aufgestellt.


Die berühmteste Statue im Park, die eines Sohnes der Stadt, steht auf einer Treppe und dazu noch auf einem Podest. „Seine Trompete und sein Herz brachten eine immerwährende Freude in die Welt, verkörperten Jazz als den Puls des Lebens“, heißt es auf einer Platte vor seinem Standbild, das 1980 eingeweiht wurde. In Gedenken an den großen, bescheidenen Satchmo: (Up A) Lazy River


Vor dem seitlich stehenden Mahalia Theater of the Performing Arts, steht die Statue der 1911 ebenfalls in New Orleans geborenen Künstlerin, „die größte Gospel-Sängerin der Welt“, wie sie genannt wird. Mahalia Jackson sang unter anderem zur Unterstützung von Dr. Martin Luther King Jr. und der Bürgerrechtsbewegung. I Am Going To Live The life I Sing about In My Song


Auch dem „Ersten König des Jazz“, Charles Buddy Bolden, (1877-1951) ist eine Statue gewidmet. Er war einer der frühesten Jazzmusiker und Bandleader, spielte in Tanzhallen und Straßenparaden und improvisierte populäre Musik.



St. Peter/Dumaine Street
Diese Hitze, die uns während unseres Aufenthalts in der Stadt entgegenschlägt, ist sehr gewöhnungsbedürftig. Dennoch nutzen wir die Zeit bis zum geplanten Ausstellungsbesuch, uns in unserem Hotelviertel weiter umzuschauen. Neben dem Louis-Armstrong-Park gehen in Richtung Mississippi-River verschiedene Parallelstraßen zur Toulouse Street ab, darunter die St. Peter und die Dumaine, die architektonisch etwas anders aussehen als die bisher bekannten im French Quarter. Die Häuser sind fast alle nur einstöckig und mit ihren kurzen Aufgangstreppen gleichaussehend. Man wähnt sich regelrecht in einer Siedlung.









Weiter unterhalb, zur Royal Street hin, in der Nähe des Voodoo Museums, erscheint die Architektur der Wohnhäuser wieder städtischer.





Durch den Central Business zum Warehouse District
Die Ausstellung, die wir besuchen möchten, befindet sich in der Carondelet Street, im Warehouse District, und ist zu Fuß in einer Viertelstunde erreichbar. Wir nehmen dazu die breite Royal Street, die wir einfach nur geradeaus zu laufen brauchen. Die Gebäude, die hier stehen muten jetzt richtig großstädtisch an. Im Business District blüht in zahlreichen mehrstöckigen Geschäftshäusern das Wirtschaftsleben. Den Namen hat sich Royal Street wahrlich verdient, denn richtige Paläste wurden entlang der Straße hochgezogen, wie zum Beispiel der Louisiana Supreme Court.




Etliche von außen ganz nett anzusehende Übernachtsmöglichkeiten lassen darauf schließen, dass diese Gegend als „sicher“ gilt. Hinter der breiten Canal Street, durch die bei Überquerung gerade eine der Straßenbahnen vorbei rumpelt, wird aus der Royal Street die St. Charles Avenue.
Zum Place Lafayette, dem zweitältesten Park in New Orleans (schon 1788 angelegt), sind es nur noch vier Querstraßen. Während des Hurrikans Katrina wurden die Baumspitzen beschädigt, haben sich aber wieder erholt.


Wir müssen zur parallel verlaufenden Carondelet Street. Das Ausstellungsgebäude, der Scottish Rite Temple, ist nicht zu verfehlen.


1853 erbaut und als Methodistenkirche genutzt, hatte sie zunächst eine Kuppel über dem Eingang. Warum diese wieder abgetragen wurde, oder ob sie einem Sturm zum Opfer fiel, ist nicht belegt. 1905 erwarb eine Freimaurerloge das Gebäude und benannte es um. Der Name ist bis heute geblieben. Im Jahr 2015 gab die Loge schließlich ihren Besitz auf und verkaufte das Gebäude an einen Bauträger, der sein Umgestaltungsvorhaben jedoch bis heute nicht umgesetzt hat.

Noch immer haben wir genug Zeit, uns ein wenig zu erfrischen. Ich sehne mich nach einer Abkühlung in einem klimatisierten Lokal. Da kommt uns der Poor House Saloon, direkt gegenüber, gerade recht. Erst nachdem wir die mit Eis versetzten Grapefruitsaftbestände komplett geplündert haben, fühle ich mich für die Ausstellung bereit.


Van Gogh Immersive - eine Ausstellung reist um die Welt
Es ist das erste Mal, dass wir eine immersive Ausstellung besuchen. Ich wusste nicht, wie ich mir das „Eintauchen“ genau vorstellen sollte. Zunächst dachte ich an eine 3-D-Brille als Hilfsmittel. Im Foyer des Gebäudes wird uns aber nichts dergleichen ausgehändigt. Stattdessen werden wir gleich zu einer Treppe in den ersten Stock weitergeleitet. Decke und Wände sind mit schwarzem Tuch bespannt. Van Gogh und Schwarz?
Im ersten Ausstellungsraum sind einige von Van Goghs berühmtesten Gemälden, wie zum Beispiel Selbstportraits und Sonnenblumen, als Kunstdrucke nebeneinander aufgehängt, was ich jetzt nicht so besonders aufregend finde. Ich habe nämlich automatisch die fantastische und umfangreiche Van-Gogh-Ausstellung im Frankfurter Städel-Museum von 2019/2020 im Kopf, in der wir aus der ganzen Welt zusammengetragene Originale bewundern durften. Daher bin ich gespannt, wie man das toppen will.
Neben den Gemälderepliken erwarten uns auch ein paar Poster mit wichtigen Daten zur Vita des Malers. In separaten Nischen kann man darüber zusehen, wie in einer Computersimulation einzelne Gemälde ineinander übergehen bzw. auseinander entstehen. Elegant gemacht, denke ich mir.
Dieser Raum dient jedoch nur der Vorbereitung und der inneren Einstimmung. Die eigentliche immersive Ausstellung erwartet uns erst, als wir einen großen, mit Teppichen ausgelegten Saal betreten, in dem gerade eine Animation läuft. Diese findet jedoch nicht wie zuvor in einer Nische statt, sondern über den gesamten Raum als 360-Grad-Projektionsfläche über Boden, Decke und alle vier Wände. In einem der vielen, mit einer Szene aus Van Goghs Sternennacht bezogenen Liegestühle aus Holz und Segeltuch, die ringsum aufgestellt sind, nehmen wir Platz und lassen den Farbenrausch auf uns wirken. Unterlegt ist die Darbietung mit ruhiger Instrumentalmusik.
Gewählt wurden überwiegend Motive, von denen Van Gogh verschiedene Exemplare gemalt hat. Präsentiert werden sie in ganz unterschiedlicher Art. Seine verschiedenen Selbstportraits erscheinen nebeneinander in projizierten Fenstern, die gleichzeitig als virtueller Bilderrahmen dienen. Ein anderes Mal geht ein einziges Bild über eine ganze Wand, wie es scheint, sogar ganz um den Raum herum. Sonnenblumen stehen in ihren Gefäßen nebeneinander, dann wieder richten sie sich einzeln auf und stehen großflächig nebeneinander.


Alles ist ständig in Bewegung. Sich aufschiebende virtuelle Türen offenbaren andere Gemälde. Übergänge (wie ein fahrender Zug oder ein Wasserfall) führen immer wieder zu neuen Blickwinkeln und Themen. Die Perspektive kann man auch selbst ändern, indem man sich im Raum an anderer Stelle platziert. Man kann sich auf einen Liegestuhl an einer anderen Raumseite setzen, sich mitten im Raum oder auf einer kleinen Bühne vor Kopf auf einem der Sitzkissen niederlassen oder einfach herumgehen. So nimmt man an der ständigen Bewegung der Bilder selbst teil.
Sogar der berühmte Sämann (Arles 1888) fängt in der hier abgebildeten Form plötzlich an, den Arm hin und her zu bewegen, als ob er tatsächlich den Samen aus der Schürze holt und in halbkreisförmigen Bewegungen auf dem Feld verteilt. Es ist wie die Umsetzung einer Assoziation beim Betrachten des Originalbildes in Bewegung.
Mit einem Mal wird der Raum in die unglaublich intensive Grün-Blau-Welt der Schwertlilien getaucht. Mit genau diesen Farbtönen gehört das Bild zu meinen Lieblingsgemälden Van Goghs. Das Original im Städel war atemraubend. Die Farben hier auf riesiger Fläche wahrzunehmen, hinterlässt ebenfalls einen intensiven Eindruck.


Die Sternennacht wird ebenfalls ausgiebig zelebriert. Dazu das Zitat: „Wenn man die Natur wahrhaft liebt, wird man überall Schönheit finden.“ Am Ende wird der Raum über und über in ein Meer von „Feuerfarben“ mit züngelnden Flammen getaucht. Auch Boden und Decke verschwinden in diesen intensiven Farben. Danach beginnt die Animation wieder von Anfang an.


Nur wenige andere Besucher haben sich während der Präsentation zeitgleich mit uns hier aufgehalten, sodass man sich nicht in die Quere kam. Ich fand die Animation gut gemacht, doch die Behauptung, die erzeugte Illusion als Realität zu erleben, konnte ich nicht nachvollziehen. Es war eine Zusammenstellung von bekannten Gemälden eines beliebten Malers in besonderer, bewegter Form, die als Ganzes schön und interessant anzusehen waren. Die Ausstellung im Städel mit den Originalbildern war jedoch für mich persönlich wesentlich wertvoller. Dennoch denke ich, dass diese Art der Präsentation viele Leute anspricht, die Kunst als Event erleben möchten. Wir verlassen dennoch ganz zufrieden das Gebäude und begeben uns wieder auf den Heimweg.
Vollkommen geschlaucht kommen wir wieder im Hotel an. Auf der letzten Strecke, die Bourbon Street hoch, auf der um 17 Uhr noch der Autoverkehr rollt, die Musik aber schon wieder ohrenbetäubend laut dröhnt, sind schon jetzt viele Besucher unterwegs. Zur Erbauung oder vielleicht inneren Einkehr hat sich in einer Nebenstraße ein junger Mann mit angewinkeltem Bein auf den Kopf gestellt.


Direkt vor unserem Hotel hält ein dreirädriges Gefährt, aus dem die Musik dermaßen laut herausknallt, dass man befürchtet, die Boxen im Auto würden in den nächsten Sekunden in tausend Stücke fliegen. Uns ist es indes egal, wir schließen die Fenster und fallen zu einer verspäteten Siesta ins Bett, bevor wir am Abend das nächste Ess-Lokal aufsuchen.
Alex möchte heute Abend plastikfrei von echten Tellern mit echtem Besteck speisen. Dazu müssen wir jedoch erst wieder die nervige Bourbon hinunter. Uns fällt auf, dass die Straße wesentlich voller ist als an den Abenden zuvor, und dieses Mal wirklich ÜBERIRDISCH laut. Kein Wunder, es ist Wochenende.
Die Stars heute Abend sind: zwei Frauen mit diesen ekligen, fetten, weißen Würgeschlangen, eine Motorradgang, die grimmig dreinblickend neben ihren Öfen Macht demonstriert (sieht nach harten Jungs aus), außerdem ein ständiges, chaotische Rap- (oder was auch immer) Gebrülle aus den langsam dahinschleichenden Poser-Autos mit den offenen Fenstern. Dazu Live-Musik, die so schlecht ist, dass sie diesen Namen nicht verdient, einfach nur Gekreische in überaufgedrehte Mikros. Um 20 Uhr ist in dieser Straße schon fast kein Durchkommen mehr. Auf der Suche nach einem Restaurant mit Cajun-Food nehmen wir dennoch die Herausforderung an, über die Meile zu stolpern und dabei beinahe das Gehör zu verlieren.
Wir haben ein größeres Lokal, in dem gerade ein Tisch frei geworden ist, entdeckt und sind zufällig die ersten in einer Schlange, die sich draußen formieren muss. Innen herrscht auch hier eine ohrenbetäubende Lautstärke, insbesondere das Gebrüll von zwei nur mit Mädels besetzten Tischen in unserer direkten Nachbarschaft. Sie kreischen in einer Tour. Wahrscheinlich kommen sie gerade von der Bourbon, wo sie schon einen Teil ihres Hörvermögens eingebüßt haben. Ein älteres Ehepaar, das ungünstigerweise zwischen diesen Tischen sitzt, ist komplett bedient und verlässt fluchtartig das Lokal, sobald die Rechnung bezahlt ist.
Begleitet wird das Brüllkonzert von den rundum platzierten sieben Fernsehern, auf denen Basketball zu sehen ist. In allen Ecken leuchtet und blinkt es. Gewummere von rechts, links und gegenüber, und als ob das nicht schon genug wäre, hat sich draußen, vor dem Tore, noch eine vielköpfige Kinderschar niedergelassen, um auf ihre Plastikeimer einzudreschen.
Das alles nehmen wir in Kauf, denn das Essen ist die absolute Krönung. Alex genießt seine marinierten Ribs, mir mundet der Belag einer Seafood Plattern („piled high“) mit Garnelen, Austern, Muscheln und anderem Meereszeug. Alles schmeckt überaus frisch, ein voller Genuss.
Aber der Lärm ist mittlerweile so durchdringend unangenehm, dass wir nach unserer Mahlzeit nur noch wegwollen. Draußen, auf einer Parallelstraße (Dauphine), entdecken wir an der Ecke zur Iberville ein noch größeres Restaurant, das ebenfalls Seafood anbietet. Von außen macht es einen richtig gediegenen Eindruck. Morgen werden wir das ausprobieren. Von weiteren Spaziergängen sehen wir für heute ab, zu laut, zu hektisch, zu anstrengend – und wir zu satt, zu träge, zu ruhebedürftig.


New Orleans - City Park, NOMA, Skulpturenpark