Heute Morgen sind wir mal nicht ganz so spät aufgestanden, obwohl die Party auf der Bourbon gestern Nacht bis in die Morgenstunden dauerte. Zwar war aus den Bars schon zeitig keine Musik mehr zu hören, aber durch den unablässigen Verkehr vor unserem Hotel auf der Toulouse und den Poser-Autos mit den aufgedrehten Boxen sowie etliche Feiernde, die sich ihrer Lautstärke ebenfalls nichts bewusst waren, wurde unser Schlaf doch etliche Male unterbrochen.
Heute Morgen um 9 Uhr sind es auf unserem schattigen Balkon schon wieder 28 Grad (viel kühler wird es nachts auch nicht). Unsere obligatorischen Heidelbeer-Muffins werden durch Bananen- und Pekannuss-Gebäck ergänzt, dazu eine Ladung guten, frisch gebrühten Kaffee - so kann ein Tag energiegeladen beginnen.
Unsere Balkonnachbarn sind wie jeden Morgen schon früh bei ihrem ersten Bier, gefolgt von weiteren in schneller Folge. Im Gegensatz zum vorgestrigen Tag, als wir ausgiebig über die üppigen Pilzernten in Michigan aufgeklärt wurden, würdigt man uns heute keines Blickes mehr. Grußlos dreht man uns den Rücken zu. Auch gut. Dann die beiden obligatorischen Kampfjets, die als Zwillingspärchen ein paar Runden drehen, so wie jeden Morgen um die Zeit, mit dem Durchbruch der Schallmauer ihr ohrenbetäubendes „Good Morning“. Zum City Park Um dem Gewusel hier zu entgehen, entschließen wir uns dazu, in der Hitze wieder zur Canal Street zu dackeln, um die grüne Bahn zum City Park zu nehmen. Dort steht das NOMA, das New Orleans Museum of Art. Und daneben soll es im Freien einen großen Skulpturengarten geben, den man kostenfrei besichtigen kann. Unterwegs hören wir aus einem Lokal heraus Jazz in normaler Lautstärke. Soll es das in New Orleans tatsächlich noch geben? Die Musik ist zwar vom Band, doch das Lokal in Kombination damit wirkt dermaßen einladend, dass wir uns dem nicht entziehen können. Nette Leute hinterm Tresen. Grapefruit ist gerade aus, aber O-Saft mit Eis versetzt erfüllt seinen Zweck auch. In dieser klimatisierten Gemütlichkeit verbringen wir etwas Zeit und lassen die Seele baumeln. Am Ende geht es dann wieder raus in die Bullenhitze, zur Canal Street, zu einer beliebigen Haltestelle. Die Richtung stimmt, wie wir von zwei Frauen aus Memphis erfahren, die dort auch auf eine Bahn warten. Sie sind auch nur zu Besuch hier. Wir schwärmen ein wenig von ihrer Heimatstadt, und zack, schenken sie uns zwei Bahn-Tageskarten für die sie keine Verwendung mehr haben! Wir wollen diese aber bezahlen, doch diesem Ansinnen wird gleich eine einschlägige Absage erteilt. Wir sollen das annehmen und uns wohl fühlen, fertig! Alex und ich sind ziemlich überwältigt. Wo erlebt man so was sonst? (Vor „Jahrhunderten“ ist mir das mal in Athen passiert). Dankbar steigen wir eine Viertelstunde später in die Linie 48, als mir schon fast die Schuhsohlen durchgeschmolzen sind. Auf harten Holzsitzen, die sich offenbar direkt über den Metallrädern befinden, ruckeln wir langsam in Richtung City Park über die Canal Street, eine der Hauptverkehrsadern der Stadt, die über 5000 Hausnummern besitzt. Historisch war die Alte Straße von jeher Geschäfts- und Theaterstraße, heute jedoch nicht mehr. Dafür stehen stadtauswärts etliche schön renovierte Gebäude, richtige Villen, in denen nun Büros renommierter Firmen untergekommen sind. Unterbrochen wird unsere rumpelige Fahrt von zig Haltestellen, doch endlich erreichen wir das Ende der Canal Street und damit auch die Endhaltestelle der Bahn. Ein Wegweiser zeigt uns den Weg zum NOMA, direkt am riesigen City Park entlang, einer Naherholungsanlage, die es schon seit 1870 gibt. Die Besucher, die sich zum Wochenende hier eingefunden haben, genießen die Ruhe in kleinen Gruppen, Familien oder auch einzeln. Zwanglos kann man auf den Grasflächen sitzen oder sich ein Tretboot mieten. Hin und wieder steigt eine Wassersfontäne in dem Kunstsee empor. ![]() ![]() Das, was wir hier sehen, ist aber nur ein kleiner Ausschnitt des Parks, der mit vielen sehenswerten Ausstellungen und anderen Freizeitmöglichkeiten lockt. Der botanische Garten ist sicherlich sehenswert. Der City Park war während des Hurrikans Katrina zu 95 Prozent überschwemmt. Es gleicht einer Mammutaufgabe, den ganzen Dreck hinterher wieder wegzukarren und den Park in einen passablen Zustand zu versetzen. New Orleans Museum of Art (NOMA) Eigentlich bin ich wegen des Skulpturengartens hierhergekommen, doch bevor ich mich versehe, hat Alex schon zwei Eintrittskarten für das Museum gekauft. Hier lässt es sich klimatisch auf jeden Fall aushalten. ![]() Wir werden uns das Museum von oben erschließen, also von der 2. Etage aus, wo uns Artefakte aus Japan, Mikronesien, Kuba, verschiedenen afrikanischen Ländern und aus der Maya-Zeit (Mexiko, Guatemala, Honduras) erwarten. Eine beeindruckende Sammlung, die wir in europäischen Museen nicht alle Tage zu sehen bekommen. Im Geschoss darunter bewundern wir Gemälde moderner Kunst, eine Sammlung von Einzelstücken von Pollock, Kandinsky, Modigliani, Miró, Warhol und vielen anderen. Weiterhin Impressionisten wie Degás, sogar ein Bild von Georgia O’Keefe und eine Skulptur von Giacometti sind ausgestellt. Des Weiteren Gemälde aus der holländischen Schule und der europäischen Renaissance, dabei sehr eindrucksvolle Portraits. Viele der ausgestellten Kunstwerke erfordern mehr Zeit zur Betrachtung, doch es ist schon Spätnachmittag und bald wird das Gebäude geschlossen. Ich bin trotzdem froh über den Spontanentschluss eines Besuches des NOMA. Am besten haben mir die Artefakte aus Afrika und Mikronesien gefallen, weil ich solche bisher in der Fülle noch nicht zu sehen bekommen habe. Sehr eindrucksvoll. Skulpturengarten Doch nun hinaus zum Sydney and Walda Besthoff Skulpturengarten. Die Besthoffs https://noma.org/about-the-besthoffs/ waren über viele Jahrzehnte wichtige Persönlichkeiten in der Wirtschaft und sehr aktiv in der Kunstszene von New Orleans. Der Park wurde 2003 eröffnet, der Eintritt ist frei. Sein Eingang befindet sich links um die Ecke des NOMA-Eingangs. Die etwa neunzig ausgestellten Einzelstücke werden wir kaum schaffen. Eventuell gerade mal die Hälfte, daher konzentrieren wir uns nur auf die linke Hälfte des Parks. Die Nachmittagssonne wirft bereits ihre Schatten durch das Geäst der hohen Bäume und Pflanzen. Beschriftete Kunstwerke sind auf freien Flächen oder in Nischen platziert. Ich verstehe diese Art der Kunst eingebettet in die Landschaft, und so betrachte ich die Einzelstücke auch vor diesem Hintergrund. „Kunst und Natur in Harmony“ – so lautet auch die Überschrift zu dieser Ausstellung. ![]() Diana (Augustus Saint-Gauden) ![]() Great Seated Kardinal (Giacomo Manzù) ![]() Civitas (Audrey Flack) ![]() Rebus (Ida Kohlmeyer) ![]() Monkeys (Rona Pondick) Hinter jeder Wegbiegung erwarten uns neue Überraschungen. ![]() ![]() Window with Ladder - too late for help (Leandro Erlich) Der zentrale Wiesenplatz wird beschattet von riesigen Bäumen, die über und über von Spanish Moss behangen sind. Und dazwischen, davor und dahinter entdeckt man Kunstwerke. Die Anlage, ihre Aufteilung, Bepflanzung und die Platzierung der Sklupturen wurden mit Bedacht ausgewählt. Eine Oase der Ruhe und Erbauung, auch bei größerem Besucherandrang. Eine der für mich eindrucksvollsten Skulpturen steht auf einem - wie es scheint - eigens dafür angelegten kleinen Platz, der im Halbkreis von Bänken umrundet wird. Ein paar Jugendliche haben sich hier hingefläzt, offensichtlich finden sie diesen Ort für die Erörterung von „Ursache und Wirkung“ auch ganz interessant. Teile des Parks sind auch für Events, wie zum Beispiel Hochzeiten, buchbar. Weiße Bänke und Bistro-Tische sorgen für Eleganz mitten auf einer Wiese; die dazugehörige Gesellschaft sehen wir später am Eingang zum Garten. Auf das entspannte Flair bei einem Rundgang der Ausstellungsbesucher dürfte das wenig Einfluss haben, denn der Park ist weitläufig genug. Nach einem langen, heißen Tag könnte es ermüdend sein, sich die ausgestellten Skulpturen aufmerksam anzusehen. Stattdessen ist das Setting im Park einzigartig schön, die Figuren erregen Aufmerksamkeit, sind aber nie langweilig. Das Ausstellungsteam hat hier mit viel Bedacht Großartiges geleistet. Auch draußen im City Park sitzen noch viele Besucher auf den Wiesen rund um den Big Lake und genießen das Ruhe verströmende, warme Nachmittagslicht. Für alle, die mehr als nur zwei Tage in New Orleans sind und die mehr als nur das French Quarter sehen wollen, empfehle ich, hierher zu kommen, am besten schon morgens, um sich den riesigen Park anzuschauen, das Museum zu besuchen und einen ausgedehnten Bummel durch den Skulpturengarten zu unternehmen. Uns hat es jedenfalls bestens gefallen. Ganz in der Nähe soll ja ein Hurrikan-Katrina-Denkmal stehen. Sein Standort wundert mich nicht, befinden wir uns hier schon sehr nah am Pontchartrain-See, dessen Damm damals gebrochen ist und dessen Wassermassen das Museumsgebäude und den Skulpturengarten (nicht jedoch die Kunstsammlung im Museum) schwer beschädigt haben. Katrina, der die Geschichte der Stadt auf einen Nullpunkt gesetzt hat. Und dennoch – das Denkmal kennt hier niemand von den Jüngeren, die ich frage. Keine Ahnung, wo genau es stehen soll, und uns läuft die Zeit auch ein wenig davon. Also lassen wir es. Eine Straßenbahn steht gerade zur Abfahrt bereit, als wir an der Haltestelle ankommen. Als wir wieder am Hotel ankommen, ist es schon früher Abend. Viele Stunden waren es heute, die wir auf der Piste waren. Wir sind entsprechend geschafft. Ein wenig Ruhe auf dem Balkon täte gut, doch draußen pulsiert das laute Leben. Eine ausgelassene Hochzeitsgesellschaft tanzt gerade zu den flotten Tönen einer Brassband die Toulouse Street vor unserem Hotel hinunter. Das wird bestimmt ein rauschender Abend werden! Ob das die Braut ist, die gestern Abend, von ihren Brautjungfern schwer gestützt, komplett breit und mit trübem Blick die Bourbon Street hinunter geleitet wurde? Ein reichliches Abendessen haben wir uns heute auf jeden Fall verdient. In dem großen Lokal, das wir uns schon gestern Abend für heute ausgesucht hatten, werden wir heute nicht mehr bedient. Zu viele Leute stehen vor dem Eingang vor uns, zu viele sonstige Vorbestellungen werden abgefertigt, bevor auch nur eine Partei an einen Tisch aufrückt. Nach einer halben Stunde verlassen wir enttäuscht unseren Platz in der Reihe und finden ganz in der Nähe, an der Iberville, zwischen Dauphine und Bourbon Street ein Restaurant mit ausgezeichneter kreolischer Küche, freundlichen Angestellten und genügend Platz. Kein Anstellen ist notwendig, und trotz der obligatorischen Fernseher hinter dem Tresen werden wir nicht durch ein pausenloses Geplärre zum Wahnsinn getrieben, wie wir es beim Essen schon ertragen mussten. Ganz gemütlich und ohne Hektik verputzen wir die bestellten Meerestiere. Auch heute überzeugt wieder der unglaubliche Frische-Geschmack. Allein wegen der schmackhaften Zubereitung der Speisen würde ich immer wieder hierher kommen. Als wir unser ausgiebiges Mahl beendet haben und wieder nach draußen kommen, stellen wir fest, dass es wieder einmal geregnet hat. Vielleicht hat das die Gemüter auf der Bourbon Street etwas abgekühlt, doch je weiter wir auf unserem Nachhauseweg die Partymeile hinuntergehen, desto heftiger schallt es aus den Lokalen. So laut wie heute habe ich es an den Abenden zuvor noch nie empfunden. An einer Stelle, kurz vor dem Abzweig in die Toulouse, konkurrieren zwei gegenüber liegende Lokale darum, wessen Boxen die höchsten Dezibel aushalten. Noch während ich mit zugehaltenen Ohren versuche, einen Hörsturz zu vermeiden, züngelt mir plötzliche eine Schlange vor dem Gesicht herum. Mit knapper Not kann ich ausweichen. Was bin ich froh, als wir endlich von dieser Straße abbiegen. Doch selbst im Hotel sorgen irgendwelche Poser in Autos mit voll aufgedrehtem Sound (Rap aus der Hölle) vor unserem Fenster weiterhin dafür, dass wir uns nicht mehr auf unserem Balkon aufhalten können. Manche sind so laut, dass das Bett vibriert. Da wegen der hohen Anzahl der Fußgänger auf der querenden Bourbon Street oft Stau ist, bleiben die Lärmschleudern denn auch eine gewisse Zeit stehen und beschallen uns sehr intensiv. Wie furchtbar muss es erst sein, hier im Viertel zu wohnen und das Getöse Tag für Tag zu ertragen. Der Lärm jetzt am Wochenende hat zwar noch einmal zugenommen, doch während der Woche ist es auch nicht viel besser. Noch einen Tag werden wir in der Stadt verbringen. Ich freue mich schon auf unser Vorhaben am morgigen Abend. |